Start    Weiter

Teil 1   Auf dem Wege in die Umweltkatastrophe  

1 Unsere gute alte Erde

2 Wald 

 

29-39

Wir wissen heute durch die Mondflüge, daß es weder den Mann auf dem Mond gibt, noch daß dort irgendwelche andere Lebewesen existieren können. Erschüttert vom trostlosen Wüstencharakter dieses Erdtrabanten, berichteten die Raumfahrer vom Mond aus über das saphirblaue Leuchten des Planeten »Erde« und sprachen, umgeben von der leblosen Wüstenlandschaft, auf die sie als erste Menschen ihren Fuß gesetzt hatten, von der »guten Mutter Erde«.

Warum verdient unser Planet wahrhaft diesen Ausdruck? 

Neben den bekannten Tatsachen, die für das Leben auf der Erde Voraussetzung sind, wie Sauerstoff, Wasser, Kohlenstoff und Klimazonen, spielt die Bereitschaft des Bodens, Pflanzen zu tragen, von denen sich wiederum Tiere ernähren können, die entscheidende Rolle. Rund zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Meeren bedeckt. Das restliche Drittel ist zu 24% unbewohnbar, weil es aus Felsregion oder Sandwüsten besteht bzw. unter Eis liegt. Es bleiben von dem einen Drittel Land nur 76% übrig, die für die menschliche Ernährung genutzt werden können.

Welche Bedingungen müssen dort vorhanden sein, um das Wachstum von Pflanzen auf der Erde zu ermöglichen? 

Sieht man von den Möglichkeiten der Ernährung des Menschen aus Meer und Süßwasser ab, so spielt die Humusdecke zur Erhaltung seines Lebens die entscheidende Rolle.

Eine Humusdecke bildet sich unter natürlichen Bedingungen über lange Zeiträume hin dann, wenn dem Boden organisch abbaubares Material unter gleichzeitiger Anwesenheit von Feuchtigkeit das ganze Jahr über zur Verfügung steht. Es bildet sich dann im Boden eine Lebensgemeinschaft von kleinsten Organismen, die besonders aus Bakterien und Pilzen besteht (Abb. 10). Die Humusdecke ist in den begünstigsten Klimazonen der Erde gleichmäßig verteilt. Für ihren Aufbau und ihre Erhaltung muß aber Sorge getragen werden. Mikroorganismen können im Boden nur bis zu einer gewissen Tiefe ihnen zusagende Lebensbedingungen finden. 

Im Durchschnitt hat die belebte obere Erdschicht, die wir als Humus bezeichnen, eine Tiefe von nicht mehr als 30 bis 50 cm. Geht man von 40 cm Schichtstärke des belebten Bodens aus und bedenkt man, daß nur 22,3 % der Erde für die Bildung einer Humusdecke die dafür notwendigen Voraussetzungen liefern, so ergibt sich maximal eine Fläche von 113,752.508 km2, die für Pflanzenanbau auf der Erde geeignet ist. Wenn man diese Fläche mit einer Ausnutzung durch die Pflanze bis zu 40 cm Tiefe zugrunde legt, ergibt sich für die Erde bei einem Gesamtvolumen von 1,083 • 10h12 km3 eine Masse von nur 1,6 • 10h12 Tonnen Humus. 

Von der Ernährung aus dem Wasser abgesehen, lebt demnach die Menschheit von den Stoffwechselprozessen, einer im Vergleich zum Erddurchmesser winzig dünnen Schicht von Kleinlebewesen im Humus.

 

   

Abb.10:   Humusanteil im Boden der Erde

 

30


Ein Wachstum der Menschheit ist von der Erhaltung und der Ausbreitung dieser Humusdecke abhängig. Betreiben die Menschen Raubbau an ihr, graben sie sich buchstäblich die Möglichkeit ab, künftig in noch größerer Zahl auf der Erde leben zu können. Mit unseren modernen Großbaggergeräten kann eine natürlich gewachsene Humusdecke innerhalb weniger Stunden zerstört werden. Was in Millionen von Jahren der Entwicklungsgeschichte unserer Erde entstand, wird mit Maschinen, die von Menschenhand geschaffen sind, in kürzester Zeit vernichtet. 

Diesem Mechanismus der Selbstzerstörung muß Einhalt geboten werden. Die Veränderungen, die durch Eingriffe des Menschen seit Beginn dieses Jahrhunderts erfolgt sind, haben weiterreichende Folgen als alles, was seit Erscheinen des Homo sapiens auf dieser Erde bis zum Beginn dieses Jahrhunderts geschah. Der Schwund der Humusdecke erfolgt nicht etwa parallel mit einer Verminderung der Erdbevölkerung, sondern die Zahl der Menschen nimmt explosionsartig zu, die Humusdecke aber katastrophal rasch ab.

