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Michael Lukas Moeller

Die richtigen Zufälle zur rechten Zeit

Von der Geburt eines Buches

 

7-10

Die Idee zu diesem Buch entstand fast unbeabsichtigt. Alltägliches, neue Begegnungen, die aktuelle Zeitge­schichte, vergangene Arbeiten und unvorhersehbare Situationen bündelten sich gerade im rechten Moment. Im Herbst 1990 kam ich auf eine Stippvisite in den Rowohlt Verlag. Ich wurde von Abteilung zu Abteilung gereicht und mit der üblichen Schmeichelei versehen, daß ein Autor der Brotgeber aller derjenigen sei, die mir nun in meinem Stammverlag die Hand schüttelten.

Wir wollten auch bei Michael Naumann, dem Verlagschef, vorbeischauen. Dieser hatte sich gerade mit einem drohenden Buchverbot auseinandersetzen müssen. Es betraf die Protokolle einer Sitzung des Schrift­stellerverbandes der DDR, die zum Ausschluß bedeutender Autoren führte. Über dieses Politikum sprachen wir und waren damit auf die Probleme der deutschen Vereinigung gekommen.

Natürlich lenkten meine höflichen Gastgeber das Gespräch auch auf meine Bücher, vor allem auf den Band über Zwiegespräche mit dem Titel «Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch». So ergab sich ein seltsames Themengemisch aus den aktuellen Fragen der deutschen Vereinigung und den Möglichkeiten, die «Kommunikationskluft» in Partnerschaften durch die Kultivierung konzentrierter Gespräche zu überwinden.

In diesem Zusammenhang fiel mir ein Vortrag in Stuttgart ein, den ich ausgerechnet am Tag der deutschen Vereinigung, am 3. Oktober 1990, gehalten hatte. Der Termin war lange vor den dramatischen politischen Ereignissen festgelegt worden und sollte nicht extra rückgängig gemacht werden, obwohl es mir zunächst absurd schien, an einem solchen Tag über das Dilemma der sprachlosen Paare zu sprechen. Auf der Suche nach einer Brücke zwischen dem Paarthema und der Wiedervereinigung wurde mir jedoch plötzlich klar, daß die seelische Charakteristik des durchschnittlichen westdeutschen Mannes — scheinbar kerngesund, aber hochkonkurrierend — fast exakt mit dem allgemeinen Bild der Bundesrepublik übereinstimmte und die durchschnittliche Selbstbeurteilung der westdeutschen Frau — depressiv und eher zwanghaft ordentlich — mit dem Image der DDR. 

Wenig später, zu Beginn meines Vertrages, verlor ich mich so ausgiebig in dieser Gleichung des privaten und politischen Paares, daß fast eine halbe Stunde verging, ehe ich über Grundordnung und Geist der Zwiegespräche zu sprechen begann. In der anschließenden, lebhaft geführten Diskussion kam der Gedanke auf, größere west-ostdeutsche Tagungen anzuregen, auf denen sich die Teilnehmer jeweils zu zweit zusammensetzen, um west-östliche Zwiegespräche zu führen. Obwohl das einfach zu realisieren wäre — denn hundert und mehr Zwiegespräche können ohne weiteres parallel in einem einzigen großen Saal stattfinden —, kam mir der Gedanke damals noch absonderlich vor.

Immerhin erzählte ich in Reinbek meinen beiden Gesprächspartnern davon, zumal sie sich fragten, worin die besondere Nachfrage nach dem Buch über Paargespräche begründet sein könnte. Als ich schließlich erwähnte, daß ein unbewußtes Zusammenspiel zwischen den beiden deutschen Nationen auch von einem östlichen Psychotherapeuten behauptet worden sei, von Hans-Joachim Maaz in seinem Buch «Der Gefühlsstau», überraschte uns Michael Naumann plötzlich mit dem Vorschlag: «Wie wäre es, wenn Sie und Herr Maaz Zwiegespräche führten, um die ausstehende menschliche Vereinigung zwischen Ost- und Westdeutschland anzuregen? Sie brauchten die Gespräche nur auf Tonband aufzunehmen und zu überarbeiten.»

