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Biografien der Samisdat-Autoren    

    Juri Malzew 1981

      Zusätzliche Bio-Hinweise des Übersetzers            

 

359-394

A-

Ajgi, Gennadij (geb. 1934), 
tschuwaschischer Abstammung, absolvierte das Moskauer Literaturinstitut, übersetzte zahlreiche europäische und russische Lyriker ins Tschuwaschische. Die besten und reifsten seiner eigenen Gedichte können jedoch unter der sowjetischen Zensur nicht veröffentlicht werden.

Aksjonow, Wassilij (geb. 1932), 
absolvierte das Medizinische Institut, arbeitete jedoch nicht als Arzt, weil bereits seine ersten Erzählungen ihn berühmt machten und ihm die Möglichkeit gaben, vom Schreiben zu leben. Zahlreiche Erzählungen von ihm erschienen in der Sowjetunion: »Kollegi« (dt. Drei trafen sich wieder), »Swjosdnyj bilet« (dt. Fahrkarte zu den Sternen), »Apelsiny is Marokko« (dt. Apfelsinen aus Marokko), »Satowarennaja botschkotara« (dt. Defizitposten Faßleergut), sowie der Roman »Pora, moj drug, pora« (dt. Es ist Zeit, mein Freund, es ist Zeit). Im Westen erschienen seine Erzählungen »Stalnaja ptiza« (Der stählerne Vogel) und »Solotaja nascha sheleska« und das Theaterstück »Zaplja« (Der Reiher). 1978 veröffentlichte die Zeitschrift »Nowyj mir« Aksjonows modernistischen Roman »Poiski shanra« (dt. Der rosa Eisberg oder Auf der Suche nach der Gattung). 

Aksjonow ist einer der Initiatoren des Almanachs »Metropol«. Aus Protest gegen die Repressionen, die einige Autoren dieses Almanachs zu erleiden hatten, erklärte er 1979 seinen Austritt aus dem Schriftstellerverband. Danach gab er seinen Roman »Oshog« (Die Brandwunde) in den Westen. Die Behörden begannen ihn zu verfolgen; 1980 emigrierte Aksjonow in die USA. Auch seinen zweiten Roman »Ostrow Krym« (Die Insel Krim) hatte er heimlich aus der Sowjetunion geschafft.

Aleschkowskij, Iossif Jefimowitsch (geb. 1930), 
Autodidakt ohne Oberschulabschluß. Während seines Wehrdienstes wurde der Neunzehnjährige wegen Verletzung der militärischen Disziplin zu vier Jahren KZ verurteilt. Nach seiner Entlassung arbeitete er in Moskau als Erdarbeiter und Fahrer. Er begann Gedichte zu schreiben; populär wurde er jedoch vor allem als Autor (und Sänger) von Untergrundliedern. Besonders bekannt ist sein »Sowjetisches Osterlied« und sein »Lied von Stalin«. Offiziell publiziert wurden nur seine Erzählungen für Kinder; außerdem hat er Drehbücher für mehrere vom Moskauer Fernsehen ausgestrahlte Kindersendungen verfaßt. Anfang 1979 emigrierte er in die USA und gab sich als der Autor des Romans »Nikolaj Nikolajewitsch« zu erkennen; mit herausgeschmuggelt hatte er seine Erzählungen »Maskirowka« (Die Tarnung), »Kenguru« (Das Känguruh) und »Ruka« (Die Hand).

Allilujewa, Swetlana Iossifowna (geb. 1926), 
Iossif Stalins Tochter, studierte Geschichtswissenschaft an der Moskauer Universität. Nach Stalins Tod arbeitete sie als Englischlehrerin und Übersetzerin. Ende 1966 gestattete man ihr die Ausreise nach Indien zur Beerdigung ihres Mannes Bardshesch Singh; dabei konnte sie das Manuskript ihrer Erinnerungen an den Vater herausschmuggeln — »Dwadzat pissem k drugu« (dt. Zwanzig Briefe an einen Freund). S. Allilujewa weigerte sich, in die UdSSR zurückzukehren, und flüchtete in die USA, wo sie ihr Buch veröffentlichte und weitere Erinnerungen verfaßte: »Tolko odin god« (dt. Das erste Jahr).

Amalrik, Andrej Aleksejewitsch (1938-1980), 
studierte Geschichtswissenschaft an der Moskauer Universität, wurde jedoch 1963 wegen seiner unorthodoxen Dissertation »Die Normannen und die Kiewer Rus« relegiert. Arbeitete als Kartograph, Bauarbeiter, medizinischer Laborant, Beleuchter bei der Wochenschau, technischer Übersetzer, Korrektor bei der Zeitung, Briefträger, gab Stunden in Mathematik und Russisch. 1963-64 erschienen im Samisdat seine Stücke »Wostok — Sapad« (West — Ost), »Skaska pro belogo bytschka« (Das Märchen vom weißen Öchslein), »Moja tjotja shiwjot w Wolokolamske« (Meine Tante wohnt in Wolokolamsk), »Konformist li djadja Dshek?« (dt. Ist Onkel Jack ein Konformist?), »Tschetyrnadzat ljubownikow nekrassiwoj Meri Enn« (Die vierzehn Liebhaber der häßlichen Mary Ann) und »Nos! Nos? No-s!« (dt. Die Nase). 1965 wurde er in Haft genommen, weil er Stücke »antisowjetischen Charakters« verfaßt habe; diese Anklage wurde dann fallengelassen und Amalrik statt dessen als »arbeitsscheues Element« für zweieinhalb Jahre nach Sibirien verbannt. 

Sein Leben in der Verbannung beschrieb er in seinem Buch »Neshelannoje puteschestwije w Sibir« (dt. Unfreiwillige Reise nach Sibirien), das im Samisdat verbreitet wurde. Nach seiner Rückkehr nach Moskau verfaßte er die philosophisch-politische Abhandlung »Prossuschtschestwujet li Sowetskij Sojus do 1984 goda?« (dt. Kann die Sowjetunion das Jahr 1984 erleben?), die enormen Erfolg im Samisdat hatte und dann im Westen publiziert und in viele Sprachen übersetzt wurde. 1970 wurde Amalrik verhaftet und zu drei Jahren verurteilt, doch vor Ablauf der Frist erhielt er eine erneute Strafe von abermals drei Jahren. Mit einem ausdauernden Hungerstreik, den er rund hundert Tage lang durchhielt, zwang Amalrik die Machthaber, die Lagerhaft in eine Verbannung nach Magadan umzuwandeln. Als im Mai 1975 die Frist abgelaufen war, durfte Amalrik trotzdem nicht nach Moskau zurückkehren; selbst kurzfristige Besuche bei Moskauer Freunden wurden von den Behörden wütend geahndet. Im Juli 1976 konnte Amalrik in den Westen ausreisen; dort entstanden weitere Bücher: »Schestwije wremjon goda 61-63« (Der Zug der Jahreszeiten 61-63), »SSSR i Sapad w odnoj lodke (Sbornik statej)« (Die UdSSR und der Westen in einem Boot [Aufsatzsammlung]), »Iskusstwo gnilowo desjatiletija« (Die Kunst eines faulen Jahrzehnts), »69-79« und »Sapiski rewoljuzionera« (dt. Aufzeichnungen eines Revolutionärs). Im November 1980 verunglückte er tödlich mit dem Auto.

B-

Bachtyrew, Anatolij (1928-1968), 
begann mit achtzehn Jahren als Zugschaffner auf der Strecke Moskau-Kursk zu arbeiten. 1948 wurde er zusammen mit einer Gruppe von Studenten wegen »freizügiger Gespräche« verhaftet und ins KZ geschickt. 1954 freigelassen und rehabilitiert. Er arbeitete als Galvanisierer in der Fabrik und danach als Hilfskraft in einem Moskauer Museum. Verfaßte kritische Essays und kurze Erzählungen, die nie offiziell publiziert wurden. Er starb ganz plötzlich unter ungeklärten Umständen, die entweder auf Selbstmord oder auf Mord (Vergiftung) hindeuten.

Baskin, Alexander (geb. 1932), 
Lyriker und Prosaist, arbeitete als Lehrer für Literatur an einer Leningrader Schule. In der Sowjetunion wird er nicht gedruckt; durch den Samisdat bekannt wurden sein Roman »Chudoshnik« (Der Künstler), sein Poem »Gorbun« (Der Bucklige) und zahlreiche Gedichte.

Bek, Alexander Alfredowitsch (1903-1974), 
kämpfte während des Bürgerkriegs als Freiwilliger in der Roten Armee. In den zwanziger Jahren verfaßte er Skizzen und Rezensionen für überregionale Zeitungen. 1931 fuhr Bek im Auftrag der (von Maxim Gorkij geleiteten) Redaktion des Publikationsprojekts »Geschichte der Fabriken und Werke« nach Sibirien, um die Geschichte des Kusbass zu schreiben. 1934 erschien sein Roman »Kurako«. Er verfaßte außerdem zahlreiche andere Skizzen und Erzählungen über die russische und sowjetische Metallurgie: »Sapiski domennogo mastera« (Aufzeichnungen eines Hochofenmeisters), »Timofej — otkrytoje serdze« (dt. Timofej mit dem offenen Herzen), »Sobytija odnoj notschi« (Ereignisse einer Nacht) und andere. Während des Krieges war er Kriegsberichterstatter. Weit bekannt wurde er durch seinen Roman »Wolokolamskoje schosse« (dt. Die Wolokolamsker Chaussee; 1944). 1960 erschienen die Erzählungen »Neskolko dnej« (Einige Tage) und »Reserw Generala Panfilowa (dt. General Panfilows Reserve). 1966 wollte die Zeitschrift »Nowyj mir« seinen Roman »Nowoje nasnatschenije« (dt. Die Ernennung) abdrucken, doch die Veröffentlichung wurde verboten, und der Roman ging in den Samisdat.

Belinkow, Arkadij V.  (1921-1970, 49) 
studierte Literaturwissenschaft an der Moskauer Universität. Während des Krieges Kriegsberichterstatter; wurde verwundet. 1944 wurde er verhaftet, nachdem den Sicherheitsorganen sein insgeheim zirkulierender Roman »Tschernowik tschuwstw« (Gefühle im Rohentwurf) in die Hände gefallen war. Er wurde zur Erschießung verurteilt und verbrachte zweiundsiebzig Tage in der Todeszelle. Nachdem sich Aleksej Tolstoj und Viktor Schklowskij für ihn eingesetzt hatten, wurde das Todesurteil zunächst in Gefängnisstrafe, dann in KZ-Haft umgewandelt. 

Weil er in der Haft drei weitere Werke geschrieben hatte — »Alepaulskaja elegija«, »Antifaschistskij roman« (Ein antifaschistischer Roman) und »Utopitscheskij roman« (Ein utopischer Roman) —, wurde er erneut zu weiteren fünfundzwanzig Jahren verurteilt.

Alle seine Bücher einschließlich des ersten Romans wurden vernichtet. 1956 kam Belinkow frei. Nach der Rückkehr nach Moskau hielt er Vorlesungen im Literaturinstitut, wurde aber bald auf die Denunziation eines Studenten hin entlassen. 1960 erschien sein Buch »Jurij Tynjanow«. 1961 Aufnahme in den Schriftstellerverband. 1965 erschien eine erweiterte Neuauflage von »Jurij Tynjanow«. 1968 wurden in der Zeitschrift »Bajkal« zwei Auszüge aus Belinkows neuem Buch »Sdatscha i gibel sowetskogo intelligenta. Jurij Olescha« (Kapitulation und Untergang eines sowjetischen Intellektuellen. Jurij Olescha) abgedruckt, doch die Veröffentlichung weiterer Kapitel wurde gestoppt (sie erschienen im Samisdat), und in der Presse begann eine Verleumdungskampagne gegen den Autor. 1968 konnte Belinkow in den Westen fliehen. In den USA hielt er an der Yale-Universität und an der Universität von Indiana Vorlesungen über Solschenizyn. 1969 Aufnahme in den PEN-Club. Aus der Arbeit an einem neuen größeren Werk riß ihn der Tod (die Stalinschen Konzentrationslager hatten seine Gesundheit ruiniert).

Below, Jurij Sergejewitsch (geb. 1942), 
saß wegen »antisowjetischer Propaganda« im KZ (Potma), schrieb ein Buch über die Haftbedingungen in den heutigen sowjetischen KZ — »Reportash is mraka« (Reportage aus dem Dunkel) — und versuchte es ins Ausland gelangen zu lassen. Er wurde erneut verhaftet, im April 1967 zu fünf Jahren verurteilt und kam wieder in dasselbe Lager in Mordwinien. 1971 erneut wegen »Agitation in der Haft« angeklagt; von Dezember 1971 bis Februar 1972 in gerichtspsychiatrischer Untersuchung im Serbskij-Institut in Moskau, für unzurechnungsfähig erklärt und in die Gefängnispsychiatrie in Sytschowka (Gebiet Smolensk) eingeliefert.

Betaki, Wassilj Pawlowitsch (geb. 1930), 
wurde 1950 im zweiten Studienjahr unter der Anschuldigung des »Kosmopolitismus« von der Leningrader Universität relegiert. 1960 absolvierte er das Literaturinstitut in Moskau. Veröffentlichte Übersetzungen amerikanischer und englischer Dichter (L. Hughes, Byron, W. Scott, Poe). Betakis erste Gedichte wurden 1963 in der Anthologie »Den poesii« (Tag der Poesie) abgedruckt. Der erste eigene Gedichtband — »Semnoje plamja« (Die irdische Flamme) — erschien 1965. Das Buch wurde einer scharfen Kritik unterzogen; Betaki konnte keine Gedichte mehr publizieren und gab sie in den Samisdat. 1972 wurde er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, weil er die freie Ausreise aus der Sowjetunion gefordert hatte. 1973 konnte er nach Frankreich emigrieren.

Bitow, Andrej Georgijewitsch (geb. 1937), 
gelernter Bergbauingenieur, absolvierte das Bergbauinstitut in Leningrad. Mitglied des Schriftstellerverbands, Autor zahlreicher in der Sowjetunion veröffentlichter Erzählungen: Sammlungen »Bolschoj schar« (Die große Kugel; 1963), »Takoje dolgoje detstwo« (Solch eine lange Kindheit; 1965), »Datschnaja mestnost« (Draußen auf der Datscha; 1967), »Puteschestwije k drugu detstwa« (Reise zu einem Freund aus der Kindheit; 1968), »Aptekarskij ostrow« (Die Apothekerinsel; 1968) und »Obras shisni« (Lebensform; 1972). Viele Skizzen und Erzählungen wurden in Zeitschriften veröffentlicht, vor allem in »Aurora« und »Swesda« (beide erscheinen in Leningrad). Das größte und ernsthafteste Werk Bitows ist der Roman »Puschkinskij dom« (Das Puschkinhaus), das zum Druck nicht zugelassen wurde.

