(2) Arno Plack 1971 Plack bei detopia
Manipulierung des Menschen und Menschenwürde
Was heißt Menschenwürde?
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Wo immer von Menschenwürde die Rede ist, meint man eher das, was unser nicht würdig sei als etwas, worin unsere Würde sich findet. Nicht die Menschenwürde, was immer das ist, aber die Rede von ihr deckt einen Mangel auf. Der Begriff ist gewonnen in einer Gesellschaft, die in mannigfacher Weise den Menschen - geistig, wie man bislang nur meinte - reglementiert und einengt.
Diejenigen, die in der humanistischen Tradition unter unserer Würde das Naturrecht des Menschen verstehen, alle seine Anlagen und Fähigkeiten zu entwickeln,1 haben dieses Recht auch formuliert aus einem vitalen Unbehagen an unserer sozialen Wirklichkeit, in der ein jeder bis zur "Existenzvernichtung" mit den anderen konkurriert. Solch vitales Unbehagen braucht in die bewußten Rechtsvorstellungen selber nicht einzugehen; es bildet aber einen Kontrapunkt gegen die selbstgerechte Überzeugung, daß in unserer Rechts- und Sozialordnung alles aufs beste bestellt sei.
Der Begriff der Menschenwürde, wie er in unseren Verfassungen und in der Europäischen Menschenrechtskonvention beschworen ist, deckt immer schon einen Mangel auf, einen Mangel an mitmenschlicher Solidarität. In einer Liebesgemeinschaft braucht nicht eigens an die „Würde des Menschen" apelliert zu werden, damit minimale Rücksicht geübt wird. Von der Würde des Menschen ist immer nur dort die Rede, wo die Menschen, aggressiv aufeinander fixiert, die mächtige Neigung haben, einander zu quälen oder zu vernichten oder, in scheinbar sublimierter Weise, einander den Rang abzulaufen.
Der dabei Entwürdigte, das heißt vom Mitmenschen Getretene oder Verstoßene, klammert sich an seine „Würde". Dies zwar fiktiv, aber in realitätschaffender Fiktion. Unsere Meinungen über psychische Phänomene sind selber psychische Phänomene.
Was einer als „unantastbare Würde" in sich selber versteht und imaginiert, vollzieht sich in ebensolcher Imagination und formiert gleichsam eine Auffangstellung für wieder möglichen sozialen Kontakt. Indem der von seiner Umwelt Verachtete und Getretene sich selber als „nicht würdelos" ansieht, bewahrt er sich die Hoffnung auf ein Miteinandersein mit Menschen, von denen er nur im Augenblick vielleicht noch nichts ahnt oder die ihm fern sind.
Wir sprechen bevorzugt von unserer Würde auch im Leiden. Wenn wir schon leiden, wollen wir getröstet sein durch Liebe oder doch belobigt für einen Heroismus des Leidens, der nur Fügung ins Faktische ist. Wir wollen belobigt sein für ein scheinbar Unzerstörbares in uns, das alles Leiden überdauere und noch in ihm reife. Eben dazu auch scheint der Begriff der Menschenwürde erfunden, weniger dafür, die Ursachen des Leidens zu vermindern.
Uns die Fähigkeit absprechen, tapfer leiden zu können, ist schon so schlimm wie die Aberkennung von Würde und Ehre. Vielleicht sogar schlimmer. Unsere Leidensfähigkeit ist, sowie wir uns bewußt in ihr spiegeln, schon der Kern dessen, was wir in autistischer Abhebung von anderen für unsere Würde halten. Wir weigern uns dabei einzusehen, wie sehr wir zur Bestätigung unserer Würde der Anderen bedürfen.
"Würde" ist eine "Kategorie des humanen Stolzes" (Ernst Bloch;2). In unserer frustrierten Gesellschaft gilt als besonders würdevoll und reif, der am geschicktesten verbirgt, wie sehr nach Liebe ihn doch verlangt. Dabei leiden wir unter Grausamkeit, Rücksichtslosigkeit, Hartherzigkeit, kurzum unter der Lieblosigkeit der Anderen noch mehr als unter physischem Schmerz oder Trauer, die unausweichlich sind. Wir wollen gerade geliebt sein, um uns zu verständigen über unsere tiefere Ohnmacht. Lieben heißt, sich ein Zeichen geben vor dem Verfall. Zärtlichkeit, die bewußt wird und nicht einfach nur triebgebunden sich vollzieht, ist eine stumme Geste des Protests gegen das unausweichliche Ende.
Wo das Ethos der Liebe verwirklicht ist, stehen die Menschen nicht einmal tendenziell gegeneinander: weil hier ein jeder, der mit einem Anderen in Kontakt kommt, liebend dessen Intentionen mitvollzieht. In wechselseitigem Mitvollzug aber blickt der Mensch in gleichsam horizontaler Linie auf den Mitmenschen hin. Eine Neigung, den Anderen abzuwerten und zu erniedrigen, kommt da nicht auf. Es könnte, wer sympathetisch den Anderen verbunden ist, sie nur abwerten, der damit auch sich selber in wesentlicher Hinsicht abqualifizierte: in seiner Liebesfähigkeit. Liebe im Sinne des bloßen Eingenommenseins für jemanden schließt Haß und Verachtung notwendig zwar nicht aus. Ambivalente Gefühle als solche „vertragen" sich, wenn sie abwechselnd dominieren und einander ins Unbewußte hinabtauchen.
Eine Liebesgemeinschaft, die voll den Namen verdient, verträgt allerdings keine so durch Gegengewichte knapp in der Balance gehaltene Liebe:
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nicht allein, weil sonst der Kontakt zum Mitmenschen mit stetem Ausgleiten bedroht wäre, sondern auch, weil jeder sich selber darüber als liebesfähige Person verlieren könnte. Lieben heißt immer auch sich selber lieben - im Mitvollzug der Liebe des Anderen zu uns.3
So steht für den Liebenden der Mitmensch immer im gleichen Rang wie er selbst. Wo der Andere in seiner Fähigkeit, sich verständlich zu machen, hinter ihm zurückbleibt, antizipiert Liebe eine Gleichrangigkeit des Verstehens von beiden Seiten, die im Prozeß der wechselseitigen Liebe sich erst herstellt. Gleichrangigkeit bedeutet dabei nicht Gleichwertigkeit in allen Regungen des Fühlens, Denkens und Handelns, sondern wechselseitige Anerkennung der Eigenart eines jeden: Gleichheit in der Verschiedenheit, die immer aufs neue in Liebe sich vollzieht.
Es bedarf, solange sie sich vollzieht, gar keiner ausdrücklichen Besinnung auf eine „Würde des Menschen", da ein jeder dem Anderen das durch Verstehen anerkannte Subjekt einer Liebe ist, die ihn selbst umschließt. Die Mahnung, doch in einem jeden Menschen die Würde zu respektieren, hat Sinn und Berechtigung erst in einer lieblosen Gesellschaft, in der noch halbwegs mitempfindende Naturen vor den allergröbsten Verletzungen mitmenschlicher Solidarität zurückschaudern. Der Hinweis auf die Würde in einem jeden ist dabei die individualistisch geprägte und verzweifelt ins Appellative gewendete Einsicht, daß es ein Minimalerfordernis mitmenschlichen Verhaltens gibt, ohne das die Gesellschaft im ganzen ihren Zusammenhalt und damit ihre Existenzfähigkeit vernichtet.
Wert und Sein gehören allemal zusammen4. Wert an sich, auch „menschliche Würde" schlechthin ist eine idealistische Fiktion, der nichts zukommt außer dem, was an körperlich Daseiendem darin gedacht wird. Worin sonst soll Würde des Mitmenschen spürbar werden als in Mitmenschlichkeit, die den Anderen als einen leibhaft mit uns Daseienden erschließt? Intellektuelle „Besinnung" auf eine angeborene Würde des Menschen kann nicht jene Mitmenschlichkeit leisten, die voll nur in Liebe sich vollzieht. Es ist umgekehrt erst eine Leistung des Denkens, eben das, was in der Erfahrung des Miteinanderseins am Anderen verstehbar wurde, als „Würde" zu vergegenständlichen.
Wenn Kant unter Berufung auf die menschliche Würde in der dritten Fassung des „Kategorischen Imperativs" verlangt, den Menschen nie bloß als Mittel, sondern immer zugleich als Zweck zu behandeln, so fordert er damit ein soziales Verhalten, das auf eine Qualität des Mitmenschen sich ausrichtet, die nur in der Liebe zu ihm sich erschließt, ja in wechselseitiger Liebe sich allererst bildet. Das bedarf nicht streng wechselseitiger personaler Liebes-Beziehungen. Aber auch eine allgemeine Vorstellung von der „Würde des Menschen" muß durch eine sich nicht einschränkende Menschenliebe vorgebahnt sein.
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Sonst ist sie, kantisch gesprochen, ein Begriff ohne Anschauung. Ein Begriff, der in seinem Anspruch durch Erfahrung zu füllen wäre, ist sie ohnedies nicht. Als rasch verständigende Redeweise mag es dennoch hingehen, von der „Würde des Menschen" zu sprechen. Phänomenologisch ist sie ein Nullum. Anthropologische Bestimmungen, die dazu herangebracht werden, blähen sie auf, sie bestimmen, was ein Nichts ist, nicht näher. In der Nachfolge Pascals zu sagen, die Würde des Menschen bestehe in seinem Denken, oder zu sagen: in seinem aufrechten Gang,5 das nimmt immer nur augenfällige Abhebungen gegen das Tiersein zum Substrat einer Würde, die eine Schonung des Mitmenschen gebiete, die aus Denken und aufrechtem Gang allein nicht zu folgern ist und aus der beschwörenden Vokabel „Würde" erst recht nicht. Aufrechten Gang haben auch die Hühner und Kragenbären.