In der Bundesrepublik Deutschland werden rund 90% des Bodens für Land- und Forstwirtschaft genutzt, während 10% als Standorte für Siedlungen und Industrien dienen. Jährlich gehen somit hier Tausende von Hektar land- und forstwirtschaftlich genutzter Bodenfläche für Siedlungen, Industrien und Verteidigungsanlagen verloren. Vom Jahre 1900 bis zum Jahre 1955 betrug die Zweckentfremdung des Bodens 2,5 Millionen ha oder 10% der Gesamtfläche der Bundesrepublik. Gleichzeitig mit diesem Verlust an Bodenmasse erfährt der Boden einen starken Verlust an Qualität. Das gesamte biologische Gefüge einer Landschaft zerfällt nämlich mit dem Schwund der Humusdecke.

31


Eine Berechnung der Bundesregierung aus dem Jahre 1971 zeigt den Landbedarf bis 1980 auf. Danach werden für Siedlungszwecke bis zu diesem Zeitpunkt 290.000 ha, für Straßenbau 120.000 ha, für Flughäfen 11.000 ha und für militärische Anlagen 33.000 ha, also insgesamt 454.000 ha, benötigt, das sind jährlich 40- bis 50.000 ha. Dabei muß man sich im klaren sein, daß in diesen Zahlen der Platzbedarf für Industrie und Gewerbe noch nicht enthalten ist.

Der Schwund der Humusdecke spielt nicht nur bei uns eine zunehmende Rolle, er beginnt sich »weltweit« auszuwirken.

Wie den Berichten der Welt­gesund­heits­organisation zu entnehmen ist, sterben jährlich rund 20 Millionen Menschen an direkten und indirekten Folgen der Unterernährung. Darüber hinaus gehen viele Menschen jährlich an Seuchen zugrunde. Der Anstieg der Nahrungsmittelproduktion hält mit dem Wachstum der Erdbevölkerung nicht Schritt. Die Weltbevölkerung wird sich, die jetzige Vermehrungsrate vorausgesetzt, in den nächsten 30 Jahren verdoppelt haben. Wovon soll sie sich ernähren?

Es ist bekannt, daß die Mindestmenge an Nahrungsmitteln je Kopf und Tag 2200 Kalorien beträgt; davon müssen 80 g Eiweiß und von diesen wieder 30 g tierisches Eiweiß sein. Unter Zugrundelegung dieser Mindestkalorienmenge kommt die Weltgesundheitsorganisation zu der Feststellung, daß nur 1/7 der Menschheit ausreichend ernährt ist, und daß sich dieses Siebentel auf Nord-, Mittel- und Westeuropa, USA, Kanada, Argentinien, Chile, Uruguay, Australien und Neuseeland konzentriert. Rund die Hälfte der Menschheit in den anderen Erdteilen hungert. 

85 % der Weltbevölkerung verfügt bei ihrer Ernährung über zu wenig Eiweiß. Wenn nun jene 400 Millionen Menschen auf der Erde, die heute ausreichend ernährt sind, auf 20% ihrer Nahrungsmittel verzichten würden, hätten die übrigen hungernden Millionen nur um 3 % mehr zu essen. Eine gleichmäßige Verteilung der Nahrungsmittel wäre nur dann auf der Erde möglich, wenn 40 % der Nahrung der sogenannten »reichen Völker« auf die »armen« verteilt würden. Geschähe das, so wären aber auch die jetzigen reichen Völker unterernährt — mit anderen Worten:

32


Bei der heutigen Nahrungsmittelproduktion der Erde wäre, eine völlig gleichmäßige Verteilung der Nahrung vorausgesetzt, die gesamte Menschheit einer Hungerration preisgegeben; denn selbst wenn die gesamten nordamerikanischen Lebensmittelüberschüsse eines Jahres unter die Hungernden der Welt verteilt würden, würde das in einem Monat nur eine Tasse Reis pro Person ergeben. In Asien leben 56 % der Erdbevölkerung, die nur 17 % der Weltnahrung erzeugen. Nur 30-35 % der Erdbevölkerung können als »satte Völker« gelten; sie besitzen 80 % und produzieren 80 % der Nahrungsmittel. Die Nachricht, daß die Zahl der Kalorien, die pro Kopf der Weltbevölkerung zur Verfügung steht, von Jahr zu Jahr sinkt, ist alarmierend. 1939 galten 50% der Menschheit als unterernährt, 1960 waren es bereits 75 %.

