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Vorwort

1973 von Theo Löbsack

 

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Isaac Newton, sagt man, habe die Gravitationsgesetze gefunden, nachdem ihm ein Apfel auf den Kopf gefallen war, und James Watt sei beim Anblick eines klappernden Topfdeckels auf das Prinzip der Dampfmaschine verfallen. Einsichten in Naturzusammenhänge haben manchmal banale Anlässe.

Manchmal liegen sie auch in der Luft. <Die Zeit war reif für diese Entdeckungen>, heißt es von der Kernspaltung und der »Doppelhelix«, der Intimstruktur der Erbsubstanz. Liegt heute wieder <etwas in der Luft>?

Lange schon hören wir von den Gefahren für die Zukunft der Menschheit, der Bevölkerungsexplosion, der Umweltverschmutzung, dem industriellen Wachstum, den schwindenden Rohstoffvorräten auf dem »Raumschiff Erde«. Wir wissen es und wir sehen es täglich, was alles wir falsch machen auf diesem Planeten. Aber die Frage, warum wir das alles tun, ist offengeblieben. 

Noch niemand hat - soweit ich sehe - den logischen, wenngleich für viele schockierenden, Schritt über die Anprangerung des Menschen als Umwelt­sünder hinaus getan — und hat die letzte Ursache für unser Verhalten beim Namen genannt.

Auf eine kurze Formel gebracht liegt diese Ursache darin, daß der Homo sapiens während der Zeit der Menschwerdung mit seinem Großhirn das stammes­geschichtlich gefährlichste Organ erworben hat, das sich für ihn denken läßt. So ungeheuerlich es klingen mag, aber es ist eben dieses Organ, das die Überlebens­chancen des Menschen — all seiner Einsicht in die Umweltnot und all seinen Gegenmaßnahmen zum Trotz — zusehends schwinden läßt.

Die Schuld daran tragen bestimmte Merkmale unseres Zentralen Nervensystems. Allen voran steht die zwanghafte Eigenschaft des Großhirns, Erkenntnisse zu gewinnen und zu realisieren, die zu einer luxurierenden, einer überschießenden Umweltveränderung führen — einer Veränderung, deren Ausmaß und Beschleun­igung eine dauerhafte und harmonische Integration des Menschen in seinen selbstgeschaffenen Lebensraum verhindern.

Sieht man diese Entwicklung mit den Augen der in langen Zeiträumen denkenden Archäologen oder Biologen, so wird deutlich: Das Großhirn erweist sich als Exzessivorgan mit Überschußfunktionen, die mehr und mehr zum Nachteil des Menschen gereichen. Trotz aller seiner bewunderten Fähigkeiten muß es als gescheiterter Versuch der Evolution gelten, als ein Versuch, der vielversprechend begann, aber in eine Sackgasse führte. 

Es ist kein Verlaß mehr auf dieses Organ, mit dem wir so vieles entdeckt, erkannt und erreicht haben, das aber nicht fähig gewesen ist, unser Überleben auf der Erde langfristig zu sichern.

Sind wir die Opfer eines Irrtums der Natur? Sind wir die Leidtragenden eines stammesgeschichtlichen Experiments, das mit uns angestellt wurde — spielerisch sozusagen, kaum länger als ein Atemzug im Weltenlauf? Es muß befürchtet werden, daß es so ist. Die Indizien sind erdrückend.

Theo Löbsack, 1973

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 Dr. rer. nat. Theo Löbsack   Versuch und Irrtum