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4. Flugzeuge — Die großen Klimakiller?

 

 

  

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Es ist noch gar nicht allzulange her, da es in einigen Ländern hochtrabende Pläne gab: Der Geschwindigkeitsrausch hatte alle gepackt, auch das Fliegen sollte im Laufe der 70er Jahre noch schneller werden. Überschallflugzeuge für den Passagierbereich zogen Flugzeugkonstrukteure und mit ihnen Wirtschaft und Politik magisch an. In den USA machte man sich damals jedoch nicht nur Gedanken über die Entwicklung solcher Jets (Boeing), sondern ebenso über die Folgen einer solchen Entwicklung. Entsprechend erschrocken war man, als im Jahre 1971 eine Studie des amerikanischen Forschers Johnston bekannt wurde.

Hier wurde nämlich für eine weltweit operierende Flotte von 500 Überschallverkehrsflugzeugen, die (wie von Boeing geplant) in Höhen über 18 km operieren, eine drastische Reduzierung der dort vorhandenen Ozonschicht vorausgesagt. Die damaligen Schätzungen sagten für die genannte Flottengröße eine Reduzierung des gesamten Ozongehaltes dieser Luftschicht um 50 Prozent voraus, hervorgerufen durch die in diesen Höhen emittierten Stickoxide. 

Auch wenn diese Untersuchung zu der damaligen Zeit kaum in die Öffentlichkeit gelangte (das Wort Ozonloch existierte noch gar nicht, und Stickoxide waren wie die Fluorchlor­kohlenwasserstoffe nur ausgesprochenen Experten ein Begriff), so sorgte sie doch neben wirtschaftlichen Gründen dafür, daß die in Aussicht gestellte Überschall­geschwindigkeits­flotte nicht bzw. nur in Ansätzen verwirklicht wurde (13 Exemplare der Concorde fliegen derzeit, außerdem entwickelte die Sowjetunion ein Überschallflugzeug TU-144 das jedoch keinen wirtschaftlichen Erfolg brachte). Ein junges Beispiel für die heute oft geforderte und noch öfter nötige Technikfolgenabschätzung.

Mit später folgenden Untersuchungen stellte sich heraus, daß Johnston aufgrund einiger unzulässiger Vereinfachungen zu hoch gegriffen hatte: Die Ozonabnahme hätte nicht bei 50 Prozent gelegen, sondern wäre deutlich geringer ausgefallen. Trotzdem haben wir Grund genug, dem Forscher dankbar zu sein: lenkte er doch entschieden den Blick auf eine große ökologische Gefahr, die heute schon den ABC-Schützen ein Begriff ist — die weltweite Zerstörung der lebenswichtigen Ozonschicht. Mit der geplanten Überschallflotte wäre diese hochempfindliche Schutzschicht um die Erde heute schon wesentlich stärker ausgedünnt.

 

Ein Ozonschicht-Killer ähnlich den FCKW: Der Flugverkehr

 

Aber auch durch den heutigen Flugverkehr wird die Ozonschicht gefährdet. Dies geschieht vor allem dadurch, daß heute zahlreiche Mittel-, vor allem aber die Langstreckenflüge in Höhen stattfinden, die in besonders empfindliche Schichten der Atmosphäre hineinreichen: in die Tropopause und die Stratosphäre. Die Atmosphärenschicht, in der wir leben — die Troposphäre — reicht in Höhen zwischen 8 km (in den Polarregionen) und 16 km (in den Tropen). In unseren Breiten reicht die Troposphäre bis 10 km hinauf. In dieser Schicht spielt sich das gesamte Wettergeschehen ab. Sie beinhaltet auch die weitaus meisten der an der Erdoberfläche ausgestoßenen Luftschadstoffe, von denen sich wiederum der größte Teil bis zu der sogenannten planetarischen Grenzschicht aufhält, deren Höhe vor allem mit Jahreszeit, Temperatur und Sonneneinstrahlung zwischen 200 und 2000 m schwankt (wenn die planetarische Grenzschicht im Winter sehr niedrig bei rund 200 m Höhe und darunter liegt, kommt es zu den gefürchteten Smog-Wetterlagen). Mit jedem Kilometer Höhe nimmt die Temperatur in der Troposphäre um durchschnittlich 6,5° C ab.

Oberhalb der Troposphäre ist die Tropopause angesiedelt, eine sehr dünne Luftschicht, in der ein Temperaturminimum liegt und die eine trennende Funktion zwischen Troposphäre und Stratosphäre besitzt ("Diskontinuitätsschicht"). Hierüber liegt die in der Temperatur wieder stark ansteigende Stratosphäre. In diesem luftchemisch völlig anders aufgebauten Atmosphärenteil ist die vieldiskutierte Ozonschicht angelagert — in unseren Breiten beginnt sie bei rund 12 km Höhe.

