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9. Die Evolution der Psyche und Gesellschaft

 

 

 

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Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto mehr sinkt das Niveau der Kindererziehung; folglich wuchsen Kinder in der Vergangenheit in Schreckens­häusern auf, ähnlich denen von dissoziierten Persönlich­keiten in der heutigen Zeit. Psychiatrische Studien haben eine Korrelation zwischen den gesteigerten Niveaus dissoziativer Symptome — separate Alter Egos, Depersonalisation, Realitätsverlust — und dem Umfang frühen physischen, sexuellen und emotionalen Missbrauchs aufgezeigt.1) 

Dass sich die durchschnittliche Person vor der Zeit der Moderne in Strassen voll von Geistern, Dämonen, Göttern und anderen Alter Egos bewegte, ist der Hinweis auf Dissoziation als Resultat des routinemäßigen Missbrauchs und der Vernachlässigung als Kind. Die historische Evolution der Psyche ist demnach der langsame, ungleichmäßige Prozess der Integration von losgelösten Ichs in ein vereintes Ich als Ziel modernen Erziehens.2)

Die biologische Evolution speichert Eigenschaften in Genen, die an spätere Generationen mit intakten Modi­fikat­ionen weitergegeben werden; ein Schimpanse besitzt alle notwendigen Gene, um einen anderen Schimpansen zu schaffen. Aber das Ich der menschlichen Psyche muss sich in jeder Generation erneut entwickeln. Dass dissoziierte Ichs ein alltäglicher Teil des Lebens in der Antike waren, ist ein von Historikern vielfach verleugnetes Faktum, wie auch Anthropologen verleugnen, dass ihre Subjekte dissoziierte Persönlichkeiten sind, die in einer animistischen Welt voll von Alter Egos in Tieren, Objekten und toten Vorfahren leben. 

So sind sowohl die persönliche Geschichte als auch die Geschichte der Menschheit Produkte der Suche nach einem realen Ich, eine Suche nach einem Sinn des Lebens, eine Integration separater Netzwerke im Gehirn, eine Entwicklung adaptiverer realer Ichs, mit einem vereinigten Ich als später historischer Errungenschaft für nur einige wenige.

 

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Geschichte als Ich-Integration

 

Selbst heute haben die meisten Menschen nur eine partielle Integration der »relativ unabhängigen Unterichs« erreicht, von denen jüngere Studien zeigen, dass sich diese im Säuglingsalter ausbilden.3) Die ausführlichste neuere Studie über Dissoziation fand unter Anwendung einer sophistischen Interviewtechnik heraus, dass »14 Prozent der allgemeinen Bevölkerung <erhebliche> dissoziative Symptome erleben«4) und die meisten verbleibenden von uns geringere dissoziative Symptome erleben, wenn sie durch ähnliche Situationen wie der ursprüngliche Missbrauch ausgelöst werden. 

Das mag übertrieben erscheinen, bis man sich erinnert, dass vielleicht die Hälfte der Bevölkerung heute als Kinder missbraucht wurden, dass die meisten von uns in einem gewissen Ausmaß physisch und emotional missbraucht wurden und dass eine »helfende« Elternschaft, die das Heranwachsen und die Individuation von Kindern respektiert, immer noch selten zu finden ist. 

Wir mögen überrascht von der Entdeckung sein, dass die Menschen in der Vergangenheit ihre dämonischen Alter Egos exorzierten oder sich mit ihren diversen inneren Seelen unterhielten, doch selbst heute sind religiöse Geisterbesessenheiten nicht unüblich — ein Drittel der Amerikaner sagt, sie hätten andere Geister in sich erlebt, und 90 Prozent von uns glauben an und reden hin und wieder (beten) mit Gott-Alter-Egos der einen oder anderen Art.5)

Selbst bei alltäglichen Reaktionen wechseln wir öfter in Alter Egos, als wir uns eingestehen: »<Mami, haben wir keine Cornflakes?>, fragte Shawn. ... Sofort sprang das Alter Ego des Bösen an. <Du kannst mich gernhaben, Shawn! Wieso bist du so hilflos? Such dir was anderes, wenn wir keine verdammten Cornflakes haben. Ich bin nicht dein verfickter Sklave!« 6) 

 

Zeitgenössische Gesellschaften mit einem allgemein niedrigen Stand der Kindeserziehung wechseln in Phasen der Besessenheit regelmäßig in ihre Alter Egos. Bourguignon fand heraus, dass von 488 Kulturen 90 Prozent über institutionalisierte Alter-Ego-Zustände des Bewusstseins und spiritueller Besessenheit7) und die verbleibenden 10 Prozent über andere Formen offener Dissoziation verfügen. Eine der am besten untersuchten Kulturen ist die von Bali, wo die Menschen in »einer Welt voll von Göttern und Geistern [leben] ... und das inmitten alltäglicher Aktivitäten, einschließlich Zeremonien, Rituale, Tänze, Spiele und Besessenheit von Dämonen, Hexenzauber oder schwarzer Magie und geschwätzigen (Geistern). Böse Geister sind oft gegenwärtig.«8) 

Das Journal Transcultural Psychiatry schreibt regelmäßig über Besessenheit und weitere dissoziative Zustände in anderen Kulturen, von dem »in chinesischen religiösen Systemen fundamentalen Glauben an Besessenheit« bis zu Besessenheitsritualen in Indonesien.9) Einfachere Kulturen berichten mehr von Halluzinationen, Seelenreisen und Besessenheit durch Tiergeister, während komplexere Kulturen eine größere Vielfalt von Besessenheits-Trance-Rollen aufweisen.10) 


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Ähnlich multipler Persönlichkeiten in unserer Gesellschaft, folgen Alter-Ego-Phasen in anderen Kulturen periodischen Zyklen,11) da die Menschen aufgrund ihrer Individuation eine Wachstumspanik erleben und, wenn Erinnerungen an frühe Traumata damit drohen, an die Oberfläche zu kommen, in Alter Egos wechseln und ihre Wut, Schuldgefühle und Bestrafungen in religiösen Ritualen wieder aufführen. Selbst heute leben die Menschen in den meisten Gesellschaften sechs Tage lang als Individuen und verbringen den siebenten damit, einen strafenden Geist zu verehren und um Vergebung für die Hybris/Chuzpe der vorangegangenen Woche zu bitten.

