Hans-Joachim Maaz

Die narzisstische
Gesellschaft 

Ein Psychogramm  

 

2012 im Beckverlag

2014 bei dtv

2012   

235 Seiten

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detopia: 

Maaz.Start 

Reinhard Haller  

Wolfgang Schmidtbauer

 

KLAPPENTEXT

Gier - den Hals nicht voll kriegen zu können, so lautet die mit Abstand häufigste Antwort auf die Frage nach der tieferen Ursache der Krise unseres Finanz- und Gesellschaftssystems. Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Gier, sei es nach Geld oder anderen Lebensvorteilen, so kann er zeigen, ist Ausdruck einer narzisstischen Störung. 

Der narzisstische Mensch ist im Kern ein um Anerkennung ringender, stark verunsicherter Mensch. So tut er alles, um die Bestätigung, die er zum Leben braucht, zu erhalten. Diese narzisstische Kompensation bedarf ständig erweiterter Ablenkung durch Konsum, Besitz, Animation und Aktion. 

Gier ist keine spezifische Charaktereigenschaft etwa von Bankern oder lediglich Folge falscher Anreize: Für Maaz ist sie ein zentrales Symptom der narzisstischen Bedürftigkeit der meisten Bürger der westlichen Konsumgesellschaften. Besonders ausgeprägt ist sie allerdings bei den Trägern gesellschaftlicher Macht anzutreffen: bei Politikern, Managern und Stars. 

 

Inhalt

1 Narziss - der Mythos 7

2 Narzissmus - ein Begriff 11 Gesunder Narzissmus 13 • Pathologischer Narzissmus 17

3 Die Symptome der narzisstischen Störung 23

4 Größenselbst und Größenklein 30

5 Die narzisstische Störung als Basis der narzisstischen Gesellschaft 47

6 Die Folgen narzisstischer Störungen (53)  Die individuelle narzisstische Not 53 • Die unvermeidbaren sozialen Konflikte 56 • Die Träger gesellschaftlicher Fehlentwicklung 59

7 Die narzisstischen Beziehungsangebote 68

8 Die Angst vor Nähe 72

9 «Ich halte das Gute nicht aus!» 76

10 Der Schatten des Narzissmus 81 Die narzisstische Regulationsnotwendigkeit 81 • Die Notwendigkeit des Ersatzleides 86

11 Die Abwehr des narzisstischen Makels: Kompensation und Ablenkung 94

12 Ethik und narzisstische Abwehr 107

13 Männlicher und weiblicher Narzissmus 110

14 Narzisstische Regulationsformen in der Folge von Mütterlichkeits-und Väterlichkeitsstörungen .... 119

15 Durch Narzissmus beförderte Erkrankungen 128

16 Narzissmus und Pubertät 136

17 Die narzisstische Elternschaft 139

18 Die narzisstische Partnerschaft 144

19 Der narzisstische Sex 163

20 Narzissmus und Altern 168

21 Die Therapie der narzisstischen Störungen 173

22 Liebe versus Narzissmus 182

23 Politik ist narzissmuspflichtdg 189

24 Bankrott der narzisstischen Gesellschaft 201

25 Das Leben auf der Titanic 206

26 Vision einer demokratischen Revolution 209

Epilog: Die Angst zu Heben - Fluch meines Narzissmus

Ein authentischer Lebensbericht  (218)

Anmerkungen 235

 


Perlentaucher  Rezensionsnotiz zu NZZ  21.09.2012  

Einen zwiespältigen Eindruck hat das Buch über die "narzisstische Gesellschaft" bei Joachim Güntner hinterlassen. Auf der einen Seite scheint ihm die strikt psychoanalytische Argumentation des Autors - kulturhistorische, politische, soziologische oder sozialphilosophische Analysen kommen nicht vor - doch etwas reduktionistisch, will Maaz über den Schlüsselbegriff des Narzissmus doch so gut wie alle Übel der Welt - vom Krieg bis zum Fitnesswahn - erklären. 

Güntner moniert hier insbesondere die Tendenz des Autors zu überspitzten und paschaulisierenden Aussagen. Andererseits kommt er nicht umhin einzuräumen, dass Maaz mit seinen Problemanalysen durchaus "wunde Punkte" trifft. 