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Abb. 6: Aufbau der Erdatmosphäre mit Temperaturverteilung sowie mit "Stockwerkeinteilung".

 

Solche Höhen werden z.T. schon bei einigen Inlandsflügen erreicht. Hierbei wirkt sich fatal aus, daß die Fluggesellschaften sogar ganz bewußt in immer größere Flughöhen vorstoßen. Mit zunehmender Höhe erreicht man nämlich eine nicht zu verachtende Treibstoffeinsparung — die immer dünner werdende Luft bewirkt diesen für die Fluggesellschaften erwünschten Effekt. Leider jedoch wird hier wieder einmal auf Kosten der Umwelt gewirtschaftet.

Besonders stark zu kritisierende Flugstrecken sind in diesem Zusammenhang die über das nördliche Polargebiet reichenden Flüge von Europa nach Nordamerika und Fernost — vor allem Japan. Insbesondere im Winter reichen diese Interkontinentalflüge bis weit in die zu diesem Zeitraum tiefliegende Stratosphäre hinein — und bauen dort Ozon ab.

Dies geschieht bei Flugzeugabgasen auf einem anderen Reaktionsweg als bei den Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Während dort vor allem das aus der Verbindung herausgelöste Chlor für die Ozonzerstörung verantwortlich ist, wirkt bei Flugzeugabgasen das ausgestoßene Stickoxid — bei der Verbrennung vor allem als Stickstoffmonoxid (NO) ausgestoßen — als Ozonzerstörer.

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Dies geschieht auf folgendem chemischen Reaktionsweg:

NO + O3  —  NO2 + O2 

NO2 + O  —  NO + O2

Nettobilanz:       O + O3     —  O2 + O2

Nachdem das aus den Düsen direkt emittierte NO und ein Ozonmolekül (O3) zu Stickstoffdioxid (NO2) und normalem Luftsauerstoff (O2) reagiert haben, wird das Stickstoffdioxid mittels atomaren Sauerstoffs (O — entsteht in der Stratosphäre durch die starke Lichteinstrahlung) wieder zu dem Stickstoffmonoxid, das sein zerstörerisches Werk neu beginnen kann.

Wie zu erkennen ist, handelt es sich hierbei um eine zyklische Reaktion, die sich wie ein Kreislauf so lange wiederholt, bis das Stickstoffoxid, z.B. durch Feuchtigkeit aus der Stratosphäre herausgewaschen wird und zur Erde absinkt. Dies geschieht je nach Höhe der Schadstoff"injektion" im Durchschnitt erst nach 2 bis 3 Jahren. Zum Vergleich: in der unteren Troposphäre, also unserer Atemluft, hat ein Stickstoffoxidmolekül eine durchschnittliche Lebensdauer von einem bis zwei Tagen. Während sich in der unteren Stratosphäre also die Stickoxideinträge der letzten 500 bis 900 Tage befinden, ist in unserer Atemluft "nur" das Stickoxid der letzten 20 bis 40 Stunden — je nach Witterung. Würden sich in der Troposphäre die hier ausgestoßenen Stickoxide auch dermaßen lange halten, würde irdisches Leben nicht mehr von Dauer sein — die Konzentrationen wären schnell tödlich für die meisten Lebewesen.

Diese Gefahr ist in der Tropopause und Stratosphäre zwar nicht gegeben, aber dort kommt es andererseits zu ungeahnt hohen Schadstoffansammlungen. Hierdurch wird die gesamte Erdatmosphäre wahrscheinlich insgesamt sogar noch stärker mit Stickoxiden belastet, als durch die bodennahen Quellen. Hieran ist gut zu erkennen, wie stark sich die luftchemischen Verhältnisse in den verschiedenen Atmosphärenschichten unterscheiden können und welche große Rolle die Verweilzeit eines Schadstoffes in den unterschiedlichen Luftschichten spielt — nicht nur beim Stickoxid, wie wir noch sehen werden (die atmosphärische Verweilzeit eines Schadstoffes in der Atmosphäre ist definiert als diejenige Zeit, die vergeht, bis eine Substanz bis auf einen Rest von 37 Prozent, mathematisch den Faktor 1/e, aus der Luft herausgewaschen wird).