Bobyschew, Dmitrij  (geb. 1937), 
gelernter Maschineningenieur, absolvierte das Leningrader Technologische Institut; arbeitet als Autor wissenschaftlicher Sendungen über Mathematik beim Leningrader Fernsehen. In der Sowjetunion wurden von ihm nur einige Gedichte veröffentlicht; weite Verbreitung fand seine Lyrik dagegen im Samisdat: Sammelbände »Partita« und »De profundis«; Poeme »Potschti moltschanije« (Beinahe Schweigen), »Nowyje opyty doktora Fausta« (Die neuen Versuche des Doktor Faustus) und andere.

Bogoras, Iossif Aronowitsch (geb. 1896), 
trat 1919 in die Kommunistische Partei ein, lehrte Ökonomie an den Universitäten von Charkow und Kiew. 1936 wegen »Trotzkismus« verhaftet und zu fünf Jahren verurteilt. 1941 bis 1957 in der Verbannung am Polarkreis. 1957 rehabilitiert. 1974 erklärte er seinen Austritt aus der Partei »aufgrund von Überzeugungen, die mit einem weiteren Verbleiben in der Partei unvereinbar sind«. Begann Ende der fünfziger Jahre zu schreiben. In den Samisdat gelangten seine Erzählung »Nassedka« (dt. Der Zellenspitzel) und der Roman »Otschtschepenez« (Der Abtrünnige).

Bokow, Nikolaj Konstantinowitsch (geb. 1945), 
stand Mitte der sechziger Jahre mit der literarischen Gruppierung SMOG in naher Verbindung. Arbeitete als Fahrer und Briefträger. 1964 wurde er zur Armee eingezogen, aber schon 1965 nach einem Aufenthalt in der Heilanstalt vom Wehrdienst befreit. 1969 absolvierte er die Philosophische Fakultät der Moskauer Universität. Wurde an der Beendigung seiner Aspirantur gehindert, weil er mit Dissidentenkreisen in Verbindung stand. Nach einem Jahr ohne Arbeit kam er beim Institut für Informatik bei der Akademie der Gesellschaftswissenschaften unter. Im April 1975 emigrierte er in den Westen. Im Samisdat zirkulierten seine Erzählung »Bestseller«, Erzählungen unter dem Pseudonym D. L., die Erzählung »Gorod solnza« (Die Sonnenstadt; unter dem Pseudonym Dmitrij Ewus), die philosophisch-publizistischen Essays »Filossofija obwinjajemogo filossofa« (Die Philosophie des angeklagten Philosophen) und »Kontakt s KGB kak psicho-soziologitscheskij fenomen« (Der Kontakt mit dem KGB als psycho-soziologisches Phänomen); er ist auch Verfasser einer Reihe von Werken, die unter dem Pseudonym Wassilij zirkulierten. Bokow gab die Samisdatzeitschrift »Kostry besumija« (Scheiterhaufen des Wahnsinns) heraus. Nach seiner Ausreise in den Westen 1975 gab er sich als Autor des Buches »Smuta nowejschego wremeni, ili udiwitelnyje pochoshdenija Wani Tschmotanowa« (Die Wirren der neuesten Zeit oder Die erstaunlichen Abenteuer des Wanja Tschmotanow) zu erkennen. Seit 1978 gibt er in Paris die Zeitschrift »Kowtscheg« (Die Arche) heraus.

Borodin, Leonid (geb. 1938), 
Historiker, arbeitete als Dorfschullehrer. 1967 wurde er wegen der Mitgliedschaft im Allrussischen Sozial-Christlichen Bund zur Befreiung des Volkes zu sechs Jahren Lager verurteilt. Nach der Entlassung war er einfacher Arbeiter; 1975 begann er mit der Herausgabe der Samisdatzeitschrift »Moskowskij sbornik« (Moskauer Sammelband). Er verfaßte mehrere Erzählungen und Gedichtzyklen.

Brodskij, Iossif Alexandrowitsch (geb. 1940), 
ging mit sechzehn von der Schule ab und nahm seine Bildung selbst in die Hand. 1958 begann er Gedichte zu schreiben. Als Anna Achmatowa Brodskij und seine Verse kennenlernte, nannte sie ihn den begabtesten Dichter der jungen Generation. Ende 1963 wurde Brodskij verhaftet und im März 1964 von einem Leningrader Gericht als »arbeitsscheues Element« zu fünf Jahren Verbannung verurteilt. Er kam in das Gebiet von Archangelsk, wo er schwere körperliche Arbeit zu verrichten hatte. Aufgrund zahlreicher Proteste, darunter von bedeutenden Persönlichkeiten der sowjetischen Literatur und Kunst, wurde er 1965 freigelassen. In der Sowjetunion erschienen von Brodskij Übersetzungen englischer, spanischer und polnischer Dichter; von seinen eigenen Werken wurden nur einige wenige veröffentlicht. Im Samisdat erschien in Leningrad eine vollständige Ausgabe seiner Werke in fünf Bänden. 1972 konnte Brodskij in die USA emigrieren.

Bukowskij, Wladimir Konstantinowitsch (geb. 1942),    
wurde 1961 nachdem ersten Studienjahr von der Fakultät für Bodenbiologie der Moskauer Universität relegiert, weil er an der Untergrundzeitschrift »Feniks-61« mitgearbeitet hatte. Romane und Erzählungen von ihm zirkulierten im Samisdat. Im Juni 1963 wurde er verhaftet, weil er ein fotokopiertes Exemplar von Milovan Djilas' Buch »Die neue Klasse« besaß, und in die Gefängnispsychiatrie eingeliefert, wo er bis zum Februar 1965 blieb. Im Dezember wurde er verhaftet, weil er eine Demonstration für Sinjawskij und Daniel organisiert hatte; erneute Einlieferung in die Gefängnispsychiatrie. August 1966 Entlassung. Im Januar 1967 wurde er verhaftet, weil er eine Demonstration gegen die Verurteilung von Galanskow und Ginsburg organisiert hatte, und zu drei Jahren verurteilt. 

Anfang 1971 gab er ein »Weißbuch« über die Behandlung Andersdenkender in sowjetischen Heilanstalten heraus. Im März 1971 erneut verhaftet, für unzurechnungsfähig erklärt und zu zwölf Jahren Freiheitsentzug verurteilt (zwei Jahre Gefängnis, fünf Jahre Lager und fünf Jahre Verbannung). Im Dezember 1976 wurde Bukowskij gegen den Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chiles Luis Corvalan ausgetauscht. Im Westen schrieb er das Buch »I woswraschtschajetsja weter« (dt. Wind vor dem Eisgang).

C-

Chalif, Lew Jakowlewitsch (geb. 1930), 
bewarb sich zum Studium am Literaturinstitut, wurde aber nicht angenommen. Arbeitete als Reporter, Fischer, Erdarbeiter, Streckenarbeiter, kam viel im Land herum, wechselte häufig Beruf und Aufenthaltsort. Er begann 1950 Gedichte zu schreiben. Seine erste Gedichtsammlung erschien 1964, die zweite 1971. Zwei Romane — »Moltschaliwyj pilot« (Der schweigsame Pilot) und »Ze-De-el« —liefen im Samisdat um. Im Oktober 1974 wurde Chalif auf der Straße von der Miliz festgehalten und durchsucht; man beschlagnahmte dabei das Manuskript seines Romans »Ze-De-el«; kurz darauf wurde Chalif aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. 1975 emigrierte er in die USA.

Chudjakow, Genrich (geb. 1930), 
absolvierte die Philosophische Fakultät der Leningrader Universität. Veröffentlichte Übersetzungen englischer Lyriker; seine eigenen Gedichte zirkulieren im Samisdat.  

D-

Daniel, Julij Markowitsch (geb. 1925), 
kam 1943 von der Schulbank an die Front. Er wurde schwer verwundet entlassen und bekam als Kriegsinvalide eine Pension. 1946 bezog er die Universität Charkow und wechselte dann nach Moskau auf das Pädagogische Institut. Nach dessen Abschluß unterrichtete er an einer Schule und veröffentlichte Gedichtübersetzungen. Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre kamen Erzählungen und Kurzgeschichten von Daniel heimlich in Umlauf, die unter dem Pseudonym Nikolaj Arshak im Westen veröffentlicht wurden: »Goworit Moskwa« (dt. Hier spricht Moskau), »Ruki« (dt. Die Hände), »Iskuplenije« (dt. Sühne), »Tschelowek is MINAPa« (dt. Der Mann aus dem MI-NAP). Im September 1966 wurde Daniel verhaftet; er leugnete nicht, daß er Arshak sei, wurde im Februar 1966 zusammen mit Andrej Sinjawskij vor Gericht gestellt und zu fünf Jahren verschärfter Lagerhaft verurteilt. Im Lager kam er zweimal in Einzelhaft, weil er »die Vorgesetzten beschimpft« hatte. Im Juli 1969 wurde er wegen der Teilnahme an Protesten der Häftlinge gegen die Willkür der Lagerverwaltung in das Gefängnis von Wladimir übergeführt. Aus dem Lager hatte er einen Zyklus seiner dort verfaßten Gedichte ins Freie gelangen lassen können, die im Samisdat zirkulierten. Nach seiner Entlassung durfte Daniel nicht nach Moskau zurückkehren; er ließ sich in Kaluga nieder.

Dowlatow, Sergej  (geb. 1941), 
wurde von der Universität relegiert und zur Armee eingezogen. Diente als Wachsoldat in einem Lager, was ihm den Stoff für seine ersten Erzählungen gab. Nach dem Armeedienst arbeitete er als Journalist. Nur einige seiner unbedeutendsten Erzählungen konnte er in der Sowjetunion veröffentlichen. 1978 emigrierte er in die USA, wo seine Autobiografie »Newidimaja kniga« (Das unsichtbare Buch) erschien; er schreibt regelmäßig in der Emigrantenpresse.

Dombrowskij, Jurij (1909-1978), 
studierte Literaturwissenschaft, arbeitete als Lehrer in Alma-Ata. 1938 erschien sein Roman »Kruschenije imperii« (Der Zusammenbruch des Reiches) über Dershawin. 1939 wurde er das erste Mal verhaftet und verbrachte vier Jahre im Gefängnis. Nach der zweiten Verhaftung 1949 saß er sechs Jahre im Lager und in der Verbannung. 1959 schrieb er den Roman »Obesjana prichodit sa swojim tscherepom« (Der Affe kommt, seinen Schädel zu holen); 1964 veröffentlichte die Zeitschrift »Nowyj mir« seine Erzählung »Chranitel drewnostej« (Der Hüter von Altertümern), die ihn berühmt machte. 1969 erschienen drei Erzählungen über Shakespeare — »Smuglaja ledi« (Die braungebrannte Lady) —und 1974 ein Erzählband »Fakel« (Die Fackel). 1978 kam in Paris Dombrowskijs monumentaler Roman »Fakultet nenushnych weschtschej« (Die Fakultät der nutzlosen Dinge) heraus, das opus magnum des Schriftstellers, an dem er viele Jahre gearbeitet hatte. Dombrowskij wurde auf der Straße furchtbar zusammengeschlagen, offensichtlich von KGB-Agenten, und starb bald darauf — nach der Überzeugung einiger seiner Freunde an den Folgen des Überfalls.

E-

Eichenwald, Jurij Alexandrowitsch (geb. 1928), wurde 1949 im dritten Studienjahr verhaftet und in die Verbannung geschickt. 1951 erneut verhaftet und in der Gefängnispsychiatrie interniert. 1955 freigelassen; sein Prozeß wurde wegen Unnahbarkeit der Anklage niedergeschlagen. 1957 beendete er das Pädagogische Institut und arbeitete bis 1968 an einer Moskauer Schule. Nachdem er einen Offenen Brief im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen die beiden Literaturkritiker Galanskow und Ginsburg unterschrieben hatte, wurde er 1968 entlassen; jede weitere pädagogische Tätigkeit wurde ihm verboten. Im Samisdat zirkulieren von ihm Gedichte, Poeme und drei halbdokumentarische Erzählungen: »Angel, Stalin i tretij lischnij« (Der Engel, Stalin und noch ein Dritter), »Kak nas uwolnjali« (Wie wir entlassen wurden) und »Partija loto« (Die Partei des Lottos).

G-

Gabaj, Ilja Jankelewitsch (1935-1973), studierte Philologie, arbeitete als Lehrer und als Redakteur. Für seine aktive Teilnahme an der Demokratischen Bewegung zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR wurde er mehrmals gerichtlich belangt. Er verlor seine Arbeit und mußte sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Im Januar 1967 wurde er für die Teilnahme an einer Demonstration auf dem Puschkinplatz in Moskau verhaftet und verbrachte vier Monate im Lefortowo-Gefängnis. Im Mai 1969 wurde er verhaftet und, weil sich bei einer Haussuchung Dokumente über den Kampf der Krimtataren für ihre nationalen Rechte bei ihm fanden, nach Taschkent gebracht, dort zusammen mit dem Krimtataren M. Dshemilew unter Anklage gestellt und zu drei Jahren verurteilt. Nach der Entlassung wurde er mehrfach vom KGB zum Verhör vorgeladen, wo man ihm und seiner Frau mit neuen Repressalien drohte und von ihm verlangte, gegen seine Freunde auszusagen. Gabaj hielt diesen Druck nicht aus und setzte seinem Leben ein Ende. Im Samisdat sind Gedichte von ihm weit verbreitet.

Galanskow, Jurij Timofejewitsch (1939-1972), arbeitete als Elektriker beim Theater, als Laborant in einem Technikum für Maschinenbau und als Hilfskraft im Literatur­museum und studierte nebenher Geschichte an der Moskauer Universität. Mitglied der illegalen literarischen Gruppe SMOG. 1961 wurde Galanskow Herausgeber der Untergrundzeitschrift »Feniks«. Er wurde von der Universität relegiert und in einer psychiatrischen Klinik interniert. Nach dem Erscheinen der von ihm herausgegebenen Untergrundzeitschrift »Feniks-66« wurde Galanskow im Januar 1967 verhaftet und zu sieben Jahren verschärfter Lagerhaft verurteilt. Im Lager beteiligte er sich aktiv am Kampf der politischen Häftlinge für ihre Rechte und wurde von der Lagerverwaltung grausam bestraft. In der Haft (wo er oft bei Brot und Wasser sitzen mußte) verschlimmerte sich ein Geschwür bei ihm. Die Bitten seiner Verwandten, daß man ihm Krankenkost geben und ihnen gestatten möge, ihm die notwendigen Medikamente zu schicken, wurden abgelehnt. Schließlich starb Galanskow im Lagerkrankenhaus nach einer Operation, die zu spät und außerdem unsachgemäß durchgeführt worden war. Galanskow wurde bekannt durch das (gemeinsam mit A. Ginsburg erstellte) »Weißbuch« über den Prozeß gegen Sinjawskij und Daniel. In Untergrundzeitschriften erschienen publizistische Arbeiten von Galanskow, sein Poem »Tschelowetscheskij manifest« (Das menschliche Manifest) und zahlreiche Gedichte.