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Mich verlockte die Idee Michael Naumanns aus mehreren Gründen: Es war eine politische Anwendung der Zwiegespräche, deren wohltuende Wirkung ich privat und beruflich schon viele Jahre erfahren hatte. — Es war eine Chance, durch eine sinnvolle und intensive Zusammenarbeit Hans-Joachim Maaz näherzukommen (auf einem Gruppenanalyse-Seminar hatte ich ihm kurz zuvor angeboten, meinen Vortragstermin zu übernehmen, damit er seine Sicht der Wiedervereinigung darstellte; die Art, wie er seine Auffassungen vortrug — mir schien sie eine besondere Mischung aus Gefühlsnähe, selbstkritischer Haltung, Kompetenz und Einfühlsamkeit zu sein —, hatte mich ganz für ihn eingenommen). — Als Psychoanalytiker konnte ich mein politisches Engagement auf diese Weise in die Tat umsetzen. — Als Deutscher wollte ich gern einen konkreten Beitrag zur Vereinigung leisten. — Und nicht zuletzt reizte mich ein spontanes, schnelles Buch, das mit der vorgeschlagenen Methode vielleicht tatsächlich zu realisieren war.

Alles andere aber sprach dagegen: mein persönliches Leben, meine berufliche Tätigkeit, meine aktuelle Belastung mitten im Wintersemester und die Planung für ein anderes Buch.

Vor allem aber war Hans-Joachim Maaz noch gar nicht gefragt worden. Vielleicht war es das Zutrauen in die Zwiegespräche und die Ermutigung durch meine Gesprächspartner, die mich zunächst einmal zustimmen ließen — doch insgeheim hatte ich auch die Hoffnung, Hans-Joachim Maaz würde ablehnen.

Aber Hans-Joachim Maaz sagte zu. Wir trafen uns an einem Wochenende im Januar 1991, als er in Halle gerade das zehnjährige Jubiläum seiner Psychotherapiestation feierte, und führten am Sonntag — bewußt ohne jede Vorbereitung — drei Zwiegespräche, die wir auf Tonband aufnahmen. Wenige Wochen später ergänzten wir sie in Berlin durch eine gemeinsame Reflexion des gesamten Gesprächsverlaufes. Von Anfang an wollten wir keinen Perfektionismus der seelischen Analyse und der menschlichen Vereinigung anstreben, wie er den Deutschen in Ost und West naheliegen könnte. Vieles haben wir gar nicht angesprochen. Wir wollten vor allem anregen und ermutigen, sich selbst auf diesen Weg zu machen.

Unsere gemeinsame dunkle Vergangenheit trat in diesen Wochen unheilvoll und beschämend zu Tage, als die Verantwortung der Deutschen für die Aufrüstung des Irak deutlich wurde — im Osten durch die Ausbildung von irakischen Terroristen, im Westen durch Waffengeschäfte und Embargokriminalität. Der Export mit unserer finstersten Ware, mit der unverarbeiteten Hitler-Imago, hatte auf beiden Seiten bestens floriert. Wer seine Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Diese Einsicht gilt nicht nur im politischen, sondern gleichermaßen auch im persönlichen Bereich. Zwiegespräche könnten auch diese Schatten unserer Identität klären helfen.

9-10

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Hans-Joachim Maaz 

Befreiung durchs Gespräch

Für eine neue Offenheit in Deutschland

11-16

«Der Gefühlsstau. Ein Psychogramm der DDR» war mein erstes Buch. Den Antrieb dazu verdanke ich einer politischen Aufbruch­stimmung, die ich in meinem Leben nicht mehr für möglich gehalten hatte — und, typisch für die deutsch-deutschen Verhältnisse, der Anregung und Ermutigung durch den West-Berliner Argon Verlag. Ich selber war damals noch viel zu eingeschüchtert und in der für DDR-Bürger typischen Position eines geduldeten Außenseiters befangen, um aus eigenen Kräften das für ein solches Projekt notwendige Selbstbewußtsein mitzubringen. Aber beim Schreiben befreite ich mich von dem «Schmutz» dieses unglückseligen Systems, der sich wie der Grauschleier unserer «Industrienebel» über meine Seele gebreitet hatte. 