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Außer von Flugzeugen wird Stickstoffmonoxid nur durch Raketen direkt in diese hochempfindliche Atmosphärenschicht eingetragen. Außerdem werden Mengen dieses Gases während Vulkanausbrüchen und Kernwaffenexplosionen durch den Auftrieb der hohen Temperaturen in die Stratosphäre geschleudert. Ebenso würde ein Großbrand vieler Ölquellen große Massen Stickoxide in die Stratosphäre tragen — in welchem Ausmaß dies im Golfkrieg geschehen ist, war bei Drucklegung des Buches noch nicht absehbar.

Wie groß die Menge des durch Flugzeugabgase zerstörten Ozons derzeit ist, ist aufgrund mangelnder Forschung nicht bekannt. Auch gibt es keinerlei Statistik darüber, wieviel Flugverkehr weltweit in Tropopause und Stratosphäre abgewickelt wird. Insbesondere für militärische Zwecke wird zuweilen in sehr hohe Luftregionen bis zu 20 km aufgestiegen, z.B. für "Aufklärungszwecke".

Bei einer Anhörung der Bundestags-Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" erlaubte die Lufthansa einen ersten Einblick, wieviel in und oberhalb der empfindlichen Tropopause geflogen wird. Im einzelnen gab man dort folgende Erkenntnisse einer Stichproben-Untersuchung für die eigenen Flüge bekannt: Allgemein wurde festgestellt, daß während des Sommers auf der Nordhalbkugel die Tropopause seltener und kürzer berührt wird als im Winter. Je südlicher ein Flug stattfindet, umso seltener und kürzer ist das Eindringen in die Tropopause.

Für Flüge in die Hauptzielgebiete der Lufthansa wurde folgendes angegeben: Bei Flügen innerhalb Mitteleuropas wird die Tropopause "in der Regel" nicht berührt. Bei Flügen nach Südeuropa gibt es im Sommer "selten" eine Tropopausen-Berührung, im Winter jedoch "häufiger". Anders sieht dies schon in Richtung Nordeuropa aus: Dort wird ganzjährig mit "hoher Wahrscheinlichkeit" in die Tropopause und auch darüber geflogen. Bei den Polrouten sowie den Flügen nach Nordamerika und nonstop nach Japan wird "immer" in diese hochempfindliche Atmosphärenschicht geflogen, wobei die Flugzeit hierin im Winter sogar "sehr hoch" ist und im Sommer "geringer".

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Wenn man nach Asien, Afrika, Südamerika oder auf der Südroute nach Fernorst fliegt, dann ist die Berührung der Tropopausenschicht "selten" und auch nur über Europa festzustellen. Anschlußflüge in Fernost sollen kein Eindringen in die Tropopause mit sich bringen.

Soweit die Angaben der Lufthansa für die verschiedenen Flugziele im Jahr 1988. In diesem Jahr fand nach Lufthansa-eigenen Schätzungen ein Anteil von sage und schreibe 17 bis 20 Prozent des gesamten eigenen Treibstoffverbrauchs im Bereich der Tropopause oder der Stratosphäre statt. Ein sicherlich enorm hoher Anteil! Ähnlich werden die Verhältnisse für viele andere europäische, nordamerikanische und japanische Fluggesellschaften sein. Es werden also demzufolge gewaltige Schadstoffmengen in diese Luftschicht ausgestoßen — und halten sich dort für Jahre.

Für vier Direktflüge errechnete die Lufthansa auch einmal präzise, wie groß der Mehrverbrauch an Treibstoff wäre, wenn man dieses Fliegen in der Tropopause vermeiden wollte. Im einzelnen wurde folgender Mehrverbrauch festgestellt: Für die Strecke Düsseldorf-Chicago + 6,0 %, Frankfurt-Stockholm + 6,7 % und Frankfurt-Anchoraage (Alaska) + 8,1 %. Dies hätte natürlich ebenso erhöhte Emissionen an Kohlendioxid zur Folge — was für das Klima der Erde auch schädlich ist. Inwieweit zukünftig aufgrund der zunehmenden Enge im Luftraum jedoch sogar in größere Höhen geflogen wird, ist derzeit nicht vorauszusehen. Allerdings muß so etwas befürchtet werden, zumal eine weitere Einsparung des Treibstoffes erzielt werden kann.

Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen: Die Folgen des Ozonabbaus werden heute weltweit vor allem im Zusammenhang mit den FCKW erregt diskutiert und sind vielfaltig. Die sehr harte und somit schädliche ultraviolette UVB-Strahlung wird vermehrt auf die Erde treffen. Beim Menschen, der sich durch den Aufenthalt in Räumen immerhin noch in gewissem Maße vor dieser Strahlung schützen kann, führt eine Zunahme der UVB-Strahlung z.B. zu Augen- und Hautschäden und einer Schwächung des Immunsystems.