Galitsch, Alexander Arkadjewitsch (1919-1977), absolvierte die Schauspielschule Stanislawskijs und arbeitete während des Krieges an einem Fronttheater. Er begann früh Gedichte zu schreiben und wurde nach 1945 hauptberuflicher Dramatiker. Seine Stücke — »Was wysywajet Tajmyr« (dt. Fernamt — bitte melden!), »Budni i prasdniki« (Werktage und Feiertage), »Pochodnyj marsch« (Feldmarsch) und andere — wurden an sowjetischen Theatern aufgeführt. Die bedeutsamsten jedoch — »Matrosskaja tischina« (Seemannsstille), »Awgust« (August) und »Ja umeju delat tschudessa« (Ich kann Wunder tun) — sind verboten. Galitsch schrieb auch Drehbücher für Kinofilme. Seit Anfang der sechziger Jahre begannen im Samisdat Galitschs Gedichte und Lieder, auf Tonband überspielt, im ganzen Land zu zirkulieren. Schon bald war er einer der populärsten illegalen Sänger-Poeten. Im Zusammenhang damit wurde Galitsch mehrfach vom KGB verhört; im Dezember 1971 schloß man ihn aus dem Schriftstellerverband und aus dem Verband der Filmschaffenden aus. 1974 wurde er aus der Sowjetunion ausgewiesen. 1977 starb Alexander Galitsch unter ungeklärten Umständen in Paris; vor seinem Tod hatte er im Frankfurter Possev-Verlag seine letzte Sammlung von Gedichten und Liedern — »Kogda ja wernus« (Wenn ich zurückkehre) — herausgeben können.

Ginsburg, Jewgenija Semjonowna (1906-1977), unterrichtete Geschichte an der Universität Kasan; Parteimitglied; Ehefrau eines hohen Parteifunktionärs, Sekretär des Kasaner Gebietskomitees. 1937, als die Verhaftungswelle die Parteimitglieder erreichte, wurde zunächst sie, dann auch ihr Mann verhaftet. J. Ginsburg verbrachte rund zwanzig Jahre in Konzentrationslagern und in der Verbannung. Nach ihrer Freilassung verfaßte sie ihre aufsehenerregenden Erinnerungen »Krutoj marschrut« (dt. Marschroute eines Lebens; Band 2. dt. Gratwanderung), die trotz der kommunistischen Überzeugungen der Autorin nicht zum Druck zugelassen wurden und daher in den Samisdat gingen.

Gladilin, Anatolij Tichonowitsch (geb. 1935), besuchte nach der Schule eine Zeitlang die Militärakademie und arbeitete als Elektromechaniker. 1956 erschien sein erster Roman »Chronika wremjon Wiktora Podgurskogo« (Chronik Wiktor Podgurskijs). Er absolvierte das Literaturinstitut, aber um seine Bücher schreiben zu können — »Brigantina podymajet parussa. Istorija odnogo neudatschnika« (Die Brigantine setzt die Segel. Die Geschichte eines Pechvogels; 1959) und »Pesni solotogo priiska« (Die Lieder der Goldgrube) —, arbeitete er eine Zeitlang als einfacher Arbeiter. Seine Erzählungen »Perwyj den Nowogo goda« (Der erste Tag des Neuen Jahres; 1963) und vor allem »Istorija odnoj komandirowki« (Die Geschichte einer Dienstreise; 1965) zogen heftige Angriffe von Seiten der Partei auf sich, worauf von Gladilin zunächst überhaupt nichts mehr gedruckt wurde. Er verdiente sein Geld mit Übersetzungen. 1970 erschien wieder ein Buch von ihm: »Ewangelije ot Robespjera. Powest o welikom franzuskom rewoljuzionere« (Das Evangelium des Robespierre. Erzählung von dem großen französischen Revolutionär). Sein letzter Roman »Prognos na sawtra« (dt. ... und morgen wechselnd wolkig) und einige seiner neuesten Werke zirkulieren im Samisdat. Anfang 1976 emigrierte Gladilin in den Westen und veröffentlichte hier eine Reihe von Erzählungen, die von der sowjetischen Zensur verboten worden waren: »Repetizija w pjatnizu« (dt. Probe am Freitag), »Konzert dlja truby i orkestra« (dt. Konzert für Trompete und Orchester), »Saporoshez na mokrom schosse« (dt. Ein »Saporoschetz« auf der nassen Chaussee) und andere.

Gorbanewskaja, Natalja Jewgenijewna (geb. 1936), Übersetzerin und Lyrikerin, absolvierte die Philologische Fakultät der Moskauer Universität. Als Mitglied der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR und aktive Teilnehmerin am Kampf für die Bürgerrechte wurde sie mehrfach in der psychiatrischen Klinik interniert. Am 25. August 1968 nahm sie an der Demonstration auf dem Roten Platz gegen den sowjetischen Einmarsch in der Tschechoslowakei teil. Nachdem sie ein »Weißbuch« über diese Demonstration herausgegeben hatte — »Polden« (Mittag) —, wurde sie verhaftet (Dezember 1969) und in eine psychiatrische Spezialklinik eingewiesen. Zur Last gelegt wurde ihr außerdem die Herausgabe der Untergrundzeitschrift »Chronika tekuschtschich sobytij« (Chronik der laufenden Ereignisse). Entlassung im Februar 1972. Ihren Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik beschrieb sie in der Skizze »Besplatnaja medizinskaja pomoschtsch« (Kostenlose medizinische Versorgung) und in der Dokumentation »Polden«. In der Sowjetunion wurden von Natalja Gorbanewskaja nur einige wenige Gedichte veröffentlicht; in der Hauptsache wird ihre Lyrik durch den Samisdat verbreitet. Natalja Gorbanewskaja emigrierte im Dezember 1975 nach Frankreich und publizierte im Westen ihre neuen Gedichtsammlungen: »Tri tetradi stichotworenij« (Drei Hefte mit Gedichten) und »Proletaja sneshnuju granizu« (Die Schneegrenze überfliegend).

Gorbowskij, Gleb (geb. 1935), 
Lyriker, Mitglied des Schriftstellerverbands. Viele seiner Gedichte werden in der Sowjetunion offiziell gedruckt. Gorbowskij übte nacheinander eine ganze Reihe von Berufen aus und unternahm abenteuerliche Reisen durch die ganze Sowjetunion. Im Samisdat zirkulieren seine Poeme »Mjortwaja derewnja« (Das tote Dorf) und »Morg« (Das Leichenschauhaus), daneben zahlreiche unveröffentlichte Gedichte.

Gorenstein, Friedrich (geb. 1932), 
absolvierte die Höheren Kurse für Drehbuchautoren beim Verband der Filmschaffenden. In der Sowjetunion wurde von ihm nur eine Erzählung »Dom s baschenkoj« (Das Haus mit dem Türmchen) veröffentlicht. Nach seinen Drehbüchern wurden einige Filme gedreht. Zwei große Erzählungen — »Sima 53-go goda« (Winter 1953) und »Iskuplenije« (Sühne) — zirkulieren im Samisdat.

Grossman, Wassilij Semjonowitsch (1905-1964), 
absolvierte die Fakultät für Physik und Mathematik der Moskauer Universität, arbeitete als Sicherheitsingenieur im Donbass und als Technologe in Moskau. Das Leben der Grubenarbeiter schilderte er in seinem ersten großen Werk »Gljukauf« (Glückauf; 1934). 1935 veröffentlichte er einen Band Erzählungen »Stschastje« (Glück) und 1936 einen weiteren »Tschetyre dnja« (Vier Tage). 1937 schrieb er den Roman »Stepan Koltschugin« über die Untergrundarbeit der Bolschewiki. Während des Krieges war er Berichterstatter. Er veröffentlichte zahlreiche Skizzen und Erzählungen sowie den berühmt gewordenen Roman »Narod bessmerten« (dt. Dies Volk ist unsterblich; 1942). 1945 erschien eine Sammlung seiner im Krieg entstandenen Arbeiten »Gody wojny« (Kriegsjahre). 1946 veröffentlichte er das schon vor dem Krieg geschriebene Stück »Jesli werft Pifagorijzam« (Wenn man den Pythagoräern glaubt), für das er heftig angegriffen wurde. Noch größere Entrüstung rief bei den Ideologen sein Roman »Sa prawoje delo« hervor, dessen erster Teil 1952 erschien (dt. Wende an der Wolga). Der zweite Teil durfte nicht veröffentlicht werden und wurde in der Folge ebenso wie der Roman »Wsjo tetschot« (dt. Alles fließt) vom KGB beschlagnahmt. Grossman unternahm den Versuch, den Text des letzten Romans aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren, und in dieser Form gelangte das Buch in den Samisdat. Erst nach Grossmans Tod wurde dann ein durch Zufall erhalten gebliebenes Exemplar der ursprünglichen Fassung entdeckt und konnte nun durch den Samisdat Gemeingut aller Leser werden.

Gussarow, Wladimir Nikolajewitsch (geb. 1925), 
absolvierte das Theaterinstitut, arbeitete als Schauspieler in Moskau und in der Provinz. Ende der vierziger Jahre wurde er wegen »
antisowjetischer Gespräche« verhaftet, doch dank der Bemühungen seines Vaters, eines hohen Parteifunktionärs, kam er statt ins Lager in eine psychiatrische Klinik. In den sechziger Jahren begann er sich in der Bürgerrechtsbewegung zu engagieren und wurde mehrfach für kürzere Zeit in die Heilanstalt eingewiesen. Weite Verbreitung fand im Samisdat seine autobiografische Erzählung »Moj papa ubil Michoelsa« (dt. Mein Vater der Bonze); bekannt wurden auch seine Pamphlete und Skizzen, die Autobiografisches und Publizistik vermischen: »I primknuwschij k nim Schepilow« (Und Schepilow, der sich ihnen angeschlossen hat), »W saschtschitu F. W. Bulgarina« (Zur Verteidigung F. W. Bulgarins) und andere.

I-

Ischutina, Jelena (1903-1962), 
wurde als polnische Staatsbürgerin auf dem Territorium des westlichen Weißrußland nach dessen Besetzung durch die sowjetischen Truppen 1941 verhaftet und nach Sibirien verbannt. 1946 durfte sie zurückkehren und sich im Gebiet von Woronesh niederlassen. Im Samisdat zirkuliert ihr Tagebuch »Narym«, das sie in den Jahren der Verbannung geführt hatte.

Iskander, Fasil (geb. 1929), 
absolvierte das Literaturinstitut. Veröffentlichte in der Sowjetunion mehrere Gedichtsammlungen und zahlreiche Erzählungen; äußerst populär wurde seine Erzählung »Soswesdije Koslotura« (dt. Das Sternenbild des Ziegentur). 1979 beteiligte er sich unter Umgehung der Zensur mit mehreren Erzählungen an dem inoffiziellen Almanach »Metropol«; im gleichen Jahr erschien in den USA sein opus magnum, der Roman »Sandro is Tschegema« (dt. Onkel Sandro aus Tschegem). 1980 kam in der Zeitschrift »Kontinent« in Paris seine Erzählung »Kroliki i udawy« (Die Kaninchen und die Riesenschlangen) heraus.

J-

Jakir, Pjotr Ionowitsch (geb. 1923), 
wurde 1937 nach der Erschießung seines Vaters, des Armeekommandeurs Ion Jakir, mit vierzehn Jahren als Sohn eines »Volksfeinds« verhaftet und verbrachte siebzehn Jahre in Gefängnissen und Lagern. Nach der Freilassung und Rehabilitierung studierte er am Historisch-Archivarischen Institut in Moskau und arbeitete dann am Institut für Geschichtswissenschaft der Akademie der Wissenschaften. Seine Jahre im Lager schilderte Jakir in einem Erinnerungsbuch, von dem nur der erste Teil, »Detstwo w tjurme« (dt. Kindheit in Gefangenschaft) illegal erscheinen konnte; der zweite Teil wurde bei einer Haussuchung vom KGB beschlagnahmt. Jakir war eines der aktivsten Mitglieder der Demokratischen Bewegung zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR und der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR. Im Juni 1972 wurde er verhaftet; nach vierzehnmonatiger Untersuchungshaft im Lefortowo-Gefängnis gab er vor Gericht eine Reueerklärung ab und wurde zu sechzehn Monaten Gefängnis und drei Jahren Verbannung verurteilt. Im Oktober 1974 kam er durch eine Amnestie frei und konnte nach Moskau zurückkehren.

Jampolskij, Boris Samojlowitsch (1912-1972), 
bekannter Schriftsteller, Autor der Erzählungen »Jarmarka« (Der Jahrmarkt), »Maltschik s Golubinoj ulizy« (Der Junge aus der Taubenstraße), »Tri wesny« (Drei Lenze) und anderer. Nach seinem Tode gaben Freunde einige seiner unveröffentlichten Manuskripte in den Samisdat; besonders aufschlußreich sind seine Erinnerungen.

Jerofejew, Wenedikt (geb. 1939), 
war Arbeiter in und bei Moskau. In den letzten Jahren arbeitslos und ohne Aufenthaltsgenehmigung, immer auf der Hut vor der Miliz, die ihn als »arbeitsscheues Element« verfolgt. Bedeutenden Erfolg hatte im Samisdat seine Erzählung »Moskwa — Petuschki« (Moskau — Petuschki); ebenso im Umlauf sind literaturwissenschaftliche Aufsätze, ein Essay über Wassilij Rosanow und der Roman »Schostakowitsch«.

Jessenin-Wolpin, Aleksandr Sergejewitsch (geb. 1925), 
Sohn des Dichters Sergej Jessenin. Anfang 1949 promovierte er an der Moskauer Universität zum Kandidaten der Mathematik und Physik. Er verfaßte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur mathematischen Logik. Im Juli 1949 wurde er wegen »antisowjetischer« Verse verhaftet und in eine psychiatrische Klinik in Leningrad eingewiesen. Im Herbst 1950 wurde er nach Karaganda verbannt. 1953 durch die Amnestie nach Stalins Tod freigelassen. Im Sommer 1959 ließ er eine Sammlung von Gedichten und einen »Freien philosophischen Traktat« ins Ausland gelangen; im September desselben Jahres wurde er erneut verhaftet und für ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik interniert. Jessenin-Wolpin ist aktives Mitglied der Demokratischen Bewegung zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR und Mitorganisator der Demonstration für Sinjawskij und Daniel (1965). Im Februar 1968 kam er wiederum in die psychiatrische Klinik. Nur der Intervention zahlreicher Kollegen (namhafter Wissenschaftler, darunter vier Akademiemitglieder) war es zu verdanken, daß er im Dezember 1968 freigelassen wurde. Im Mai 1972 konnte Jessenin-Wolpin in die USA ausreisen. Im Samisdat sind von ihm neben Gedichten und einem philosophischen Essay zahlreiche publizistische Beiträge und Studien zur Problematik der sowjetischen Justiz verbreitet.

Jurjenen, Sergej (geb. 1948), 
absolvierte die Universitäten von Minsk und Moskau (Fachrichtung russische Literatur). Arbeitete als Journalist und war stellvertretender Leiter der Abteilung Publizistik bei der Zeitschrift »Drushba narodow«. Veröffentlichte in der Presse Erzählungen und Skizzen und wurde zweimal mit einem Literaturpreis ausgezeichnet. 1977 erschien sein erstes Buch »Po puti k domu« (Auf dem Weg nach Haus); im gleichen Jahr konnte er nach Paris reisen und bat dort um politisches Asyl, das ihm gewährt wurde.