Der tägliche Verlust an Humusboden auf der Welt beträgt Tausende von Hektar. Da sich die Erdbevölkerung jährlich um 63 Millionen Menschen vermehrt, wären jährlich rund 130.000 Hektar humusreiches Neuland zusätzlich erforderlich. Die Neulandgewinnung hält aber mit dem Raubbau des Bodens nicht Schritt.

Aus dieser nüchternen Gegenüberstellung von Zahlen ergibt sich, daß jede sich bietende Gelegenheit zur Erhaltung und Gewinnung von Humus ausgenutzt werden muß. Doch wo und wie kann auf der Erde dieser erforderliche Bedarf in Zukunft gedeckt werden? Wenn zu dem jetzigen alarmierenden Schwund der Humusdecke der Erde andere nachteilige Einflüsse auf Mensch und Tier, z.B. Verschlechterung von Luft und Wasserqualität, hinzukommen, muß es zwangsläufig zu einer Katastrophe kommen.

Zunahme der Bevölkerung bedeutet zwangsläufig Zunahme der Abfälle. Ein hoher Prozentsatz dieser Abfälle besteht aus organischem Material und kann durch Kompostierung zu Humus umgeformt werden. Durch die Abfallkompostierung können sowohl die festen Abfälle aus Haushaltungen als auch die ungiftigen organischen Abfälle aus Gewerbe und Industrie mit dem häuslichen Abwasserschlamm aus der Kläranlage voll verrottet werden.

33


Der Verrottungsvorgang ist ein natürliches Verfahren, das lediglich durch technische Maßnahmen zeitlich verkürzt wird. Das durch Verrottung gewonnene humusreiche Material ist im Vergleich zum Ausgangsprodukt sowohl an Menge als auch an Gewicht stark verringert. Man kann durch die Kompostierung auf ideale Weise Abfall beseitigen und Humus gewinnen: Man muß dabei auf die Einhaltung des optimalen Wassergehaltes und auf die Zufuhr von genügend Luft — entweder durch periodische Messungen oder durch künstliche Belüftung — achten, um einen schnellen Ablauf des Rottevorganges zu erreichen.

   #

 

2. Oh, du armer, schöner Wald...  

 

 

Der Wald spielt für den Aufbau der Humusdecke, für den Ausgleich des Wasserhaushalts und des Klimas in der Landschaft eine entscheidende Rolle. Ohne einen bestimmten Prozentsatz Wald sind Landwirtschaft und Wasserwirtschaft nicht zu betreiben, die Grundlage für die Existenz von Leben nicht zu erhalten. Aus diesem Grunde sind heute viele Staaten der Erde bemüht, durch Gesetze der zu starken Abholzung Einhalt zu gebieten. Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland von 248.546 km2 trägt rund 72.000 km2 Wald. Das sind 28,8 % der gesamten Fläche. Durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen ist dafür gesorgt, daß nach Rodungen großer Waldflächen kurzfristig wiederaufgeforstet werden muß. In der Schweiz gibt es z.B. ein Gesetz, das jegliche Abholzung von Wäldern, auch wenn sie danach wieder aufgeforstet werden, einer besonderen staatlichen Genehmigung unterwirft. So sollte es auch bei uns sein! Besonders für den noch in Privatbesitz befindlichen Wald, z.B. den sogenannten Bauernwald, trifft dies zu.

34/35

Die ursprüngliche Form des Waldes in Mitteleuropa ist der Mischwald, d.h. Nadel- und Laubhölzer etwa im gleichen Verhältnis. Diese natürliche Form entspringt einer Lebensgemeinschaft von niederen und höheren Pflanzen und Tieren, sowohl »über« wie »in« dem Waldboden, die dafür sorgt, daß einzelne Organismengruppen als Schädlinge nicht überhandnehmen können. Ein Beispiel ist das Auftreten von Kohlweißlingen in den künstlichen Monokulturen von Fichtenwäldern. Die Schäden, die durch deren Raupen gesetzt werden, entstehen durch Schuld des menschlichen Eingreifens. Im Mischwald halten sich in den Laubbäumen Schlupfwespen, die ihrerseits natürliche Feinde der Raupe des Kohlweißlings sind. Die Weibchen der Schlupfwespen sind mit einer langen Legeröhre ausgerüstet, mit deren Hilfe sie ihre Eier in lebende Raupen des Kohlweißlings legen. Die später aus den Eiern herausschlüpfenden Larven der Schlupfwespe fressen praktisch von innen her die Raupe auf.