Und was das Denken betrifft: Es gibt die kalte, schonungslose, berechnende Intelligenz, die selber auf Schonung nicht rechnen darf. Demgegenüber die Rede von der Würde solch Schwachsinniger, die unter der Intelligenz eines Affen bleiben, ist ein Beispiel moralistischer Beschwörung. Daß Gattungssolidarität auch einen solchen Menschen umschließt und Tötungsabsichten ihm gegenüber gar nicht aufkommen läßt, hat nichts mit der „Würde" des Geistesschwachen zu tun, sondern mit der des geistig Normalen. Die sadistisch Abnormen, die auch sonst gerne töten, wenn es nur erlaubt ist (im Krieg oder durch Vollzug eines Todesurteils), haben ganz bewußt jener Würde sich begeben, die aus mitmenschlicher Solidarität im Individuum als Verhaltensdisposition sich aufbaut.
Im Begriff der menschlichen Würde schwingt, sie als solidarische Haltung immer schon entwertend, auch die Genugtuung, als Mensch an der Spitze der Welt des Organischen zu stehen. Allein wir Menschen hätten - im Bewußtsein unserer Würde - nur in rationaler Weise die Bedingungen für eine Gattungssolidarität zu schaffen, die auch sonst bei vielen Lebewesen unbestrittene Realität ist. Die Aufgabe stellt sich uns auch unabhängig davon, ob der Mensch den absoluten Gipfel der Evolution bildet oder - wahrscheinlicher - nur ihren vorläufigen Höhepunkt.
Ein Bewußtsein der Würde des Mitmenschen wie der eigenen Person vollzieht sich in wechselseitiger Liebe, oder es ist nichts als Ideologie eines konservativen Denkens. Tausenderlei Dinge, die einer repressiven Moral nach nicht sein sollen, werden als mit menschlicher Würde unvereinbar bezeichnet. Eine Tautologie! Im Namen einer Würde, mit der sich nichts verbindet, hat man die Menschen leibhaft einander ferngehalten und so jener Grunderfahrung sozio-sexuellen Kontaktes beraubt, ohne die alle Rede von menschlicher Würde selber gänzlich ins Unverständliche absänke.
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Das leibhafte Unbehagen an der herrschenden Ordnung
Der Begriff der Menschenwürde impliziert nach traditionellem Verständnis eine Idee der Freiheit, durch die der Mensch allen Pressionen, Reglementierungen und Demütigungen innerlich - oder geistig - sich entziehe. Der Mensch gilt (nach Schiller) als frei, selbst wenn er in Ketten geboren wäre.
Zweierlei hat uns gegen einen so erhabenen Begriff der menschlichen Freiheit skeptisch gemacht: 1. die Erfahrung einer Manipulierbarkeit des Menschen, der durch „Gehirnwäsche" gleichsam im Kern seines Wesens ausgewechselt werden kann; 2. die schwindende Überzeugung, daß der Mensch in einer Weise nach Leib und Seele, Trieb und Geist, Außen und Innen sich auseinanderlegen lasse, daß immer noch ein unberührbares seelisch-geistiges Innenleben aus allen Qualen und Verbiegungen des Leibes unversehrt hervorgehen könnte.
Die vielberedete Geistigkeit des Menschen ist nichts als das Schrittgesetz seines Leibes: sie kommt in der Eigenart seines Ganges ebenso heraus wie aus dem Unverwechselbaren eines Lächelns und ist nur im Charakter eines Denkens nicht so leicht zu bestimmen, schon weil in der allgemeinverständlichen sprachlichen Form eines Gedankens wir uns einverständlich wiederzuerkennen vermögen. Das „Geistige" als das, was uns miteinander verbindet, ist eher noch von der Individualität ablösbar als die Organisation oder Deformation eines Leibes. Alle Unterdrückung des leibhaften Menschen kann darum wohl auch immer nur bei seinen physischen Bedürfnissen ansetzen. Alle Unterdrückung ist insofern - immer zugleich - Triebunterdrückung6.
Sogenannte geistige oder moralische Tabus können in der Erziehung als bleibende Denkverbote sich ja nur durchsetzen, wenn den im Denken Aufmuckenden vitale Frustration oder leibhaft quälender Liebesentzug als Strafe für den verbotenen Gedanken angedroht werden. „Wer dieser Meinung ist, stellt sich außerhalb des Bodens unserer Kirche", pflegte unser Religionslehrer alle Glaubenszweifel abzuschneiden. Drohender Liebesentzug, Ausstoßung aus der Gemeinschaft greift unmittelbar ans Lebensgefühl eines Menschen, der die Geborgenheit in der Gemeinschaft braucht, um auch den morgigen Tag ohne Bangigkeit zu erwarten. Das kann so unmittelbar körperlich angreifen, daß jene rätselhaften körperlichen Störungen entstehen, die wir, psychosomatisch aufgeklärt, heute als kon-Eliktbedingt begreifen. Der vollends durch eine prüde Erziehung in seiner vitalen Spontaneität verkümmerte Mensch ist auch gelähmt im „Geist": licht nur in seiner geistigen Produktivität, sondern auch in seinen Verhal-:ensdispositionen und in der Freiheit des Wertens.
Er kann weder zu sich loch zu anderen in einer ihm vielleicht sogar wünschenswerten Weise tole-
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rant sein, was immer an innerer Autonomie er sich vormachen mag.
Wieder vollends frei gesetzt in seinem Verhalten, wird er (auch nur bei einiger Selbstkritik) überrascht an sich feststellen, daß ihm seine sorgsam „innerlich" aufbewahrten besseren Einsichten fürs eigene Handeln und fürs Bewerten fremden Verhaltens gar nicht mehr so selbstverständlich zu Gebote stehen. Wer nach einer unbeschwerten Kindheit oder aus Zeiten der Freizügigkeit über Gefangenschaft oder sonstige vitale Einschränkung hinweg wenigstens eine Trauer um seinen früheren Elan sich erhalten hat, mag schließlich doch zu voller Gelöstheit zurückfinden.
Der von klein auf unausgesetzt Reglementierte aber kann gar nicht ahnen, was an Möglichkeiten freier Entfaltung in ihm vielleicht unwiederbringlich verschüttet ist. Als äußerste geistige Freiheit erscheint ihm darum schon sein dumpfes Unbehagen an der herrschenden Ordnung sozialer und sittlicher Zwänge, sein Unbehagen am permanenten Zwang zur Leistungssteigerung, zur Fügung in die monogame Ordnung und dem Zwang zu immer aufwendigerem Konsum. Doch die ganz jungen Leute, die im Zuge einer Hippie-Bewegung mit dem Konkurrenzsystem endgültig brechen wollten, tun das allenfalls auf Zeit, sofern sie in der forcierten Absonderung vom Ganzen der Gesellschaft nicht unterdes selber für immer zerbrechen. Von deren Konsumzwang lösen sie ohnehin sich ja nie: kaum den Werbesprüchen der Tabak- und Alkoholindustrie entgangen, geraten sie in die Fänge von Rauschgifthändlern, die dem wohl harmlosen Haschisch ein Teufelszeug beimengen, von dem man ohne die nachdrückliche Hilfe der Spießer nicht wieder loskommt.
Die sympathisch Unbekümmerten, die den absoluten „Konsumverzicht" wollten, konsumieren unterdessen nur etwas anderes. Ob etwas Schlimmeres als Tabak, Alkohol und Unmengen von Zucker, sei dahingestellt, weil um die vorzeitig an Lungenkrebs und Leberzirrhose Verstorbenen nicht solche Publizität entfacht wird wie um die Opfer „harter Drogen". Der Text auf einem Plakat, mit dem Hippies für die Freigabe ihres geliebten Hasch demonstrierten, hat seine relative Berechtigung: „Wenn's Krebs erzeugt, wird's dann erlaubt?"
Beklagenswert bleibt, daß anscheinend keiner aus überkommenen Konformitätszwängen heraussteigt und auf sicheren Boden den Fuß setzt. Was meinte, daß der Mensch auf jene ursprünglichen Lüste sich besänne, die ihn gesundheitlich sogar voranbringen: die Lust bei körperlicher Bewegung und bei sexueller Betätigung. Haschischraucher halten sich ja bereits etwas darauf zugute, daß sie, in Gemeinschaft rauchend, einander gar nicht körperlich zu berühren brauchten, um selig zu sein. Die moralistisch leichthin beklagte Rauschgiftsucht, die organisiert sich ausbreitet, hat noch die tradierte Sittlichkeit zur Bedingung. In einer rundum manipulierten Gesellschaft ist es auch gar kein Wunder, daß noch der Protest gegen die Manipulation manipulierte Formen annimmt.
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Grundsätzlich gefragt: Wie steht es um die vielberedete Würde des Menschen angesichts seiner Manipulierbarkeit?
Manipulierung, das ist die Steuerung von Menschen mit Mitteln, die ihnen nicht bewußt sind, zu Zwecken, die nicht die ihren sind, aber ihnen als die ihrigen erscheinen sollen.
Manipulation ist also eine Düpierung des Bewußtseins, ein Übertölpeln eben jener Fähigkeit des Menschen, in der er, wenn er ebenso klar wie selbstreflexiv sie betätigt, seine eigene Würde erblickt. „Der Mensch ist ein Schilfrohr, aber ein Schilfrohr, das denkt", hat Pascal gesagt. Der Mensch ist, manipuliert, ein niedergedrücktes, geknicktes Schilfrohr, aber eines das denkt, daß es unangefochten gerade stünde.
Manipulation, die das Bewußtsein der Menschen ganz auf ihre Seite ziehen will, verfährt am besten so, daß sie schon vor der Entfaltung des Bewußtseins des einzelnen einsetzt: in frühester Kindheit. Frühkindliche Frustrationen und Dressate schaffen ein kulturspezifisches Grundmuster des Verhaltens, das dem Erwachsenen undurchschaubar, gleichsam transzendent ist, weil es vor jeder Überlegung sich ihm gebildet hat. Die entscheidende Manipulation ist daher in unserer Kultur jene moralische, die vor jeder moralischen Belehrung sich durchsetzt.