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Auch die Pflanzen werden durch die stärkere UVB-Strahlung je nach Pflanzenart mehr oder weniger stark in ihrem Wachstum geschädigt. Ganz besonders groß ist die Gefährdung durch erhebliche Ernteeinbußen bei Kulturpflanzen. Eine ausreichende Ernährung der Weltbevölkerung erscheint immer schwieriger — allerdings auch bedingt durch andere umweltbedingte Streßfaktoren. Auch das Meeresleben, insbesondere die Mikroalgen und damit der Ausgangspunkt der Nahrungskette, ist durch die zunehmende ultraviolette Strahlung gefährdet. Ganze ökologische Gleichgewichte erscheinen den Wissenschaftlern gefährdet.

Es ist in diesem Zusammenhang auch notwendig zu wissen, daß die Abnahme der uns schützenden Ozonschicht nicht nur ein Phänomen in der Antarktis ist. Das alle Jahre wieder im dortigen Frühling (September/Oktober) auftretende Ozonloch von gigantischen Ausmaßen zieht bereits seine Kreise: Schon heute wird in Australien und Neuseeland bei besonders starker Ausdünnung der Ozonschicht immer wieder vor einem längeren Aufenthalt im Freien eindringlich gewarnt, es wird eine "Burn Time" genannt, die angibt, wie lange sich Menschen höchstens im Freien in der Sonne aufhalten sollten.

Eine Ozonausdünnung ist jedoch auch schon in unseren Breiten festzustellen. Von 1969 bis 1986 wurde in der Zone von 53° bis 64° nördliche Breite eine Reduzierung des Gesamtozongehaltes um 2,3 Prozent als Jahresmittel festgestellt. Besonders im Winter reicht die Ozonreduzierung auf über acht Prozent hinaus. Für die Breitengradzone von 40° bis 52° N ergibt sich eine durchschnittliche Reduzierung um drei Prozent.

Dies mag zunächst nicht sonderlich viel erscheinen. Allerdings wird heute davon ausgegangen, daß eine Abnahme des Gesamtozongehaltes der Atmosphäre um ein Prozent eine Zunahme der UV-Strahlung um 1,7 bis 2 Prozent (manche Forscher sagen auch 3 Prozent) bedeutet, diese also wesentlich stärker ansteigt, als das Ozon abnimmt.

Vor diesem Gesamthintergrund scheint es absurd, daß sich die Flugzeuge heutzutage in immer größere Flughöhen bewegen dürfen und so immer stärker in den Mechanismus der Ozonzerstörung eingreifen. Eine sehr kurzfristige Abhilfe wäre möglich: Durch internationale Festlegungen (z.B. der ICAO) kann quasi von heute auf morgen zumindest auf dem zivilen Sektor die Flughöhe auf eine Höhe begrenzt werden, die ausschließt, daß die Flüge in die Stratosphäre hineinreichen. In unseren Breiten wäre dies z.B. durch eine Flughöhe von acht Kilometern sichergestellt. Es wäre zudem anzustreben, zumindest im Winterhalbjahr Flüge über das Polargebiet ganz zu verbieten, also Umwege in Kauf zu nehmen.

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Doch hier deutet sich schon ein echter Zielkonflikt an: Ein Zulassen von Umwegen und ein energieaufwendigeres Fliegen in niedrigeren Höhen bedeutet im direkten Umkehrschluß eine deutliche Zunahme des Energieverbrauchs und somit des Ausstoßes von Kohlendioxid. Also würde eine andere Klimagefährdung auf dem Fuße folgen — ein weiteres Anheizen des Treibhauseffektes.

 

Flugzeugabgase heizen unser Klima kräftig an

Gleich auf dreifache Weise heizen Emissionen aus Flugzeugen das Erdklima an. Der gefürchtete Treibhauseffekt, also die globale Erwärmung der Erdatmo­sphäre mit bisher nur sehr grob abschätzbaren Folgen, erfährt durch die Luftfahrt zum einen eine Steigerung durch das bei jeder Verbrennung von fossilen Brennstoffen entstehende Kohlendioxid. Ebenso wirkt das in den tieferen Luftschichten aus Stickoxiden und Kohlenwasserstoffverbindungen luftchemisch gebildete Ozon als Treibhausgas — ganz abgesehen davon ist es durch seine große Aggressivität für Mensch und Natur extrem giftig. Und, für viele kaum vorstellbar: Wasserdampf aus Flugzeugen sorgt für hohe Wolken, die den Treibhauseffekt sehr stark unterstützen.