Ein Laubwald oder ein Mischwald ist ein hervorragender Produzent von Humus. Während Monokulturen von Fichtenwäldern zu einer Versäuerung des Bodens führen, reagiert der Boden sowohl von Laubwald wie auch von Mischwald nicht sauer, so daß günstige Bedingungen für den Aufbau der Humusdecke gegeben sind. Die breiten Kronen der Bäume bremsen bei gewitterartigem Regen durch den wiederholten Aufprall des Wassers auf die Blätter die Sturzwirkung des Wassers auf den Boden ab, so daß die Humusdecke nicht abgeschwemmt wird. Das Wasser, von den Kronen der Bäume tropfend, sickert allmählich in den Boden ein. Es sorgt einmal für eine gleichmäßige Durchfeuchtung und damit für günstige Lebensmöglichkeiten der Mikroorganismen im Boden, und zum anderen für eine Speicherung des Wassers im Boden. Eine — durch Schirme der Baumkronen vor zu starker Sonnenstrahlung geschützte — Humusdecke gibt das in ihr gespeicherte Wasser während der Trockenperioden nur ganz allmählich ab. Der gesunde Wald besitzt also eine landschafts-erhaltende Funktion: Er ist als Wasserspeicher von großer Wichtigkeit.

35


Der Wald ist in seinem Wasserverbrauch sparsam. Während wir heute zur Produktion von 1 Tonne Kunstseide bis zu 8000 m3 Wasser benötigen, begnügt sich der Wald zur Produktion von 1 Tonne Nadelholz mit 107 m3, von 1 Tonne Laubholz mit rund 435 m3. Eine freistehende hundertjährige Buche hat mit ihrer Krone nur eine Standfläche von rund 150 m2. Ihre rund 800.000 Blätter haben jedoch eine Oberfläche von 1600 m2. Da aber das einzelne Blatt aus Zellen und Zellwänden besteht, vergrößern diese die Oberfläche des Blattes etwa um das 100fache, so daß wir mit einer Gesamtoberfläche von 160.000 m2 auf einer Standfläche von nur 150 m2 rechnen können. Schon eine Blattfläche von nur 25 m2 könnte an einem sonnigen Tag soviel Sauerstoff ausscheiden, wie ein Mensch im gleichen Zeitraum für seine Atmung verbraucht. Wird diese alte Buche gefällt, müßten 2500 junge Bäume gepflanzt werden, um den gleichen Funktionswert zu erhalten. Das Pflanzen und die Beschaffung von 2500 jungen Bäumen erfordert aber einen Kostenaufwand von 25.000 DM.

Je ungleichmäßiger die Niederschläge im Jahr verteilt sind, z.B. plötzlicher Monsunregen, um so wichtiger ist die abbremsende Wirkung der Baumkronen zum Schutz des darunterliegenden Bodens. Die heutigen Urwaldgebiete der Erde tragen nicht deshalb viele hohe Bäume, weil der Boden »fruchtbar« ist, sondern über lange Zeiträume hin, bedingt durch das feuchtwarme Klima, entstanden hohe Bäume mit dichten Baumkronen, die als sogenannter »Primärurwald« die unter ihnen befindliche Vegetation schützen und den Boden vor dem Auslaugen bewahren. 

Wenn diese schützende Decke des Primärurwaldes durch das Fällen der Baumriesen fortgenommen wird, kann der tropische Regen mit unverminderter Wucht auf die darunterstehenden niederen Bäume und Büsche mit nicht so dichten Kronen oder gar unmittelbar auf den Boden fallen, so daß dieser abgeschwemmt wird. Untersuchungen im Amazonas-Gebiet haben ergeben, daß der gerodete Urwaldboden keineswegs fruchtbar ist, und daß er darüber hinaus durch das Fehlen der schützenden Baumkrone rasch »in Bewegung« gerät. Damit kommen wir zu einer weiteren wichtigen Ursache der Zerstörung der Humusdecke.