 

Die Psychologie von Alter-Ego-Ausformungen und das Agieren von Alter-Ego-Ritualen ist erst kürzlich von Klinikern eingehend untersucht worden. Ob als in sich oder außerhalb von sich seiend erlebt, sind Alter Egos eigentlich innere Stimmen oder Halluzinationen, die sich in Subnetzwerken des Gehirns bilden und sich mehr im Amygdala-Netzwerk als im Hippocampus konzentrieren,12) mit eigenen organisierten Persönlichkeiten und selbst einzigartigen Gehirnscankonfigurationen, die dann auftreten, wenn die Person die Persönlichkeiten wechselt.13) 

Alle Geister, Götter, Dämonen, Schamanen, Priester und politischen Führer sind Alter-Ego-Container, Projektionen dieser inneren Alter Egos; ihre Eigenschaften entstammen frühen Traumata, nicht bloß der kulturellen Übertragung des Glaubens. An einem gewissen Punkt angelangt, erkennen dissoziative Persönlichkeiten normalerweise, dass sich ihre Geister von den Eltern herleiten. Wie Donne es ausdrückt, stammt ein separater Teil unseres Selbst was er die »unsichtbare Ecke« von uns nennt — von unserer Vergangenheit ab (Vater Adam und Mutter Eva) und beherbergt das »Gift, das uns verdirbt«.14) 

In der Vergangenheit wechselten die Menschen normalerweise regelmäßig in ihre Alter Egos, hörten Stimmen, hatten von früh bis spät Albträume und Flashbacks, erlebten den Verlust von Zeit sowie Perioden von Realitätsverlust und des Nichts, halluzinierten Verfolger, fühlten sich unabänderlich schmutzig, sündig und hoffnungslos und agierten selbstverletzende Episoden aus. All dies sind Hinweise auf dissoziative Identitätsstörungen, welche aus der routinemäßigen missbrauchenden Kindererziehung der Vergangenheit resultierten. Man kann täglich auf Alter-Ego-Begegnungen treffen, wie in den Studien von Richard und Eva Blum über ländliche griechische Gemeinden belegt, wo Menschen heute wie im antiken Griechenland regelmäßig in Alter-Ego-Zu-stände wechseln und von verschlingenden Dämonen und blutrünstigen maternalen Monstern entweder selbst besessen sind oder auf solche treffen, während sie ihren täglichen Geschäften nachgehen.15)

 

Infantile Quellen von Alter Egos in der Geschichte

Alter Egos weisen immer Spuren von frühen Missbrauchssituationen auf, weshalb jemand, der die typischen Formen traumatischer Kindererziehungspraxis in einem bestimmten Lebensalter kennt, diese dafür verwenden kann, um gemeinsame Alter Egos dieser Altersgruppe zu dekodieren. Goodwins diesbezügliche Untersuchungen über dämonische Besessenheiten im 16. Jahrhundert sind speziell enthüllend und demonstrieren, wie Jeanne Ferys Dämonen sowohl »internalisierte Missbraucher« als auch »Hüter des Geheimnisses« ihres frühen sexuellen und physischen Missbrauchs waren.16) 


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Egal, ob die dissoziierten Persönlichkeiten Täter- oder Opfer-Alter-Egos darstellen, die ursprüngliche Famil­ien­situation ist normalerweise entzifferbar. Man wird speziell dann von Dämonen befallen, sagen religiöse Autoritäten, wenn Mütter einem dafür böse sind, sich zu vergnügen: »Sagen wir, ein Kind nimmt eine schöne heiße Dusche, ist entspannt, vergnügt sich. 

 

Nehmen wir an, seine Mutter schreit es an, es solle sich beeilen und herauskommen, das wäre verboten. ... Das Kind könnte Angst bekommen, und der Dämon wird es befallen.«17) In Mesopotamien glaubte man, jede Person würde ihren »persönlichen Gott ... das Bild eines Elternteils — heiliger Vater oder heilige Mutter« mit einer Beziehung von »Herr zu Sklave« in sich tragen, und dies hätte dazu beigetragen, dass ihre Worte voll von »Dämonen, bösen Göttern und bösen Geistern«18 gewesen wären. Von den Göttern eines jeden Landes nahm man an, sie würden sich wie Eltern verhalten, die öfter Menschen wie lärmende Kinder bestrafen würden, so wie Enlil die babylonische Flut sandte, um die Menschheit auszulöschen, weil sie »zu viel Lärm machte und diese deshalb nicht schlafen konnte«19, oder so wie die Unterweltgötter der Azteken die aztekischen Ballspieler opferten, weil sie »zu laut« waren.20 In der christlichen Literatur wurde die Hölle oft damit verglichen, mit »einer wütenden und zornigen Frau«21 leben zu müssen. Besessenheit fing früh im Leben an; in den Acts of Thomas gab Gott selbst den Christen den Rat, »keine Kinder zu haben, [da] die Mehrheit der Kinder [von] Dämonen besessen ist«.22 Hexen waren vielfach offenkundig Großmütter oder andere Frauen aus der Gynarchie (und ritten auf Großmutters Besen) oder neigten dazu, Kinder umzubringen (wie reale Mütter, die ihre Neugeborenen umbrachten), oder »tanzen splitterfasernackt in der Nacht« und verführen Kinder (wie Mütter, die nackt neben ihren nackten Kindern schliefen und sie masturbier-ten).23 Jede Hexe, jeder Geist und religiöse Figur trägt in jeder ihrer Eigenschaften ihren Familienhintergrund in sich.

Gott, sagt Julian von Eclanum, ist »der Verfolger jedes neugeborenen Kindes; er ist es, der winzige Babys in die ewigen Flammen schickt«.24 Bilder der Hölle zeigen regelmäßig gequälte Seelen in Kindesgröße, und ihre Foltern sind die routinemäßigen Foltern, die Kinder in der Vergangenheit erlitten; in der Hölle zu sein bedeutete »unerträglichen Durst, die Strafe des Hungerns, des Gestanks, des Schreckens, der Angst, des Wollens, der Dunkelheit, der Grausamkeit von Foltern, Strafe ohne Ende« erdulden zu müssen.23 Die engen Wickelbänder waren in der Hölle »Fußfesseln« mit »ihren Armen zu den Füssen gedehnt«, und der Kot, in dem die Säuglinge gelassen wurden, wird in der Hölle zum »Verbleib in der Kloake« und als »bedeckt mit den Fäkalien ihrer eigenen Obszönität«, wobei die Hölle »einen Gestank, schlimmer als alles in dieser Welt«, hat.26

Hinter jedem Teufel kann man Schreckliche-Mutter-Alter-Egos finden; auch das griechische Wort für Teufel, Diabolos, heißt »Kläger«. Gott, sagt Gregory, ist der »Rächer«, und vergleicht die Behandlung der Menschen durch Gott mit der durch eine Mutter, die »ihr Kind im einen Moment schlägt, als ob sie es nie geliebt hätte, und im nächsten liebt, als ob sie es nie geschlagen hätte«.27)


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Obwohl Götter oft männlich sind, repräsentiert dies normalerweise nur ein defensives Klammern an einen Vater, um schlimmere Ängste vor maternaler Vernachlässigung und Folter zu vermeiden.28) Eine kultur­übergreifende Untersuchung, The Parental Figures and the Representation of God, zeigte, dass religiöse Menschen weit stärker an ihren Müttern hängen und jedenfalls Gott mit mehr maternalen als paternalen Attributen betrachten.29 Dämonen wurden in der Vergangenheit sogar als Ammen portraitiert; der Drache von Delphi, zum Beispiel, war die Amme von Typhaon, Heras Sohn.30)