Besonders hebt der Rezensent die Ausführungen über die Bedeutung der Mutter für die kindliche Entwicklung und die Entstehung der narzisstischen Störung hervor, die an Heinz Kohut, der zum Thema Narzissmus schon vor 40 Jahren alles Wesentliche gesagt hat, anknüpfen.


 

SWR: Besprechung von Stefan Berkholz       swr.de maaz-die-narcisstische  

 

"Der Sozialismus ist gescheitert, weil die Menschen mehr haben wollten, als zu bekommen war, der Kapitalismus scheitert, weil die Menschen mehr verbrauchen, als sie verdient haben."

Hans-Joachim Maaz: "Dieses System ist nicht mehr menschenfreundlich genug, sondern droht uns alle in eine schwere Krise zu stürzen. Das ist ein Hauptanliegen des Buches, darauf aufmerksam zu machen. Die Bitterkeit für mich aus meiner psychotherapeutischen Arbeit besteht darin: Ich kann ja zugespitzt sagen, die frühe narzisstische Störung ist im Grunde genommen nicht mehr wirklich heilbar." 

Die ersten drei, vier Jahre seien für die Entwicklung eines Menschen entscheidend, betont Maaz. Erfährt ein kleines Wesen in dieser frühen Phase nicht genug Liebe, Anerkennung, Fürsprache, Bestätigung, Zuwendung - dann wird sich diese Vernachlässigung ein Leben lang in allen möglichen Störungen zeigen, nicht nur psychisch sondern auch körperlich. "Prävention ist besser als Therapie." Schreibt Maaz in seinem Kapitel "Die Therapie der narzisstischen Störungen". 

"Diese Lebensweisheit richtet sich gegen zwei gesellschaftliche Strömungen: gegen eine kommerzialisierte Medizin, die an Krankheiten verdient, statt sie mit dem spezifischen medizinischen Wissen verhindern zu helfen, und gegen eine politisch gewollte Lebensform mit einem hohen pathogenen Potential infolge von Leistungsstress, Konkurrenzdruck, Reizüberflutung, Mobilitätszwang und sozialer Ungerechtigkeit." 

Drückt Maaz damit nicht utopische und ziemlich wirklichkeitsferne Wünsche aus? Leben wir nicht im Kapitalismus? Hat in diesem System nicht alles seinen Preis? Wird nicht in allen Bereichen nur in Kosten gerechnet und ein Menschenleben zählt in dieser Kalkulation zunehmend weniger? Hans-Joachim Maaz:

"Auch wenn das natürlich utopisch klingt, muss es ja deshalb nicht falsch sein. Das Utopische macht ja nur deutlich, wie schwer es ist, solche bitteren Wahrheiten zuzugeben und daran mitzuwirken, etwas zu verändern. Aber das ist mein Anliegen, diese Diskussion mit anzufachen. Und wenn ich an Prävention denke, dann ist es zum Beispiel schon gar nicht mehr so schlimm oder so schwierig, wenn man begreift, dass es im Wesentlichen darum geht, den Kindern von Anfang an eine möglichst gute Bestätigung zu geben."

Hans-Joachim Maaz stellt in seinem Buch die Systemfrage. Er beschreibt den ungesunden Zeittakt, in den moderne Eltern eingebunden sind. Er analysiert unsere Zerstreuungs- und Betäubungsgesellschaft, in der "Werbung, Reklame, Mode, Status und Gruppendruck" von den wahren Wünschen jedes Einzelnen ablenken. Er nennt Ursachen von Gewalt und Symptome narzisstischer Störung. Er verdeutlicht die Ohnmacht und das Ausgeliefertsein des Kindes. Er richtet sein Augenmerk schließlich auf einen Politikbetrieb, der getrieben ist von Kurzatmigkeit und Gegnerschaft. 

Er streift Charaktere wie Christian Wulff oder Karl-Theodor zu Guttenberg, und behauptet, dass ein narzisstisches Defizit "im Grunde die beste Voraussetzung für das politische Geschäft" sei. Hans-Joachim Maaz: 

"Wenn ich sage, Politik ist narzissmuspflichtig heutzutage, dann meine ich damit, (...) dass man die eigene Position, die persönlich eigene oder die der Partei immer hoch lobt, meistens gar nicht so sehr inhaltlich, sondern dann auch schnell mit Phrasen betont, wie toll man ist und die politischen Gegner abwertet. Das ist ein nahezu klassisch narzisstisches Symptom. Sich selber höher, größer machen und alle anderen abwerten."

