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Einleitung

Es begann vor 36 Jahren....

 

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Die Umweltkatastrophe ist nicht plötzlich über uns hereingebrochen. Der Laie wird mit ihr fast täglich konfrontiert, aber ihre Folgen spürt er mehr oder minder stark erst in den letzten Jahren.

Schon vor 36 Jahren  - und auch längst vor dieser Zeit - beschäftigte man sich mit der Verunreinigung von Luft, Boden und Wasser. Weit in die Zukunft schauend, gab mir deshalb Professor Arno Wetzel, Leipzig, das Doktorthema über <Auftreten, Verhalten und Bedeutung der Protozoen (Urtierchen) bei der Selbstreinigung des Wassers>.

Wie ein roter Faden zieht sich seit dieser Zeit eine Untersuchungsserie durch viele meiner Arbeiten, die sich mit der Bedeutung der Mikroorganismen für die Erhaltung oder Wiedererlangung von reinem Wasser und gesundem Boden befassen.

Aus diesen Arbeiten entstand im Laufe der Jahrzehnte eine spezielle Arbeitsrichtung der <Abwasserbiologie>. Auf die Abwasserbiologie kann heute die moderne Wasserwirtschaft nicht mehr verzichten. Sie umfaßt wichtige Arbeiten des Gewässerschutzes sowohl bei der Untersuchung von Bächen, Flüssen und Seen, als auch bei der Entwicklung neuer Klärsysteme, bei denen besonders Mikroorganismen beteiligt sind.

Das Phänomen der natürlichen Selbstreinigung des Wassers ist so faszinierend, daß man sich jahrzehntelang wissenschaftlich damit befassen kann. Organische Schmutzstoffe, in den Fluß gegeben, werden gleichsam von selbst abgebaut, wenn man ihnen nur genügend Zeit dafür läßt. Freier Sauerstoff im Wasser, große Ansatzflächen für die Mikroorganismen im Wasser und viel Turbulenz beschleunigen den Abbau der Schmutzstoffe.

Angefangen von den Bakterien, Algen und Pilzen über Urtierchen, Rädertierchen, Kleinkrebsen, Muscheln und Schnecken bis zum höchstentwickelten Glied in der Kette des Kreislaufs der organischen Substanz im Wasser, dem Fisch, sind die Lebensgemeinschaften im Wasser sinnvoll aufeinander abgestimmt. Der Mensch kann durch unüberlegtes Eingreifen, das oft nur auf materiellen Gewinn hin gerichtet ist, diese Lebensgemeinschaften zerstören, den natürlichen Kreislauf der organischen Substanz unterbrechen und dadurch die ursprünglich sauberen Gewässer in Kloaken verwandeln.

Große Fischsterben gibt es nicht erst in unseren Tagen. Die seit 1937 immer wieder auftretenden großen Fischsterben in der Saale, im Gebiet der sogenannten Bleilochsperre (Abb. 1), sind ein Beispiel von vielen. Schon vor 36 Jahren und noch früher war unsere Umwelt nicht immer in Ordnung. Fischsterben, vor allen Dingen, wenn es sich öfter wiederholt, ist ein untrügliches Zeichen für eine gestörte Wasserwirtschaft. Der Mensch muß irgend etwas falsch gemacht haben, wenn es zu solchen Zerstörungen der natürlichen Lebensgemeinschaft kommt. Kann man solche Katastrophen verhindern? Allerdings. Sobald die biologischen Zusammenhänge bekannt sind, die zu solchen Zerstörungen des Lebensraumes im Wasser führen, lassen sich praktische Methoden entwickeln, ihnen zu begegnen.

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Abb. 1   Fischsterben in der Saale-Talsperre (Bleilochsperre), verursacht durch Industrieabwässer, im Jahre 1937. Fischsterben gibt es schon lange vor Prägung des Wortes »Umweltschutz« 

Vor 36 Jahren begann in München Geheimrat Professor Reinhard Demoll Überlegungen darüber anzustellen, wie man breite Bevölkerungs­schichten auf die von ihm bereits vorausgesehene Umwelt­katastrophe rechtzeitig aufmerksam machen kann. Seine Gedanken führten später zu den bekannten Büchern <Ketten für Prometheus> und <Bändigt den Menschen>. 

Demolls Arbeiten auf dem Gebiet der Fischereibiologie, der Hydrobiologie und des Gewässerschutzes begannen 1917, zu einer Zeit, wo nur ganz wenige die weittragenden Bedeutungen dieser Arbeiten erkannten. Ohne seine Arbeiten in der damaligen Zeit wären die Weiterentwicklung der Fischereibiologie und der moderne Gewässerschutz gar nicht möglich.