K-

Kandel, Felix (geb. 1932), absolvierte das Moskauer Luftfahrtinstitut und arbeitete als Konstrukteur in einer Fabrik. Seit 1963 veröffentlichte er in der Sowjetunion Erzählungen und Skizzen unter dem Pseudonym Kamow. Er verfaßte die Drehbücher für einige äußerst populäre Zeichentrickfilme, wie zum Beispiel »Nu, pogodi!« (Na warte!), und gab die satirische Filmzeitschrift »Fitil« (Die Lunte) heraus. 1977 emigrierte er nach Israel und veröffentlichte 1979 in Jerusalem das Buch »Sona otdycha ili 15 sutok na rasmyschlenije« (Der Erholungsbereich oder Fünfzehn Tage zum Nachdenken). Kandel verfaßte auch den Roman »Koridor« (Der Korridor) und zahlreiche Erzählungen.

Kim, Julij Tschersanowitsch (geb. 1937), beendete 1960 die Fakultät für Geschichte und Literatur am Moskauer Pädagogischen Institut und arbeitete einige Jahre als Lehrer auf der Halbinsel Kamtschatka. 1968 zog er nach Moskau und arbeitete wiederum als Lehrer, wurde aber wegen seines Engagements für die Bürgerrechtsbewegung entlassen. Kim ist einer der populärsten Sänger-Poeten des Untergrunds. Er schreibt auch Lieder für Theater und Film, allerdings unter Pseudonym, denn sein Name steht in der sowjetischen offiziellen Kunst auf der schwarzen Liste.

Kondratow, Alexander (geb. 1937), studierte am Lesgaft-Sportinstitut in Leningrad, promovierte an der Philologischen Fakultät der Leningrader Universität über strukturale Linguistik; verfaßte zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher über Kybernetik, strukturale Linguistik, Archäologie usw. Im Samisdat zirkulieren Kondratows »schwarze« Erzählungen, die Erzählung »Bity« (Die Biten) und das lyrische Tagebuch »Sdrawstwuj, ad« (Guten Tag, Hölle).

Kontier, Wladimir (geb. 1939), absolvierte das Physikalische Ingenieurinstitut in Moskau, arbeitete zuerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie und als Redakteur der Zeitschrift »Woprossy filossofii« (Fragen der Philosophie). Verfaßte eine Reihe von Romanen und Erzählungen, die im Samisdat zirkulieren. 1978 erhielt sein Roman »Krot istorii« (Der Maulwurf der Geschichte) den von russischen Exilschriftstellern gestifteten Dahl-Preis.

Kornilow, Wladimir Nikolajewitsch (geb. 1928), studierte am Literaturinstitut in Moskau. 1953 erschienen seine ersten Gedichte und 1961 in der Anthologie »Tarusskije stranizy« sein Poem »Schofjor« (Der Fahrer). Danach veröffentlichte Kornilow noch zwei Gedichtsammlungen; seine Prosa jedoch wurde nicht offiziell gedruckt. Im Samisdat bekannt wurden seine Erzählungen »Bes ruk, bes nog« (dt. Ohne Arme, ohne Beine) und »Dewotschki i damotschki« (dt. Mädchen und Dämchen) und der Roman »Demobilisazija« (dt. Abschied vom Regiment). Weil er gegen die Verfolgung andersdenkender Schriftsteller protestierte, wurde Kornilow aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen.

Korshawin, Naum Moissejewitsch (geb. 1925), 
studierte am Literaturinstitut in Moskau, wurde im Dezember 1947 verhaftet und verbrachte mehrere Jahre in der Verbannung. Nach der Entlassung setzte er sein Studium fort und beendete das Literaturinstitut 1959. Seine erste bedeutsame Veröffentlichung war ein Zyklus von Gedichten in der Anthologie »Tarusskije Stranizy«. Er publizierte dann etliches in Zeitschriften und Sammelbänden. Sein einziger eigener Gedichtband erschien 1963 und war in kurzer Zeit eine bibliophile Rarität. Korshawin schrieb Literaturkritiken für den »Nowyj mir« und andere Zeitschriften. Das Moskauer Stanislawskij-Theater inszenierte sein Stück »Odnashdy w dwadzatom« (Einmal im Jahre 1920). 1973 wurde er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er um die Ausreise aus der UdSSR nachgesucht hatte. Anfang 1974 konnte er in die USA ausreisen. Der größte Teil seiner Gedichte blieb in der Sowjetunion unveröffentlicht und zirkulierte im Samisdat.

Kriwulin, Viktor Borissowitsch (geb. 1945), 
Ausbildung als Philologe, arbeitet im Leningrader Haus der gesundheitlichen Aufklärung. Im Samisdat sind sechs Gedichtsammlungen von ihm verbreitet. Viele junge Leningrader Dichter sehen in ihm ihren Lehrer.

Kuschew, Jewgenij Igorewitsch (geb. 1947), 
studierte an der Historischen Fakultät der Moskauer Universität und arbeitete als Sonderkorrespondent für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. 1964 begann er Gedichte zu schreiben. 1965 Mitherausgeber der Untergrundzeitschrift »Tetradi sozialistitscheskoj demokratii« (Hefte für sozialistische Demokratie). Im Januar 1966 wurde er verhaftet, von der Universität relegiert und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, die er nach anderthalb Monaten verließ. 1966 Mitbegründer der unabhängigen illegalen literarischen Vereinigung »Klub Rylejew« und der Untergrundzeitschrift »Russkoje Slowo« (Russisches Wort), außerdem Mitherausgeber der Untergrundzeitschrift »Feniks-66«. Nahm an der Demonstration für Jurij Galanskow teil. Er wurde im Januar 1967 verhaftet und acht Monate im Lefortowo-Gefängnis festgehalten. Im Januar 1974 konnte er aus der UdSSR emigrieren. Prosa schrieb er zwar schon seit fast ebenso vielen Jahren wie Lyrik, aber nur ein Prosawerk hatte Erfolg im Samisdat: die kurz vor seiner Ausreise entstandenen »Otrywki is teksta« (Textauszüge).

Kusnezow, Anatolij Wassiljewitsch (1929-1979), 
erlebte als Heranwachsender zwei Jahre der deutschen Okkupation in Kiew. Begann mit vierzehn Jahren zu schreiben. Nahm Ballett- und Schauspiel­unterricht, befaßte sich mit Musik und Malerei. Arbeitete als Schauspieler, Zimmermann, Betonarbeiter auf den Baustellen der Wasserkraftwerke von Kachowka am Dnepr und Irkutsk an der Angara. Von 1954 bis 1960 studierte er am Literaturinstitut in Moskau. 1955 Parteibeitritt. Sein erstes, 1957 geschriebenes Buch, »Prodolshenije legendy« (dt. Im Gepäcknetz nach Sibirien), wurde viel gelesen. 1959 Aufnahme in den Schriftstellerverband. Von 1960 bis 1969 lebte Kusnezow in Tula. Er veröffentlichte drei Erzählbände und die Romane »U sebja doma« (Daheim), »Ogon« (Das Feuer) und »Babij Jar« — letzterer wurde von der Zensur erheblich verstümmelt. 1969 konnte er für zwei Wochen nach England reisen und bat dort um politisches Asyl. Auf Mikrofilmen hatte er den vollen, unzensierten Text seines Romans »Babij Jar« und andere in der Sowjetunion unveröffentlichte Arbeiten herausschmuggeln können.

Kusnezow, Eduard Samuilowitsch (geb. 1939), 
arbeitete nach der Schule als Dreher und studierte dann an der Philosophischen Fakultät der Moskauer Universität. Im Oktober 1961 wurde er im Zusammenhang mit der Untergrundzeitschrift »Feniks« verhaftet und zu sieben Jahren verurteilt. Nach der Entlassung ließ er sich in Riga nieder und arbeitete in einem Krankenhaus. Im Juli 1970 wurde Kusnezow zusammen mit seiner Frau und neun Freunden verhaftet, weil sie versucht hatten, auf dem Leningrader Flughafen Smolnoje ein Flugzeug zu entführen und ins Ausland zu fliehen. Kusnezow wurde zum Tod durch Erschießen verurteilt, doch auf den Druck der Weltöffentlichkeit wandelte das Oberste Gericht der RSFSR im Dezember 1970 die Todesstrafe in fünfzehn Jahre KZ-Haft um. Es gelang Kusnezow, sein »Lagertagebuch« nach draußen gelangen zu lassen, das im Samisdat umlief und eine Sensation hervorrief. 1973 wurde das Tagebuch im Ausland veröffentlicht, woraufhin der Literaturkritiker G. Superfin wegen der Weitergabe des Buches in den Westen angeklagt und zu KZ-Haft verurteilt wurde. Für sein Buch erhielt Kusnezow 1974 den französischen Gulliver-Literaturpreis. Im April 1979 wurde Kusnezow mit einigen anderen sowjetischen Dissidenten gegen im Westen inhaftierte sowjetische Spione ausgetauscht. Noch im Lager hatte er ein neues Buch verfassen können: »Mordowskij marafon« (Mordwinisches Marathon).

L-

Lewitin-Krasnow, Anatolij Emmanuilowitsch (geb. 1915), 
absolvierte das Leningrader Pädagogische Institut und unterrichtete etliche Jahre russische Literatur an der Schule. 1949 wurde er verhaftet und zu zehn Jahren verurteilt. Nach der Freilassung und Rehabilitierung kehrte er 1956 wieder an seine Schule zurück. Seit 1956 widmet er sich als Schriftsteller religiösen Fragen; er war Mitarbeiter an der »Zeitschrift des Moskauer Patriarchats«. Seit 1958 zirkulierten die ersten Artikel von ihm unter dem Pseudonym A. Krasnow im Samisdat. 1959 wurde er aus dem Schuldienst entlassen und verlor seine Arbeit bei der Kirchenzeitschrift. Im Samisdat bekannt wurden das zusammen mit W. Schawrow verfaßte dreibändige Werk »Otscherki po istorii russkoj zerkownoj smuty« (Abriß der Geschichte der russischen Kirchenverwirrnis) und sein Erinnerungsbuch »Sakat Obnowlentschestwa« (Der Untergang der Erneuererkirche). Seit 1965 arbeitete er als Kirchendiener und Heizer. Man lud ihn zum KGB vor und verbot ihm, weiter religiöse Werke zu verfassen. 1968 begann er sich in der Bewegung für die Bürgerrechte zu engagieren und trat der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR bei. Im September 1969 wurde er verhaftet und nach elfmonatiger Untersuchungshaft freigelassen; im Mai 1971 vor Gericht gestellt und zu drei Jahren verurteilt. Seinen Gefängnisaufenthalt schilderte Lewitin-Krasnow in seiner im Samisdat verbreiteten autobiografischen Skizze »Moje woswraschtschenije« (Meine Rückkehr). Kurz nach seiner Freilassung emigrierte Lewitin-Krasnow im Herbst 1974 aus der Sowjetunion. Im Exil schrieb er drei weitere Bücher: »Lichije gody« (Böse Jahre), »Ruk twoich shar« (Deiner Hände Glut) und »W poiskach nowogo grada« (Auf der Suche nach der neuen Stadt).

M-

Mamlejew, Jurij Witaljewitsch (geb. 1931), 
absolvierte 1955 das Moskauer forsttechnische Institut und unterrichtete bis 1974 Mathematik. Seit Anfang der fünfziger Jahre wurde er unter den inoffiziellen Literaten und Künstlern in Moskau durch seine Lesungen bekannt, auf denen er seine Erzählungen vortrug (zuerst in seiner Wohnung in der Jushinskij-Gasse, dann in verschiedenen anderen Moskauer Wohnungen). Von diesen Abenden zirkulieren auch Tonbandmitschnitte. Zahlreiche junge Schriftsteller sahen Mamlejew als ihren Lehrer an (»Mamlejew-Schule«). Er verfaßte mehr als hundert Erzählungen, zwei Romane, eine Gedichtsammlung und philosophische Essays. In der Sowjetunion wurde er offiziell nie gedruckt. Im Sommer 1974 konnte Mamlejew in die USA ausreisen.

Mandelstam, Nadeshda Jakowlewna  (1899-1980), 
die Frau des Lyrikers Ossip Mandelstam. Sie befaßte sich in ihrer Jugend mit Malerei und nahm in Kiew bei der Malerin Ekster Unterricht. Nach der Verhaftung und dem Tod ihres Mannes unterrichtete sie in Provinzstädten Englisch. Als Ossip Mandelstams Name wieder genannt werden durfte, konnte sie nach Moskau zurückkehren, wo sie sich vergebens darum bemühte, die Werke ihres Mannes, die sie viele Jahre lang heimlich aufbewahrt hatte, veröffentlichen zu lassen. Bedeutende Verbreitung und Hochschätzung im Samisdat genießen die beiden Erinnerungsbände Nadeshda Mandelstams (dt. Das Jahrhundert der Wölfe; Band 2 dt. Generation ohne Tränen).

Maramsin, Wladimir  (geb. 1934), 
absolvierte das Leningrader elektrotechnische Institut und arbeitete als Ingenieur in den Swetlana-Werken in Leningrad. Er veröffentlichte mehrere Kinderbücher und schrieb Drehbücher für populärwissenschaftliche Filme. Im Samisdat zirkulieren einige Erzählbände und die Erzählungen »Istorija shenitby Iwana Petrowitscha« (dt. Die Geschichte von der Heirat des Iwan Petrowitsch), »Tschelowek, kotoryj weril w swoje ossoboje nasnatschenije« (Der Mann, der an seine besondere Bestimmung glaubte), »Blondin obejego zweta« (Der Blonde von zweierlei Farbe) und andere. Am 24. Juli 1974 wurde Maramsin verhaftet, weil er sich zusammen mit dem Literaturkritiker M. Chejfez an der Herausgabe der fünfbändigen Gesammelten Werke von lossif Brodskij beteiligt und weil er eigene Manuskripte zur Veröffentlichung in den Westen gegeben hatte. Nach rund siebenmonatiger Untersuchungshaft erklärte er öffentlich Reue durch einen Brief in der Pariser Zeitung »Le Monde« (13. 2. 1975) und wurde am 21. Februar 1975 von einem Leningrader Gericht zu fünf Jahren Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt. Bald darauf konnte er aus der Sowjetunion ausreisen. 1978 gründete er in Paris die Zeitschrift »Echo«.