Ein gemeinsames und nachhaltiges Ziel könne auf diese Weise nie verfolgt werden. 

Hans-Joachim Maaz, 1943 in Halle geboren, ist seit vierzig Jahren praktizierender Psychiater und Psychoanalytiker, lange Zeit war er Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses in Halle. Bekannt wurde Maaz nach 1989 zunächst durch seine Schriften zur inneren Verfasstheit der DDR. "Der Gefühlsstau" von 1990 war ein "Psychogramm der DDR", so der Untertitel. Darin analysierte Maaz staatliche und familiäre Repression im real existierenden Sozialismus. In folgenden Büchern untersuchte der Psychologe auch deutsch-deutsche Befindlichkeiten, so 1991 in "Das gestürzte Volk" mit dem Untertitel: "Die verunglückte Einheit"; und 1992 in "Die Entrüstung", in dem Maaz über Sündenböcke und die unheilige Allianz von Tätern und Opfern einging. 

Das Modell ist gleich geblieben.

Hans-Joachim Maaz: "Im Moment, wenn wir uns die Finanzkrise anschauen, dann denken ja viele, naja, die Banker sind schuld, die haben das verzockt. Die sind natürlich auch schuldhaft beteiligt, aber es ist wieder die ganze Gesellschaft, die ja auch einen materiellen Gewinn... Jeder will bessere Zinsen haben und noch etwas mehr verdienen, will sein Geld "arbeiten" lassen, was ja im Grunde an sich schon wahnsinnig ist. Und das ist mein Anliegen, dass wir erkennen, dass wir es selbst sind. Die meisten von uns, die aus eigener seelischer Problematik dann eine solche gesellschaftliche Fehlentwicklung mittragen und mit ausgestalten."

Maaz gibt sich in seinem Buch nicht allwissend, er versteckt sich nicht hinter wohlfeiler Abstraktion, er gibt Beispiele, in denen jeder sich wiederfinden kann. "Narzissmus ist die Quelle jeder Form von Stress", schreibt Maaz. Der Psychologe betont die Bedeutung von Gefühlen, geht auf die Ursachen des "Mitläufertums und der Mittäterschaft" ein, wendet sich gegen "delegierte Verantwortung" und die Suche nach Sündenböcken. Jeder ist für sich selbst verantwortlich, schreibt Maaz, und jeder habe die Pflicht, auf sich und den Partner zu achten, um "auf Augenhöhe" gleichberechtigt miteinander auszukommen. 

Hans-Joachim Maaz: "Wir finden viele Beziehungen, Partnerschaften, die so kollusiv verbunden sind, dass der eine im Größenselbst ist, also der seine Stärke demonstriert, um seine eigentliche Unsicherheit zu verbergen, und einen Partner, der sich da gerne anhängt, den angeblich Größeren verehrt und unterstützt und damit seine eigene Problematik kompensiert, dass er eben Anhänger ist."

Das Buch enthält viele Sprengsätze und viel Stoff zur Diskussion. "Man kann nicht wirklich gesund werden in einer kranken oder krank machenden Umwelt", heißt es. Oder: "Die Wahrheit liegt nicht in den Aussagen, sondern in den versteckten Motiven des Handelns." Denn: "Das Sein bestimmt das Bewusstsein - aber das Unbewusste bestimmt das Sein." Oder: "Der Narzissmus akzeptiert keine Wahrheit." 

Maaz sagt aber auch, was er unter "gesundem" Narzissmus versteht: Hans-Joachim Maaz: "Als gesunden Narzissmus würde ich einen Menschen ansehen, der zu sich gut sagen kann, so bin ich, das bin ich, und ich habe meine Möglichkeiten, das ist ausreichend gut, und ich weiß auch, ich hab Grenzen, das und das ist nichts für mich, das kann ich nicht, aber das ist nicht weiter schlimm. Er ist also an dieser Stelle nicht so empfindlich, nicht so kränkbar. Er hat also, könnte man sagen, ein ausreichend gutes Selbstbewusstsein."