Angeregt durch Demoll, dessen Lebenswerk ich im Amt übernehmen und fortführen durfte, konnte ich die interessanten umfangreichen Ergebnisse der Unter­suchungen an der Saale im Gebiet der Blei­loch­sperre in meiner Habilitationsarbeit zusammenfassen. Damit sollte schon vor 36 Jahren ein Zeichen gesetzt werden, wie sich Umweltkatastrophen zukünftig vermeiden lassen. Besonders sollte auf die Veränderung der Wasserqualität bei der Einleitung von Abwässern in stehende Gewässer hingewiesen werden. Im einzelnen sieht das folgendermaßen aus:

Die natürliche Selbstreinigung verläuft nämlich im fließenden Wasser ganz anders als im stehenden. Weiterhin ist es ein Unterschied, ob der See natürlichen Ursprungs oder vom Menschen künstlich geschaffen (als Talsperre bzw. Stausee) wurde. Wird in einen tiefen Stausee konzentriert Abwasser eingeleitet und hat dieser an der Staumauer einen Sohlenablaß, dann schichten sich die Abwässer, je nach ihrem Chemismus, in verschiedene Tiefen des Stausees zwischen die sauerstoffhaltigen Schichten ein; so kommt es, wie an der Saaletalsperre zum erstenmal festgestellt, zu ganz merkwürdigen Überschichtungen in der Wassertiefe (Abb. 2). Für viele Fische wirken diese übereinandergelagerten Zonen von schmutzigem Wasser wie Fallen.

Von Seen in Mitteleuropa mit mindestens 20 m Tiefe war schon seit über 70 Jahren bekannt, daß sich während des Sommers ihre Wassermassen schichten. Solche Schichtungen kommen dadurch zustande, daß die Sonne in das Seewasser bis etwa 10-15 m eindringt und diese obere Zone vom Strahlungsklima beherrscht wird. In dieser oberen Wasserzone eines Sees leben die meisten Organismen (Abb. 3). 

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Abb. 2 
Schichtungen in der Saaletalsperre (Bleilochsperre) 
von schwefelwasserstoffhaltigem Wasser (schwarz) und sauerstoffhaltigem Wasser (weiß oder schraffiert)

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Mißt man während der Sommermonate die Wassertemperatur von der Oberfläche eines Sees zum Boden hin, so fällt sie nicht, wie man annehmen sollte, gleichmäßig von der Oberfläche zur Tiefe ab, sondern macht an der unteren Grenze der Wirkung des Strahlungsklimas einen Sprung (man spricht von einer nur millimeterdicken Sprungschicht) und nimmt erst dann wieder allmählich zur Seetiefe ab. Ein tiefer See besteht demnach während der Sommermonate aus zwei »Stockwerken«: dem oberen, der das Etikett »Strahlungsklima« trägt, und dem unteren, der das Schild »Monddämmerung« hat; denn in diesen Tiefen herrscht ein fahles Licht, das etwa dem Mondlicht entspricht. Diese zwei Stockwerke haben einen dünnen, aber dichten Zwischenboden.

Schon vor 36 Jahren wurde am Beispiel der Saaletalsperre klar, wie unterschiedlich die Selbstreinigung in einem tiefen, stehenden Gewässer im Vergleich zu einem flachen, fließenden sein muß. In heutiger Zeit spielen diese Wasserzonierungen deshalb eine so große Rolle, weil man bei der Gewinnung von Wasser aus Seen zu Trinkwasserzwecken sich diese Zonierung nutzbar macht und das Wasser erst unterhalb der sogenannten Sprungschicht entnimmt. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Wasserversorgung Baden-Württembergs aus dem Bodensee.

 

 

 

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Bevor man aus den Untersuchungen an der Saaletalsperre, verglichen mit natürlichen Seen, Schlußfolgerungen im Hinblick auf den Umweltschutz zog (wie dies dann in den Jahren 1955 bis 1970 geschah), waren andere Untersuchungen erforderlich, um die verschiedenen Stufen der Selbstreinigung eines Gewässers klassifizieren zu können. Schon die Leipziger Untersuchungen über die Bedeutung der Mikroorganismen bei der natürlichen Selbstreinigung hatten eine Bestätigung der um 1910 veröffentlichten Untersuchungen der Berliner Kolkwitz und Marson gebracht, bei denen Pflanzen und Tiere des Wassers, soweit sie empfindlich bzw. unempfindlich gegenüber Fäulnisstoffen waren, in vier Klassen eingeteilt worden waren.