Moralische Belehrung kann immer erst dann beginnen, wenn sie eigentlich schon überflüssig ist7. Sie wirkt auf die frühe, uns verklemmende Manipulation nur noch als eine Überdetermination von Verhaltensweisen, die beim Einzelnen längst eingeschliffen sind. Die Unterdrückung der Triebnatur des Menschen nimmt hinter dem Bild einer vordergründigen „Sexwelle" heute eher noch zu. Eine über die Jahrzehnte laufende Umfrage in den USA hat bestätigt, daß dort die Säuglinge immer weniger auf natürliche Weise gestillt werden. Es sind heute nur noch rund 20 Prozent8. Das bedeutet, daß die weithin bejahte sexuelle Befreiung des Menschen bei gut 80 Prozent der Bevölkerung nur bereits verbogene Triebe befreit. Die Erwachsenen-Sexualität darf ja nicht für sich betrachtet werden; sie ist geprägt von dem Triebschicksal, das der Einzelne von klein auf erfährt. Freuds weiter Begriff der Sexualität, der die orale Lust, die Lust des Mundes beim Saugen, und die Lust bei den Ausscheidungen mit umfaßt, hat seine entwicklungspsychologische Berechtigung. Freud hat gezeigt, daß der Mensch bestimmte Phasen vitaler Lusterfahrung durchlaufen muß, um ein vollsinnlicher Mensch zu werden. Jener andere Sinn von Menschenwürde, wonach der Mensch das Natur-Recht auf Entfaltung aller seiner Anlagen habe, ist von hierher zu überprüfen. Leibhafte Menschen, die im vollen Sinne des Wortes niemals Säuglinge sein durften, reden, groß geworden, von einer Menschenwürde, der sie geistig sich verpflichtet fühlten. Wie ein Mensch, der schon körperlich die ihm vorgegebene Form verfehlt, sie geistig ausfüllen soll, bleibt unerfindlich.
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Die Manipulierbarkeit des frustrierten Menschen
Manipulation beabsichtigt die Lenkung der Menschen zu Zwecken, die nicht die ihren sind, und mit Mitteln, deren wahren Zweck sie nicht erkennen. Dazu ist nicht nötig, daß Manipulation unmittelbar den Leuten ins Unterbewußtsein greift. Beim schon Erwachsenen genügt es, ein längst neurotisiertes Bewußtsein anzusprechen und dessen Ausrichtung auf Erfolg, Prestige und sadomasochistische Lust mit konsumierbaren Erfüllungen und Spielwerten abzuspeisen.
Wenn heute die Firma A, morgen die Firma B ihre Produkte absatzsteigernd mit Erfolgs-appeal anpreist, oder wenn heute die politische Partei C, morgen die Partei D als Spitzenkandidaten eine stimmenfangende Vaterfigur oder einen kollektiven Bräutigam präsentieren, dem die Mehrheit frustrierter Frauenherzen im Wahlakt ergeben ist, dann bedeuten solche Manipulationen keine grundlegenden Eingriffe in die psychische Struktur der Bevölkerung.
Der Rahmen kollektiver Manipulierbarkeit ist abgesteckt, wo in einem Volk oder gar einer Kultur überwiegend durchgehaltene Kleinkinddressate einen einheitlichen „Volkscharakter" der vitalen Unsicherheit und der Verquältheit schaffen, der von sich aus nach Überkompensation und nach mannigfacher Ersatzlust schreit. Nach Lust, die psychisch die Stelle vitalerer Freuden einnimmt: weil jeder lebendige Organismus doch nach Lust strebt, um dem Leben sich befreundet zu halten. Nach bloßer Ersatzlust: weil mit den zwanghaft durchgedrückten Forderungen einer leibfeindlichen Moral keiner von uns gern in Konflikt kommt; doch auch schon deshalb, weil für die einmal umgepolte Triebstruktur unkomplizierte vitale Aktivitäten gar keine Quelle der Lust mehr sind.
Körperliche Bewegung oder unvermittelte sexuelle Betätigung geben als Bewegungslust oder orgastische Befriedigung nichts mehr her, wo von klein auf der Mensch zur Lustlosigkeit getrimmt wurde: durch ein System von sich aufbauenden bedingten Reflexen, das etwa „unkeusche Berührungen" stereotyp mit Schlägen beantwortet hat. Dem zur Lustlosigkeit Dressierten wird halbwegs zur Lust nur, was sein anerzogenes schlechtes Gewissen ausschaltet: Alkohol, Rauschgift. Oder er empfindet doch die Lust, die nicht sein soll, wenn sie durch Gruseleffekte sich einem Gewissen entfremdet, das wohl gegen Zärtlichkeit, nicht aber gegen Grausamkeit allergisch gestimmt ist. (Die Fernsehprogramme, die bei uns durchgehen, geben davon Zeugnis.)
Daß die Menschen allerlei Ersatzlüsten sich verschreiben, ist nicht bekla-
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genswert, weil es dabei um Ersatz sich handelt, sondern weil der Ersatzgenuß keine Befriedigung gewährt, die als innere Ruhe und Gelassenheit vorhält, und weil die Mittel, die Ersatzlust verschaffen, überwiegend gesundheitsschädlich sind.
Bloß überwiegend: wenn wir nicht nur an die bekannten Folgen denken, sondern auch daran, daß letzten Endes der Mangel an vitaler Lust einen Menschen psychosomatisch erkranken läßt, sofern er nicht gar als Unlust zu leben unmittelbar zur Selbstvernichtung führt. Eine abrupte Stillegung der Tabak- und Alkoholherstellung könnte negative Wirkungen auf die Volksgesundheit haben, könnte zu gefährlichen Massenpsychosen führen. Die Leber- und Lungenkrankheiten, die viele zu einem vorzeitigen Tode bringen, erscheinen unter diesem Aspekt als ein kleineres Übel.
Auf dem Boden einer vital frustrierenden Kultur werfen die Menschen, vorab die triebstarken Menschen, sich dauernd von einer Seite auf die andere in der Hoffnung, sich besser zu betten. Sie sind ja auch krank. Das seinem Körper entfremdete Gewissen nimmt lieber auch noch die gesundheitlichen Gefahren jener Ersatzlüste hin, die Genußgiften anhaftet, als daß es soziale Deklassierung wegen unerlaubter Freuden leidensstark aushielte. Nicht aber etwa die Zigarettenreklame schafft „manipulativ" eine solche Triebstruktur; das leistet schon frühe Triebfrustration, die den Menschen zeitlebens in der sogenannten oralen Phase festklemmt, weil er sie in der Beziehung zur stillenden Mutter nie voll befriedigend erlebt hat. Mancher Fünfzigjährige saugt noch beim Rauchen, wie er einst vergeblich zu saugen versucht hat. Die Reklame, die Ersatzbefriedigungen anpreist, fußt schon auf Ersatzbedürfnissen, ohne die sie gar nichts ausrichtete. Sie schafft moralisch lediglich eine Überdetermination, indem sie vielleicht noch bestehende Widerstände gegen Lust schlechthin beseitigt oder gesundheitliche Bedenken beschwichtigt.
Umstritten ist, wieweit Film, Fernsehen und Boulevardpresse den Menschen in seinem Triebverhalten manipulieren. Daß sie Wahlen beeinflussen können, steht außer Zweifel. Eine Frage aber ist es, ob speziell die vom Fernsehen gebotene Mischung von Sentimentalität und Grausamkeit solche Einstellungen erst bewirkt oder ob jene süßlich-bittere Melange einem Bedürfnis der Massen entgegenkommt, derart, daß sie in schillernden Träumen genießen dürfen, was auszuleben ihnen verwehrt ist. Beide Deutungen werden vertreten. Beide Seiten führen Umfrageergebnisse für ihre Thesen an. Man wird, könnten wir denken, schon in der jeweils rechten Weise die Leute befragt haben, um die eigene These zu stützen. Vielleicht läßt sich aber doch beides vertreten, je nachdem, auf welche Charaktere man blickt.
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Junge und infantile Menschen dürften leichter dem Vorbildhaften in den Filmbildern von trautem Glück und grimmiger Rache verfallen, wie sie die Filme einladend servieren. Ernüchterte oder „gefestigte" Naturen, deren moralisches Hemmungssystem verlässig arbeitet, werden eher affektiv erleichtert in die filmische Welt sich einleben. Ist dies nun Manipulation, ist es eine schädliche? Dürfen wir den Massenmedien anlasten, was in uns selber aus früh verborgenem Triebbedürfnis so verquer sich befriedigt sehen möchte?
Man kann viel weniger sagen, daß die Menschen durch die im Fernsehen vermittelten Inhalte und Tendenzen manipuliert werden, als daß sie durch die Faszination dieses Mediums selber zu einem passiv-genießenden Leben verführt werden. Bequem in weichen Stühlen sitzend, bekommen die Leute ein ganzes Spektrum des leidenschaftlichen, konfliktreichen, sieghaften und verzweifelten Lebens frei Haus, ein mitunter so glanzvolles Leben, daß resignierender Mitvollzug sich im bloßen Zusehen gerne bescheidet. Bei dem, was so bequem wie doch unerreichbar ins eigene Haus kommt, fühlt niemand zu eigenem Tun sich aufgeweckt.
Man könnte hoffnungsvoll mutmaßen, daß auf diese Weise auch einem gefährlichen, die Gemeinschaft zerstörenden Ehrgeiz die Spitze abgebrochen werde. Aber reine Passivität zerstört das Gemeinschaftsleben nicht minder, ja gründlicher. Der ehrgeizig Aggressive hat immer noch eine Art Beziehung zu denen, die er ausstechen möchte: er orientiert sich an ihnen, indem er sie überrundet. Und er kann von dieser negativen Beziehung zum Mitmenschen her immer noch in ein positives Verhältnis zu ihm zurückkehren, wenn er nur zur Besinnung kommt. Die Chance zu solcher Umkehr liegt gerade darin, daß jede negative soziale Beziehung noch - pervertierte - positive Elemente enthält: Wesensmerkmale der Solidarität. Ganz in Haß und Neid aufgehen kann nur, wer darüber sich selber vernichtet in seiner Leistungsfähigkeit. Vitale Selbstwarnung wird den zielstrebig Ehrgeizigen nie so weit kommen lassen. Der vollends apathisch Gewordene aber ist für alle inneren und äußeren Warnungen taub. Er steht kontaktlos gleichsam jenseits von Freund und Feind, also an einer Stelle, von der aus eine Umkehr zu freundlichem Miteinander kaum denkbar ist.