"Innerhalb der Gesellschaft wäre ein gesunder Narzissmus bei der Mehrheit der Bevölkerung Garant für einen sozialen Zusammenhalt, der nicht durch Erwartungs- und Leistungsdruck, Stärkekult, Karrierestreben, Profit- und Wachstumssucht unmöglich gemacht und zerstört wird." 

Maaz spricht schließlich vom "Leben auf der Titanic" und davon, wie er selbst "bei klarem Bewusstsein und ausreichendem Verstand" zusehen müsse, "wie wir unweigerlich kollektiv unseren Untergang vollziehen und dem nicht mehr Einhalt gebieten". 

"Ich kenne diese Situation aus der Suchtmedizin: Kein Süchtiger kann gerettet werden, keine Hilfe macht Sinn, wenn nicht vom Kranken selbst eine grundsätzliche Kapitulation des bisherigen Verhaltens akzeptiert wird. (...) Erst das reale Ende der Abwehr und die tatsächliche Lebensbedrohung schaffen eine Chance zur Einsicht und Veränderung. (...) Diese schlimme Wahrheit müssen wir auch für die gesellschaftliche Fehlentwicklung der Gegenwart befürchten."

Hans-Joachim Maaz hat ein aufrüttelndes und aufwühlendes Buch verfasst, eines, das zum Innehalten und Nachdenken, vielleicht sogar zu neuen Entschlüssen führen kann. Manches Mal stört das psychologische Fachvokabular etwas, aber Maaz ist immer bemüht, zu erklären. Manches Mal stören auch die Wiederholungen, aber die dichte Kapitelfolge lässt eine gezielte Lektüre zu und Maaz umkreist sein Thema von verschiedenen Seiten. 

Das Buch ist Ratgeber, gesellschaftliche Analyse und Werkstattbericht in einem. 

Und am Ende wirkt die Lektüre nicht deprimierend, denn der Autor gibt sich, trotz alledem, kämpferisch und zuversichtlich. Hans-Joachim Maaz: 

"Ich bin also nicht depressiv, nicht resigniert. Ich bin aber..., fühl mich geängstigt oder bedroht von dieser Entwicklung und möchte mit meinen Möglichkeiten oder mit meiner Stimme auch etwas tun. Wo sehen wir Möglichkeiten, da etwas zu verändern und zu verbessern."

 


 

huffingtonpost.de hans-durrer  die-narzisstische-gesells  

Die Tragik der narzisstischen Störung, so Hans-Joachim Maaz (in: "Die narzisstische Gesellschaft: Ein Psychogramm, C.H. Beck, München 2013), liege darin, dass man sie nicht mehr loswerde, aber mit ihr auch nur schlecht leben könne. Das ist auch bei anderen seelischen Störungen so, ist man da sofort versucht einzuwerfen. Und das gilt auch noch für einiges Andere, das Maaz über die narzisstische Störung zu berichten weiß, denn die Überlappungen der verschiedenen seelischen Krankheitsbilder sind bekanntlich mannigfaltig.

Doch was ist eigentlich Narzissmus? Maaz zitiert den Zürcher Psychoanalytiker Emilio Modena: "Das Selbst entwickelt sich kontinuierlich vom frühen Säuglings- bis zum Erwachsenenalter als Produkt einer einfühlenden spiegelnden Umwelt, in deren Zentrum in der frühen Kindheit die Mutter (das 'Selbstobjekt') steht. Versagt diese ... den Dienst ... können sich die angeborenen Fähigkeiten des Kindes nicht entwickeln, was zu einer narzisstischen Störung führt, zu einem schwachen, mangelhaft integrierten Selbst, welches ... von Fragmentierung bedroht ist."

Gemäß Maaz gibt es den gesunden wie auch den pathologischen Narzissmus, er versteht narzisstische Störungen als "verhinderte und mithin eingeschränkte Selbstliebe". Der narzisstisch gestörte Mensch ist ein abhängiger Mensch, der zwischen Idealisierung und Entwertung pendelt, unfähig zur Empathie. "Ein Narzisst liebt nicht, er will geliebt werden, er meint den Nächsten nicht, er braucht ihn, er spürt nicht, was mit dem anderen ist, er nimmt nur wahr, wie der andere zu ihm steht: brauchbar oder nutzlos, Freund oder Feind."
Vermutlich kennt jeder jemanden, auf den diese Charakterisierung zuzutreffen scheint, doch kann das sein, gibt es wirklich Menschen, die nicht lieben können? Und falls ja, wie misst man das, woran kann man das festmachen?