Martschenko, Anatolij Tichonowitsch (geb. 1938), 
Sohn eines einfachen Arbeiters, arbeitete nach der Schule als Bohrmeister auf Baustellen in Sibirien und Kasachstan. 1958 wurde Martschenko nach einer Prügelei im Arbeiterwohnheim, an der er selber nicht teilgenommen hatte, von der Miliz irrtümlich mit festgenommen, verurteilt und ins KZ gesteckt. 1960 floh er aus dem Lager und versuchte die sowjetisch-iranische Grenze zu überschreiten, wurde jedoch eingefangen, erneut verurteilt und für sechs Jahre in die mordwinischen Lager geschickt. Nach einem neuen, abermals mißglückten Fluchtversuch wurde Martschenko in das Gefängnis von Wladimir übergeführt, wo er an Gehirnhautentzündung erkrankte. Obwohl man ihn nicht behandelte, blieb er wie durch ein Wunder am Leben, verlor aber sein Gehör. Nach der Freilassung ließ er sich in der Stadt Aleksandrow nieder, arbeitete als Lastwagenfahrer und schrieb sein Erinnerungsbuch »Moi pokasanija« (dt. Meine Aussagen). Nachdem das Buch im Samisdat in Umlauf gekommen war, stellte man Martschenko im Juli 1968 wegen Vergehens gegen das Paßgesetz vor Gericht (er war nach Moskau gefahren, um Freunde zu besuchen) und verurteilte ihn zu einem Jahr verschärfter Lagerhaft. Nach Ablauf dieser Frist wurde Martschenko »wegen antisowjetischer Agitation unter den Häftlingen« abermals angeklagt und zu weiteren zwei Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Nach der Entlassung lebte er unter Polizeiaufsicht in Tarussa und wurde im Februar 1975 wegen Behinderung der behördlichen Aufsicht (er hatte mehrfach die Wohnung verlassen, ohne sich bei der Polizei abzumelden) zu vier Jahren Verbannung verurteilt und nach Ostsibirien deportiert (in das Dorf Tschuna im Gebiet Irkutsk).

Maximow, Wladimir Jemeljanowitsch (geb. 1932), 
in seiner Jugend Herumstreuner und Kinderheimzögling, übte nacheinander viele verschiedene Berufe aus und kam in ganz Rußland herum. Seine erste Gedichtsammlung »Pokolenije na tschassach« (Eine Generation auf Wache) erschien 1956; die erste Erzählung »My obshiwajem semlju« (Wir machen die Erde bewohnbar) 1961 in der Anthologie »Tarusskije stranizy«. 1964 erschien das Stück »Posywnyje twoich parallelej« (Die Rufzeichen deiner Parallelen). Berühmt wurde Maximow durch seine Erzählung »Shiw tschelowek« (dt. Dennoch lebt der Mensch; 1962), die sogar dramatisiert und vom Moskauer Puschkintheater aufgeführt wurde. Seine Romane »Sem dnej tworenija« (dt. Die sieben Tage der Schöpfung) und »Karantin« (dt. Die Quarantäne) durften nicht erscheinen; nachdem sie weite Verbreitung im Samisdat gefunden hatten und auch im Ausland veröffentlicht worden waren, stand Maximow bei sämtlichen sowjetischen Verlagen vor verschlossenen Türen und wurde im Juni 1973 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Im April 1974 konnte er nach Frankreich ausreisen. Seinen Roman »Proschtschanije is niotkuda« (dt. Abschied von Nirgendwo) beendete er im Westen. Maximow ist der Chefredakteur der in Paris herausgegebenen Zeitschrift <Kontinent>. Im Westen verfaßte er den Roman »Kowtscheg dlja neswanych« (dt. Eine Arche für die nicht Geladenen).

Medwedew, Shores Alexandrowitsch (geb. 1925), 
Biologe und Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen zur Genetik, Vorsitzender der internationalen Vereinigung der Gerontologen. Er wurde durch sein Buch »Biologitscheskaja nauka i kult litschnosti« (dt. Der Fall Lyssenko. Eine Wissenschaft kapituliert) weit bekannt, das im Samisdat zirkulierte und auch im Westen veröffentlicht wurde. Im Samisdat zirkulierten auch Medwedews Artikel »Meshunarodnoje sotrudnitschestwo utschonych i nazionalnyje granizy« (Die internationale Zusammenarbeit der Wissenschaftler und die nationalen Grenzen) und »Tajna perepiski ochranjajetsja sakonom« (Das Briefgeheimnis ist gesetzlich geschützt). 1970 verlor Medwedew seine Arbeit und wurde in eine psychiatrische Klinik in Kaluga eingewiesen, doch dank der energischen Proteste zahlreicher namhafter Wissenschaftler aus der UdSSR und dem Ausland nach einem Monat freigegeben. Seinen Aufenthalt in der Klinik schilderte er in dem Buch »Kto sumasschedschij?« (dt. Sie sind ein psychiatrischer Fall, Genosse) —den Teil des Buchs, der die Kampagne für die Freilassung Medwedews behandelt, schrieb sein Zwillingsbruder Roy. Im Samisdat verbreitet sind auch Medwedews Kindheitserinnerungen. Im Januar 1973 erhielt Shores Medwedew die Erlaubnis, für ein Jahr nach England zu gehen, und kurz nach seiner Ausreise entzog man ihm die sowjetische Staatsbürgerschaft.

Miloslawskij, Jury  (geb. 1946), 
arbeitete als Packer, Schauspieler, Journalist, Exkursionsleiter. Emigrierte 1973 nach Israel. Er veröffentlichte Gedichtzyklen und Erzählungen; Aufsehen erregte die Erzählung »Sobirajtes i idite« (Macht euch fertig und geht).

N-

Najman, Anatolij  (geb. 1936), 
Ausbildung als Chemieingenieur, absolvierte das Leningrader Technologische Institut, arbeitete als Übersetzer. In der Sowjetunion wurden von ihm nur Gedichtübersetzungen veröffentlicht. Er war der persönliche Sekretär Anna Achmatowas. Im Samisdat verbreitet sind seine Gedichtsammlung »Sentimentalnyj marsch« (Sentimentaler Marsch), seine Poeme »Stichi po tschastnomu powodu« (Verse aus besonderem Anlaß) und »Sentjabrskaja poema« (Septemberpoem) sowie seine Erinnerungen an Anna Achmatowa »Kakaja jest« (So ist sie).

Nariza, Michail Alexandrowitsch  (geb. 1909), 
besuchte zunächst die künstlerische Fachschule in Leningrad, dann ab 1935 die Leningrader Kunstakademie. 1935 verhaftet und zu fünf Jahren Lager verurteilt. 1940 kam er nach der Entlassung in ein Arbeitsbataillon; nach sechs Monaten wegen Invalidität entlassen. 1949 erneute Verhaftung und nach einem Jahr Gefängnis Verbannung nach Karaganda. 1957 Rehabilitierung, Rückkehr nach Leningrad und Wiederaufnahme des Studiums an der Kunstakademie. Seinen autobiografischen Roman »Nespetaja pesnja« (dt. Ein ungesungenes Lied) ließ er in den Westen gelangen und schickte gleichzeitig mit einem Begleitbrief ein Exemplar an Chruschtschow. Er wurde im Dezember 1961 verhaftet und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Seinen Aufenthalt dort beschrieb Nariza später in der Skizze »Prestuplenije i nakasanije« (dt. Schuld und Sühne; 1970).

Nekrassow, Viktor (geb. 1911), 
absolvierte die Architekturfakultät des Kiewer Instituts für Bauwesen. Arbeitete als Schauspieler und Maler. Kämpfte während des ganzen Krieges an der Front; nahm an der Schlacht um Stalingrad teil. Sein Roman »W okopach Stalingrada« (dt. In den Schützengräben von Stalingrad; 1946) machte ihn berühmt. Er war ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift »Nowyj mir«, in der die meisten seiner Erzählungen und Romane erschienen. Doch nach der Veröffentlichung von Skizzen über seine Reise in den Westen, »Po obe storony okeana« (dt. Auf beiden Seiten des Ozeans), begann man ihn zu verfolgen. 1975 emigrierte er nach Paris.

O-

Okudshawa, Bulat Schalwowitsch (geb. 1924), 
meldete sich 1942 freiwillig zur Armee und wurde verwundet. 1950 beendete er die Universität in Tiflis und arbeitete als Dorfschullehrer im Gebiet Kaluga. Sein erster Gedichtband »Lirika« (Lyrik) erschien 1956. In der Folgezeit wurde Okudshawa häufig in den Zeitschriften »Nowyj mir«, »Snamja« und »Molodaja gwardija« gedruckt. 1959 kam ein zweiter Gedichtband heraus; »Ostrowa« (Inseln). In der Anthologie »Tarusskije stranizy« erschien 1961 seine Erzählung »Bud sdorow, schkoljar« (dt. Machs gut). Der Band wurde bald darauf aus dem Verkehr gezogen. Eine nachfolgende Sammlung Okudshawas »Wesjolyj barabanschtschik« (Der fröhliche Trommler) konnte schon nicht mehr veröffentlicht werden; sie ging in den Samisdat, ebenso wie die Sammlung »Mart welikoduschnyj« (Großmütiger März). Okudshawa wurde zu einem der populärsten illegalen Sänger-Poeten. Im Samisdat verbreitet ist auch sein Roman »Fotograf Shora« (Der Fotograf Shora). Ein weiterer Roman, »Bednyj Awrossimow« (dt. Der arme Avrosimov), konnte in der Sowjetunion erscheinen.

Olizkaja, Jekaterina Lwowna (1898-1974), 
vor der Revolution als Studentin Mitglied der Partei der Sozialrevolutionäre. In den zwanziger Jahren studierte sie am Institut für Industrieökonomie in Moskau. 1924 wurde sie als Mitherausgeberin einer illegalen Studentenzeitung verhaftet und für drei Jahre auf die Solowezkij-Inseln deportiert. Fast die gesamte Zeit bis zu Stalins Tod verbrachte Je. Olizkaja in Konzentrationslagern und in der Verbannung. Ende der sechziger Jahre wurden im Samisdat ihre Erinnerungen bekannt.

Ossipow, Wladimir Nikolajewitsch  (geb. 1936), 
studierte Philologie an der Moskauer Universität, wurde 1959 relegiert, nachdem er öffentlich gegen die Verhaftung eines Kommilitonen protestiert hatte. 1960 gab er die illegale Jugendzeitschrift »Bumerang« heraus. 1961 wurde er im Zusammenhang mit der Untergrundzeitschrift »Feniks« verhaftet und zu sieben Jahren verurteilt. Nach der Entlassung durfte er sich nicht in Moskau niederlassen und zog in die Stadt Aleksandrow. Die endlosen Schwierigkeiten, nach der Entlassung eine Arbeit und eine Unterkunft zu finden, schilderte er in der Skizze »W poiskach kryschi« (Auf der Suche nach einem Dach), die im Samisdat zirkulierte. In der Skizze »Ploschtschad Majakowskogo, statja 70-ja« (Majakowskij-Platz, Artikel 70) schilderte Ossipow die Entstehung junger Künstlergruppen Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre und den literarischen Untergrund im damaligen Moskau. 1969 begann Ossipow mit der Herausgabe der Untergrundzeitschrift »Wetsche« und ab Herbst 1974 der Zeitschrift »Semlja«. Im November 1974 wurde er erneut verhaftet und zu acht Jahren Lager verurteilt.

P-

Panin, Dmitrij Michaßowitsch (geb. 1911), 
besuchte das Technikum, arbeitete in der Fabrik. Absolvierte 1936 das Institut für Maschinenbau. 1940 verhaftet und zu fünf Jahren Lager verurteilt. Im Lager »wegen Vorbereitung eines bewaffneten Aufstands« zu weiteren zehn Jahren verurteilt. Er saß mit Solschenizyn im selben Lager und diente zum Vorbild für die Figur des Häftlings Sologdin in Solschenizyns Roman »Der erste Kreis der Hölle«. 1953 bis 1956 war er in der Verbannung. 1956 kehrte er nach Moskau zurück, wo er als Konstrukteur tätig wurde. In seiner freien Zeit arbeitete er an seinen Büchern. 1972 konnte er die UdSSR verlassen und publizierte im Westen sein erstes Buch »Sapiski Sologdina« (Die Aufzeichnungen Sologdins).

Pasternak, Boris Leonidowitsch (1890-1960), 
befaßte sich in der Jugend mit Philosophie und Musik, studierte in Marburg. Begann 1913 Gedichte zu schreiben. Seine erste Lyriksammlung »Blisnez w tutschach« (Zwilling in Wolken) erschien 1914, die zweite »Powerch barjerow» (Über die Schranken hinweg) 1917. 1922 kam die Sammlung »Sestra moja shisn« (Meine Schwester das Leben) heraus; 1927 das Poem »Lejtenant Schmidt« (Leutnant Schmidt); 1931 (dt. Geleitbrief); 1932 »Wtoroje roshdenije« (Die zweite Geburt); ebenfalls 1932 erschienen »Poemy« (Poeme) und »Isbrannyje stichi« (Ausgewählte Gedichte). 1935 trat er auf dem internationalen Schriftstellerkongreß in Paris auf. In den vierziger und fünfziger Jahren veröffentlichte er vor allem Übersetzungen. 1956 bot er seinen Roman »Doktor Schiwago« der Zeitschrift »Nowyj mir« an, doch die Veröffentlichung wurde verboten. Der Roman erschien im November 1957 in Italien im Verlag Feltrinelli. Im Oktober erkannte die Königliche Schwedische Akademie Pasternak den Literaturnobelpreis zu. In der sowjetischen Presse begann eine wütende Hetzjagd gegen den Dichter. Am 27. Oktober 1958 wurde er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Weil er die Ausweisung aus der Sowjetunion befürchtete, lehnte Pasternak den Nobelpreis ab.

Pawlowa, Musa Konstantinowna  (geb. 1907), 
Lyrikerin und Übersetzerin. Verfaßte Einakter und satirische Miniaturen, von denen einige manchmal an sowjetischen Theatern aufgeführt werden. Ihre Gedichte erschienen in der Anthologie »Den poesii« (Tag der Poesie), aber auch in Samisdatzeitschriften. Im Samisdat verbreitet sind auch ihre Stücke »Jaschtschiki« (Die Kisten), »Krylja« (Die Flügel) und andere.

Petrow, Sergej Wladimirowitsch  (geb. 1923), 
Übersetzer aus dem Schwedischen. Im Samisdat verbreitet sind einige Romane von ihm; der bekannteste ist »Kalendar« (Der Kalender).

Petrow-Agatow, Alexander Aleksandrowitsch  (geb. 1921), 
Lyriker; schrieb das berühmte Soldatenlied »Tjomnaja notsch« (Dunkle Nacht). 1947 wurde er verhaftet und verbrachte fast zwanzig Jahre in Lagern und Gefängnissen. Er veröffentlichte in den Zeitschriften »Prostor« (Nr. 10, 1967) und »Newa« (Nr. 3,1968) jeweils eine kleine Auswahl von Gedichten. Wurde 1968 erneut verhaftet und wegen »antisowjetischer Gedichte« zu sieben Jahren verurteilt. Aus dem Lager konnte er neue Gedichte und die Skizze »Rossija, kotoroj ne snajut« (Das Rußland, das man nicht kennt) nach draußen gelangen lassen; draufhin wurde er 1970 für den Rest seiner Frist in das Gefängnis von Wladimir übergeführt. Diese neue Prüfung hielt Petrow-Agatow nicht aus, er wurde physisch und moralisch gebrochen. Am 2.2.1977 veröffentlichte die »Literaturnaja gaseta« seinen Widerruf, in dem er sich von seiner gesamten Vergangenheit lossagte und überdies seine Mithäftlinge verleumdete.