Auf der Grundlage einer frustrierten und verbogenen Triebstruktur entsteht tatsächlich so etwas wie ein verfeinertes Konsumbedürfnis, von dem die Zyniker des Marktes sagen, es sei ein „Motor des Wachstums", während die marxistischen Gesellschaftskritiker solche Neigung gern übersehen und lieber alles, was sie anrichtet, auf einen „Konsumterror", der auf die Menschen einwirke, zurückführen wollen. Die eine wie die andere Deutung geht an der grundlegenden Triebverdrängung vorbei.
Die Ideologen des Absatzes und eines „Wohlstandes", der sein solle, geben als ursprüngliche Neigung des Menschen aus, was im Leben jedes einzelnen als kollektiv
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erpreßtes Triebschicksal sich bildet; die modernen Marxisten dagegen versprechen, durch eine Veränderung der ökonomischen Bedingungen für das Leben aller auch jeden einzelnen vom lästigen Konsumzwang befreien zu können.
Die Erkenntnis, daß verführt nur werden kann, wer dazu bereit ist deuten die Strategen des Marktes als ursprüngliche Bereitschaft der Massen, sich manipulieren zu lassen; die Neo-Marxisten aber nehmen es als Hinweis auf die Rücksichtslosigkeit einer Verführung durch Werbung und Propaganda, die das Bewußtsein der Menschen selber umzukrempeln vermöge.
Auch Vance Packard denkt in solcher „Radikalität" kontra Werbung und Marktforschung. Zu unrecht, wie wir bei aller Sympathie für seine Analysen feststellen müssen. Packard sieht „das schwerste Verbrechen, das viele Triebmanipulatoren begehen", in dem „Versuch, in unsere geheimsten Gedanken einzudringen"9. Eine überraschende Wendung, da doch die Marktforscher zur Ausleuchtung der Käuferpsyche sich auf einen repräsentativen Querschnitt stützen. Überraschend, daß wir „unsere geheimsten Gedanken" am Ende alle miteinander gemein haben. Vermutlich sind wir alle in der gleichen Weise frustriert.
Der amerikanische Marktforscher Ernest Dichter verteidigt die „gefühlsmäßige Beeinflussung", wie er es nennt, mit einem für sich genommen durchaus richtigen Argument: er sagt, wir hätten eine zu rationalistische Kultur; die Menschen wollten auch emotional angesprochen werden10. Wenn es auch wahr ist, so ist damit noch lange nicht gesagt, daß die Menschen emotional auf eine Weise angesprochen werden müßten, die nur Ersatzlüste für die verweigerten vitalen Freuden in ihnen erweckt.
Verständige Rationalität liegt nicht formal-logisch widerspruchsfrei über unseren triebhaften Begehrungen und den von ihnen geprägten Stimmungen und Gefühlen. Rationalität, die nicht Selbstzweck ist, hat vielmehr in vorurteilsloser Weise die eigene dunkle Triebhaftigkeit zu durchleuchten und anzunehmen, nicht erst recht von ihr abzulenken oder sie zu bekämpfen. Denn was ist das für eine aufgeklärte Verstandeskultur, die eine magische Berührungsfurcht gegenüber möglichen Sexualpartnern als „vernünftig" darstellt und jenes schrankenlose Besitzstreben rechtfertigt, das diese Furcht kompensiert?
Wenn die Sexwelle uns alle mit sich risse - es wäre in der Tat nicht auszudenken: Wer soll dann den ganzen Plunder kaufen, den die Warenhäuser zur Ablenkung für die Frustrierten bereithalten? Wenn wir von Nahrung und Kleidung halbwegs absehen, sind unsere Kaufhäuser eine einzige große Spielwarenabteilung: ein Arsenal für Menschen, die nie über jenes Alter hinausgekommen sind, in dem man von ersten libidinösen Regungen durch protziges Spielzeug sie abgelenkt hat.
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Was bedeutet überhaupt vermehrte Neigung zum Konsum in einer vital weitgehend frustrierten Gesellschaft? Es bedeutet einmal die Neigung zu Ersatzlust vornehmlicher oraler Art, aber auch die Neigung zu repräsentativem Luxus: zu ostentativem Verzehr, wie Veblen sagte11. Man genießt dabei nicht unmittelbar das Konsumierte, sondern den vermuteten Neid derer, die zum bloßen Zuschauen verdammt sind oder verdammt scheinen. Hier kommt der Machtwille des vital Verunsicherten zum Zuge. Streng genommen ist es wieder seine Aggressivität, die als Prestigebedürfnis hervorkommt: Man will durch glänzendes Auftreten seinen Mitmenschen überflügeln, ihn „ausstechen". Das geht nicht ohne gehörige Anstrengung.
Aggression als Ersatzbefriedigung
Der vitalpsychisch unausgeglichene Menseh hat auch nötig, sich fortgesetzt zu „disziplinieren": weil er die fehlende Lebensfreude, die kontinuierlich voranbringt und trägt, durch eine Fülle von Willensakten ersetzen muß. Da der große gelassene Schwung zur Arbeit ihm abgeht, muß er „die Zähne zusammenbeißen", das heißt, sich nur noch mehr verkrampfen. Von daher kommt es auch zu der These, Arbeit sei nur in harter Selbstzucht zu leisten12. Das ist aber die Selbstauffassung des frustrierten Menschen: er kann nur, was er muß. Er ist nur fähig zu dem, wozu man ihn preßt, weil alle Spontaneität in ihm gelähmt ist. Sein uneingestandener vitaler Unmut nimmt dabei noch zu; sein scheinbar unausweichlich ihm angeborenes Aggressionspotential steigt.
Der frustrierte Mensch, der so immer mehr sich zu „zügeln" hat, kann aber nur in aggressiver Weise sich „disziplinieren". Er gewinnt halbwegs innere Ruhe nur, indem er, ohne aus der Rolle zu fallen, unausgesetzt fein verteilt aggressiven Überdruck abgibt. Aus der Rolle, der sozialen Rolle, zu fallen, bedeutete neuen inneren Unfrieden und einen Anlaß zu Selbstvorwürfen. Das ist die tragische Rolle des Narren auf eigene Faust, des Aufsässigen in eigener Sache, des Querulanten wie des Kriminellen, dem jede Solidarität (außer die einer „Subkultur") entzogen wird. Er muß, wenn seine Kraft des Widerstandes erlahmt, darüber verzweifeln.
Einigermaßen mit sich im Lot (oder besser: in Balance) sind dagegen in einer von Frustrationen und Aggressivität gezeichneten Gesellschaft vorwiegend zwei Gruppen von Menschen, wenn wir hier von den wenigen vital Befriedigten absehen: Da sind einmal die feinsinnig Aggressiven, die ihr Gift in so feinen Dosen der Ironie verspritzen, daß jeweils der sicher Getroffene noch das Odium des „Empfindlichen" auf sich lädt, wenn er sich wehrt - mit nicht so feinen Waffen.
Da ist zweitens die Gruppe derjenigen, die ihren
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Aggressionsdrang zwar massiv entladen, aber nicht unwillkürlich, wenn ihnen danach zumute ist, sondern wohlaufgespart in kollektiven Aktionen.
Auch das verlangt Disziplin, nämlich die Unterdrückung momentaner Triebregungen. Es ist manchmal fast rührend mitanzusehen, wie Sittenwächter oder radikale politische Gruppen oft wochenlang herumirren, bis sie - glücklich - etwas finden, wogegen zu protestieren es sich verlohnt. Sie wollen ja ernstgenommen werden, auch sich die Selbstachtung erhalten, indem sie ihr Entrüstungsbedürfnis nur auf Ziele richten, die ihnen durch soziale Bedeutung selber zur Ehre gereichen. Kurzgeschürzte Mädchen anpöbeln - das bringt nur Ärger ein, vielleicht eine Beleidigungsklage. Aber gegen „öffentliches Ärgernis" einen „Volkswartbund" mobilisieren, das rückt einen selber beinahe ehrenvoll ins öffentliche Leben.
Oder, die umgekehrte Proportion: Mit entblößtem Geschlechtsteil durch eine Badeanstalt laufen - das macht nur lächerlich. Aber in Gerichtssälen seine Notdurft verrichten, das verbreitet auch den scharfen Geruch sozialkritischen Protests13.
Es bringt nichts ein, außer ökonomischen Nachteilen und Kriminalstrafen, gegen berufliche Konkurrenten handgreiflich zu werden. Aber im Verein mit ihnen etwa den Bauernaufstand proben oder eine faschistische oder poujadistische Mittelstandsbewegung organisieren, das bringt nicht nur soviel Respekt ein, wie es die kollektiven Gegner das Fürchten lehrt; es befreit auch von manchem Privathaß, von mancher frustrationsbedingten Verstimmung.
So ist der frustrierte und darum mit Aggressivität aufgepumpte Mensch nicht nur anfällig für Manipulation und politische Verführung; er ist auch dankbar für sie: weil sie seinen verqueren Neigungen Inhalt, Solidarität und Ziel gibt, also einen „Sinn". Er gewinnt zum Inhalt den „Kampf für die gute Sache", erhält Solidarität mit Gleichgesinnten und als Abschuß-Ziel einen jeden, der anders denkt. Wohl dem, der einen Feind hat.