36


Abb. 11  Kombinierte Rutsch- und Erosionsform im Schwarzachental, Forstamt Ruhpolding-Ost

 

 

Wenn nach Zerstörung der schützenden Pflanzendecke der Boden entweder durch eindringendes Wasser (Abb. 11) oder durch Staubstürme in Bewegung gerät (Abb. 12), bezeichnet man dies als »Erosion«. Wenn Bodenerosionen ein bestimmtes Ausmaß erreicht haben, wird das Land steril. Die Auswirkungen von Rodungen lassen sich in ihren verheerenden Folgen überall auf der Welt verfolgen. So schreiben z.B. die beiden Jacks und White: 

 

»Die Wüsten von Nordchina, Persien, Mesopotamien und Nordafrika erzählen alle die gleiche Geschichte von langsamer Erschöpfung des Bodens durch steigende Anforderungen infolge der sich ausbreitenden Zivilisation — er ist so ausgenutzt worden, daß ihm keine Kraft zur Wiederherstellung mehr übrig blieb. Und der Erschöpfung des Bodens folgte natürlich — wie das jetzt der Fall ist — die Erosion. 

Die alten Heimstätten der chinesischen Kultur im nord-westlichen Lößbodengebiet gleichen jetzt einem riesenhaften tiefgefurchten Schlachtfeld, von vernichtenderen Kräften zerrissen, als es die modernen Kriegsmaschinen sind. Die Skulptur dieser phantastischen Landschaft ist das größte Werk der chinesischen Zivilisation.

Auf weiten Strecken ist der einstmals tiefe und fruchtbare Boden völlig verschwunden; als er weggespült wurde, entstanden klaffende Spalten, manchmal mehrere hundert Fuß breit und tief; in dem darunterliegenden Löß lagerten sich die erodierten Bestandteile auf den Talsohlen ab oder flossen weiter in die Ströme und dann ins Meer. Der Gelbe Fluß und das Gelbe Meer tragen ihre Namen zu Recht, denn sie sind gelb gefärbt von der Erde, die immer noch aus dem jetzt kahlen Lößhinterland in sie hineinströmt. Mehrere hundert Meilen nach den erodierten Gebieten und wieder Hunderte von Meilen längs seines Laufes hebt sich das Bett des Gelben Flusses durch die immerwährende Ablagerung erodierter Erde höher und höher über das umgebende Land. 

37-38


Die Quellwasser, die jetzt nicht mehr von porösem Boden aufgesogen werden, reißen die Berghänge in ihre wachsenden Ströme, und die furchtbarsten Überschwemmungen der Welt — einst wurden sie als Heimsuchungen des Himmels betrachtet — sind jetzt normale, ja erwartete Geschehnisse. Der Gelbe Fluß trägt jedes Jahr eine Ladung von 2500 Millionen Tonnen Erde mit sich! Es gibt auch noch andere erodierende Gebiete und große erdige Ströme in China, aber der zerrissene Nordwesten und der Gelbe Fluß sind schreckliche und ewige Symbole der Sterblichkeit jeder Zivilisation.«

 

Das Abholzen ist relativ mühelos und geht schneller vor sich als die Wiederaufforstung. Je länger ein ehemaliger Waldboden brachliegt und je mehr Humusdecke abgeschwemmt zu werden droht, desto schwieriger wird die Neubepflanzung. Eine gesunde Aufteilung der Flächen in Wald, Wiese und Acker schützte ursprünglich den Menschen vor Katastrophen. Bei Wiederaufforstungen ist es umgekehrt: Jetzt muß der Mensch die jungen Bäume schützen, damit sie nicht durch Unvernunft als billiges Brennholz erneut abgeschlagen werden. Aufforstungen sowohl in Europa (Abb. 13) wie in Kleinasien (Abb. 14) sind, wie auch an anderen Orten der Erde, offenbar nur möglich, wenn das Gelände eingezäunt und durch eine eigens aufgestellte Waldpolizei geschützt wird.

Aber nicht nur der Mensch, sondern auch manche Tierarten, z.B. die Ziege, zerstören die mühsam gezüchteten Aufforstungen junger Bäume. Das Tier frißt die besonders schmackhaften jungen Triebe ab und nimmt ihnen damit die Möglichkeit zu assimilieren, was für eine junge Pflanze tödlich ist. In großflächigen Wiederaufforstungen wird man deshalb jegliche Ziegenhaltung verbieten müssen.

 

 

Abb. 14  

Wiederaufforstungen bei Persepolis, Vordergrund die Ruinen der Stadt, Hintergrund Wald-Neupflanzung  

39

 

 

 

 ^^^^

  www.detopia.de
  Hans Liebmann (Prof. Dr. Dr. h. c.)  Ein Planet wird unbewohnbar -- Ein Sündenregister der Menschheit von der Antike bis zur Gegenwart