 

Kondensstreifen als Klimagefahr

Seit geraumer Zeit weisen immer mehr Wissenschaftler auf diese Gefahren durch den von Flugzeugen in großen Höhen ausgestoßenen Wasserdampf hin. Dieser Wasserdampf — in Bodennähe völlig ungefährlich — hat in den normalen Flughöhen die Eigenschaft zu gefrieren, wobei je nach vorhandener Temperatur noch zusätzliche "Kondensationskeime" vonnöten sind, die von Flugzeugen in Form von ebenfalls ausgestoßenem Ruß und Aerosolen gleich mitgeliefert werden. Bei Temperaturen um -70° C sind diese Kondensationskeime jedoch nicht mehr nötig, hier reicht schon die tiefe Außentemperatur zur Kondensstreifenbildung.

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Die uns allen bekannten Kondensstreifen — sie sind z.T. sogar auch schon auf Satellitenbildern zu erkennen — bestehen nämlich aus solchem gefrorenen Wasserdampf. Meteorologen zählen die Kondensstreifen zu den hohen Eiswolken ("Cirruswolken"). Wenn wir von der Erde aus diese Kondensstreifen betrachten, so scheinen sie sich manchmal sehr schnell aufzulösen. Doch hier wird das menschliche Auge getäuscht. Denn, wie sich mittels Infrarotaufnahmen von Satelliten aus nachweisen läßt, ist es möglich, daß Kondensstreifen — für das menschliche Auge mittlerweile unsichtbar — einige Kilometer Breite erreichen können.

Besonders entlang der Flugschneisen wachsen diese Kondensstreifen zu einem regelrechten Wolkenteppich zusammen, der dann in der Wirkung dem Glasdach eines Treibhauses gleicht: sichtbares Licht wird auf die Erde durchgelassen, während die von der Erde abgestrahlte Wärmeenergie zurückgehalten wird. Dies führt, in Verbindung mit anderen Treibhausgasen, nach und nach zu einem Wärmestau in der Atmosphäre, so daß die Erde sich erwärmt. Wassermoleküle in der unteren Stratosphäre haben eine mindestens zehnmal größere Klimawirksamkeit als CO2-Moleküle.

Wasserdampf wird von Flugzeugen in erheblichen Mengen ausgestoßen: die Verbrennung von einer Tonne Kerosin benötigt 3,4 Tonnen Sauerstoff. Hierbei entsteht eine Emission von 1,25 Tonnen Wasserdampf und zudem 3,15 Tonnen Kohlendioxid — von einigen weiteren Schadstoffen im Spurenbereich einmal abgesehen. Weltweit werden von Düsenflugzeugen in die untere Stratosphäre rund 30 Millionen Tonnen Wasserdampf abgegeben. Ebenso wie Kohlendioxid ist also die Entstehung von Wasserdampf bei jeder Verbrennung unvermeidlich.

Ganz besonders heikel werden jedoch die Wasserdampf-Emissionen bei den Wasserstoff-Antrieben, die sich bei einigen Flugzeugkonstrukteuren in der Entwicklung befinden. Dieser angeblich so umweltfreundliche Flugzeugantrieb stößt bei gleicher Leistung 2,5 mal mehr Wasser aus als konventionelle Antriebe und würde so die Gefährdung des Erdklimas noch einmal drastisch verschärfen.

Als besonders problematisch stellt sich bei den Emissionen durch hochfliegende Flugzeuge wieder heraus, daß die Schadstoffe eben in große Höhen gelangen, wo sie ungleich viel länger erhalten bleiben als in niedrigeren Höhen (in der Troposphäre). Hierdurch kommt es in diesen Luftschichten zu einer erheblichen Ansammlung der Schadstoffe — auch des Wasserdampfes.

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Als die Hauptvoraussetzung dafür, daß aus dem Wasserdampf Kondensstreifen, also die Cirrus-Wolken entstehen, ist eine niedrige Temperatur von rund -50° C oder weniger. Laut Aussage von Prof. Hartmut Graßl vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie wird der Wasserhaushalt der Atmosphäre bei Temperaturen unter minus 60° C durch einen modernen Großraumjet "empfindlich gestört". In unseren Breiten ist dies, mit jahreszeitlichen Schwankungen, in Höhen um 10 km der Fall. Hieraus folgt im Umkehrschluß, daß man zur Vermeidung des Entstehens von Eiswolken eine einfache Sofortmaßnahme hat: Es muß "nur" weltweit der Flugverkehr in solchen Höhen untersagt werden, in denen die Temperatur geringer als -50° C ist.