Ich schrieb mehr für mich selbst als für die Öffentlichkeit, so daß im Grunde genommen eine Zweitfassung verlegt wurde, da der Originaltext zu einem Pamphlet geraten war, das bereits für meinen Lektor eine Zumutung zu sein schien. Aber beide Fassungen hatten ihren Sinn: die eine als ganz persönliche emotionale Abreaktion, die andere als sachlich-verallgemeinernde Darstellung unserer Verhältnisse aus der Perspektive eines Psychotherapeuten.

Es gab vielfältige Reaktionen auf dieses Buch, von denen mich die meisten erfreuten. Nur eine Meinung irritierte mich ernsthaft — wenn gesagt wurde, ich hätte mit meiner kritischen Beschreibung der Menschen und der Verhältnisse in der ehemaligen DDR jenen Kräften einen Dienst erwiesen, die mit der kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensweise die ganze Welt kolonialisieren wollten.


Durch mein Buch seien sie geradezu ermutigt worden, uns herablassend, belehrend und mit der arroganten Pose der Befreier und Erlöser zu okkupieren, um uns jetzt das «richtige Leben» beizubringen, womit in der Regel die «beglückende» Zucht und Ordnung der Geldwirtschaft gemeint ist.

Für mich ist erschreckend, wieviel Mißverständnisse sich allein in der weitverbreiteten Haltung ausdrücken, daß wir «es» durch richtige und harte Arbeit schon auch bald schaffen könnten. Dabei werden weder die Not der Menschen wahrgenommen, die sich im Konkurrenzkampf aufreiben, noch die Fragwürdigkeit dieser Arbeitsziele, geschweige denn die Kränkung, die durch solche Botschaften bei den Empfängern ausgelöst wird.

Bei meinen Vorträgen in Westdeutschland bin ich aber auch häufig auf eine Reaktion gestoßen, die mich entlastet. Sie lautete: Dieses Buch hätte auch im Westen geschrieben werden können, nur seien die Kompensationsformen von Mangelsyndrom und Gefühlsstau den Verhältnissen der «sozialen Marktwirtschaft» angepaßt, das heißt geschickter verborgen und stärker verschleiert als bei uns. Solche Äußerungen sind geeignet, mich etwas zu beruhigen und die unerwartete Schuld, die mir zugeschoben wird, zu mildern. Weder konnte noch wollte ich Anfang 1990 die westlichen Verhältnisse zur Zielscheibe meiner Kritik machen — dazu fehlte mir sowohl die Kompetenz als auch die Motivation. Ich hatte genug mit mir und den Folgen des «real existierenden Sozialismus» zu tun.

Inzwischen sehe ich immer deutlicher, wie irrationale unbewußte Kräfte aus dem Osten und dem Westen in einem unheilvollen Zusammenspiel unsere Zukunft gefährden, und ich suche nach sinnvollen und realistischen Alternativen. In diesem Gemisch von Hoffnungen, Ängsten, Verunsicherungen und Empörungen erreichte mich ein Brief von Michael Lukas Moeller mit dem Vorschlag, mit ihm mehrere Zwiegespräche zu führen und daraus ein Buch zu machen. Als erstes reagierte ich mit meinem «Ossi-Komplex»: Ich fühlte mich geehrt, empfand aber zugleich die alte Scheu, das Vorhaben sei eine Nummer zu groß für mich.

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Außerdem hatte ich noch den enormen Streß beim Schreiben des «Gefühlsstaus» in Erinnerung, der mich hatte schwören lassen, zu den natürlicheren Rhythmen meines Lebens zurückzukehren und auf keinen Fall länger tagsüber in der Klinik zu arbeiten und nachts zu schreiben. Ich schlief zwei Nächte über diese aufregende Idee, bis ich sie innerlich bejahte: Ein solches Zwiegespräch erschien mir sinnvoll als eine dringende Ergänzung zum politischen und wirtschaft­lichen Streit bei der Vereinigung Deutschlands - und als Gegengewicht zu der Verseuchung der menschlichen Beziehungen.