Im I. Band des Handbuches der Frischwasser- und Abwasserbiologie ist analog der oben geschilderten Beobachtungen ein Wassergütesystem aufgestellt worden, das die Oberflächengewässer in vier Güteklassen einteilt; hierbei ist jede einzelne Klasse durch bestimmte biologische, bakteriologische, chemische und physikalische Merkmale gekennzeichnet. Diese vier Güteklassen wurden mit Farben klassifiziert und zuletzt im Wassergüte-Atlas vorgestellt. Der Laie soll dadurch die Möglichkeit erhalten, mit einem Blick auf die Wassergütekarte ein Gewässer nach seiner Qualität beurteilen zu können.

Die in der Natur gewonnenen Ergebnisse über die natürliche Selbstreinigung müssen im Interesse des Umweltschutzes bei der Schaffung von Kläranlagen berücksichtigt werden. Ihre Aufgabe ist es ja, auf kleinstem Raum und in kürzester Zeit das zu bewerkstelligen, was die Natur in dem natürlichen Selbst­reinigungs­prozeß über größere Flußstrecken hin entwickelt. Der II. Band des Handbuches der Frischwasser- und Abwasserbiologie behandelt vom Standpunkt des Naturwissenschaftlers alle Einzelprobleme der Abwasserklärung.

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Dabei hat sich herausgestellt, daß überraschend viele mikrobiologische und chemische Fragen bei den verschiedenen Klärsystemen wenig oder nur ungenügend beantwortet werden konnten. Deshalb gründete ich — als Abteilung der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt — im Jahre 1958 das Abwasserversuchsfeld in Großlappen bei München (Abb. 4). Es umfaßt inzwischen im großtechnischen Maßstab alle wichtigen Systeme der mechanischen, biologischen und chemischen Abwasserklärung. Darüber hinaus enthält es ein System von vier Flußrinnen, jede 1 km lang, so daß der Ablauf aus vielen Klärsystemen in Flußrinnen über große Strecken hin verfolgt werden kann (Abb. 5).

Der beste biologische Indikator, den wir im Wasser kennen, ist der Fisch. Je mehr Fischarten im Wasser vorhanden sind, um so gesünder ist es. Schon Demolls Vorgänger, Professor Hofer, hatte dieses erkannt und im Jahre 1908 die Teichwirtschaftliche Abteilung in Wielenbach bei Weilheim gegründet. Ich konnte sie, zusammen mit der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt, von Demoll 1954 übernehmen und sie von ursprünglich 30 ha auf 85 ha vergrößern (Abb. 6).

    

Abb. 4  Teilansicht des Abwasserversuchsfeldes der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt in München
 mit 12 verschiedenen Systemen zur mechanischen und biologischen Abwasserreinigung

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Abb. 5  

Flußrinnensystem von vier Flußrinnen von je 1 km Länge zum Studium der natürlichen Selbstreinigung ohne Beeinflussung von Außenfaktoren auf dem Abwasserversuchsfeld München

 

 

   

Abb. 6 

Luftaufnahme der Fischereibiologischen Abteilung Wielenbach der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt in Wielenbach bei Weilheim

 

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Dank der Unterstützung des Landes Bayern und der Bundesregierung konnte nach unseren eigenen Angaben 1960 ein modernes Gebäude in München bezogen werden, so daß dieser Neubau, zusammen mit der Teichwirtschaftlichen Abteilung in Wie-lenbach und dem Abwasserversuchsfeld in Großlappen, ein einzigartiges Instrumentarium darstellt, Forschungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes zu betreiben.

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich ein reger Austausch mit der Industrie, besonders über ihre Sorgen mit der Beseitigung von giftigen Abwässern. Zunächst war es nötig, eine Zusammenstellung aller Giftstoffe zu liefern, die niedere und höhere Organismen in Teichen, Flüssen und Seen, aber auch in der Kläranlage, vernichten können, sowie deren Schädlichkeitsgrenzen festzulegen.

 

   

Abb. 7  

Mechanische Stufe (erste Reinigungsstufe oder Vorklärung), 

besonders für kommunale Abwässer

 

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Im II. Band des Handbuches der Frischwasser- und Abwasserbiologie, der 1960 erschien, nimmt deshalb das Kapitel über die Giftwirkung einen breiten Raum ein. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist unser Leben in immer stärkerem Maß der Schädigung durch Giftstoffe ausgesetzt worden, so daß auch hierdurch große Gefahren auf uns zukommen.