Leider jedoch ist eine solche verbindliche Anordnung derzeit aus politischen Gründen nicht absehbar. Daher fängt man erst einmal damit an auszurechnen, wie groß der Erwärmungseffekt allein durch die Wasserdampfemissionen aus Flugzeugen sein möge. Mit einer ersten Abschätzung tat sich ein Mitarbeiter der NASA hervor: 

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Einer Modellrechnung zufolge würde eine weltweite Zunahme der Cirrus-Bewölkung um lediglich zwei Prozent die Erdoberfläche um knapp ein Grad erhöhen. Nach der gleichen Modellrechnung würde eine Verdoppelung des Kohlendioxid-Gehaltes der Luft eine Temperaturzunahme um 2,8 Grad zur Folge haben. Aus diesem Vergleich — sofern die Berechnungen stimmen — ist ersichtlich, welch enorme Wirkung die zusätzliche Cirrus-Bewölkung möglicherweise haben kann. Schon vermeintlich kleine Änderungen ziehen enorme Folgen nach sich.

Auch im Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie wagte man "eine erste Hochrechnung" der Folgen der Wasserdampfemissionen von Flugzeugen: Bei einer Bedeckung des Himmels um 1,4 Prozent durch die zusätzlichen, hochliegenden Cirrus-Wolken bewegt sich der zusätzliche Treibhauseffekt bei zehn Prozent des Wertes, der derzeit durch das Kohlendioxid verursacht wird.

Wie groß der derzeitige durch Flugzeuge verursachte, zusätzliche Bewölkungsgrad der Eiswolken ist, vermag niemand zu sagen. An den zahlreichen Meßstationen des Deutschen Wetterdienstes wird seit vielen Jahren standardisiert die tägliche Bewölkung des Himmels registriert. Festgestellt wird die Bewölkung in Achtel der Himmelsfläche. Unterzieht man diese Beobachtungen einer langfristigen Trenduntersuchung, dann wird man zumeist darauf stoßen, daß die Durchschnittswerte für den Bewölkungsgrad seit einigen Jahren zunehmen. Ebenso lassen sich abnehmende Trends der Sonnenscheindauer nachweisen. Diese meteorologischen Beobachtungen nun jedoch allein auf den zunehmenden Flugverkehr zurückzuführen, wäre eine allzu gewagte These (es kämen zahllose andere Ursachen in Frage, beispielsweise auch schon die Zunahme des Treibhauseffektes, wodurch die Verdunstung von Wasser steigt), allerdings ist dies ein Indiz, das hierauf hinweisen kann.

Auch bei speziellen Beobachtungen vom Boden aus konnte bei bestimmten Wetterlagen schon ein allein durch Kondensstreifen verursachter Bewölkungsgrad zwischen ein und drei Achtel nachgewiesen werden. Wie groß dieser Bedeckungsgrad jedoch weltweit ist, ist derzeit völlig unmöglich abzuschätzen.

Allerdings laufen hierzu erste Forschungen der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR, ehemals DFVLR). Bei speziellen Satelliten­untersuchungen konnte zum Beispiel schon zwischen Frankfurt und Venedig nachgewiesen werden, daß Kondensstreifen mehrere Prozent der Erdoberfläche bedecken.

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Interessant mag in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung von einem der ersten Astronauten der Bundesrepublik, Prof. Ernst Messerschmidt sein, die er in einem Interview der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft" kundtat. Dort sagte er: "Was man deutlich sieht, sind auch die Kondensstreifen von Flugzeugen. Am ersten Tag meines Spacelab-Fluges flogen wir gegen Dämmerung in Richtung Moskau, unter den Wolken war das Land nicht zu sehen. In der Wolkendecke wölbte sich plötzlich wie ein sternförmig gestreifter Schleier in der Mitte ein Trichter nach unten. Mein amerikanischer Kollege sagte: <Dort unter dem Trichter ist der Flughafen von Moskau.> Hier tauchen alle Flugzeuge nach unten oder starten — aber niemand fliegt darüber weg —, so entsteht der Trichter." 

Es mag ein Indiz für das bereits massiv auftretende Phänomen der Kondensstreifen sein, daß sich nach der Beobachtung von Prof. Messerschmidt bereits regelrechte Strukturen entwickeln können. Sicherlich ist aus dieser Aussage keine quantitative Schlußfolgerung zu ziehen — interessant ist sie allemal.

Auch wenn oftmals von vielen, vor allem Politikern, dazu geneigt wird, geringe Prozentzahlen (z.B. unter fünf Prozent) als vernachlässigbar anzusehen, so zeigt sich insgesamt doch eine bisher im allgemeinen kaum bekannte, jedoch eklatante Klimagefahr, die auch schon im einstelligen Prozentbereich möglicherweise sehr drastische Folgen nach sich zieht: Ausdehnung von Wüsten, Ansteigen der Meeresspiegel, Wetter-("Natur"-) Katastrophen wie Dürren, Flut- und Sturmkatastrophen.