Die Opfer von Göttern und auch Dämonen werden regelmäßig als »unschuldig«, »wie ein unschuldiges Kind« abgebildet. Wenn Hiob bei Jahwe klagt: »Ich bin unschuldig«, gesteht er, dies würde nichts ändern, weil Jahwe »die Unschuldigen und Schuldigen in gleicher Weise bestraft«. Sünder werden als Sünder geboren und Strafe gebührt ihnen schon deshalb, weil sie bloß versuchten, unabhängig zu sein. Der Teufel, sagte Gerson, »schickt fröhliche Gedanken« an dich, von »mächtigen Unternehmungen«, du vergisst [Mamis] Bedürfnisse, du bist »entspannt« und du wirst zum Sünder.31 Du musst Gott [Mami] lieben, sagte Meister Eckart, »für Nichts«. Du lebst, sagte Thomas ä Kempis, nur, »um aus dir ein noch fitteres Vehikel für die Zwecke Gottes [Mamis] zu machen«.32 Alle Eeligionen stimmen in einem überein: »Sich selbst zu behaupten, Freude zu haben, ja selbst zu existieren, bedeutet, den Vater [die Mutter] zu enteignen, ihn [sie] zu töten.«33

 

Der Wechsel in Alter Egos fing in der frühen Kindheit an. Man machte vielfach Abbildungen von besessenen Kindern, und Historiker der Hexerei kommentierten wiederholt »das plötzliche Auftauchen einer Persönlichkeit in einem fügsamen und zugänglichen Kind, das tobt, schreit, brüllend lacht, furchtbare Blasphemien ausstößt, [die] wie eine Invasion durch ein Wesen von einer anderen Welt erscheint«.34 Kinder, die ihren Traumata so zeitnah sind, konnten sich daran erinnern, wie es als leidender Fötus war, weü ihre vergiftete Plazenta sie nicht mit frischem, sauerstoffangereichertem Blut versorgte und sich daher mit einem leidenden Christus an einem plazentaren Kreuz identifizieren und Priester verstehen, wenn diese sagten, sie würden es verdienen, in die »erstickende« Hölle [Gebärmutter] geworfen zu werden und mit »Feuer, das schnell durch ihre Venen fährt, brodelnd durch ihre Arterien, wie kochendes flüssiges Blei«, gefoltert zu werden.35) 

Übliche Kindeserziehungspraktiken wie das »Rösten« von Säuglingen über einem Ofen, um sie von bösen Augen zu heilen wurden in vielen brennenden Visionen der Hölle in Erinnerung gerufen:

Halten wir uns immer vor unser inneres Auge einen glühenden Ofen und darin einen nackten, auf dem Rücken liegenden Mann, der niemals von seinen Schmerzen erlöst wird. Wie verloren er uns erscheint! Man muss sich vorstellen, wie er sich in dem Ofen windet, wie er schreit, heult, lebt, welche Angst er durchmacht, welche Leiden ihn plagen, besonders, wenn er realisiert, dass seine unerträglichen Schmerzen nie enden werden!36) 


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Dämonen erlebte man manchmal als »kriechende Dinger«, wie Kinder, die »tanzen, lachen, pfeifen, herumtollen, furzen und herumstolzieren«. Noch häufiger erschienen Dämonen wie Eltern, die »auf seinen Rücken springen, ihn schlagen und peitschen und ihn bewusstlos am Boden liegen lassen«.37 Dämonen und Teufel weisen fast immer Spuren von Kindheitsvergewaltigung auf, und der Teufel wird dabei von einer kolonialen amerikanischen Frau, die gestand, mit dem Teufel Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, beschrieben als »ein überall behaartes Ding, mit Haaren im ganzen Gesicht [Schamhaar] und einer langen Nase [Penis]«.38) Auch in einer Untersuchung über mittelalterliche Vergewaltigung wird eingeräumt: »Was mittelalterliche Dämonen und Monster hauptsächlich tun, ist, Jungfrauen zu vergewaltigen.«39) 

 

Wenn zur gleichen Zeit Hunderte von Kindern berichten, dazu gezwungen worden zu sein, mit dem Teufel zu kopulieren,40) muss man nicht an Dämonen glauben, um die frühere Realität der Vergewaltigungsberichte zu erkennen. Zeugen von Geständnissen von Vergewaltigungen erzählen vielfach, die Mädchen würden mit »zwei Stimmen [sprechen], eine ist ihre normale Stimme, die andere ist <fremdartig, rau, unnatürlich, schwer, männlich>«.41) 

Offensichtlich wird die tiefere Stimme von der Erinnerung an den ursprünglichen Vergewaltiger getragen, wie es vielfach auch bei gegenwärtigen Vergewaltigungsopfern der Fall ist. Im Mittelalter griffen Dämonen Menschen in ihren Betten in der Gestalt von Inkubi und Sukkubi an und belästigten diese sexuell eine Wiederaufführung von Vergewaltigungen in Familienbetten.42) Einige weibliche Mystikerinnen halluzinierten gar, Christus wäre ihnen erschienen und hätte mit ihnen geschlafen.43) Selbst der Heilige Geist trägt Spuren von Vergewaltigung, da die Jungfrau Maria durch ihn von Gott geschwängert wurde (das hebräische Jahwe kommt vom sumerischen Wort für »Sperma«).44) 

Religiöse Rituale führen vielfach Vergewaltigungsszenen offen auf:

Der Tempel im Nahen Osten war die Gebärmutter. Er war dreigeteilt: Das Portal repräsentierte das untere Ende der Vagina bis zum Hymen oder Schleier; die Halle oder die Vagina selbst; und das innere Sanktum, oder das Heiligtum der Heiligtümer, der Uterus. Der Priester, als Penis gekleidet, gesalbt mit verschiedenen Säften und Harzen, welche den heiligen Samen darstellten, betritt durch die Tore des Portals die »Labia« der Gebärmutter, vorbei am Schleier oder »Hymen«, die Halle.45) 

 

Religionen als Rituale, die kollektive Alter-Ego-Fetische verwenden

Bei Religionen und in der Politik wenden sich die Menschen an idealisierte Autoritäten, um das Risiko zu umgehen, auf sich selbst gestellt zu sein, und um die schmerzlichen Gefühle von Vernachlässigung durch die Eltern wieder aufzuführen, die sie hatten, als sie als Kinder versuchten, sich zu individualisieren. Religionen führen traumatische Ereignisse verpackt in gefährliche Alter Egos wieder auf. Deshalb steht das Wort »heilig« überall für »Gift«, »gefährlich«, »Tabu«,46) weil wir im Heiligen unsere giftigsten, gefährlichsten frühen Erinnerungen aufbewahren.


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Götter, Dämonen und Geister sind nicht nur Container für wahllose Projektionen; sie sind in hohem Maße organisiert und erträglich und müssen zuerst als langlebige, organisierte Sub-Ichs in den individuellen Gehirnen existieren. Durch religiöse Fragen über Gott stellten die Menschen in der Vergangenheit ihre wichtigste Frage über Mami: Warum hasste sie mich? Warum hat sie mich gefesselt, mich in meinen Fäkalien allein gelassen und mich hungern lassen? Warum hat sie mich geschlagen? Warum hat sie meine Babyschwester erwürgt? Was möchte sie von mir? Was habe ich falsch gemacht, um so eine Folter zu verdienen?