"Die mangelnde Liebe ist die Hauptquelle narzisstischer Störungen. Wer nicht ausreichend gespiegelt und bestätigt wurde, der bleibt ein Leben lang abhängig von der Zustimmung anderer." Schwer vorstellbar, dass heutzutage noch jemand die Wichtigkeit der ersten Lebensjahre unterschätzen würde. Maaz erwähnt, dass "die frühe Entwicklung des Gehirns, die Art der neuronalen Vernetzung, sehr stark von den ersten Beziehungserfahrungen des Menschen abhängig ist". Und dass die neueste Forschung zur 'Epigenetik' sogar davon ausgehe, dass der Einfluss der frühen Beziehungserfahrungen sich selbst auf die Gene erstrecke. 

Andrerseits sind Sarah Bakewells Bemerkungen zum Aufwachsen Montaignes, das war im 16. Jahrhundert (in: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten, C.H. Beck, München 2013) unbedingt des Nachdenkens wert: "Eine Bäuerin als Amme zu nehmen war damals nichts Ungewöhnliches, aber Montaignes Vater wollte, dass sein Sohn die Gepflogenheiten der einfachen Leute gleichsam mit der Muttermilch aufnahm, und deshalb wuchs Montaigne bei den Leuten auf, die der Hilfe eines seigneur am meisten bedurften ...

Wenn wir von den entwicklungspsychologischen Ideen des 20. und 21. Jahrhunderts ausgehen (die sich vielleicht bald als fragwürdig erweisen werden: vielleicht ist die Mutter-Kind-Bindung ein ebenso kurzlebiges, kulturell bedingtes Phänomen wie das Gestilltwerden durch eine Amme), so muss der mangelnde Kontakt zu den Eltern in den entscheidenden ersten Lebensmonaten Montaignes Beziehung zu seiner Mutter tiefgreifend geprägt haben. 

Montaignes eigener Einschätzung nach jedoch funktionierte der Plan perfekt, und er empfahl seinen Lesern, mit ihren Kindern möglichst dasselbe zu tun: 'Überlass es dem Schicksal, sie nach den natürlichen und landläufigen Gesetzen heranzubilden."

Hans-Joachim Maaz meint, dass narzisstische Störungen nicht geheilt werden können, "aber sie müssen reguliert werden. Falsche Regulationen sind die Quelle von Selbst- bezw. Fremdbeschädigungen." Das trifft übrigens auch auf Suchtabhängigkeiten zu.

Was also ist zu tun? 

Maaz schlägt "eine Verbesserung der Kompensations- und Ablenkungsmöglichkeiten" vor, diese ist überlebensnotwendig, auch wenn dadurch die narzisstischen Störungen verleugnet und überdeckt werden. Dazu kommt die Gefühlsarbeit und das meint, "die Möglichkeit, frühe Gefühle zum Ausdruck zu bringen, etwa Wut über verletzende Behandlung, Schmerz über den Liebesmangel und Trauer über verhinderte und damit verlorene Lebensmöglichkeiten."

Als ein "schonungsloses, klarsichtiges Psychogramm unserer orientierungslosen Gier- und Konsumgesellschaft" preist der Verlag das Buch an. Da habe ich offenbar ein anderes Buch gelesen, denn um Gesellschaftliches geht es zwar auch ("In der Politik schneidert sich die narzisstische Kompensation ein Königskleid: große Worte, große Versprechungen, die aufgesetzte Souveränität, die vorgegaukelte Sicherheit, das wunderbar verpackte Nichtwissen, rhetorisch-eloquente Scheingefechte liefern das schillernde Als-ob-Kostüm und keiner will erkennen, dass der Kaiser nackt ist"), doch in der Hauptsache geht es darum, was die narzisstische Störung ausmacht und wie man damit klar kommen kann.

"Die narzisstische Gesellschaft" ist ein differenziertes, anregendes, aufklärendes und sympathisches Buch, nicht zuletzt, weil es erfreulich persönlich geschrieben ist, sich der Autor als empfindsamer, gescheiter und lernfähiger Mensch zeigt, und nicht als der typische Experte, der sich hinter seinem Fachwissen versteckt. 