Auch wenn das wissenschaftlich erworbene Wissen zu diesem Problemkreis derzeit noch lückenhaft (eher: bruchstückhaft) ist, so zeichnet sich doch ein erheblicher Handlungsdruck ab.

 

Klimabedrohung bedeutet steigenden Handlungsdruck

Die Klimabedrohung durch Flugzeuge wird durch die weiteren Emissionen eher noch verschärft. Neben Wasserdampf spielen hierbei die Kohlendioxid-Emissionen eine wichtige Rolle.

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Hierbei fällt natürlich auf, daß Fliegen eine besonders energieaufwendige und somit auch besonders stark CO2-emittierende Fortbewegungsart ist. Ein Vergleich bietet hier näheren Aufschluß.

Zwei Untersuchungsvorhaben sollen uns hierzu Daten liefern, denn beide unterscheiden sich z.T. erheblich. Sowohl das Umweltbundesamt (UBA), als auch das Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) geben für die unterschiedlichen Emissionsfaktoren der Hauptverkehrsträger für einen Personen­kilometer folgende Zahlen an (also diejenige Menge Kohlendioxid, die im Durchschnitt für den Transport einer Person um einen Kilometer ausgestoßen werden muß, Zahlenbasis UBA 1986, IFEU 1987):

 

 

UBA

IFEU

Bus im Fernverkehr (Reisebus)

20 g/Pkm

29 g/Pkm

Eisenbahn im Fernverkehr

45 g/Pkm

57 g/Pkm

Straßen-, Stadt-, U-Bahnen

?

61 g/Pkm

Bus im Nahverkehr (Linienverk.)

65 g/Pkm

63 g/Pkm

motorisiertes Zweirad

100 g/Pkm

100 g/Pkm

Eisenbahn im Nahverkehr (mit S-Bahn)

105 g/Pkm

110 g/Pkm

PKW m. Dieselmotor (Nah u. Fern) 
PKW mit Otto-Motor (Nah und Fern)

150 g/Pkm 
180 g/Pkm

 
180 g/Pkm

Flugzeug im Inlandsverkehr 
Flugzeug grenzü
berschreitender Verk.

465 g/Pkm

290 g/Pkm 
150 g/Pkm

g/Pkm = Gramm Kohlendioxid pro Personenkilometer

 

Das Flugzeug erzeugt also Kohlendioxid-Emissionen, die zumeist um ein Vielfaches höher liegen als diejenigen aller anderen Transportmittel. Auffallend ist der deutliche Unterschied der beiden Berechnungen vom UBA und dem IFEU speziell beim Flugzeug. Gründe für diese deutliche Diskrepanz können an dieser Stelle jedoch nicht näher untersucht werden, daher ist auch keine Angabe darüber möglich, welche Zahlen "richtiger" sind (mag es vielleicht daran liegen, daß die Ergebnisse vom IFEU wesentlich auf Angaben der Lufthansa beruhen?).

Die Klimarelevanz der einzelnen Verkehrsträger (allein hervorgerufen durch CO2) ist unmittelbar analog zu den einzelnen Emissionsfaktoren — das Flugzeug schneidet mit katastrophalem Rückstand am schlechtesten ab. Eher noch schlimmer schneidet der Flugverkehr beim Gütertransport — ein derzeit noch erheblich stärker als der Personenverkehr boomendes Geschäft — ab.

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Hierzu liefert zwar das Umweltbundesamt bisher leider keine Zahlen, jedoch das IFEU berechnete in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland die folgenden Daten (Angabe der Menge Kohlendioxid pro transportiertem Tonnenkilometer, Zahlenbasis 1987):

 

Verkehrsmittel

Emission

Eisenbahn

41 g / tkm

Binnenschiffe

42 g / tkm

Lkw

207 g / tkm

Rohrfernleitung (Pipelines)

10 g / tkm

Flugzeug

1.160 g / tkm

 

Ähnlich der Verhältnisse beim spezifischen Energieeinsatz ist hier das Flugzeug das mit Abstand klimaschädlichste Gütertransport-Verkehrsmittel. Eisenbahn und Binnenschiffahrt liegen nahezu gleichauf um rund das 30fache besser, als der Luftverkehr, Pipelines um fast das 120fache. Dies zeigt deutlich die fatalen Folgen des zunehmenden Gütertransportes durch Flugzeuge.