Weil Kleinkinder sich im präverbalen Alter vorstellen, sie würden ihre schmerzhaften Erinnerungen in verschiedenen Körperteilen aufbewahren, bildet man Alter Egos früher Traumata vielfach als in inneren Organen wohnend ab: in Herzen, Gehirnen, der Gallenblase, selbst in Därmen. Jeffrey Dahmer zerstückelte Körper, weil er, wie er sagte, »sehen wollte, wie jemand innen aussieht«, auf der Suche nach Alter Egos in den Leichnamen, die er enthauptete, drapiert auf Altären, um dann wie Osiris zu versuchen, diese wieder zusammenzubauen, so als ob er seine eigenen dissoziierten Alter-Ego-Körperteile wieder zusammenbauen würde.47 Danach aß er einige Körperteile, wie die Azteken das Herz ihrer Geopferten aßen und das projezierte Alter Ego reinternalisierten, das »voller Vitalkraft« war. 

Christenheilige halluzinierten, dass beide, Christus und der Teufel, ihr Herz bewohnten, und sprachen auch regelmäßig zu ihnen.48 Die Ägypter meinten, ihr Doppelgänger, ihr Ka, wohne in ihren Herzen, und hatten Zaubersprüche, die das Herz anflehten, »sich nicht zum Zeugen gegen sich selbst zu erheben«.49 Azteken glaubten an drei animistische Seelen, eine im Kopf, eine in der Leber und eine im Herz, und schnitten bei ihren Opferritualen jedes dieser Organe aus ihren Opfern.50 Bis zum heutigen Tag existieren Berichte von herausgeschnittenen Kinderherzen, die dann als Opfer an Geister in das chilenische Meer geworfen werden, so wie das Kind bettelt: »Lass mich doch am Leben, Großvater.«51)

 

Stammesvölker hatten so eine primitive Kindererziehung, dass sie permanent mit Alter Egos, die ihre Organe besetzten, zu tun hatten. »Die erste Sache, die ein Schamane zu tun hat, wenn er seine helfenden Geister gerufen hat, ist die Entnahme der Seele aus der Pupille, dem Gehirn und den Eingeweiden«, um sie zu reinigen und zu befreien.52) Schamanen »heilten« andere von »Seelenverlust«, indem sie ihre vergifteten Organ-Alter-Egos durch die Haut aussaugten.53) Frühe Religionen sind hauptsächlich mit der Reinigung und der Ausagierung von Gefühlen der Alter-Ego-Organe befasst, normalerweise in Ritualen, die animalische Geist-Alter-Egos benutzen, welche die Initianten attackieren, zerstückeln und wiedergebären. Tier-Alter-Egos enthüllen ihren kleinkindlichen Ursprung dadurch, dass diese in Wesen projiziert werden, wie Säuglinge, die kriechen und nicht sprechen können. Daher sind alle Tieropfer infantile Alter-Ego-Opferungen, selbst wenn wir heute jagen gehen. Die infantile Herkunft von Tier-Alter-Egos wird im Ainu-Bärenopfer klar ersichtlich, bei dem ein Schwarzbärenjunges von den Müttern wirklich gesäugt wird, bevor man es opfert.54)


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Überall auf der Welt halluzinieren Schamanen, sie würden alle ihre inneren Organe entfernen und dann durch »unbestechliche« Organe ersetzen, und drückten oft Quarzkristalle in ihre Körper, um dies zu erreichen.55 Ägypter mumifizierten nicht nur ihre inneren Organe separat und nannten ihr Ka »mein Herz, meine Mutter«,56 sie mumifizierten auch Tiere, Reptilien, Vögel und Fische, die ihre Tier-Alter-Egos darstellten.57 Wie in Kapitel 4 zu sehen war, mumifizierten sie selbst die königliche Plazenta und verehrten diese, was auch die Baganda bis vor kurzem taten, die diese auf einen realen Thron platzierten und als »König« ansprachen.58 Auch Christen sammelten Körperteile als Relikte, verehrten das Herz, Teile des Schädels, Gebeine von Gliedmaßen oder Finger von Heiligen, die man aus deren Gräbern holte.59

 

Animalische Täter-Alter-Egos waren häufig die zentralen Gottheiten früher Religionen, so wie Jahwe mit Schlangenbeinen präsentiert wurde, oder wie ägyptische Götter als diverse verschlingende Tiere gezeigt wurden.60) Das Götter gewöhnlich Täter sind, die frühen physischen Missbrauch wieder aufführen, ist die Antwort auf Freuds Frage: »Warum scheint Religion Gewalt zu benötigen?«61 Wenn die Gewalt gegen Kinder verschwindet, verschwindet auch religiöse und politische Gewalt. Religionen und Politik, wie wir sie kennen, werden zweifelsohne auch verschwinden. Religionen funktionieren, indem sie heilige Orte erstellen, die Auslöser für den Wechsel in Alter Egos bereitstellen, um Zugang zu den Alter Egos der Menschen zu erlangen und um diese ein wenig von ihren Qualen zu befreien. 

Die Betrachtung eines Rosettenfensters in einer Kathedrale löst nicht mehr als die fötalen Erinnerungen an das Licht, das durch den Unterleib der Mutter schimmert, aus. Wie sich persönliche Alter Egos zu einem kollektiven persönlichen Erlebnis vereinen, kann man heute am deutlichsten bei den Shakern beobachten, deren Anhänger dissoziative Stadien durchlaufen; man kommt in Kirchen voll mit Bildern von Christus als Opfer-Alter-Ego zusammen und löst so Kindheitserinnerungen der eigenen Opferrolle aus; man bekundet totalen Gehorsam gegenüber den Älteren, um den von Eltern geforderten Gehorsam auszulösen; und man hat eine »Mutter Oberin«, die ihre Hände oder das Gesicht wäscht, auch eine Parallele zu frühen Kindheitsstadien. Dann führt der Kirchenleiter, der »Pointer«, die Täter-Alter-Ego-Rolle aus und bestraft einen der Shaker: 

»Mit einem plötzlich aufbrausenden Temperament nimmt er einen breiten Lederriemen und schlägt mit seiner Kante auf den Tisch, den Altar oder die Bibel ... und übt das dann an einer Frau aus, [die] dissoziierte, als er ihre Hände nahm und ihre Arme von einer Seite zur anderen schwang ... und dabei äußert: <Satan, er wartet auf dich!> Er fuhr fort, ihre offenen Handflächen mit dem Riemen zu schlagen.« 

Der Pointer wird zum Instrument des Heiligen Geists und sagt: »Es ist der Heilige Geist, der dich bestraft«, und, während sich die Schuldige noch in Besessenheitstrance befindet, peitscht er sie, wie sie als Kind gepeitscht wurde, und erzählt, ihr würde nun für ihre Sünden vergeben werden.62)