Pimenow, Rewolt Iwanowitsch  (geb. 1931), 
absolvierte die Fakultät für Mechanik und Mathematik der Leningrader Universität, 1949 wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, weil er seinen Austritt aus dem Komsomol erklärt hatte. Im August 1957 wurde Pimenow wegen »antisowjetischer Agitation« zu sechs Jahren verurteilt; der Oberste Gerichtshof änderte das Urteil in zehn Jahre um, doch 1963 wurde Pimenow auf Bewährung freigelassen. 1963 promovierte er am Mathematischen Institut der Akademie der Wissenschaften zum Kandidaten der Wissenschaft und 1969 zum Doktor. Er verfaßte das Buch »Prostranstwa kinematitscheskogo tipa« (Räume kinematischen Typs) und zahlreiche wissenschaftliche Beiträge. Im Samisdat zirkulieren seine Erinnerungen über den Prozeß von 1957 gegen ihn und seine Freunde — »Odin polititscheskij prozess« (Ein politischer Prozeß) — und die Skizze »Kak ja iskal anglijskogo schpiona Sidni Rejli« (Wie ich den englischen Spion Sidney Reilly suchte). Im April 1970 wurden bei einer Haussuchung in Pimenows Leningrader Wohnung mehr als zweihundertfünfzig Samisdatschriften beschlagnahmt. Er wurde verhaftet und zu fünf Jahren Verbannung verurteilt.

Platonow, Andrej Platonowitsch  (1899-1951), 
arbeitete schon mit vierzehn Jahren als Schlosser in einer Eisenbahnwerkstatt. Während des Bürgerkriegs kämpfte er in der Roten Armee. 1921 veröffentlichte er ein Buch mit Prosaskizzen »Elektrifikazija« (Elektrifizierung). 1922 erschien eine Gedichtsammlung »Golubaja glubina« (Blaue Tiefe). 1924 beendete Platonow das Polytechnikum in Woronesh und arbeitete bis 1927 als Meliorationsingenieur. Die 1927 veröffentlichte Erzählsammlung »Jepifanskije Schljusy« (Die Epifaner Schleusen) machte ihn berühmt, er wurde Berufsschriftsteller. Für seine Erzählung »Wprok« (Zum Vorteil) wurde er 1931 heftig angegriffen und konnte danach praktisch nichts mehr drucken. Platonow mußte sich immer neue Bleiben suchen, litt Hunger; schließlich kam er als Hausmeister im Literaturinstitut in Moskau unter. Während des Krieges konnte er dank der Bemühungen seiner Freunde als Kriegsberichterstatter tätig sein. Er veröffentlichte mehrere Kriegserzählungen. 1946 wurde seine Erzählung »Semja Iwanowa« (Familie Iwanow) von der Partei kritisiert, und er konnte abermals nichts mehr erscheinen lassen. Er arbeitete wieder als Hausmeister. Im Samisdat zirkulieren Platonows Erzählungen »Juwenilnoje more« (Das Juvenilmeer) und »Kotlowan« (dt. Die Baugrube), der Roman »Tschewengur« (dt. Unterwegs nach Tschevengur) und zahlreiche kürzere Erzählungen.

R-

Radygin, Anatolij Wladimirowitsch  geb. 1934), besuchte die Berufsschule und arbeitete eine Zeitlang als Elektroschlosser im Bergbau, dann bezog er die Höhere Kriegsmarineschule und fuhr auf Kriegsschiffen der Ostsee- und der Schwarzmeerflotte und als Kapitän auf Fischfangschiffen in der Ostsee, im Nordmeer und im Pazifik. Seit 1955 erschienen seine Gedichte in sowjetischen Zeitungen und Almanachen. Später wurden sie in dem schmalen Band »Okeanskaja sol« (Salz des Ozeans) auch gesondert herausgegeben. 1962 versuchte er illegal die Grenze zu überschreiten, wurde aber gefaßt und zu zehn Jahren verurteilt. Nach der Entlassung konnte er 1973 aus der Sowjetunion emigrieren. Radygins Gedichte, darunter auch im Lager verfaßte, zirkulierten im Samisdat.

Rejn, Jewgenij  (geb. 1935), ausgebildeter Ingenieur und Mechaniker, arbeitete als Journalist, veröffentlichte in der Sowjetunion Gedichte für Kinder, doch sein eigentliches lyrisches Werk ist nur durch den Samisdat bekannt.

Rowner, Arkadij  (geb. 1940), absolvierte die Philosophische Fakultät der Moskauer Universität, arbeitete in der Abteilung Philosophie bei der Fundamentalbibliothek der Gesellschaftswissen­schaften in Moskau. Offiziell wurde er nie gedruckt. Verfaßte zahlreiche Erzählungen, Gedichte und den Roman »Obesjana na derewe« (Der Affe auf dem Baum). 1974 emigrierte er in die USA. 1978 gründete er in New York die Zeitschrift »Gnosis«.

S-

Schalamow, Warlam  (geb. 1907), 
Lyriker und Prosaiker, wurde 1929 zum erstenmal verhaftet und zu fünf Jahren verurteilt und auf die Solowezkij-Inseln deportiert. 1937 wurde er als »Wiederholungstäter« erneut verhaftet und zu fünf Jahren verurteilt und an die Kolyma geschickt. 1942 wurde seine Frist »bis Kriegsende« verlängert. 1943 wurde er wegen seiner Behauptung, Iwan Bunin sei ein Klassiker der russischen Literatur, zu weiteren zehn Jahren verurteilt. Nach seiner Rehabilitierung 1957 kehrte er nach Moskau zurück. 1957 veröffentlichte er seine Gedichte; auch 1961 und 1964 konnten Gedichtsammlungen erscheinen. Im Samisdat zirkulierten seit Anfang der sechziger Jahre seine außerordentlich populären »Kolymaer Erzählungen« (»Kolymskije rasskasy«; dt. Kolyma. Insel im Archipel).

Schawrow, Wadim Michajlowitsch  (geb. 1924), 
ging auf die Kriegsmarineschule, meldete sich 1941 freiwillig an die Front und wurde verwundet. Mehrfach mit Orden und Medaillen ausgezeichnet. Nach dem Krieg studierte er am Institut für Internationale Beziehungen in Moskau. 1948 wurde er verhaftet und zu zehn Jahren verurteilt. 1954 Freilassung und Rehabilitierung. 1955 trat er in das Priesterseminar in Odessa ein. Im Samisdat verbreitet sind seine Erinnerungen »Wessennije mysli i wospominanija« (Frühlingshafte Gedanken und Erinnerungen) und das gemeinsam mit Anatolij Lewitin-Krasnow verfaßte Buch »Otscherki po istorii russkoj zerkownoj smuty« (Abriß der Geschichte der russischen Kirchenverwirrnis).

Sinjawskij, Andrej Donatowitsch (geb. 1925), 
absolvierte 1949 die Philologische Fakultät der Moskauer Universität. 1952 promovierte er zum Kandidaten der Wissenschaft und erhielt eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltliteratur der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Er publizierte literaturkritische Beiträge. Seit 1956 erschienen Erzählungen und Geschichten von ihm unter dem Pseudonym Abram Terz im Westen. Er wurde im September 1965 verhaftet und im Februar 1966 zusammen mit Julij Daniel vor Gericht gestellt. Das Urteil für Sinjawskij lautete auf sieben Jahre strenger Lagerhaft wegen der Publikation seiner Werke im Ausland; im Westen waren erschienen: die Erzählungen »W zirke« (dt. Im Zirkus), »Ty i ja« (dt. Du und ich), »Kwartiranty« (dt. Die Mieter), »Grafomany« (dt. Die Graphomanen), »Gololediza« (dt. Glatteis), »Pchenz«, »Sud idjot« (dt. Der Prozeß beginnt) und »Ljubimow«, der Aufsatz »Tschto takoje sozialistitscheskij realism« (dt. Was ist sozialistischer Realismus?) und die tagebuchartigen Aufzeichnungen »Mysli wrasploch« (dt. Gedanken hinter Gittern). Aus den Briefen, die Sinjawskij aus dem Lager an seine Frau schrieb, stellte er nach seiner Entlassung das Buch »Golos is chora« (dt. Eine Stimme im Chor) zusammen. Entlassen wurde er im Juni 1971, und im August 1973 konnte er nach Frankreich ausreisen, wo er in Paris mit großem Erfolg Vorlesungen über russische Literatur zu halten begann. Dort vollendete er auch seine schon in Rußland begonnenen Bücher »W teni Gogolja« (dt. Im Schatten Gogols) und »Progulki s Puschkinym« (dt. Promenaden mit Puschkin) und schrieb die neue Erzählung »Kroschka Zeres«. 1978 gründete er in Paris die Zeitschrift »Sintaksis«.

Sinowjew, Alexander Alexandrowitsch (geb. 1922), 
entstammt einer einfachen Familie aus dem Dorf: die Mutter war Bäuerin, der Vater Anstreicher. 1939 bezog er das Moskauer Institut für Philosophie, Literatur und Geschichte, wurde jedoch wegen seiner öffentlichen Äußerungen gegen den Stalinkult aus dem Institut und aus dem Komsomol ausgeschlossen; der Verhaftung entging er, weil er sich im Dorf versteckte. Während des Krieges kämpfte er bei den Sturmfliegerkräften. 1951 beendete er die Philosophische Fakultät der Moskauer Universität; während des Studiums hatte er als Packer und Erdarbeiter gearbeitet. Er machte dann eine glänzende Karriere als Wissenschaftler, erhielt einen Lehrstuhl für Logik an der Moskauer Universität, arbeitete im Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Logik, die ihn auch im Ausland sehr bekannt werden ließen. Nachdem er sich in unorthodoxer Weise öffentlich geäußert hatte und vor allem, nachdem im Westen seine Romane veröffentlicht worden waren, wurden ihm sämtliche wissenschaftlichen Grade aberkannt, er wurde entlassen und mußte Repressionen erleiden. 1974 bis 1978 schrieb er nacheinander fünf Romane, die im Westen veröffentlicht wurden und ihm Weltruhm brachten: »Sijajuschtschije wyssoty« (dt. Gähnende Höhen), »Sapiski notschnogo storosha« (Aufzeichnungen eines Nachtwächters), »Swetloje buduschtscheje« (dt. Lichte Zukunft), »W preddwerii raja« (Im Vorhof des Paradieses) und »Sholtyj dorn« (Das gelbe Haus). Im August 1978 emigrierte er in die Bundesrepublik Deutschland.

Sokolow, Alexander (Sascha)  (geb. 1943), 
beendete 1971 die Fakultät für Journalistik der Moskauer Universität. Er arbeitete als Präparator im Leichenschauhaus, als Packer, Jäger, Journalist. 1974 ließ er seinen Roman »Schkola dlja durakow« (dt. Die Schule der Dummen) in den Westen gelangen, der erst nach Sokolows Ausreise aus der UdSSR (Oktober 1975) unter seinem vollen Namen in den USA veröffentlicht wurde. Der Ausreise Sokolows ging ein zäher Kampf des Schriftstellers und seiner Frau, einer jungen Österreicherin, gegen die sowjetischen Machthaber voraus, die die Eheschließung verhindern und Sokolow die Ausreise verbieten wollten. Im Westen arbeitete er als Holzfäller im Wienerwald und schrieb den Roman »Meshdu sobakoj i wolkom« (Abenddämmerung).

Solschenizyn, Alexander Issajewitsch  (geb. 1918), 
studierte Mathematik an der Universität Rostow am Don und im Fernstudium am Moskauer Institut für Geschichte, Philosophie und Literatur. Während des Krieges wurde er auf einer Artillerieschule ausgebildet und kam als Kommandeur eines Artillerie-Aufklärungsbataillons an die Front. Im Februar 1945 wurde er verhaftet, weil er in einem Brief an einen Schulfreund kritische Bemerkungen über Stalin gemacht hatte, und im Juli 1945 zu acht Jahren Lager verurteilt. Im Lager bildete sich eine Krebsgeschwulst, die operiert wurde, aber nicht restlos verschwand. Nach Ablauf der Frist wurde er »auf ewig« nach Kasachstan verbannt. Hier entwickelte sich der Krebs rasch, und Ende 1953 schwebte Solschenizyn zwischen Leben und Tod; doch im Verlauf eines Jahres (1954) konnte er in einer Krebsklinik in Taschkent geheilt werden.

Nach der Rehabilitierung arbeitete er als Mathematiklehrer zuerst im Gebiet von Wladimir und später in Rjasan. 1962 erschien in der Zeitschrift »Nowyj mir« seine Erzählung »Odin den Iwana Denissowitscha« (dt. Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch), gefolgt von ein paar kleineren Erzählungen. Doch gleich darauf wurde jede weitere Publikation seiner Werke untersagt, und sie erlangten sehr weite Verbreitung im Samisdat — zuerst der Roman »Rakowyj korpus« (dt. Krebsstation), dann die Romane »W kruge perwom« (dt. Der erste Kreis der Hölle), »Awgust Tschetyrnadzatogo« (dt. August Vierzehn) und schließlich »Archipelag GULag« (dt. Der Archipel GULAG). In der sowjetischen Presse wurde eine systematische Hetzjagd gegen ihn veranstaltet; im November 1969 schloß man ihn aus dem Schriftstellerverband aus. 1970 erhielt Solschenizyn den Nobelpreis für Literatur. Seit dem Ende der sechziger Jahre zirkulieren im Samisdat auch publizistische Beiträge und Reden von Solschenizyn, wie etwa der »Brief an den IV. Schriftstellerkongreß der UdSSR«, der »Brief an die Mitglieder des Schriftstellerverbands«, der »Brief an den Patriarchen«, »So leben wir«, »Lebt nicht mit der Lüge«, »Frieden und Gewalt«, »Offener Brief an die sowjetische Führung« und andere, die großen Einfluß auf die Gesellschaft ausübten: Im Februar 1974 wurde Solschenizyn verhaftet, ins Lefortowo-Gefängnis gebracht und gewaltsam aus der UdSSR ausgewiesen.

Strugazkij, Arkadij  (geb. 1925), 
Übersetzer aus dem Japanischen, und Boris (geb. 1933), Astronom, debütierten 1959 mit ihrer Erzählung »Strana bagrowych tutsch« (dt. Atomvulkan Golkonda). Seitdem publizierten sie fortgesetzt Romane und Erzählungen — »Put na Amalteju« (Der Weg zur Amalthea), »Daljokaja raduga« (Der ferne Regenbogen), »Woswraschtschenije« (Die Rückkehr), »Ponedelnik natschinajetsja w subbotu« (dt. Montag beginnt am Samstag), »Chischtschnyje weschtschi weka« (Die räuberischen Dinge des Jahrhunderts), »Wtoroje naschestwije marsian« (dt. Die zweite Invasion auf der Erde). Die Erzählungen »Ulitka na sklone« (dt. Die Schnecke am Abhang) und »Skaska o trojke« (dt. Das Märchen von der Troika) wurden 1968 nach ihrer Veröffentlichung in der Zeitschrift »Bajkal« beziehungsweise in dem Almanach »Angara« aus dem Verkehr gezogen. Der Roman »Gadkije lebedi« (dt. Die häßlichen Schwäne) wurde in der Sowjetunion verboten und begann im Samisdat zu zirkulieren.