In einer vital verunsicherten Gemeinschaft erscheint die Neigung zu Aggressionen wieder als eine so natürliche Neigung, daß ihr ein (wieder: abgeleitetes) Bedürfnis entspricht, auf Feinde hin orientiert zu werden: ein weites Feld politischer Manipulation, auf dem freilich nicht bloße Appelle zur Friedfertigkeit etwas ausrichten, solange die Triebstruktur der herrschenden Sittlichkeit erhalten bleibt.
Der Eindruck, die Menschen selber wollten zu ihrem eigenen Unheil manipuliert werden, wird fast unabweisbar angesichts der in kollektiver Ordnung immer wieder sich austobenden Aggressionen. Es ist fast jedesmal, als habe eine aggressiv gestimmte Bevölkerung nur darauf gewartet, von zornigen Politikern gegen gleichsam lohnende Feinde geführt zu werden. Es wäre auch Beschönigung zu sagen, dieser Anschein trüge.
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Es ist eine kultur-relative Wahrheit: In einer aggressiv formierten Gesellschaft wird der militärische Befehl, die „Todfeinde" zu töten, zur Erlaubnis für Menschen, die längst darauf brennen, sich destruktiv auszutoben. Sie möchten töten, ohne sich strafbar zu machen, ja ohne ein schlechtes Gewissen davon zu bekommen. Solch perverse Sensibilität verrät Anpassung an eine Gesellschaft, die im Frieden die Mordlust verpönt und im Kriege das Gegenteil, die Unfähigkeit zu töten.
Ein so perverses Gewissen weist aber auch darauf hin, daß das Töten von Mitmenschen nicht die reine Selbstverständlichkeit ist, und zwar nicht erst nach den Maßstäben einer humanitären Ethik, sondern schon unmittelbar nach unserem vitalen Selbstverständnis. Wer im anbefohlenen Feind unversehens den Menschen erkennt, der er selber ist, der wird unfähig, ihn zu töten. Auch in unserer aggressiv formierten Gesellschaft ist es nicht jedermanns Sache, auf Verlangen - im Krieg - ohne mit der Wimper zu zucken, andere Menschen zu töten. Es gab auch im letzten Weltkrieg Soldaten, die, zu Exekutionen abkommandiert, erbrechen mußten: ein Zeichen elementaren Ekels vor der zugemuteten Menschenschlächterei. Daß ein vitales Gewissen sich sträubt, Mordbefehle zu exekutieren, damit hatten und haben allemal militante Führer zu rechnen. Und sie trugen dem Rechnung durch eine über die Jahrhunderte hinweg gleich gebliebene Erklärung, daß es sich bei dem befehdeten Volk oder der verfolgten Gruppe eigentlich gar nicht um richtige Menschen handle, sondern um „höhere Tiere" (so die Conquistadoren über die Indianer14) oder um „Bestien", „Heiden", „Hexen", „Untermenschen", „Ungeziefer" gar, das man vertilgen müsse. So greift Manipulation des Bewußtseins von Seiten mordlüsterner Machthaber ein, um die Menschen, die noch anders empfinden, auf Vordermann zu bringen.
Es mag richtig sein, dem Menschen eine Tötungshemmung gleicher Intensität, wie sie Tiere mit angeborenen Waffen haben, nicht zuzusprechen. Wir haben nicht Zähne, Klauen und Hörner, die unmittelbar töten können. Das machte für den Naturzustand der Menschheit eine jähe Tötungshemmung überflüssig. Über diesen Zustand sind wir inzwischen hinaus. Aber doch nicht so einseitig technisch, daß es nicht mehr nötig wäre, relativ schwache Totungshemmungen durch Überredung zu überspielen, wenn es darum geht, ein Volk bis zum letzten Mann in den Krieg zu führen. Die weltanschaulichen und politischen Manipulationen, die eine Tötungshemmung zerebral lahmlegen sollen, bestätigen gerade, daß es sie gibt. Die Rede von „soldatischen Tugenden" ist auch nur verständlich, wenn man sie als solche vorbildlichen Verhaltensweisen versteht, die uns nicht auf den Leib passen.
Alle ausdrückliche Moral ist ja gegen einen Widerstand im Menschen errichtet:
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militante Moral gegen spontane Mitmenschlichkeit und Tötungshemmung, pazifistische Moral gegen eine bereits zur zweiten Natur gewordene „zackige" und ungehemmte Aggressivität.
Moralisch ist, was wir ungerne tun. Moral ist etwas, wozu wir uns nicht, einem sittlichen Münchhausen gleidi, selber ziehen können, sondern etwas, wozu man uns manipuliert, durch Gehirnwäsche von der Art: „Die Feinde sind Untermenschen", „Das Böse sind die Triebe" oder „Neurose ist mißlungene Anpassung". Immer wird da aber nur eine faktische Lebensform geistig überdeterminiert, das heißt, andere Formen werden uns magisch versperrt, was nur aus einer von klein auf verbogenen Triebstruktur erklärlich ist. Daß der Mensch in seinen vitalen Antrieben nicht unverbogen gelassen wird, ist überhaupt Kern und Ziel aller Manipulation. Es ist dies geradezu das Prinzip der Macht, die Manipulationen verschiedener Art verwendet und voraussetzt. Politische Überredung zu gezielten Feindhaltungen wäre wirkungslos, wenn sie nicht schon bei einer Bereitschaft zu harten Aggressionen ansetzen könnte, die durch sexuelle Unterdrückung und Prügelpädagogik geschaffen wird. Die angeborene Tötungshemmung des Menschen mag geringer sein als die der Raubtiere. Doch sie scheint uns nicht einfach zu fehlen. Sie fehlt offenbar um so weniger, je stärker wir seit frühester Kindheit ein vitales Empfinden für anderes leibhaftes Dasein haben ausbilden dürfen. Daß umgekehrt sexuelle Frustration aggressive Tendenzen zumindest fördert, wenn nicht überhaupt erst schafft, zeigen die sexuellen Bezüge ausgesuchter Folterungen. Die Sadismen der SS-Schergen und des Ku-Klux-Klan sind dafür aufschlußreich: Tritte in die Hoden gehören da noch zu den harmloseren Riten des Sadismus. Beobachtung kann nicht entscheiden, ob ein angeborener Rest von Aggressivität aller Feindseligkeit zugrunde liegt. Die hartnäckige Erörterung dieser Frage tut aber so, als hänge von ihrer Klärung allererst ab, ob die Vermeidung leibhafter Frustrationen als Mittel der Aggressionsverhütung überhaupt zu empfehlen sei. So als sei die Flut sexuell eingefärbter Grausamkeit bloße Dichtung. Die Lehre vom angeborenen Aggressionstrieb, wie sie heute am vehementesten Konrad Lorenz und Alexander Mit-scherlich vertreten, wirkt als Uberdetermination faktischer Aggressionstendenzen, gleich ob diese genetisch verwurzelt sind oder nicht. Solche Uberdetermination bestehender Feindseligkeit ist eine sekundäre Art der Manipulation: sie gibt den aggressiv Gestimmten das gute Gewissen ein, nicht anders handeln zu können als eben so herzlos und grausam, wie es ihnen Spaß macht. Das ist eine Manipulation des Gewissens.
Wenn auch die Aggression des Menschen gegen den Mitmenschen wesentlich oder doch überwiegend frustrationsbedingt ist - die aggressiv Verformten lassen doch in ihren aggressiven Neigungen sich nur zu gern bestär-
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ken und insofern willig manipulieren. Das erklärt auch die Popularität einer Psychologie, die das wohlige Gefühl vermittelt, bei aller Aggressivität normal zu sein und normal zu handeln, und doch einen lustvollen Schauer über die eigene Verruchtheit vermittelt, indem sie sagt: Zu schlimm solle man's nun wieder nicht treiben mit seinen Aggressionen; man habe sie vielmehr stilvoll zu sublimieren.
Möglichkeiten der Zukunft
Manipulation darf nicht mit Übervorteilung verwechselt werden. Der manipulierte Mensch muß gleichsam seinen eigenen Arm leihen, um verführt und geschädigt zu werden. Der Übervorteilte dagegen hat meist gar nicht Zugang zu den Dingen, die ihm vorenthalten werden. Im modernen Massenstaat wird solches Unrecht vor allem als jene Übervorteilung an der Steuerkrippe bemerkt und getadelt, die rücksichtslose Interessenvertreter durch hartnäckiges Einwirken auf die Parlamentarier verübten.
Es gibt aber die viel gründlichere Übervorteilung einer Mehrheit, die zu lustvollem Leben bestimmt wäre, durch ein System vital einschnürender Regelungen, das diese Mehrheit selber in geistiger Befangenheit bejaht. Von daher zu streben, die Menschen zu einem Glück zu zwingen, das sie nicht (oder noch nicht) wollen, verhindert ihr Glück nicht anders als die Resignation, die es ihnen scheinheilig verwehrt. Wer ein Verhalten, das freier wäre, sich gar nicht aufsetzen will, der kann es auch nicht vollziehen. Fürs erste geht es nur darum, den Menschen eine Ahnung zu geben von den Bereichen, in denen ihre Glücksmöglichkeiten liegen.
Es ist im Grunde genommen nicht bloße Resignation, die einige sagen läßt, die Menschen wollten nun einmal nichts anderes als manipuliert werden. So spricht schon ein Machtwille, der die Menschen nicht so leben lassen möchte, wie es ihren vitalen Antrieben entspräche. Nichts anderes, letztlich, kann Manipulation bedeuten, als die willkürliche Verbiegung der leibhaften Anlagen der Menschen in eine Lebens- und Seinsweise, die ihnen nur in schmerzhafter Neurotisierung oder Pervertierung gelingt. Aber da eine sinnenfeindliche Erziehung solche Verbiegung vor jeder bewußten Erfahrung ihrer Opfer durchsetzt, entsteht für das dann erst erwachende Bewußtsein der Eindruck, daß es so ganz natürlich sei. Die Menschen tun zu lassen, wozu es sie ohnehin treibt, könnte schwerlich als Manipulation ausgegeben werden. Dabei mag eine gewisse Lenkung der vitalen Lebensinteressen immerhin eingreifen, die niemandem Zwang antut angesichts einer doch ver-
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mutbaren Schwankungsbreite natürlicher Lebensformen, das heißt solcher, die unseren vitalen Antrieben nicht widerstreiten15.