 

Noch bevor ich Michael Lukas Moeller persönlich kennengelernt hatte, war mir sein Buch über Selbst­hilfe­gruppen eine große Hilfe für meine therapeutische Arbeit in der DDR. Selbsthilfegruppen waren offiziell in der DDR nicht erlaubt, weil es die Bürger nicht nötig hätten, sich selber zu helfen — der Staat sorge schließlich für jeden. Man spürte die subversive Gefahr für das System, wenn sich Menschen mit weniger Mißtrauen und Angst näherkamen und ihre Angelegenheiten selber in die Hand nahmen. An die Stelle der verordneten und verlogenen Solidarität der Menschen hätte eine wirkliche Verständigung treten können, und damit wäre die repressive und ängstigende Kraft des «divide et impera» zerbrochen. 

Wir hatten deshalb entgegen dieser Doktrin schon längere Zeit ehemalige Patienten zur Gründung von Selbsthilfegruppen ermutigt und dabei beratend unterstützt. Wir legten sogar Wert darauf, daß sie nicht in die schützenden Mauern kirchlicher Freiräume flohen, sondern als Selbsthilfegruppen bewußt alternative Inseln in der Gesellschaft bildeten, wobei es uns wichtiger war, die durch die Therapie gewonnene Offenheit, Ehrlichkeit, Eigenständigkeit und Kritikfähigkeit zu schützen und weiterzupflegen, als andere Menschen einzubeziehen oder gar öffentlich provozieren zu wollen. Moeller wußte nicht, wie sehr wir dabei von seinem Buch profitiert hatten.

Nach der «Wende» lernte ich ihn auch persönlich kennen und konnte mein positives Vorurteil im direkten Kontakt bestärken. Deshalb konnte ich mich relativ angstfrei und offen auf die Zwiegespräche mit ihm einlassen. Damit spreche ich allerdings auch eine Grenze für diese Form der Begegnung an, denn ich weiß nicht, ob Zwiegespräche überhaupt eine Chance haben, wenn keine grundsätzliche Sympathie, sondern offene Feindseligkeit zwischen den Gesprächspartnern herrscht.

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In meiner psychotherapeutischen Arbeit bin ich häufig auf große Angst vor Nähe und Verständigung gestoßen, weil Feindseligkeit und Distanz nur allzugern geschürt werden, um nicht an das schmerzliche Defizit nie erfahrener menschlicher Liebe erinnert zu werden. Andererseits habe ich in meinem Leben als Therapeut die entlastende Funktion von «Zwiegesprächen» zu schätzen gelernt, weil ich durch sie immer weniger Schwierigkeiten empfand, in dem Riesenkäfig unseres Landes mit den gefühlsblockierten Dompteuren, die mit Zuckerbrot und Peitsche arbeiteten, leben zu können.

In meinen privaten Beziehungen, in der Partnerschaft, in Freundschaften und auch im Arbeitsteam, waren die Gespräche, in denen ich wirklich von mir sprechen und dabei die tieferen Beweggründe von Spannungen und Konflikten erkennen und auflösen konnte, eine zentrale Erfahrung der Befreiung. Ich sah in ihnen nicht nur ein Mittel, um irgendwelche Symptome und Beziehungsstörungen zu klären, sondern ganz allgemein die Grundlage für eine Lebensweise, die nicht mehr nur die großen Ersatzbedürfnisse — Konsum, Besitz und Macht — auf eine Weise ins Zentrum des Lebens rückt, daß wir daran krank werden, daß wir uns gegenseitig vernichten oder daß wir unsere Umwelt zerstören.