Sukonik, Alexnader  (geb. 1932), 
absolvierte das Institut für Bauwesen in Odessa, dann die Schule für Drehbuchautoren in Moskau; er verfaßte Drehbücher für populärwissenschaftliche Filme. In der Sowjetunion wurde er nicht gedruckt. 1974 emigrierte er in die USA und veröffentlichte dort zahlreiche Erzählungen.

Swetow, Felix Grigorjewitsch  (geb. 1927), 
absolvierte die russische Abteilung an der Philologischen Fakultät der Moskauer Universität (1951), arbeitete als Journalist, schrieb im »Nowyj mir« häufig kritische und essayistische Beiträge. In den siebziger Jahren erschienen im Samisdat seine Artikel über Solschenizyn, über Dombrowskij, über die Lage der Intelligenz sowie die Romane »Opyt biografii« (Versuch einer Biografie), »Ofelija« (Ophelia), »Otwersi mi dweri« (Machet mir auf) und »Mytar i farissej« (Der Zöllner und der Pharisäer). 1980 wurde er wegen seiner Samisdat-Veröffentlichungen aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen.

Swirskij, Grigorij Zesarewitsch  (geb. 1921), 
studierte Philologie. Während des Krieges Kriegsberichterstatter. Bis 1965 konnte er in der Sowjetunion regelmäßig publizieren, doch nachdem er auf dem Schriftstellerkongreß öffentlich gegen den offiziellen Antisemitismus und gegen die Zensur protestiert hatte, wurde von ihm nichts mehr gedruckt. Swirskij beschuldigte den Chefredakteur der Zeitschrift »Drushba narodow« (Völkerfreundschaft), Wassilij Smirnow, des Antisemitismus; die Kommission für Parteikontrolle beim Moskauer Stadtkomitee mußte sich mit der Sache befassen. Im Januar 1968 wurde Swirskij aus der Partei und 1971 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, worauf er um die Erlaubnis zur Ausreise nach Israel nachsuchte. 1972 konnte er die UdSSR verlassen. 1973 trat er in Paris bei dem Prozeß, den die internationale Liga gegen Antisemitismus und Rassismus gegen die von der sowjetischen Botschaft in Paris herausgegebene Zeitschrift »L'U.R.S.S.« angestrengt hatte, als Zeuge der Anklage auf. Vor seiner Ausreise aus der UdSSR schrieb Swirskij den dokumentarischen Roman »Saloshniki« (Die Geiseln), von dem eine Kopie heimlich in den Westen gelangte.

Tarsis, Walerij Jakowlewitsch  (geb. 1905), 
beendete 1929 die historischphilologische Fakultät der Universität Rostow am Don, arbeitete als Redakteur im Verlag »Chudoshestwennaja literatura« (Schöne Literatur) und als Übersetzer; veröffentlichte Erzählungen. Während des Krieges Berichterstatter. 1960 gab er die Manuskripte seiner unveröffentlichten Werke in den Westen. Nachdem dort seine Erzählungen »Skasanije o sinej muche« (dt. Die blaue Fliege) und »Krasnoje i tschornoje« (Rot und Schwarz) erschienen waren, wurde Tarsis 1962 verhaftet und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Im Februar 1963 entlassen. Seinen Aufenthalt in der Heilanstalt schilderte er in der autobiografischen Erzählung »Palata Nr. 7« (dt. Botschaft aus dem Irrenhaus). Im Februar 1966 ließ man Tarsis ausreisen und entzog ihm die sowjetische Staatsbürgerschaft.

Tschukowskaja, Lydia Komejewna  (geb. 1907), 
arbeitete mehr als dreißig Jahre als Lektorin und Herausgeberin schöner Literatur. Bekannt wurde ihr Buch »W laboratorii redaktora« (Im Laboratorium des Redakteurs; 1963). In der Sowjetunion erschienen von ihr außerdem die Bücher »Dekabristy, issledowateli Sibiri« (Die Dekabristen, die Erforscher Sibiriens), »Boris Shitkow«, »>Byloje i dumy< Gerzena« (A. Herzens »Erlebtes und Gedachtes«) und zahlreiche weitere literaturwissenschaftliche Studien. Im Samisdat zirkulieren zwei Erzählungen — »Sofja Petrowna (Opustelyj dorn)« (dt. Ein leeres Haus) und »Spusk pod wodu« (dt. Untertauchen) — sowie publizistische Beiträge — »Ne kasn, no mysl, no slowo« (Nicht Hinrichtung, sondern Wort und Gedanke), »Brief an Michail Scholochow«, »Gnew naroda« (Volkszorn). Im Januar 1974 wurde Lidia Tschukowskaja aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Die Umstände dieses Vorgangs schilderte sie in ihrem Buch »Prozess iskljutschenija. Otscherk literaturnych nrawow« (Das Ausschlußverfahren. Eine Skizze über literarische Sitten).

 

W-

Wachtin, Boris Borissowitsch  (geb. 1932), 
absolvierte die Ostasienfakultät der Leningrader Universität, arbeitet als leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostasieninstitut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Leningrad. Wachtin ist ein bedeutender Sinologe. In der Sowjetunion wurden von ihm nur wenige Arbeiten veröffentlicht, doch im Samisdat ist er als Autor zahlreicher Erzählungen und Geschichten bekannt: »Ljotschik Tjutschew ispytatel« (Testpilot Tjutschew), »Wanjka Kain«, »Abakassow«, »Odna absoljutno stschastliwaja derewnja« (Ein absolut glückliches Dorf), »Sershant i frau« (Der Sergeant und die Deutsche) und andere.

Witkowskij, Dmitrij   (1901-1970), 
gelernter Chemieingenieur. Unmittelbar nach Beendigung der Universität wurde er verhaftet und nach Jenissejsk verbannt. Nach der Freilassung 1931 wurde er bald erneut verhaftet und auf die Solowezkij-Inseln gebracht. 1937 kam er frei, wurde aber 1938 schon wieder verhaftet, gefoltert und zum Tode verurteilt; die Todesstrafe wurde danach in Lagerhaft umgewandelt. Im Krieg wurde Witkowskij an die Front geschickt und kam nach Kriegsende wieder in die Verbannung. Nach Stalins Tod wurde er rehabilitiert. 1964 wollte die Zeitschrift »Nowyj mir« Witkowskijs Erinnerungen veröffentlichen — »Polshisni« (Ein halbes Leben) —, aber die Drucklegung wurde verboten.

Wladimow, Georgij Nikolajewitsch  (geb. 1931), 
wurde durch seine 1961 veröffentlichte Erzählung »Bolschaja ruda« (dt. Das große Erz) weitbekannt. 1969 erschien sein Roman »Tri minuty moltschnija« (Drei Minuten Schweigen). Die ersten Teile seiner Erzählung »Wernyj Ruslan« (dt. Die Geschichte vom treuen Hund Ruslan) begann ab 1964 zunächst anonym im Samisdat zu zirkulieren, aber dann wurde bekannt, wer der Verfasser war, und als Wladimow die Erzählung 1975 beendet hatte, gab er sie unter seinem Namen in Umlauf. Im Oktober 1977 erklärte er seinen Austritt aus dem Schriftstellerverband; er begann sich in der Dissidentenbewegung zu engagieren und wurde Mitglied der sowjetischen Gruppe von amnesty international.

Woinowitsch, Wladimir Nikolajewitsch  (geb. 1932), 
machte das Examen für die Mittelschule, erhielt aber keine höhere Bildung. Diente vier Jahre als einfacher Soldat in der Armee, arbeitete als Zimmermann; wollte das Literaturinstitut besuchen, wurde aber nicht zugelassen. Durch seine 1963 veröffentlichte Erzählung »Chotschu byt tschestnym« (Ich möchte ehrlich sein) wurde er weit bekannt; die Erzählung wurde, ebenso wie die folgende, »Dwa towarischtscha« (dt. Zwei Freunde), für die Bühne bearbeitet. In den sechziger Jahren veröffentlichte Wojnowitsch zahlreiche Erzählungen und Geschichten: »My sdes shiwjom« (Wir leben hier), »Rasstojanije w polkilometra« (Einen halben Kilometer Entfernung), »Wladytschiza« (Die Herrscherin). 1966 unterschrieb er einen offenen Brief zugunsten der Schriftsteller Sinjawskij und Daniel und 1968 einen ebensolchen Brief für Ginsburg und Galanskow. 1973 weigerte er sich, einen offiziellen Brief der sowjetischen Schriftsteller zu unterzeichnen, in dem das Akademiemitglied Sacharow kritisiert wurde, worauf er alle seine noch unveröffentlichten Manuskripte von den Verlagen zurückgeschickt bekam. Nachdem sein Roman »Shisn i neobytschajnyje prikljutschenija soldata Iwana Tschonkina« (dt. Die denkwürdigen Abenteuer des Soldaten Iwan Tschonkin) weite Verbreitung im Samisdat gefunden hatte und auch im Westen erschienen war, wurde Wojnowitsch im Februar 1974 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Im Mai 1975 lud man ihn zu einem »Gespräch« beim KGB vor und drohte ihm mit »plötzlichem Tod«. 1980 beantragte Wojnowitsch die Ausreise aus der UdSSR; er durfte sie im Dezember desselben Jahres verlassen.

Wyssozkij Wladimir   (1938-1980), 
berühmter Schauspieler und Autor populärer Lieder, von denen viele im Samisdat umlaufen. Besuchte die Hochschule für Bauwesen, wechselte auf die Schauspielschule des Moskauer Künstlertheaters und wurde nach Beendigung der Ausbildung ans Moskauer Tagankatheater engagiert. Er spielte in zahlreichen sowjetischen Filmen mit.

Z-

Zwetkow, Jewgenij   (geb. 1940), 
studierte Geophysik an der Moskauer Universität, arbeitete am Institut für Geophysik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, war Ressortleiter bei der Zeitschrift »Snanije — sila« (Wissen ist Macht). Verfaßte zahlreiche Samisdat-Erzählungen und Romane. 1976 emigrierte er nach Israel. 

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Erläuterungen des Übersetzers 

zu einigen im Text vorkommenden Namen, die für deutsche Leser nicht ohne weiteres verständlich sind 

 

 

Achmatowa  (eigentlich Gorenko), Anna Andrejewna (1888-1966), bedeutende Lyrikerin; mit Ossip Mandelstam und Nikolaj Gumiljow Begründerin des sich gegen den Symbolismus und Futurismus abgrenzenden Akmeismus.

Aldanow  (eigentlich Landau), Mark Aleksandrowitsch (1886-1957), Prosaiker; Verfasser historischer Romane; emigrierte 1919 nach Paris. 

Andrejew, Leonid Nikolajewitsch  (1871-1919), Schriftsteller expressionistischer Färbung, dessen realistisch geschriebene, nihilistisch gesinnte Erzählungen in den ersten Jahren des Jahrhunderts sehr bekannt waren. 

Astafjew, Viktor Petrowitsch (geb. 1924), Prosaiker, der in seinen Erzählungen vor allem die einfachen Menschen des russischen Dorfs gestaltet. 

Babel, Isaak Emmanuilowitsch (1894-1941), Prosaiker, der durch seine in eigenwilligem Stil geschriebenen turbulenten Geschichten über den Bürgerkrieg und über seine Heimatstadt Odessa berühmt wurde. Er starb in der Haft und war lange Jahre hindurch in der UdSSR verfemt. 

Belinskij, Wissarion Grigorjewitsch (1811-1845), Literaturkritiker, Begründer einer sozial bewußten Literaturkritik in Rußland und geistiger Vater der klassischen realistischen Literatur Rußlands.

Below, Wassilij Iwanowitsch  (geb. 1932), Prosaiker, der das Leben der einfachen Kolchosbauern gestaltet.

Belyj, Andrej  (eigentlich Boris Nikolajewitsch Bugajew; 1880-1934), Lyriker und Prosaiker; bedeutender Vertreter des Symbolismus. 

Berdjajew, Nikolaj Alexandrowitsch (1874-1948), Kultur- und Religionsphilosoph; 1922 aus der UdSSR ausgewiesen; Vertreter einer dem Existentialismus nahestehenden christlichen Geschichtsphilosophie. 

Berija, Lawrentij Pawlowitsch (1899-1953), georgischer Bolschewik; seit 1938 Leiter des Staatssicherheitsdienstes, den er zu seinem persönlichen Machtinstrument ausbaute. Zuletzt Minister für Staatssicherheit und Politbüromitglied. 1953 gestürzt und erschossen.

Blok, Alexander Alexandrowitsch (1880-1921), bedeutender symbolistischer Lyriker.

Bulgakow, Michail Afanasjewitsch (1891-1940), Dramatiker und Prosaiker.

Bulgakow, Sergej Nikolajewitsch (1871-1944), Theologe, ursprünglich marxistischer Nationalökonom; wurde 1918 Priester; 1922 aus Rußland ausgewiesen.

Bulgarin, Faddej Wenediktowitsch (1789-1859), reaktionärer Schriftsteller, vor allem als Polizeispitzel unter Nikolaus IL bekannt geworden. 

Bunin, Iwan Aleksejewitsch (1870-1953), Prosaiker und Lyriker; erhielt 1933 den Literatur-Nobelpreis.

Charms (eigentlich Juwatschow), Daniil Iwanowitsch (1906-1942), Lyriker und Dramatiker; Begründer der absurden, antirealistischen literarischen Richtung der Oberiu-Gruppe.

Chlebnikow, Welemir (eigentlich Wiktor Wladimirowitsch; 1885-1922), bedeutender Vertreter des Futurismus; bereicherte mit seiner experimentellen Lyrik die russische Sprache.

Dahl, Wladimir Iwanowitsch (1801-1872), Belletrist, Ethnograph und Lexikograph; schuf das bedeutende »Erklärende Wörterbuch der lebendigen großrussischen Sprache« (das Alexander Solschenizyn als Häftling abends zu studieren pflegte).

 

Ehrenburg, Ilja Grigorjewitsch (1891-1967), Romancier und Journalist. Als Pressekorrespondent lange Jahre im Ausland. Am bekanntesten sind seine ironischen literarischen Reportagen und seine dreibändige Autobiografie.

Eisberg, Jakow (geb. 1901), Literaturwissenschaftler. Als ehemaliger Sekretär des bei den Moskauer Prozessen angeklagten Altrevolutionärs L. Kamenew beteiligte er sich in den dreißiger Jahren an den Denunziationen, um den Makel dieser Verbindung loszuwerden. Deshalb 1962 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen.

Erdman, Nikolaj Roberto witsch (1902-1970), Dramatiker. Sein Stück »Das Mandat« in der Inszenierung durch Meierhold hatte in den zwanziger Jahren großen Erfolg. Mehrmals verhaftet.

Fadejew, Alexander Alexandrowitsch (1901-1956). Prosaiker; führender stalinistischer Literaturfunktionär. Beging 1956 Selbstmord. 

Frank, Semjon Ludwigowitsch (1877-1950), Religionsphilosoph; Schüler Wladimir Solowjows; 1922 aus der UdSSR ausgewiesen. 

 

Gretsch, Nikolaj Iwanowitsch (1787-1867), reaktionärer Journalist und Schriftsteller.