Die Frage ist: Wie stellt in dieser Kultur vitaler Frustrationen, die durch Aggressivität kompensiert werden, für leibhafte Menschen überhaupt noch sozialer Zusammenhalt sich her?
Überwiegend doch auf dem Wege vitaler Ersatzbefriedigungen, deren Befriedigungsmittel aus zunehmend industrieller Produktion breit gestreut sind: Millionen Menschen, die, als Säuglinge schon frustriert, in der oralen Phase steckenbleiben, erhalten pünktlich und regelmäßig von der Tabakindustrie, den Schokoladenfabriken und den Getränkeherstellern ein reiches Sortiment der Ersatzlust. Das Bewußtsein der Kontaktarmen, „gleiche Vorlieben" zu haben, verbindet sie quasi geistig: da sie körperlich unmittelbar sich so ein verständlich gar nicht berühren. Aber es ist zugleich eine Bindung über die Selbstliebe. Man liebt den anderen wegen Vorlieben, die er mit uns teilt.
Wo nächste Berührungen noch als „unsittliche" verpönt sind, intensiviert sich auch Schaulust als der Versuch, mit gierigen Blicken zu „verschlingen", was freundlichem Kontakt sich entzieht. Die Organe der Fernsinne Auge und Ohr werden „kulturell" überlastet, um den sinnenhaften Menschen doch noch einige Lust am Leben zu erhalten. So entsteht der Anschein eines primär geistigen und altruistischen Kontaktes zur Welt, von dem her - kraft „geheimer Verführer" in Wirtschaft und Politik - der Mensch auch primär manipulierbar sei16, ja von dem aus er sogar manipuliert werden wolle. Werbepsychologen, die eben hierauf zu ihrer Rechtfertigung sich berufen, tun damit aber dem von klein auf manipulierten Menschen noch die Schmach an, daß sie davon ausgehen, seine vitalen Entbehrungen lägen in seinem höheren Interesse, nämlich seinem Anteil an allgemeiner Konsumsteigerung. Die krassesten Materialisten gehen so mit den idealistischen Verfechtern eines freien Willens Hand in Hand: indem sie beide die Freiheit, die sie meinen, Wirtschaftsfreiheit oder Willensfreiheit, der Sache nach mit einer Unterdrückung der triebhaften Neigungen des Menschen verknüpfen. Der Mensch, sofern er überhaupt frei etwas will, kann ursprünglich aber nichts wollen, was gegen seine vitalen Interessen geht. Wenn er Mißliches in und um sich herum willentlich akzeptiert, dann nur, weil die Fügung in jenes Faktische, dem Jellinek sogar eine normative Kraft zuschrieb17, in begrenzter Weise auch in seinem vitalen Interesse liegt. Es geht, wo wir uns dreinfinden, ums Überleben. Aber es wäre Hohn auf den so Abgefundenen zu sagen, er wolle es gar nicht anders. Sichtbar mehr Willen zu zeigen in einer Tat, die das Wollen energisch ausformt, übersteigt vielleicht seine -von klein auf schon gebrochene - vitale Kraft. Der Mensch will, als lebendiges Wesen, sich in seiner Vitalität entfalten, wenigstens: erhalten. Er ent-
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faltet sich als geselliges Wesen aber nur in der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Eben hierin erwächst ihm auch das Bewußtsein seiner „Würde". In einer Gesellschaft, in der die Soziabilität des Einzelnen aber wesentlich auf dem Wege von Frustrationen und Ersatzlüsten sich bildet, kann der elementare Wunsch, sich zu vergesellschaften, auch nur in pervertierter Form herauskommen: als Wille, manipuliert und angepaßt zu werden, angepaßt auch an die Rechte und Pflichten, die als „überzeitlich" ausgegeben werden, in Wahrheit aber oft nur die bestehende Ordnung stützen. Das gilt vor allem für jenes vermeintliche Menschenrecht auf unbegrenztes Privateigentum, von dem die Ideologen der kapitalistischen Ordnung sagen, es sei die Bedingung unserer politischen Freiheit. Nicht minder problematisch ist ein Grundrecht auf eine Meinungsfreiheit, die nur die systemimmanente Funktion hat, angestauten Unmut abzureagieren - damit erst recht sich nichts ändere. Herbert Marcuse hat die Duldung solcher Freiheit als „repressive Toleranz" bündig bezeichnet18. Friedrich der Große, von Kant dafür belobigt19, hat sie zynisch bereits reflektiert: „Räsoniert soviel ihr wollt, aber gehorcht."
So manches „Menschenrecht" entpuppt sich bei näherem Zusehen entweder als eine Verhüllung von Mißständen oder als eine zwar heute, aber nicht für alle Zeit notwendige Überdetermination bestimmter sozialer Verhaltensweisen. Das gerade von kommunistischer Seite verfochtene allgemeine Grundrecht auf Arbeit mitsamt einer Grundpflicht zu arbeiten, darf vor der Perspektive fortschreitender Automation sich ebenso überprüfen lassen wie vor dem Postulat eines prestigefreien Lebens, das auf die heutige Überproduktion von Statussymbolen verzichten möchte.
Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Möglichkeit der Zukunft. Eine plötzlich in Mode gekommene Form der Manipulation sind demgegenüber Prophezeiungen über unsere „Welt von morgen". Solche Prognosen drängen die Erwartungen, Hoffnungen und Ängste in eine bestimmte Richtung, die um so unvermeidlicher erscheint, je „wissenschaftlicher" die Prognose sich aufmacht. Sie verstellen, apodiktisch vorgebracht, aber den offenen Horizont der Zukunft mit Wunschbildern, die in unerquicklicher Gegenwart von oft besonders vermessenen Hirnen gemalt werden. Es sind aber machtlüsterne Geister, die in unserer Gegenwart noch nicht so recht zum Zuge gekommen sind.
Die Frage, ob der Mensch manipuliert werden wolle, ist fast identisch der anderen, ob der Mensch beherrscht werden wolle. Der auf infantilem psychischem Niveau abhängig Gehaltene will es, wenn auch nicht in jedem Falle bewußt; vitalere Naturen, die nach frühe auferlegten Triebverzichten sich freischwimmen zu einiger Unbekümmertheit, wollen es nicht, nicht mehr.
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Sie wollen aber, da sie im Kampf gegen unterdrückende Erzieher, Vorgesetzte und Freunde sich durchboxen mußten, den aggressiven Lebensstil, den sie darüber entwickelt haben, nicht mehr missen. So werden ehemals Unterdrückte zu Unterdrückern oder, schlimmer noch, zu jenen unterdrückten Unterdrückern, die der Volksmund „Radfahrer" nennt: nach unten tretend und nach oben buckelnd.
Statt das Maß an Freiheit, das gegenüber autoritären Instanzen gewonnen wurde, als Toleranz und Anerkennung anderer nach unten weiterzugeben, innerviert der von klein auf unterdrückte Mensch alle Fasern seines leibhaften Wesens, um selber zu herrschen. In der sadistischen Unterdrückung anderer genießt er ein Gefühl der Freiheit, nicht ahnend, daß er selber in seinem kleinlichen Machtstreben noch Objekt pfiffiger Manipulation ist: Der unterdrückte Unterdrücker sorgt dafür, daß die Kette der Unterdrückung von der Spitze (eines Betriebes, eines Amtes, des Staates) bis zum letzten Mann nicht abreißt.
Durch materielle und symbolische Anreize zum sozialen Aufstieg machen diejenigen, die allein das Sagen haben in unseren Staaten, die Angehörigen einer mittleren Schicht von Juristen, Technikern und Managern noch zu ihren Komplizen. Wo dabei der Schwerpunkt der Macht Hegt, mag ein Blick auf die Gehälter eher verraten als demoskopische Umfragen, die ausmachen sollen, wen das Volk für am mächtigsten hält: Schon der Leiter einer mittleren Bankfiliale verdient mehr als ein Minister. Die Regierung hat nur die Macht, gesellschaftliche Gruppierungen und Kräfte der Wirtschaft gleichsam in Fahrtrichtung weiterzuleiten bei geringen Möglichkeiten der Weichenstellung - diese sozialen und ökonomischen Kräfte heranführen kann sie nicht. In Wirtschaft und Wissenschaft versammelt sich heute mehr an Verantwortung für die Zukunft eines Staates als in seiner Regierung. Nicht tadelnd sei das gesagt. Wenn das so ist, wenn die Eigengesetzlichkeit technischer Realitäten immer stärker unser Leben bestimmt in einer Weise, daß politische und schließlich auch kaufmännische Entscheidungsbefugnis ihr gegenüber machtlos wird, dann könnten wir von hierher auch dem Ideal einer herrschaftsfreien nicht-manipulierten Gesellschaft näherkommen. Es besteht aber auf dem Boden einer vital frustrierten Gesellschaft die Gefahr, durch Experten manipuliert zu werden, die ihre unaufgehellten Triebmotive in einer Form wirken lassen, die ihnen als Experten-Gruppe eine Macht sichert, die nicht weniger repressiv sein könnte als die alte, offen macht-bewußte. Die Wissenschaftsgläubigkeit der Massen gibt reiner Expertenwillkür schon heute den Anreiz, im Namen sogenannter Sach-zwänge neo-aristokratische Herrschaft auszuüben.
Wo, frustrationsbedingt, der Geist der Macht alles durchdringt, da sind auch die scheinbar rein sachlichen Fachleute je eine Verschwörung gegen die Laien, in der Absicht,
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sie auszubeuten, ihnen ihren politischen Einfluß zu nehmen, oder ganz einfach in der übermütigen Absicht, sie zu quälen.
Düstere Zukunftsvisionen zeigen Expertokratien von Frankensteinscher Ungeheuerlichkeit.