Das Angebot von Michael Lukas Moeller war für mich die Fortführung einer Lebenserfahrung und zugleich eine zeitgemäße Erweiterung auf die Ost-West-Situation mit ihren politischen Dimensionen. Ich sah die Chance, daß ein erfahrener und kompetenter West-Therapeut zu meinen DDR-Erfahrungen aus seiner Perspektive Stellung bezieht und seine Erfahrungen mit den westlichen Verhältnissen mit einbringt. Ich hoffte, in den Zwiegesprächen auch eine Antwort auf die drängende Frage zu finden, was man den herben Enttäuschungen, den tragischen Schicksalen und der psychosozialen Krise bei uns entgegensetzen kann, die eine Folge der vorschnellen politischen Vereinigung und der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit beider Systeme sind.

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Ich habe Angst vor einem sozialen Chaos mit gefährlichen Folgen, ich habe Angst, daß die psychosozialen Grundlagen von Schuld erneut in Deutschland mit Aktivismus und Abwehr verdrängt werden, ich fürchte sogar ein östliches Wirtschaftswunder (obwohl ich für dessen «Genüsse» am anfälligsten bin), weil die Ausdehnung unseres überzogenen Wohlstandes die Katastrophen auf dieser Welt noch verstärken würde.

Die einzige Chance, von unserem suchtartigen Abwehrverhalten und Agieren abzulassen, erkenne ich in der befreienden Erfahrung solcher zwischenmenschlichen Beziehungen, die emotionale Offenheit und Echtheit erlauben. «Zwiegespräche», wie sie Michael Lukas Moeller entwickelt hat, sind dafür ein hervorragender Anfang, zu dem wir möglichst viele Menschen ermutigen wollen — auch die, die politische Verantwortung tragen und häufig meinen, sie würden ihre Entscheidungen ausschließlich aufgrund rationaler Überlegungen treffen, und dabei die irrational wirksamen Kräfte verleugnen. Ein Hindernis, das ich allerdings sehe, ist das große Ausmaß aggressiver, schmerzlicher und trauriger Gefühle, für deren Abbau viel Verständnis und Toleranz erforderlich sind. Hierin könnte eine Überforderung für solche deutsch-deutschen Zwiegespräche liegen.

Ich gehöre nicht zu den Vertretern jener therapeutischen oder seelsorgerlichen Richtungen, die stets am Positiven und Guten des Menschen ansetzen und dies befördern wollen. Nach allem, was mich meine Arbeit und das Leben gelehrt haben, bin ich vielmehr zutiefst davon überzeugt, daß «das Gute» erst dann eine Chance hat, wenn auch «das Böse» sich zeigen und ausdrücken durfte. Das unterdrückte «Böse» sucht sich immer einen Kanal, um sich abreagieren zu können, und benutzt, um sich zu tarnen, häufig ideologische, politische, religiöse und ökonomische Argumente. Erst wenn sich Haß, Schmerz und Trauer unverstellt zeigen dürfen, haben wir eine Chance, daran nicht zugrunde zu gehen. Mir scheint, daß der Mensch vor allem den Krieg bereithält, um dem nichtgelebten Bösen die Möglichkeit zu geben, sich auszuagieren. Obwohl ich nicht glaube, daß wir diesen Mechanismus wirklich beseitigen können, mag ich doch nicht aufhören, darauf zu hoffen. Dieses Buch ist ein Ausdruck dieser Hoffnung.

Im lauten Schreien nach mehr Geld, besseren Strukturen und kompetenterem Personal, um die deutsche Einheit zu verwirklichen, drückt sich in meinen Augen ein beidseitiger Abwehr­mechanismus aus: Wir wollen unsere inneren Wunden und unsere Schuld durch schnellen äußeren Erfolg behandeln; und von westlicher Seite soll kein Zweifel an dieser «erfolgreichen» Abwehrstrategie aufkommen. Dieser Weg ins erwünschte Glück ist aber unser Unglück. Wenn wir etwas vom Westen brauchen, dann sind dies ehrliche Schilderungen, wie die inneren Zustände und Befindlich­keiten der Menschen dort wirklich aussehen. Dies ist für die Betroffenen befreiend — und für uns im Osten eine Hilfe, schneller zur Ernüchterung zu kommen. Wir müssen uns verständigen, gemeinsam eine neue Lebensweise zu finden. Viel Zeit bleibt dafür nicht.

15-16

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