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Die Neurobiologie von »Gotteserfahrungen« ist gut untersucht. Diese sind temporäre Lobäranfälle, ähnlich epileptischen Anfällen, was auch erklärt, warum so viele Mystiker deutliche epileptische Anfälle erlebten. Diese entfachten Anfälle die mit vorhergegangenem schweren Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht wurden beginnen im Hippocampus, weiten sich zum Netzwerk der Amygdala aus und verwandeln frühere schmerzvolle anoxische depressive Gefühle von Wut in das, was Mandell die »ekstatische freudige Wut« nennt, verbunden mit der Auflösung von Begrenzungen des Selbst, sodass die Person von Gefühlen der Einheit und Liebe überkommen wird.63 Die Neurobiologie von »Gott im Gehirn« ist ähnlich den Effekten von Drogen wie Kokain und Halluzinogenen, die »einen akuten Verlust von serotonaler Regulierung der temporären limbischen Lobärstruktur induzieren und die affektiven und kognitiven Prozesse freigeben, die für religiöse Ekstase und Konversion charakteristisch sind«.64

 

Persinger hält fest: »Die Ausschüttung gehirneigener Opiate kann [während dieser Erfahrungen der Verschmelzung mit Gott] einen narkotischen Rauschzustand herbeiführen« und erzeugt »durch einen einzelnen Ausbruch im temporären Lobus eine persönliche Überzeugtheit von Wahrheit und ein Gefühl der Auserwähltheit, [das] jede bekannte Therapieform beschämt«.65 Oder wie Otto es darlegt: Das Mysterium Tremendum der religiösen Ekstase »explodiert in einer plötzlichen Eruption mit Spasmen und Konvulsionen aus den Tiefen der Seele und führt zu den eigenartigsten Erregungen, zu berauschender Raserei, zu Entzückung und Ekstase ... wild und dämonisch ... und kann zu beinah grässlichem Entsetzen und Schauder abfallen«.66 Die Heilige Theresa erzählt, wie es sich anfühlte, als sie diese schmerzhafte Ekstase in ihren Organe-Alter-Egos durchmachte: »Ein Engel stieß seinen Speer mehrmals durch mein Herz, durchbohrte mich bis zu den Eingeweiden, die beim Zurückziehen des Speers herausgerissen wurden, und ließ mich entflammt von einem immensen Gefühl der Liebe zu Gott zurück. Der Schmerz war so groß, dass ich stöhnte, aber die Süße, die mit dem gewaltigen Schmerz einherging, war solcherart, dass ich mir nicht wünschen könnte, davon befreit zu sein.«67)

 

Religionen ersinnen Rituale zur Veräußerung von Alter Egos und zur Kollusion mit anderen in dem Wahn, internalisierte Alter Egos würden wirklich außerhalb von jemandem existieren, und ermöglichen eine gewisse Gruppenerleichterung von Gefühlen des Ungeliebtseins, indem sie Mythen miteinander teilen, wie etwa »Christus starb für unsere Sünden«, und um Vergebung bitten in der Hoffnung, Gott, das omnipotente Alter Ego, würde sie endlich lieben. Jeder Schritt des Schamanen oder des Priesters kann zur Enthüllung seines infantilen Ursprungs dekodiert werden: »In jedem Ritual müssen wir das tun, was die Götter [Eltern] am Anfang taten.«68 Die heute am schwersten missbrauchten Kinder, aus denen multiple Persönlichkeiten werden (dissoziierte Identitätsstörungen), treten häufig einem der zahlreichen religiösen Kulte bei, um die Schmerzen ihrer Dissoziation zu lindern.69)


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Religionen stellen Alter-Ego-Fetische bei die Rasseln des Schamanen, phallische dionysische Nachbildungen, leidende Christusstatuen , welche die Traumata der Alter Egos beinhalten und dem Anbetenden erlauben, Schuld und Strafe, die diese verlangen, auszuagieren. Die meisten Götter fingen als Fetische, als »in materiellen Objekten verkörperte Geister«,70 an, und dämonische Fetischstatuetten gab es in der Antike zuhauf, dazu gemacht, rituell zerstört oder in den Fluss geworfen zu werden, oder um an verlassenen Orten verbrannt zu werden, um das Opfer-Alter-Ego zu bestrafen, das in sie projiziert wurde.71 

Man glaubte, diese Alter-Ego-Fetische hätten »eine so intensive und gefährliche Macht«, weshalb man sie »töten« müsse, damit ihre Kraft frei werde.72 Alle von den Ägyptern und Mesopotamiern angebeteten Statuen und Standarten stellten konkrete alternierte Persönlichkeiten dar, sodass man sie regelmäßig fütterte und mit ihnen sprach, »um die Energie zu erhalten, mit der sie aufgeladen waren«.73 Die ersten Heiligen Könige blieben nur so lange Könige, als sie in Besitz ihrer Alter-Ego-Fetische waren, der königlichen Krone Symbol der maternalen Vagina und des Throns Symbol des maternalen Vorsitzes.74 Wie weiter unten erörtert wird, steht die Fantasie der omnipotenten schrecklichen Mutter selbst immer hinter männlichen Göttern und Dämonen, sowohl in religiösen als auch politischen Gruppenfantasien.

 

Die sieben Stufen historischer Persönlichkeit

Nach James Masterson sind Persönlichkeitsstörungen die Resultate von »falschen Ichs«, die vor schmerz­haften Affekten des früheren Lebens und gegenwärtigen Erfahrungen schützen, so gestrickt, dass sie die wirklichen Ziele des emotionalen Lebens verschleiern die infantilen Gefühle und Erinnerungen und nicht auf der Realität basieren, sondern auf Ich-Anteile betreffende organisierte Fantasien.

Gegenwärtige Persönlichkeitsstörungen, wie sie in Mastersons Revision des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Ausgabe (DSM-IV)75) beschrieben sind, bilden eine Serie von Persönlichkeitstypen von schizoid bis narzisstisch, Borderline, depressiv und neurotisch, die mit den Stufen der Evolution historischer Persönlichkeiten konform gehen, die aus den Kindeserziehungsmodi, welche in den beiden vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden, resultieren.

 

Die schizoide Psychoklasse von Stammesgesellschaften

Die Gruppe der schizoiden Persönlichkeiten — einschließlich paranoider und psychopathischer Persönlich­keiten — ist charakterisiert durch magische, beginnende Denkprozesse; Perioden der Entpersonalisierung, Realitätsfremde und Grandiosität; animistisch fusionierte Subjekt/Objekt-Erfahrungen; eine Unfähigkeit, Intimität zu empfinden; und extreme Episoden des Argwohns und der Wut. 


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Weil bei Stämmen die Mutterschaft (siehe Kapitel 7) so primitiv ist, so wenig Empathie für das Kind kennt und durch offenen maternalen Inzest so verschlingend ist, hat die schizoide Stammespersönlichkeit Angst, dass Macht über sie ausgeübt werden könnte, und weist eine »völlige Unfähigkeit, sich selbst zu lieben«, auf.76 Schizoide können deshalb keine engen Beziehungen aushalten und sind folglich nicht in der Lage, höhere Stufen sozialer Organisation, die auf Vertrauen basieren, zu bilden. 