Schule und Presse hätten die Aufgabe, die abschüssige Bahn dahin zu blockieren durch die Vermittlung von Wissen und Information, welche die neuen technischen, psychologischen und biologischen Mittel der Menschensteuerung wenigstens in ihren gröbsten Möglichkeiten verständlicher machten. Die Schule muß auch zur Kritik ermutigen, damit die „neuen Menschen", die wir für eine neue Ordnung brauchen, genug Vertrauen ins eigene Nachdenken gewinnen. Eine Aufgabe der politischen Parteien wäre es, durch eine umfassende Ausbildung ihres Führungsnachwuchses dafür zu sorgen, daß dieser in den Stand gesetzt wird, den Experten und „Sachverständigenräten" aus sozialer Verantwortung auf die Finger zu sehen. Ein Hofnarr unserer Zeit, ein Kabarettist, hat das erhellende Wort gesprochen, Politik sei der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lasse. Die Wirtschaft - und die Technik, haben wir zu ergänzen.
Die Experten aus Wirtschaft und Technik müssen daran gehindert werden, Herrschaft am Staat vorbei zu praktizieren. Mit rein organisatorischen und politischen Maßnahmen ist indessen die Gefahr völliger Verplanung des Menschen nicht zu bannen. Die technischen, ökonomischen, psychologischen und biologischen Möglichkeiten totaler Manipulierung springen dem Machtwillen vital frustrierter Gehirne nur bei, sind zwar von ihnen entdeckt, doch nicht Ursache eines machtgewohnten Denkens. Sollen Wissenschaft und Technik sich menschenfreundlichere Ziele setzen, dann müssen schon freundlichere: vital befriedete, Menschen in ihnen sich umtun. Der Machtwille, der noch in der reinen Luft der Wissenschaften sich austobt, hat biologisch - für den Machtlüsternen - die Funktion, das verunsicherte Lebensgefühl in Balance zu halten. Wissenschaftliche oder pseudowissenschaftliche Manipulation ist nur eine andere, feinere Form der Machtausübung, in der der völlig scheu gewordene Mensch als Experte hinter der Sache, die ihn vertritt, zurücksteht. Neben aller Hinterhältigkeit dieser Struktur liegt darin auch etwas Tröstliches, etwas, was Hoffnung rechtfertigt: Hoffnung auf eine repressionsfreie Gesellschaft. Viel wäre schon gewonnen, wenn zwischen den einzelnen Forschungsrichtungen und technischen Planungen immer im Hinblick auf die leibhaften Bedürfnisse des Menschen eine Vermittlung geschähe. Solche Vermittler, Mediatoren auch genannt, könnten zumindest die drohende Manipulation der Experten abbauen.
Der Vorwurf der Laienhaftigkeit gegenüber Leuten, die in vielen Fächern zu Hause sind, kann dabei in den Wind geschlagen werden, denn manche, ja die meisten Fehler in den Humanwissenschaften und auch in den Verwaltungswissenschaften, zu denen technische Zweige
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gehören, kommen gerade davon, daß die Experten wechselseitig voneinander nicht Notiz nehmen.
Unter der Voraussetzung, daß die heute geltende, den Menschen immer noch in seinen vitalen Antrieben weitgehend ignorierende Moral möglichst unverändert erhalten bleiben soll, ist Manipulation eine notwendige Folge dieser Moral wie eine Voraussetzung, sie zu stützen, Manipulation des Denkens durch Tabus, des Fühlens durch Ideale der Härte und Tapferkeit, Manipulation der Triebsphäre durch frühkindliche Dressate sind die bislang dominanten Formen der Manipulation, die „sittlich" den Menschen beibiegen.
Da dies nie ohne schmerzhafte, Krankheit und Leiden fördernde Verkrümmung abging, kündigen jetzt noch tiefere Versuche der Manipulation sich an: Fortschritte der Biochemie sollen - und könnten - eine genetische Manipulation des Menschen ermöglichen. Solche Manipulation verheißt, die bislang aggressionsbedingenden Frustrationen beibehalten zu können und dafür den Reaktionszusammenhang mit der Aggressivität (genetisch) zu unterbinden. Radikal in seinem angeborenen Wesen gebrochen, brauchte der Mensch nicht mehr die Nachteile der ihm anerzogenen Tugenden auszuleben.
Eine Sittlichkeit, die vor neueren anthropologischen Erkenntnissen weichen müßte, könnte so noch zum zweifelhaften Motor biologischen „Fortschritts" werden. So wie wir bislang nur die Konsequenzen einer falschen Sittlichkeit ausleben konnten, werden wir in Zukunft vielleicht einen „Fortschritt" in Kauf nehmen müssen, der überflüssig wäre, wenn wir von der alten Moral rechtzeitig uns getrennt hätten. Die Idee einer genetischen Manipulation des Menschen tut bereits ihre Wirkung, noch ehe feststeht, ob sie je sich verwirklichen läßt. Es ist, um sie manipulierend wirken zu lassen, gar nicht nötig, daß sie im Maßstab einer ganzen Gesellschaft durchgreifend sich verwirklicht. Es genügt, wenn hinreichend wissenschaftsgläubige Menschen genetische Manipulation für möglich halten, um der geglaubten Möglichkeit eine immerhin psychische Auswirkung zu geben. Die Überzeugung, es lasse, was bisher nur „psychisch" uns ablenkt von unseren Trieben, noch biologisch sich unterstützen, gibt der überkommenen Sittlichkeit scheinbar ein biologisches Recht zu sein. Die Verfechter der traditionellen Sittlichkeit würden nicht anstehen, ein derart erschlichenes biologisches Recht in ein richtiges umzumünzen - analog ihrem Bemühen, die vermeintlich reine Geistnatur des Menschen als unbegrenzt veränderlich auszugeben. Eine Anthropologie, die sich darauf abstellt20, ist in Wahrheit eine Ideologie der Manipulation des Menschen. Indem sie vorgibt, daß aus dem Menschen alles werden könne, unterstützt sie das Bemühen, alles, was nur irgend denkbar ist, mit ihm zu machen.
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Soziale Ordnung ohne Manipulation?
Die Frage, ob eine Gesellschaft möglich sei, in der auch Manipulation bis gegen Null reduziert wird, ist weitgehend eins mit der umfassenderen Frage, ob eine herrschaftsfreie Gesellschaft überhaupt möglich ist.
Die Frage läßt ein anarchistisches Ideal anklingen, muß daher viele verschrecken. Aber wir müssen daran denken, daß die großen Vertreter des Anarchismus, Bakunin und Kropotkin, Anarchie nicht als ein reines Durcheinander, als ein soziales Chaos, verstehen wollten, sondern als eine spontan und selbstregulatorisch sich herstellende Ordnung der Liebe, in der es keinen Staat geben muß, keine Gesetze und keine öffentlichen Zwangsmaßnahmen.
Das ist in einer Massengesellschaft natürlich nicht zu verwirklichen, denn hier kommt der Einzelne mit so vielen Menschen in wirtschaftliche Beziehungen und zu so verschlungenen Kontakten durch die Verwaltung, daß er den Menschen, mit denen er dabei zu tun hat, oft nicht einmal von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Aber er steht in einem Rechtsverhältnis mit ihnen.
Eine Gesellschaft, in der Manipulation auf ein Mindestmaß gedrückt würde, wäre keine ordnungslose Gesellschaft, wäre keine, in der nicht doch eine gewisse Hierarchie der sozialen Funktionen bestände. Die Arbeitsteilung ist nun einmal nicht mehr rückgängig zu machen. Und wer mit einer kaputten Uhr oder einem kranken Herzen Reparatur oder Heilung sucht, der kann nicht hindern, daß der Uhrmacher oder der Arzt ihm ganz einfach aus Fachkompetenz in der Rolle des - situationsgebunden - Überlegenen begegnet. Abbau der Herrschaftsstrukturen kann in einer technisch und wissenschaftlich fortgeschrittenen Gesellschaft nur heißen, daß die sachbezogene Überlegenheit nicht höhnisch ausgespielt wird, um den Mitmenschen zu drücken und zu demütigen.
Es ist ja bereits eine Pervertierung der Mitmenschlichkeit, wenn in Notfällen oder in Krankheit Hilfe uns überhaupt nur noch in eitler Herablassung gewährt wird. Solch arrogante Nächstenhilfe kann aber nicht durch bloße Apelle ans „Herz", ans Mitgefühl, überwunden werden, wenn solche quasi seelischen Fähigkeiten kaum entwickelt sind. Spontane Herzlichkeit hat ihre leibhaften Bedingungen. Solange diese nicht erfüllt sind, dürfen wir in Notfällen sogar froh sein, daß Eitelkeit und Besserwisserei uns zu Hilfe kommen, soweit nicht für besonders schwerwiegende Fälle eine Pflicht zur Hilfeleistung strafrechtlich verankert ist. Ein Ethos der Nicht-Manipulierung kann von den vitalen Bedingungen ursprünglicher Mitmenschlichkeit sowenig absehen, wie sie auf kritische Aufklärung über die bereits praktizierte Manipulierung und auf organisatorische Reformen verzichten kann.
Um nur ansatzweise einige Punkte zu nennen:
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Es wäre nötig, erstens eine Erziehung, die jene frühen Triebverbiegungen vermeidet, durch die eine Manipulierung des leibhaften Menschen überhaupt an ihm ansetzen kann; zweitens eine Förderung der Kritikfähigkeit der Kinder durch Ermutigung zum Widerspruch gegenüber den eigenen Anweisungen und deren Begründungen: damit die Kinder Vertrauen in ihre eigene geistige Spontaneität bekommen.
Es bedürfte - drittens - ein jeder, der in unserer triebfeindlichen Ordnung gestrauchelt ist, besonderen rechtlichen Schutzes, um von den hier Angepaßten oder nicht Ertappten nicht deklassiert zu werden. Schließlich sollten elementare, leibhafte Grundbedürfnisse des Menschen wie das nach Kleidung, Nahrung und Wohnung jenem „freien Spiel des Marktes" entzogen sein, auf dem die wirtschaftlich Starken sich völlig frei, weil ungehemmt, zum Schaden anderer austoben dürfen. Der Minderbemittelte, der von seinem Hausbesitzer auf die Straße gekündigt wird, ist zwar nicht manipuliert; er wird einfach rücksichtslos behandelt. Manipuliert sind nur diejenigen, die zu der Überzeugung gebracht worden sind, dergleichen „Härten" seien nötig, um unser aller politische Freiheit zu gewährleisten.