Seine eigene Geschichte zeigt übrigens exemplarisch auf, dass man (und das gilt bei allen seelischen Störungen) an seinen persönlichen Tiefpunkt kommen muss, ja, es manchmal einer tödlichen Bedrohung bedarf, um "die Mauer der narzisstischen Abwehr zu durchbrechen". 'The readiness is all', sagt Horatio in Hamlet.

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Unwissenschaftlich, antiwestlich    2012  Von Toning, Konstanz 

Was bedeutet eigentlich Psychogramm einer Gesellschaft? Der Rückschluss individueller Merkmale einzelner Menschen auf ganze gesellschaftliche Mechanismen? Kann das überhaupt funktionieren? Nun besteht die Gesellschaft zwar aus einzelnen Psychen, die zusammenleben, doch nur ihre externen Strukturen (wie Gesetze, der Gesellschaftvertrag, Traditionen, Religion, ökonomische Strukturen, Bevölkerungsentwicklung etc.), ergeben letztlich gesamt-gesellschaftliche Merkmale und Eigenschaften. Das hat aber mit Psychologie überhaupt nichts zu tun. Da ist hilft es auch nicht, diesen Ansatz "Psychogramm" zu nennen. 

So ist es auch völlig unzulässig, mit Hilfe unempirischer, nicht falsifizierbarer Theorien, wie der Narzismustheorie des frühkindlichen Individuums, ganze gesellschaftliche Verhältnisse erklären zu wollen und nebenbei noch Geschichtswissenschaft, Soziologie, Wirtschaftwissenschaft, Gesellschaftsphilosophie und Rechtsphilosophie durch Psychologie überflüssig machen zu wollen. Dass die Psychologie, wie schon so oft, wieder Gefahr läuft, die Rolle, die früher die Astrologie innehatte, zu übernehmen, liegt auf der Hand. 

Der Autor, geschult am deterministischen Gesellschaftbild Hegels und Marx, ersetzt dieses durch ein deterministisches psychologisches Gesellschaftsbild, wo die Psyche der Einzelnen die Eigenschaften der Gesellschaft als ganzes determinieren soll und diese wiederum den Einzelnen vom "Gutsein" abhält. So, mein Lieber, läuft das aber nicht. Das ist einfach nur unwissenschaftlicher Quark, wie so vieles, was aus der antiaufklärerischen Psychologisierung der Welt entsteht. 

Zum Schluss: Der Staat ist in der westlichen Zivilisation rein rechtlich definiert. Daraus folgt: Staat und Religion sind getrennt. Deshalb hat sich die Psychologie und andere rechte Eso-Ideologien auch nicht in die Politik einzumischen. 

Maaz' Vorschlag, die Regierung und das Parlament durch ein "Expertengremium" zu ersetzen ist verfassungsfeindlich. Ich hoffe, Wissenschaftler wie Historiker, Philosophen, Rechtswissenschaftler, Soziologen und Ökonomen werden sich dieses psychologischen Unsinns anzunehmen wissen! 


Unwissenschaftliche Allgemeinplätze      2013 Von Daniel 

Ich bin nur bis Seite 60 gekommen das war dann genug. Nicht nur ist das Buch unwissenschaftlich geschrieben, es steht auch in völligem Konflikt zu dem was der internationale wissenschaftliche Standard als Narzissmus versteht. Für Herrn Maaz ist jeder der sich auch nur minimalst von seinen mitmenschen abhebt automatisch ein narzisst, und narzissmus ist fuer ihn die einzige antriebskraft ueberhaupt die hinter wirklich jeder leistung und jedem versagen steht. Ich kann mit so gemeinplaetzen auf stammtischniveau nichts anfangen, da spare ich mir das weiterlesen. Ich habe einige dutzend buecher zum thema narzissmus und psychopathie gelesen und dieses war mit abstand das schlechteste. 


Unbrauchbar und gefährlich  2012  Von Lothar Müller, Berlin 

Herr Maaz macht sich anheischig, mit einer Theorie des Narzissmus unsere ganze Welt und ihre Misere zu erklären. Das geht gründlich schief, schon deshalb, weil es ihm nicht einmal gelingt plausibel zu machen, was die "narzisstische Störung" überhaupt ist. Zwar sagt er, dass sie in Selbstüber- ("Größenselbst") bzw -unterschätzung ("Größenklein") besteht, aber das ist letztlich nichts anderes als Wortgeklingel. 