Die Untersuchungen an der Saaletalsperre und der Vergleich der dort gewonnenen Ergebnisse mit natürlichen Seen sowie die Studien über die Selbstreinigung auf dem Abwasserversuchsfeld führten in den letzten zwanzig Jahren zu folgenschweren Erkenntnissen. Ein heute übliches Kläranlagensystem zur Reinigung von städtischen Abwässern besteht in der Regel aus zwei Stufen: der mechanischen und der biologischen. Die mechanische Stufe (Abb. 7) beruht darauf, die groben Sperrstoffe sowie Sand und ungelöste organische Substanzen zurückzuhalten. Wenn diese erste Stufe gut funktioniert, kann sie maximal 30% der Gesamtschmutzstoffe entfernen. 

Die nachgeschaltete biologische Stufe beruht darauf, daß man die gelösten organischen Substanzen in Bakterienmasse überführt. Man spricht z.B. bei einem Verfahren, dem sogenannten Tropfkörper, vom biologischen Rasen, oder bei einem anderen Verfahren, dem sogenannten Belebungsverfahren, von belebtem Schlamm. Man sieht auch durch das Mikroskop, daß es sich um »biologischen Rasen« (Abb. 8) und »belebten Schlamm« (Abb. 9) handelt. Arbeitet die Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen in einer solchen biologischen Kläranlage gut und wird sie nicht durch Giftstoffe geschädigt, so können rund 80 bis 85 % der fäulnisfähigen organischen Substanzen durch diese zweite biologische Stufe der Kläranlage aus dem Wasser entfernt werden. Die trotz biologischer Klärung noch im geklärten Abwasser zurückbleibenden Substanzen bestehen aus organischen Reststoffen, aus Stoffwechselprodukten der Mikroorganismen, die dem geklärten Abwasser eine bräunlich-gelbe Farbe verleihen können, aus Phosphor- und Stickstoffverbindungen und aus Viren. Von letzteren weiß man neuerdings, daß sie von den zwei Stufen der üblichen Kläranlage — also auch durch die biologische — völlig unbeeinflußt bleiben.

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Abb. 8

»Belebter Rasen« auf den Schlackenkörpern eines Tropfkörpers, bestehend aus vielen Wimpertierchen.

Vergr. 400fach

 

 

    

Abb. 9

»Belebtschlamm« von der Flocke eines Belebungsbeckens mit sehr vielen bakterienfressenden Glockentierchen

Vergr. 400fach 

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Wenn biologisch geklärtes Abwasser in Flüsse geleitet wird, sorgt die natürliche Selbstreinigung dafür, daß die noch im biologisch geklärten Abwasser enthaltenen Restsubstanzen vernichtet werden. Voraussetzung dafür ist aber, daß die Vorbedingungen der intensiven natürlichen Selbstreinigung vorhanden sind. Unter diesen spielt die Wirbelströmung, die sogenannte Turbulenz, eine große Rolle.

Leitet man dagegen biologisch geklärtes Abwasser nicht in Flüsse, sondern in Seen ein, fehlt die Turbulenz, so daß die noch im biologisch geklärten Abwasser enthaltenen Restsubstanzen nicht oder nur unvollständig abgebaut werden können. Aus den Untersuchungen ergibt sich die für den Umweltschutz wichtige, bis heute zu wenig beachtete Tatsache, daß es aufgrund unseres heutigen Wissens ein Kunstfehler ist, biologisch geklärtes Abwasser in stehendes Wasser einzuleiten.

Diese Erkenntnisse und die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen haben mich in den letzten Jahren sehr beschäftigt. Schon 1952 hatten wir am Beispiel des Schliersees, der damals untersucht wurde, feststellen müssen, daß jeder Tropfen Abwasser, auch wenn es biologisch geklärt ist, vom See ferngehalten werden muß. Die Ingenieure zogen aus diesen naturwissenschaftlichen Untersuchungen die notwendigen technischen Folgerungen und entwickelten ein System von Ringleitungen, durch die alles Abwasser vom See ferngehalten wird. Nach den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Untersuchungen an den beiden oberbayerischen Seen Schliersee und Tegernsee haben die zuständigen technischen Fachbehörden in Bayern erstmalig Teil- bzw. Vollringleitungen um diese Seen gelegt. Bei solchen Ringleitungen werden die Rohabwässer in Kanäle zusammengefaßt und darin um den gesamten See geleitet; erst am Ablauf des Sees wird für alle Seegemeinden gemeinsam eine große mechanisch-biologische Kläranlage gebaut.