Gribojedow, Alexander Sergejewitsch (1795-1829), Dramatiker. Mit seiner berühmten gesellschaftskritischen Komödie »Verstand schafft Leiden« wirkte er bahnbrechend für die russische Dramatik. Auf dem Höhepunkt einer glänzenden diplomatischen Karriere wurde er von fanatisierten Persern bei einem Überfall auf die russische Botschaft in Teheran ermordet. 

Gumiljow, Nikolaj Stepanowitsch (1886-1921), Lyriker; führender Vertreter des Akmeismus; erster Mann von Anna Achmatowa. Wegen konterrevolutionärer Betätigung zusammen mit sechzig anderen Menschen erschossen.

Herzen, Alexander Iwanowitsch (1812-1870), Schriftsteller und demokratischer Publizist; gab im Londoner Exil die gesellschaftskritische Zeitschrift »Kolokol« (Die Glocke) heraus.

Jessenin, Sergej Alexandrowitsch (1895-1925), Lyriker, dessen ausdrucksstarke und innige Gedichte über das Dorf und die Natur bis heute große Popularität besitzen.

Jewtuschenko, Jewgenij Alexandrowitsch (geb. 1933), Lyriker, der in den fünfziger und sechziger Jahren durch seine ambitionierten expressiven zeitnahen Gedichte auch im Ausland weithin bekannt geworden ist. 

Kaganowitsch, Lasar Moissejewitsch (geb. 1893), einer der engsten Mitarbeiter Stalins; seit 1930 Mitglied des Politbüros; 1957 aller Ämter enthoben.

Katajew, Iwan Iwanowitsch (1902-1939), Prosaiker; wichtiger Vertreter der Schriftstellergruppe »Perewal« (Der Bergpaß), die das Bekenntnis zum sozialistischen Aufbau mit der Forderung nach Koexistenz verschiedener künstlerischer Richtungen verband.

Kirejewskij, Iwan Wassiljewitsch (1806-1856), bedeutender Theoretiker und Kulturphilosoph der Slawophilen.

Kirow (eigentlich Kostrikow), Sergej Mironowitsch (1886-1934), Leningrader Parteiführer, enger Mitarbeiter (und heimlicher Konkurrent) Stalins; seine Ermordung löste die »Große Säuberung« aus.

Kljujew, Nikolaj Aleksejewitsch (1887-1937), Lyriker, Jessenin nahestehender Bauerndichter. Unter Stalin verbannt und in der Haft gestorben. 

Kljutschewskij, Wassilij Ossipowitsch (1841-1911), bedeutender Historiker; Begründer der soziologischen Geschichtsbetrachtung in Rußland. 

Klytschkow (eigentlich Leschonkow), Sergej Antonowitsch (1889-1940), Lyriker und Prosaiker, Vertreter der »Bauerndichtung«. In der Haft gestorben.

Kotschetow, Wsewolod Anissimowitsch (1912-1973), Romancier, orthodoxer Literaturfunktionär und bis zu seinem Tod Herausgeber der antiliberalen Literaturzeitschrift »Oktjabr«.

Krutschonych, Aleksej Jelissejewitsch (1886-1968), einer der wichtigsten Dichter und Theoretiker des russischen Futurismus; zielte mit seinen sprachlichen Experimenten auf die Schaffung einer »metalogischen« Sprache ab.

 

Lepeschinskaja, Olga Borissowna (1871-1963), Biologin, deren Theorie während des Spätstalinismus die sowjetische Biologie dominierte. 

Lermontow, Michail Jurjewitsch (1814-1841), bedeutender russischer Dichter, vor allem durch seine Lyrik und seinen Roman »Ein Held unserer Zeit« berühmt geworden.

Litwinow, Maksim Maksimowitsch (eigentlich Max Wallach; 1876-1951), Altrevolutionär; 1930-1939 Volkskommissar für Auswärtiges. Sein Sohn Pawel ist ein bekannter Bürgerrechtskämpfer.

Losskij, Nikolaj Onufrijewitsch (1870-1965), Philosoph; Anhänger des personalistischen Idealismus; 1922 aus der Sowjetunion ausgewiesen. 

Lunatscharskij, Anatolij Wassiljewitsch (1875-1932), Revolutionär, marxistischer Kulturtheoretiker; 1917-1929 Volkskommissar für das Bildungswesen.

Lyssenko, Trofim Denissowitsch (geb. 1898), Agrobiologe und Genetiker; entwickelte eine Theorie der Vererbung umweltbedingter Eigenschaften; Günstling Stalins und 1948-1964 »Diktator« der sowjetischen Biologie. 

 

Majakowski], Wladimir Wladimirowitsch (1893-1930), einer der Hauptvertreter des russischen Futurismus und Sänger der Revolution. Geriet immer mehr in Konflikt mit der offiziellen Kulturpolitik und nahm sich schließlich das Leben.

Mandelstam, Ossip Emiljewitsch (1891-1938), bedeutender Lyriker, führender Vertreter des Akmeismus. Zuerst verbannt, dann verhaftet; in einem fernöstlichen Lager umgekommen.

Marschak, Samuil Jakowlewitsch (1887-1964), Lyriker, Übersetzer und Kinderbuchautor.

Meierhold, Wsewolod Emiljewitsch (1874-1940), Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter. Wegen seiner öffentlichen Weigerung, den »sozialistischen Realismus« als verbindlich anzuerkennen, wurde er verhaftet; er starb im Gefängnis.

Michalkow, Sergej Wladimirowitsch (geb. 1913), Lyriker und Dramatiker; orthodoxer Literaturfunktionär.

Mihajlov, Mihajlo (geb. 1934), jugoslawischer Schriftsteller; Dozent für Slawistik an der Universität Zadar; wegen oppositioneller Tätigkeit mehrmals mit Gefängnis bestraft.

Mikojan, Anastas Iwanowitsch (1895-1978), Partei- und Staatspolitiker, enger Mitarbeiter Stalins und ebenso Chruschtschows, dessen außenpolitischer Berater er war; 1964-65 Staatsoberhaupt.

Molotow (eigentlich Skrjabin), Wjatscheslaw Michajlowitsch (geb. 1890), Partei- und Staatspolitiker; Mitbegründer der »Prawda«; enger Mitarbeiter Stalins; 1939-1949 und 1953-1956 Außenminister. 1957 aller Ämter enthoben.

 

Nabokov, Vladimir Vladimirowitsch (1899-1977), bedeutender russisch-amerikanischer Schriftsteller; Sohn eines liberalen Petersburger Politikers; emigrierte 1919; schrieb seine Erzählungen und Romane bis zur Übersiedlung in die USA 1940 russisch, danach, mit der gleichen sprachlichen Brillanz, englisch. Er verfaßte aber weiterhin Gedichte in russischer Sprache und übersetzte unter anderem seine Lebenserinnerungen und seinen Roman »Lolita« selbst ins Russische.

Neiswestnyj, Ernst Iossifowitsch (geb. 1925), bekannter sowjetischer nonkonformistischer Bildhauer; er schuf die Gedenkbüste auf Nikita Chruschtschows Grab; lebt im Westen.

Nekrassow, Nikolaj Aleksejewitsch (1821-1877), russischer Dichter, Vertreter sozial engagierter Poesie; war fast zwanzig Jahre lang Herausgeber und Redakteur der bekannten revolutionär-demokratischen Zeitschrift »Sowremmenik« (Der Zeitgenosse).

Nossow, Jewgenij Iwanowitsch (geb. 1925), Prosaiker; Vertreter der sowjetischen »Dorfliteratur«.

Olescha, Jurij Karlowitsch (1899-1960), Prosaiker, dessen Ruhm sich vor allem auf seinen Roman »Neid« (1927) gründet, in dem er die Probleme der Intelligenz in der jungen Sowjetunion gestaltete.

Ossorgin (eigentlich Iljin),  Michail Andrejewitsch (1878-1972), Prosaiker; nach der Oktoberrevolution Vorsitzender des Moskauer Schriftstellerverbandes; 1922 ausgewiesen.

 

Pilnjak (eigentlich Wogau), Boris Andrejewitsch (1894-1937?), Prosaiker, der in eigenwillig experimentellem Stil das Revolutionsgeschehen gestaltete und daher in Ungnade fiel. Verhaftet und erschossen oder im Lager umgekommen.

 

Radischtschew, Alexander Nikolajewitsch (1749-1802), Schriftsteller; radikaler Gesellschaftskritiker und Vertreter der revolutionären Aufklärung in Rußland; unter Katharina II. nach Sibirien verbannt, später begnadigt.

Rasputin, Valentin Grigorjewitsch (geb. 1937), Prosaiker, bedeutender Vertreter der sowjetischen »Dorfliteratur«.

Remisow, Aleksej Michajlowitsch (1877-1957), Prosaiker; 1921 emigriert; schuf, aus allen Gattungen der Volkskunst schöpfend, ein umfangreiches Werk in eigenwilliger sprachlicher Form.

Rjumin, M. D., stellvertretender Minister für Staatssicherheit in der späten Stalinära; 1953 unter Chruschtschow verurteilt und erschossen. 

Rosanow, Wassilij Wassiljewitsch (1856-1919), Publizist, der mit seinen religiös-philosophischen Schriften Einfluß auf die Symbolisten ausübte; mit seinen bekenntnishaften Aufzeichnungen in eigenwilliger sprachlicher Form nimmt er eine Sonderstellung innerhalb der russischen Literatur ein.

 

Sabolozkij, Nikolaj Aleksejewitsch (1903-1958), bedeutender Lyriker, führender Vertreter der Oberiu-Gruppe; unter Stalin Repressionen ausgesetzt.

Sajzew, Boris Konstantinowitsch (1881-1972), Prosaiker; seit 1922 im Exil; verfaßte Romane und biographische Werke. Saltykow-Schtschedrin, Michail Jewgrafowitsch (1826-1889), bedeutender russischer Satiriker und Gesellschaftskritiker.

Samjatin, Jewgenij Iwanowitsch (1884-1937), Prosaiker und Dramatiker der expressionistischen Richtung; übte mit seinem Roman »Wir«, einer Zukunftsvision des totalitären Staates, Einfluß auf Orwell und Huxley aus; emigrierte 1932.

Schaljapin, Fjodor Iwanowitsch (1873-1938), weltbekannter Sänger; von 1899 bis 1918 Mitglied der Moskauer Oper; emigrierte. 

Schepilow, Dmitrij Trofimowitsch (geb. 1905), Parteifunktionär; für kurze Zeit (1956-57) sowjetischer Außenminister. Wegen Zugehörigkeit zur »parteifeindlichen Gruppe« um Molotow, Malenkow und Kaganowitsch 1957 aller Ämter enthoben.

Schmeljow, Iwan Sergejewitsch (1873-1950), Prosaiker; seit 1922 im Exil; wurde mit seinen von der russischen Tradition und christlichem Glauben geprägten Romanen zu einem der angesehenen und regelmäßig übersetzten Schriftsteller der Emigration.

Schukschin, Wassilij Makarowitsch (1929-1974), Prosaiker, Regisseur und Filmschauspieler; wurde durch seine Filme und Kurzgeschichten sehr populär. 

Sewerjanin, Igor (eigentlich Igor Wassiljewitsch Lotarjow; 1887-1941),  Lyriker, den ein futuristischer Gedichtband (1913) populär machte. 

Shdanow, Andrej Alexandrowitsch (1896-1948), Kulturfunktionär unter Stalin; verantwortlich für die streng dogmatische Kulturpolitik der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre (»Shdanow-Ära«), die dem beginnenden Kalten Krieg zwischen den Blöcken entsprach. 

Sofronow, Anatolij Wladimirowitsch (geb. 1911), parteikonformer Dramatiker und Prosaiker.

Sologub, Fjodor (eigentlich Fjodor Kusmitsch Teternikow; 1863-1927), Lyriker und Prosaiker, bedeutender Vertreter des Symbolismus; in vielen seiner Werke herrscht Phantastisch-Dämonisches vor.

Solowjow, Wladimir Sergejewitsch (1853-1900), Religionsphilosoph und Dichter; strebte eine Synthese von östlicher Glaubensüberlieferung mit westlicher Wissenschaft und römischem Katholizismus an; beeinflußte die gesamte nichtmarxistische russische Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts.

Soschtschenko, Michail Michajlowitsch (1895-1958), Prosaiker, der durch seine satirischen Kurzgeschichten sehr populär geworden ist. Wurde während der Shdanow-Ära zusammen mit Anna Achmatowa heftig angegriffen.

Stepun, Fjodor Awgustowitsch (1884-1965), russischer Philosoph, Schriftsteller, Historiker und Soziologe; 1922 aus der UdSSR ausgewiesen; lebte in Deutschland.

Suslow, Michail Andrejewitsch  (geb. 1920), Parteifunktionär; seit 1955 Mitglied des (bis 1966 Präsidium des Obersten Sowjets genannten) Politbüros; maßgebender Ideologe. 

Swetlow, Michail Arkadjewitsch  (1903-1964), Lyriker. 

 

Tendrjakow, Wladimir Fjodorowitsch (geb. 1923), Prosaiker. 

Trifonow, Jurij Walentinowitsch (geb. 1925), Prosaiker. 

Tschomyj, Sascha (eigentlich Alexander Michajlowitsch Glikberg; 1880-1932), Dichter und Satiriker; emigrierte 1920. 

Tschukowskij, Kornej Iwanowitsch (1882-1969), Lyriker und Literaturwissenschaftler. Schrieb populäre Kinderbücher und literaturwissenschaftliche und übersetzungstheoretische Werke.

Tuchatschewskij, Michail Nikolajewitsch (1893-1937), Marschall der Sowjetunion; Bürgerkriegsheld; 1931 stellvertretender Kriegskommissar; hingerichtet.

Twardowskij, Alexander Trifonowitsch (1910-1971), Lyriker und Essayist; 1949-1954 und 1958-1970 Chefredakteur der führenden sowjetischen Literaturzeitschrift »Nowyj mir«; erster Förderer und Freund Solschenizyns.

Tynjanow, Jurij Nikolajewitsch (1895-1943), Literaturkritiker, Theoretiker der Formalen Schule der Literaturwissenschaft; verfaßte später historische Romane.

 

Waginow,
Konstantin Konstantinowitsch  (1899-1934), Lyriker; gehörte mit seinen formbewußten experimentellen Gedichten zuerst zu den Akmeisten, später zur Oberiu-Gruppe.

Wesjolyj,
Artjom (eigentlich Nikolaj Iwanowitsch Kotschkurow; 1899-1939), Prosaiker; gestaltete in expressivem ornamentalem Stil das Revolutionsgeschehen; in der Haft gestorben.

Woroschilow,
Kliment Jefremowitsch  (1881-1969), Bürgerkriegskommandeur; enger Freund und Mitarbeiter Stalins; 1953-1960 Staatsoberhaupt. 

Wwedenskij,
Alexander Iwanowitsch  (1904-1941), Dramatiker und Prosaiker; gehörte zur Oberiu-Gruppe; veröffentlichte zahlreiche Kinderbücher.

 

Zwetajewa,
Marina Iwanowna  (1892-1941), bedeutende Lyrikerin; befreundet mit Pasternak, Achmatowa und Mandelstam. Emigrierte 1922, kehrte aber 1939 in die Sowjetunion zurück. 1941 nahm sie sich das Leben. 

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