Allein vom Standpunkt des Ausstoßes von Kohlendioxid her betrachtet, ist das Flugzeug schon das mit Abstand umweltfeindlichste aller Verkehrsmittel. Allein in der Bundesrepublik werden von allen Flugzeugen zusammen rund 30 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Weltweit wird der Anteil des Flugzeugs an den gesamten CO2-Emissionen auf ein bis zwei Prozent geschätzt — eine sicherlich schon für sich genommen nicht mehr zu vernachlässigende Menge. Wenn dann noch bedacht wird, daß die größte Klimagefahr des Flugzeuges in der Bildung von Kondensstreifen beim Fliegen in großen Höhen zu suchen ist, dann ist Flugverkehr in der bisher durchgeführten Form kaum noch zu rechtfertigen.

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Abb. 7: 

Grafische Darstellung der Abhängigkeit des Energiebedarfs von der Auslastung der Verkehrsmittel im Güterverkehr. Allgemein gilt, nicht nur im Güterverkehr: je höher die Auslastung, umso günstiger liegt der relative Energiebedarf für die jeweilige Transporteinheit. Aus der Grafik ist zu entnehmen, daß der Flugverkehr je nach Auslastung um das 50- bis 100fache mehr an Energie verbraucht und somit Kohlendioxid ausstößt, als Eisenbahn und vor allem Binnenschiffe

(Quelle: Bund, Wh/tkm = Wattstunden pro Tonnenkilometer).

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Ozonbildung durch Flugzeugabgase am falschen Ort

 

Einige Seiten zuvor wurde erläutert, wie es kommen kann, daß Flugzeugabgase Ozon in der lebensnotwendigen Ozonschicht abbaut. Nun gibt es allerdings auch den umgekehrten Effekt: Sobald Flugzeuge nicht in der ozonhaltigen Stratosphäre fliegen, sondern darunter, wird aus den Flugzeugabgasen in der Bilanz nicht Ozon ab- sondern aufgebaut. Dies geschieht über einen sehr komplizierten chemischen Vorgang, an dem neben natürlichen Luftbestandteilen die aus Flugzeugen (und auch anderen Quellen) ausgestoßenen Stickoxide, Kohlenwasserstoffverbindungen und Kohlenmonoxid nötig sind. Diese Produktion von Ozon ist jedoch in den unteren Luftschichten, also in der Troposphäre, absolut unerwünscht. Zwar kann hier die durch FCKW und höherfliegende Flugzeuge verursachte Ozonausdünnung teilweise kompensiert werden, allerdings überwiegen auch hier deutlich die negativen Folgen.

So wird nämlich durch das neugebildete Ozon der Treibhauseffekt weiter verstärkt. Und gerade in Höhen um die Tropopause, also der Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre, ist dieses Ozon ganz besonders klimawirksam und hat in dieser Höhe eine bis zu 2.000-mal stärkere Treibhauswirkung, als ein Kohlendioxid-Molekül. Übertroffen wird die Klimawirksamkeit des in dieser Atmosphärenschicht angelagerten Ozons nur noch durch die FCKW, die je nach molekularem Aufbau zwischen 10.000- und 17.000mal so effektiv das Erdklima anheizen wie das Kohlendioxid.

Zudem verschieben sich durch die Bildung zusätzlichen Ozons in der Atmosphärengrenzschicht um die Tropopause die seit Jahrmillionen eingespielten Temperaturzonen — ein großes, weltweites Experiment mit der Atmosphäre ist im vollen Gange, denn welche Folgen diese Temperaturverschiebung hat, ist derzeit nicht bekannt. Es gibt jedoch Vermutungen, daß die Temperaturen in der Stratosphäre absinken werden, wodurch z.B. die Bildung von Cirrus-Wolken weiter begünstigt würde, was dann wieder für ein weiteres Anheizen sorgt...

Die vom Menschen verursachte Bildung von Ozon in der Troposphäre wird derzeit für acht Prozent des zusätzlichen Treibhauseffektes verantwortlich gemacht — Flugzeuge beteiligen sich hieran auch über abgelegenen Regionen, die von Autoverkehr und Industrie bisher weitgehend verschont blieben (z.B. in den Polregionen). Die Bildung des zusätzlichen Ozons in der Troposphäre — die Sommersmogperioden der vergangenen Jahre machten uns dies in krasser Weise bewußt — ist ein gänzlich unerwünschter Effekt. Ozon in der Atemluft ist ein extrem reaktives und somit für alles Leben giftiges Gas, zudem kann das Ozon in Bodennähe das in der Stratosphäre fehlende nicht aufwiegen.

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