Die egoistischen Motive hinter scheinbar unausweichlichen sozialen und ökonomischen Abläufen müssen ebenso aufgedeckt werden wie die wahren Zielsetzungen derer, die sich politisch zur Wahl stellen. Da die Interessen derer, die gewählt worden sind, über die Parteigrenzen hinweg sich annähern, weil sie gleichermaßen gewählt sind, ist der unabhängige Publizist als eine zweite Opposition unentbehrlich. Er muß nur ein Sprachrohr haben, das paradoxerweise eben die, die er kritisieren will, ihm rechtlich zu gewährleisten haben.
Wenn heute, im halbfreien Westen zumindest, vorwiegend die Rede ist von Manipulation, die nicht sein solle oder, wie andere meinen, doch sein müsse - dann zeigt dies, daß die Diskussion um die Unterdrückung des Menschen doch schon teilweise sich wegbewegen konnte von der Klage über brachiale Gewalt und von deren Rechtfertigung. Manipulation ist feinere, aber auch bereits schwächere Machtausübung. Sie bedarf nicht nur des Einverständnisses und der Selbstunterdrückung des Beherrschten mit der Herrschaft, sondern eines guten Glaubens, eigentlich gar nicht beherrscht zu sein. Wenngleich erst frei in der Illusion, ist er doch schon unterwegs zur Freiheit. Der Weg kann nur sich endlos dehnen, weil weniger hart ausgeübte Macht, die auf die Selbstunterdrückung der Beherrschten sich gründet, in denen selber sich stabilisiert.
Eine Gesellschaftsordnung, die eine Manipulation des Menschen verwehrte oder doch immer sogleich sichtbar machte, um sie aufzulösen, wäre im eigentlichen Sinne als menschenwürdig zu bezeichnen. Sie wäre würdig des Menschen, der Einsicht besitzt, um nicht belogen zu werden. Nicht aber das Ernstnehmen unseres Geistes allein machte das uns Würdige, weil Angemessene aus.
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Wir haben „den Geist" ja nicht um seiner selber willen, sondern um uns selber zu verstehen, und zur Orientierung in der Welt. Des Menschen würdig ist es gerade, über die Grundtatsachen seines leibhaften, triebhaften Wesens nicht getäuscht zu werden. In den Ansprüchen unseres Leibes ernstgenommen zu werden, das ist entscheidend unser würdig. Wir haben so Anspruch, in unseren Triebregungen nicht gedrückt und reglementiert zu werden. In solcher Anwendung verliert der Begriff der Würde seine geiststolze Aura.
„Menschenwürde" könnte etwas sehr Einfaches bedeuten: daß man uns nicht hungern und dürsten läßt und nicht frieren, daß man unsere spontanen sexuellen Neigungen nicht verprellt und daß man uns als Angehörigen der Spezies „Mensch" den allen Lebewesen nötigen „Individualabstand" (Portmann) zum nächsten Artgenossen nicht verweigert.
Weiter: daß man schon um der Gesundheit willen unsere Vernunft, die ursprünglich die Vernünftigkeit unseres Leibes ist, nicht mit Unwahrheit abspeist. Auch, heute aktuell: daß man unser Nervensystem nicht durch Lärm zerrüttet und unseren Organismus nicht durch denaturierte Nahrung und eine industriell verseuchte Luft vergiftet. So käme dem Menschen - wie jeder Kreatur - das seiner Würdige zu. Es ist von dem ihm Zuträglichen und Förderlichen gar nicht zu trennen.
Wenn wir als Menschenrecht formulieren wollten: „Jedermann hat Anspruch auf eine menschenwürdige Wohnung"20a, so bedeutet das zunächst das leider heute gar nicht Selbstverständliche, daß die Wohnung nicht gesundheitsschädlich sein dürfte und daß der Einzelne nicht so eng mit anderen zusammengepfercht sein sollte, daß er nicht mehr zum Nachdenken kommt. Dem Menschen wird durch eine ihn gesundheitlich angreifende Wohnung oft eine Konsequenz seiner Würde vorenthalten, die man selbst Tieren nicht verweigert: Wenn die Verordnung eines Ministeriums für Hundehalter vorschreibt, daß ein Zwinger sechs Quadratmeter groß sein müsse21, und wenn ein Landtagsabgeordneter darauf dringt, „nicht länger zuzulassen, daß Hofhunde lebenslang an kurze Ketten gefesselt sind"22, so ist hier geradezu der „Würde des Hundes" Rechnung getragen.
Das idealistische Gerede von der geistigen Würde und Freiheit des Menschen hat gerade ermöglicht, ihn körperlich zu vernachlässigen. Man wagte, ihn um so sadistischer zu zwicken und zu frustrieren, da man doch zugleich auf seine „inneren Werte", seine Würde, verwies. Als würdevoll gilt es, im Schmerz keine Miene zu verziehen. Würdelos ist, wer einfach losbrüllt vor Pein.
Wenn wir aufhören, die alte Ontologie mitzumachen, die den Menschen aufgespalten denkt in schimpflichen Leib und würdigen Geist, dann könnten wir auch die Würde des Menschen leibhaft verankern. Dann bekommt er auch das Recht, sich seiner Haut gegen alle Verstümmelungsversuche an seinem Leib zu wehren. Er übte dieses Recht schon aus vom Tage seiner Geburt an, sowie er gegen Triebunterdrückung Widerstand zeigte. Die Respektierung solch vitalen Widerstandes durch den Erzieher schüfe die Voraussetzung für späteren Widerruf gegen Manipulation in allen Lebensbereichen. Denn der Mensch, der nach Trieb und Geist nicht zu unterscheiden ist, kann nicht wirklich frei im Geist werden, wenn er körperlich verklemmt ist.
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Fußnoten:
Vgl. Werner Maihofer: Rechtsstaat und menschliche Würde. 1968. Ferner: Hans Ryffel: Rechts- und Staatsphilosophie. 1969, S. 314.
Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde. Frankfurt am Main 1961, S. 234.
Vgl. Arno Plack: Die Stellung der Liebe in der materialen Wertethik. Münchener Diss. 1962, S. 22.
Vgl. Arno Plack: Die Stellung der Liebe in der materialen Wertethik, S. 208 ff.
Vgl. Ernst Bloch: Naturrecht und menschliche Würde, S. 212 und 215.
Vgl. Arno Plack: Die Gesellschaft und das Böse. Eine Kritik der herrschenden Moral. München 1967, 9. Auflage 1970, S. 105 ff.
Vgl. Nicolai Hartmann: Das Problem des geistigen Seins. 2. Auflage, Berlin 1949, S. 239.
Wir beziehen uns hier auf die von Herman F. Meyer alle zehn Jahre, 1946, 1956 und 1966 bei jeweils etwa 2 Millionen Babies durchgeführte Erhebung, über die wir in dem Buch „Die Gesellschaft und das Böse", München 1967, auf den Seiten 360/61 berichtet haben.
Vance Packard: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann. (The Hidden Persuaders). Ullstein-Buch Nr. 402, Frankfurt am Main — Berlin 1962, S. 204.
Ernest Dichter: Strategie im Reich der Wünsche. Düsseldorf 1961, S. 13 f. und S. 49.
Thorstein Veblen: Theorie der feinen Leute, 4. Kapitel. Köln—Berlin o. J.
Freuds Lehre von der Notwendigkeit, libidinöse Regungen zu sublimieren, um Leistung zu ermöglichen, stellt dieses immer noch herrschende Vorurteil nur in logisch breiterer Weise dar.
Der Kommunarde Fritz Teufel hielt sich darum auch etwas darauf zugute. In seinem Diskussionsbeitrag auf der Bundesdelegierten-Konferenz des SDS in Frankfurt am Main, Anfang September 1968, sprach er, ohne daß Gelächter sich ausbreitete, von einer „sinnvollen Aktion ... in den Gerichtssaal zu scheißen" . . . (Tonband gesendet im Südwestfunk am 18. September 1968.)
Vgl. Michael Landmann: Philosophische Anthropologie. Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart. Berlin 1955 (Sammlung Göschen, Band 156/156 a), S. 23.
Vgl. „Die Gesellschaft und das Böse", München 1967, S. 131.
Vgl. Vance Packard: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann. (The Hidden Persuaders). Ullstein-Buch Nr. 402, Frankfurt am Main — Berlin 1962.
Georg Jellinek: Allgemeine Staatslehre. 3. Auflage, Berlin 1914, S. 338 ff.
Herbert Marcuse: Repressive Toleranz. In: Robert Paul Wolff, Barrington Moore, Herbert Marcuse: Kritik der reinen Toleranz, edition suhrkamp 181, Frankfurt am Main 1966.
Vgl. Immanuel Kant: Was ist Aufklärung? Akademie-Ausgabe Band VIII, S. 37.
Vgl. Arnold Gehlen: Anthropologische Forschung. Rowohlt-Taschenbuch 1961, S. 81-84.
20a In Artikel 14 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 heißt es immerhin: „Jeder Bewohner der Freien Hansestadt Bremen hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Es ist die Aufgabe des Staates und der Gemeinden, die Verwirklichung dieses Anspruchs zu fördern."Wir beziehen uns auf eine Verordnung des Bayerischen Innenministeriums, die in der Presse erstmals im Sommer 1970 mitgeteilt wurde (so in der „Landshuter Zeitung" vom 27. Juli 1970).
Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Nehrling ist damit beim Landwirtschaftsminister auch durchgedrungen. (Nach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 6. März 1969.)
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Arno Plack (1971) Manipulierung des Menschen und Menschenwürde