Seit dem Paläolithikum entwickelten Stammespersönlichkeiten animalische und organische Alter Egos, die dissoziierte Täter- und Opfer-Alter-Egos beinhalteten. Tier-Alter-Egos findet man bei den Höhlenmalereien früher Zeiten, die bei ekstatischen Wiedergeburtsritualen tief in den Gebärmutter-Höhlen immer und immer wieder durchbohrt wurden, wobei der Boden bedeckt mit zentimeterdicken blutfarbenem Ocker war. Die Entpersonalisierung von Schizoiden das Resultat von schwerem Trennungsstress ist so extrem, dass diese sich regelmäßig fühlten, als würden sie in einzelne Stücke zerfallen, in dissoziierte Zustände wechselten und sich, im Versuch sich selbst wieder zusammenzusetzen, in schamanistische Trancen versetzten.

Während schamanistischer Reisen erlebten sich die Schizoiden wie zerstückelt, ihre Gebeine entfernt, ihr Fleisch von weiblichen Monstern verschlungen und wie die Qualen der Kindheit wiederholt ausgehungert, verbrannt, geschlagen, vergewaltigt und zerkratzt.77 Gleich wie schizoide Persönlichkeiten heute verbrachten sie einen Großteil ihres Lebens in Fantasiewelten, die ihre Isoliertheit in der Kindheit wiederholten, welche dem Gefühl entsprang, es gäbe einfach keinen Weg zu einer wirklichen Beziehung mit Eltern oder anderen. 

 

Tabelle 9-1  Tabelle historischer Persönlichkeiten.

Kindeserziehung

Persönlichkeit

Ideal

Mutter/Gottheit

Opferung

Tribalismus: 
früh infantizid

Schizoid

Schamane

Verschlingt, verführt, verstößt das Kind

An animalische Alter-Ego-Ceister

Altertum: 
spät infantizid

Narzisstisch

Held

Tötet, bestraft das böse Kind

An menschliche Alter-Ego-Cötter

Christentum: 
verstoßend

Masochistisch

Märtyrer

Vergibt dem verletzten Kind

Eigene Folter

Mittelalter: 
ambivalent

Borderline

Vasall

Beherrscht, schlägt das geachtete Kind

Unterwürfiges Anklammern

Renaissance: 
aufdringlich

Depressiv

Kreuzritter 

Diszipliniert das gehorsame Kind

Gehorsam

Moderne: 
sozialisierend

Neurotisch

Patriot

Manipuliert das Kind

Unvollständige Trennung

Postmoderne: 
helfend

Individualisiert

Aktivist

Liebevolles Vertrauen in das Kind

Keine Opferung des realen Selbst

 


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Da die Bildung von Alter Egos auf die Aufbewahrung und Kontrolle von Erinnerungen an frühe Schrecken zurückgeht, wird der Schizoide von Qualen überflutet, sobald seine Abwehren zusammenzubrechen drohen.78 In Stammesgruppen gibt es keine Hoffnung auf Vergebung, keine »Sünde«, keine Chance auf Sühne, nur ein »Friss die Mutter oder du wirst von ihr gefressen«, nur sadistische Herr-Sklaven-Ängste und Loslösungs-Entfremdungsabwehrmechanismen, die man alle in endlosen Ritualen und kannibalistischen Festen, bei denen die Alter-Ego-Organe gegessen wurden, wiederaufführte. 

Bourguignon fand Geistbesessenheitsrituale (hei denen ein Alter Ego die Wirtspersönlichkeit völlig übernimmt) nur bei einfachen Jäger-Sammler-Kulturen, wohingegen Besessenheits-Trance-Rituale (bei denen verschiedene Dämonen-Alter-Egos als Geister im Rahmen von kurzen rituellen Trancen auftauchten) in landwirtschaftlichen oder Viehzüchterkulturen zu finden sind.79 Heutige Besessenheitsrituale bieten eine »Beurteilung der Seele durch eine ältere Frau, das Muttertier, die Herrin der Toten«, und die Vergangenheit bot »menschliche Opfer, dargebracht, um den Herren der Tiere zu besänftigen«.80 Die Tiermasken der Schamanen kennt man aus den diversen Höhlenmalereien, welche diese frühe Periode überlebt haben, als man von der Trommel des Schamanen sagte, sie sei »die Stimme der Urmutter«; »Herrin der Tiere«-Darstellungen setzte man fort bis zur griechischen Göttin Artemis.81 Die Yakut-Schamanen halluzinieren nach wie vor die Selbstopferung an eine »Raubvogelmutter, die wie ein großer Vogel mit eisernem Schnabel, Hakenklauen und einem langen Schwanz aussieht, der seinen Körper in Stücke schneidet und verschlingt«.82)

 

Animistische Alter-Ego-Fetische umgaben die Menschen der Frühzeit. Ein Chukchi drückt es so aus: »Alles was existiert, lebt. Die Lampe wandert herum. Die Wände des Hauses haben eine eigene Stimme, während die Verstorbenen aufstehen und die Lebenden besuchen.«83 Jedes Fetisch-Alter-Ego enthält Spuren des ursprünglichen Traumas, als dieses gebildet wurde selbst die Rassel des Schamanen verrät die routinemäßige Vergewaltigung von Kindern, indem sie »einen Kürbis besitzt, der die Gebärmutter repräsentiert, und einen Penis-Griff, der sie befruchtet«.84 

Es ist in der Tat wahrscheinlich, dass die meisten der falsch bezeichneten »Venusfiguren«, die in frühen Höhlen gefunden wurden, eigentlich Vergewaltigungsstäbe waren, ähnlich solchen, die bei gegenwärtigen Kulten verwendet werden, die Jungfrauen rituell vergewaltigen,85 mit gesichtslosen Köpfen in der Form einer Peniseichel, knollenförmigen Brüsten, die wie Hoden aussehen, und einem sorgsam ausgearbeiteten, mit rotem Ocker überzogenen Schamdreieck, das die blutigen Resultate der Kindheitsvergewaltigung darstellt.86 Es ist kein Zufall, dass die allererste Kunst im Späten Paläolithikum hauptsächlich Darstellungen der Vulva zeigte.87 

»Heilige Vergewaltigung« ist Teil schamanistischen Glaubens heute,88 und Jungfrauen werden in einigen Gebieten der Welt noch immer als Opfergaben an Götter zerstückelt und vergewaltigt, wobei als Grund dafür angegeben wird: »Nur Blut befriedigt Tius [rächende Geister].«89 Bei einigen afrikanischen Stämmen müssen sich Mädchen als Strafe immer noch auf erigierte Penisfiguren setzen.90 


Die Evolution der Psyche und Gesellschaft 281

Dass Tunnel und Höhlen die Stellen dieser Vergewaltigungen waren, passt gut zur häufigen Nutzung von Tunnels und Höhlen durch gegenwärtige Kulte, die Schulkinder vergewaltigen.91 Dass steinzeitliche Höhlen kultische Opferstätten für Trancehalluzinationen sind, bestätigt weiters ihre Überzogenheit mit »entoptischen« Darstellungen, identisch mit jenen, die zeitgenössische Schamanen bei ihren trancevisionären Suchen erscheinen.92