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Wenn der Fluß oder See für Badezwecke oder zur Gewinnung von uferfiltriertem Oberflächenwasser als Trinkwasser benützt werden soll, genügt die biologische Reinigung nicht. Deshalb werden sich unsere Arbeiten in der Zukunft stark mit der noch weitergehenden Abwasserreinigung beschäftigen. Es sind verschiedene Verfahren des In- und Auslandes auf dem Versuchsfeld zu testen, um aus dem biologisch geklärten Abwasser die organischen Reststoffe, die Phosphor- und Stickstoffverbindungen und die Viren, herauszubekommen.

Umweltschutz kann nicht von einer Fachdisziplin allein betrieben werden. Gemeinsame, aufeinander abgestimmte Untersuchungen von einzelnen Fachdisziplinen sind erforderlich. Auf dem wichtigen Gebiet der Wasserwirtschaft ist eine besonders enge Koordinierung des Naturwissenschaftlers mit dem Ingenieur erforderlich. Diese Überlegungen führten in München vor 23 Jahren dazu, die inzwischen als Münchner Abwasserbiologischen Kurse international bekannten Einrichtungen zu schaffen. Ingenieure, Hygieniker und Naturwissenschaftler haben zweimal im Jahr Gelegenheit, sich intensiv mit den Problemen der Abwasserbiologie zu beschäftigen, wobei der Frühjahrskurs stets eine thematisch gleichbleibende Einführung bietet, während der im Herbst stattfindende alljährlich im Thema wechselnde Kurs der Fortbildung dient. 

23 Bände der Buchreihe »Münchner Beiträge zur Abwasser-, Fischerei- und Flußbiologie« enthalten die für den Umweltschutz wichtigsten Ergebnisse der jeweiligen Herbstkurse, wie sie in über zwei Jahrzehnten gewonnen wurden. Über zehntausend Teilnehmer aus Forschung und Praxis — Ingenieure, Biologen, Chemiker, Tierärzte und Hygieniker aus allen Teilen Europas und des außereuropäischen Auslandes — haben diese Kurse besucht und ihrerseits dafür gesorgt, daß die naturwissenschaftlichen Ergebnisse des Umweltschutzes weitergetragen werden. 

Rege Diskussionen, die an jedem Kurstag stattfinden, geben Gelegenheit, Sorgen und Wünsche der Praxis an die Forschung heranzutragen und andererseits vor den Folgen der Einleitung unsachgemäß gereinigter Abfallprodukte in Oberflächenwasser zu warnen. Die Forschung auf dem Gebiet des Umweltschutzes zeigt eine stürmische Entwicklung. Wichtige Erkenntnisse müssen schnell publiziert werden. Aus diesem Grunde gebe ich seit 1968 die Zeitschrift »Wasser- und Abwasser-Forschung« heraus.

Moderne Umweltforschung muß in enger Beziehung zu Unterricht und Praxis stehen. Es war mir deshalb stets wichtig, unser Wissen an den akademischen Nachwuchs weiterzugeben; denn er muß das weiterführen, was wir Älteren in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben. Die drei Säulen des modernen Umwelt­schutzes sind Lehre, Forschung und Praxis. 

Das Beispiel München lehrt, daß es möglich ist, diese drei Gebiete miteinander zu vereinen. Seit 1954 habe ich den Lehrstuhl für Zoologie, Parasitologie und Hydrobiologie an der Universität München inne und bin zugleich Vorstand der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt. Diese Anstalt ist als eine der Zentralen Landesbehörden dem Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen unmittelbar nachgeordnet.

Grundlagenforschung zu betreiben, ist die erste Aufgabe des Wissenschaftlers. Doch dabei sollte er nicht stehen bleiben. Die Wege zur praktischen Verwirklichung aufzuzeigen und diese Erkenntnisse der gesamten Bevölkerung nutzbar zu machen, sehen meine Mitarbeiter und ich als ihre wichtigste Aufgabe an. Ob der Direktor eines großen Industriekonzerns sich über Abwasserbeseitigung informieren will oder ob ein junger Student in der Vorlesung etwas über Umweltprobleme hören möchte, jederzeit findet er bei uns ein offenes Ohr. Man ist bereit, ihn anzuhören, Hilfe zu geben in Kursen, Seminaren, Exkursionen, Schriften, Diskussionen und auf diesem Wege mit jedermann an der besseren Gestaltung unserer zukünftigen Umwelt mitzuwirken.

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  Hans Liebmann 1973