Dass diesen Worten ein tatsächliches wissenschaftlich feststellbares einheitliches Phänomen zugrundliegt, bleibt eine bloße, von ihm durch nichts belegte oder begründete Behauptung. Sodann führt Herr Maaz alles, was ihm an unserer Gesellschaft nicht gefällt, und das ist ziemlich viel, auf diese narzisstische Störung der Menschen zurück. Eine derartige Simplifizierung hat leider keinerlei Erkenntniswert und ist daher unbrauchbar. 

Zweitens ist es auch sehr bedenklich, wie Maaz mit seinen Theorien nunmehr politikverdrossen gegen die westliche Demokratie zu Felde zieht, indem er aller Politiker ausnahmslos als gestörte Menschen bezeichnet, denen es angeblich um nichts als Bestätigung ihrer narzisstischen Größenphantasien geht. Gleichzeitig sind aber in seine Augen auch die Wähler narzisstisch gestört und wählen angeblich die Politiker, die ihnen, um an der Macht zu bleiben, das Blaue vom Himmel versprechen, während sie diejenigen Politiker abwählen, die ihnen reinen Wein einschenken. 

Wenn dieser Befund teilweise richtig sein mag, ist er doch ebenso teilweise auch grottenfalsch. Und nicht nur das, sondern er ist auch gefährlich. Letztlich sagt Maaz nichts anderes als dass die Demokratie angesichts der nicht auszurottenden Tendenz des Menschen zu narzisstischen Störungen eine dem Menschen nicht gemäße Staatsform ist. Darum möchte er gerne die in Wahlen legitimierten Institutionen durch "Expertengremien" ersetzen. Als ob die selbsternannten Experten nicht die schlimmsten Narzissten wären - und merkt er eigentlich nicht, wie nah er mit diesen Thesen am Programm der Neonazi-NPD entlangschrammt, die ebenfalls "Machteliten" an die Stelle gewählter Volksvertreter setzen will? Maaz' Theorien, verbunden mit seinen simplifizierenden Welterklärungen, ebnen die Wege in Politikverdrossenheit, Extremismus und Diktatur.


Machtmissbrauch im eigenen Berufsfeld     2013 Von Buchfan 

"Besonders ausgeprägt ist sie allerdings bei den Trägern gesellschaftlicher Macht anzutreffen: bei Politikern, Managern und Stars." Warum übergeht der Verfasser durch diese Feststellung die "Machtinhaber" in den eigenen Reihen!?? Gerade bei ärztlichen Psychoanalytikern ist es doch kein Einzelfall, dass Patienten über den Regelsatz hinaus zuzahlen "müssen", private Ersparnisse aufbrauchen um die Abhängigkeit von ihrem Psychoanalytiker weiter finanzieren zu können. 


Was für ein neidischer, narzisstischer Mensch    2013   Von xxx-ich 

Dieses Buch beinhaltet einige Wahrheiten, gerade über die Frauen, aber das wissen wir alle, alle die, die wir Frauen und unsere Mütter hassen und es nicht verdrängen, wissen, dass sie Schuld daran sind, dass Kinder solche Erwachsene werden, die sie am Ende sind. Auch das Mangel an Liebe Schuld für viel Dinge ist.

Doch dass in diesem Buch gegen uns Wessis aus purem Neid heraus gehetzt wird ("wir" sind das Größenselbst, weil "wir" die andere Hälfte Deutschlands wieder aufgebaut haben), weil sich der Autor minderwertig fühlt und selbst ein riesen Narzisst zu sein scheint, zeigt sein Gedankengut noch direkter zum Ende des Buches hin: Ist der doch Anhänger der Piratenpartei und macht groß Werbung für diese Formation, wo sich unendlich viele Pädophile wiederfinden.

18€ für die Therapie eines Psychologen. Ich habe mir mehr davon versprochen. Dann lieber auf Arno Gruen zurückgreifen, auch wenn in seinen Büchern Fehler zu finden sind und sich vieles wiederholt. 

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