 

In die schreckliche, halluzinogene Welt von Traumzeittrancen zu fallen, bedeutete den Wiederbesuch der schrecklichen Welt der Kindheit, wo Mütter an den Penissen ihrer Säuglinge saugen und Väter sich von 7-Jährigen Fellatio erzwingen. Initianten fühlten sich durch ihre frühen Verführungen derart verschmutzt, dass sie sich in der Adoleszenz initiatorischen Gruppenfantasien des Ausweidens und Reinigens ihrer Eingeweide und anderer Körperteile fügten, sich dabei ununterbrochen selbst schnitten, um ihr Blut von ihrer Schlechtheit zu reinigen. Die !Kung-Buschmänner der Kalahari vollziehen diesen Wechsel immer noch einmal wöchentlich in Reinigungstrancen, um ihre Alter-Ego-Erinnerungen in krampfähnlichem Zittern zu erfahren, was in üblichen temporären Anfällen von Stammespersönlichkeiten endet, »explodierend wie eine reife Schote«, wenn »Gott jeden meiner Gedanken getötet hat. Er hat mich sauber gewischt«.93 

 

Von frühen Kopfjägern und Kannibalen gesammelte, mit einem projizierten Alter Ego aufgeladene Körperteile existierten in der halluzinatorischen Realität: »Die Dyaken waren von der Vorstellung besessen, abgetrennte Köpfe würden als lebendige Wesen weiterexistieren. ... [sie wurden] monatelang mit tiefer Ehrfurcht und schmeichelnden Worten behandelt. Ausgewählte Happen vom Tisch wurden ihnen in den Mund gesteckt, und am Ende des Mahls steckte man ihnen eine Zigarre zwischen die Lippen.«94 Bei vielen Stämmen waren die Alter Egos in den von den Kriegern gesammelten Skalps von Feinden so real, dass man diese als »mein Kind« bezeichnete, wenn man sie nach Hause brachte, und regelmäßig fütterte.95 Obwohl die Feinde normalerweise unschuldig waren, bis ein Alter Ego eines Kriegers auf diese projiziert wurde, folterte man die Gefangenen vielfach um das projizierte Kindheits-Alter-Ego zu bestrafen und aß sie anschließend als Rückkehr des bestraften Alter Egos zum ursprünglichen Besitzer.96 Deshalb ist das, was Sagan den »aggressiven Kannibalismus« nennt und auf »Rache« zurückführt, eigentlich eine Bestrafung eines Teils von sich selbst, in einen anderen Körper projiziert, und wird dann, nach der Bestrafung, durch den Verzehr in den eigenen Körper wieder zurückgeführt.

Offensichtlich war die kulturelle Explosion zu Beginn des späten Paläo-lithikums vor ungefähr 35.000 Jahren das Ergebnis früher Sprachfähigkeiten, welche die Möglichkeit, Alter Egos in andere und in kollektive kulturelle Alter-Ego-Fetische zu projizieren, bedeuteten.97 Frühe Menschen waren schizoide Persönlichkeiten, die kein vereintes reales Selbst besaßen, nur Dutzende von Unterichs, die sie in andere Personen und Objekte projizierten. 

Ein Archäologe meint, die spektakuläre Veränderung der kulturellen Entwicklungen vor ca. 35.000 Jahren kam von »dem Auftauchen eines ganz einfachen zusätzlichen kognitiven affektiven Mechanismus eine Veranlagung, so zu spielen wie in der Kindheit«,98 was wiederum von der Fähigkeit abhängt, Teile des Selbst in andere und in Objekte zu projizieren.


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Kinder in zeitgenössischen Stämmen besitzen Alter Egos, mit denen sie spielen und die weit realer für sie sind als die »imaginären Spielkameraden«, die Kinder in komplexeren Gesellschaften besitzen. In Neuguinea haben Kinder alternative Persönlichkeiten, Finiik genannt, die »sich zeitweilig vom Körper lösen und herumwandern ... im Trancestadium oder anderen Formen von mystischen Erfahrungen«.99 Anthropologen sind meist erstaunt, wenn ein Kind ihnen sein Finiik vorstellt, in irgendeinen Stein oder Vogel projiziert, oder wenn man ihnen erzählt, wie Hexen-Alter-Egos regelmäßig den Körper des Kindes im Traum und im wachen Leben in Besitz nehmen - alles spontan erlebt und lange, bevor man ihnen Rituale beibringt.

 

Auch Kriege werden ausgefochten, um von inneren Alter Egos des Bösen zu reinigen, das fragmentierte Selbst zu reparieren und Stärke wiederzuerlangen. Die Kriegsführung von Stämmen gegen Alter-Ego-Containerfeinde realisiert sich hauptsächlich in Form von Hinterhalten, in denen Krieger unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder aus ausschließlich fantasiertem Groll aufspießen. Stämme wechseln in ihr Täter-Alter-Ego meist bei Anlässen extremer Wachstumspanik, wenn neue Aufgaben wie das Errichten von Häusern oder die Erweiterung von Gärten als zu großes Wachsen bedrohlich werden, und auch nach Initiationen, die sich auf die heranwachsenden Jugendlichen konzentrieren. Bei schizoiden Stammeskulturen erreichen die Mordraten weltweit die höchsten Werte bis zu 60 Prozent , weil extremes Misstrauen gegenüber anderen die Normalität darstellt: »Sowohl Männer als auch Frauen sind volatil, neigen zu Streit und gehen bei dem Verdacht einer Beleidigung schnell zum Angriff über«,100 und führen so das Misstrauen und die Wut ihrer infantiziden Mütter wieder auf. Frauen betrachtet man als geheime Hexen, »die eine Person einfach durch ihren Blick töten können«, und tötet diese oft, weil man glaubt, sie würden Menschen vergiften.101 Das Schlagen von Ehefrauen ist die Norm; weibliche Suizidraten erreichen wegen Misshandlungen vielfach Werte zwischen 10 und 25 Prozent der Sterberaten, und routinemäßige Folter und Exekutionen von Frauen, die unter Verdacht stehen, Männer vergiftet zu haben, sind normal.102

 

Die höchsten Götter von Schizoiden im Gegensatz zu den persönlicheren Göttern von Borderline-Kranken sind absolut lieblos und distanziert und reflektieren die sorglose Natur der Eltern. Eliade hebt hervor, dass, selbst wenn man von ihnen denkt, sie wären »ewig, allwissend und allmächtig, sich [Schöpfungsgötter von Stämmen] in den Himmel zurückziehen«, zu entlegen und sorglos, um zu ihnen zu beten oder sie anzurufen.103 Was passiert, ist die Verschmelzung mit Schutzgeistern derer man sich bemächtigt, indem man sein Alter Ego durch Folter reinigt und dann ein Tier-Alter-Ego halluziniert, das vor dem Verschlungenwerden durch gigantische maternale Alter Egos schützen sollte, wie die australische »alte Schlangenfrau« oder die Gigantin Tsonoqua der Kwakiutl, die durch den Wald streift und nach Kindern sucht, die sie auffressen möchte.104


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Selbst wenn Schizoide versuchen, sich väterliche Merkmale einzuverleiben, um das Verschlungenwerden zu vermeiden, geben sie ihren Göttern letztendlich maternale Charakteristika wie die Regenbogenschlangen in Australien, die als »männliche Götter, die aber eine Gebärmutter oder Brüste besitzen ... die wie Schlangen aussehen, aber auch wie eine Frau ... die <böse Mutter> ... die Kinder, die in ihrer Obhut sind, schluckt«, beschrieben werden.105

Der Inhalt von Stammesritualen ist hauptsächlich aus fötalen Fantasien zusammengesetzt, weil schizoide Desintegration eine tiefe Regression in eine schlechte Gebärmutter sein kann und Wiedergeburtsfantasien herbeiführt. Psychotherapeuten wie Stan Grof — die ihre Patienten in einen fötalen Zustand regredieren — reproduzieren in ihren Büchern die Zeichnungen ihrer Patienten, welche den schamanistischen Erfahrungen sehr ähnlich sind.106 Besessene Schamanen beschreiben oftmals den Wechsel in Trance während ihrer Tänze in einer Sprache, die stark der Geburtserfahrung ähnelt:

Der Loa-Tanz deutet auf Wasser hin [Fruchtwasser] ... wenn sich der Trommelschlag beschleunigt [die Mutter hat Wehen]. ...Die gesamte Struktur zerfällt wie eine kosmische Brandung über den Köpfen [Das Platzen der Fruchtblase]. ... Der Schrecken schlägt zu und mit äußerster Anstrengung kann ich mein Bein befreien, ich muss in Bewegung bleiben [im Geburtskanal gefangen]. ... Mein Schädel ist wie eine Trommel, meine Venen sprengen meine Haut [Sauerstoffmangel im Blut, weil die Plazenta kein sauerstoffangereichertes Blut mehr liefert]. ... Ich werde hinuntergezogen und explodiere zugleich nach oben [Geburt]. ... Letztendlich ist es, als ob ich weit am anderen Ende einer endlos tiefen, versunkenen Quelle liege, dann plötzlich: an der Oberfläche; plötzlich: Luft; plötzlich: blendend weiß [geboren].107

Röheim beschreibt die Initiationsrituale der australischen Aborigines, wobei man die Initianten zwang, Blut zu trinken, als »das Werfen des Novizen in die Alte Frau, deren Gebärmutter durch einen halbrunden Graben symbolisiert wird. ... Die Regenbogenschlange [giftige Plazenta] ist in die Wälle der Grube eingraviert präsent. Ein Schwirrholz (bullroarer), genannt die >Mutter<, das auch ihre Gebärmutter darstellt, ihren >Schatten<, wird in der Grube begraben, sein Geist [Alter Ego] wird sie später verlassen und zu seinem Geistzuhause zurückkehren.«108 

Initiationsrituale wie schamanistische Reisen weisen normalerweise einen langen Gang durch Geburtskanäle mit nabelschnurartigen Seilen auf und verbinden diese, um plazentare Weltbäume zu besuchen, fühlen Körperzerstückelungen, wie jene des Fötus bei der Geburt, führen in medizinischen Radkreisen, welche die Form von Plazentas besitzen, blutige Geburtsrituale auf und bringen die Erinnerungen von »giftigem Blut« der Geburt zur Wiederaufführung, indem sie sich »mit Menstruationsblut, das den Tod verursachen kann, genannt >totes Gebärmutterblut<«, beschmieren.109 Nur nach dem Durchlaufen von Wiedergeburtsaufführungen mit »giftigem Blut« konnten die Männer des Stammes auf eine Zeit hoffen, in der ihre verschlingenden Mutter-Alter-Egos besänftigt waren und sie ihren Arbeitsalltag wieder aufnehmen konnten.


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Als Ergebnis davon, ständig ein Subjekt infantizider, inzestuöser und verlassenwerdender maternaler Erinnerungen zu sein, können schizoide Stammespersönlichkeiten in ihrem täglichen Leben keine Trennung oder Ablehnung tolerieren. »Zurückweisung ist unerträglich. ... Familien drängen sich in Lagern zusammen, >berühren oft ihren Nachbarn<, weil Trennung und Einsamkeit für sie nicht tragbar sind. [Sie] können das Gefühl von Zurückweisung, das selbst die kleinste Missbilligung verursacht, nicht aushalten.«110 

Was fälschlicherweise »Egalitarismus« genannt wird, ist in Wahrheit Misstrauen und Angst davor, wegen Besitz als »selbstsüchtig« zu gelten. Das Anlegen von Vorräten und Selbsterhöhung werden einfach nicht toleriert — Menschen wurden oft für den Versuch umgebracht, mehr haben zu wollen als ihren Anteil an Gütern —, Ehrgeiz wurde von einem überwältigenden schizoiden Neid gestoppt, Veränderung war gefürchtet, und Überschüsse und Aufgespartes, die für zukünftige Investitionen notwendig gewesen wären, waren nirgends zu finden. Wie Murphy feststellt, ist »die Mutter in Stammeskulturen eine ewige Bedrohung der Ichindividuation, die bei Verlangen Frust verspüren lässt, eine Verschluckerin der emergenten Identität« von Männern.111)

 

Speziell destruktiv für Trennung und Individuation war der frühe Inzest. Wie es ein Maori ausdrückt: »Das was den Mann zerstört, ist das Mana der Vagina.« Männer sind zur Verschmelzung mit ihren Müttern gezwungen, um sich die Macht derer Vagina anzueignen: »Krieger wurden zum symbolischen Äquivalent menstruierender Frauen. ... Blutige Krieger und menstruierende Frauen ... waren mit einer mächtigen destruktiven Energie aufgeladen. ... Die Körper und Waffen der Krieger waren mit Mustern von rotem Hämatit dekoriert [und] diese enteigneten die destruktive Macht der menstruierenden Frauen [durch] Nasenblutungen oder Subinzisionen.«112)

Vielfach versuchte man Verbindungen zwischen Männern herzustellen, indem sie ihr Mutter-Alter-Ego mit ihrem Blut teilten, ihre Venen aufschnitten und dann das Blut zur Bildung einer »Blutsbrüderschaft« aufeinander schmierten.113 Man vermied jedoch starke Führer, weil sie Erinnerungen an maternale Herrschaft wachrütteln konnten: »Die australischen Aborigines eliminierten traditionellerweise aggressive Männer, die sie zu dominieren versuchten, [und] in Neuguinea wurden prominente Individuen exekutiert, die ihre Vorrechte überschritten.«114 

Persönliche Loyalität zu Führern ist wegen ihres überwältigenden schizoiden Misstrauens und Neids nur vorübergehend anzutreffen, deshalb ist die größte soziale Organisation, die erreicht werden kann, die der »Big Men«, die nicht damit drohen, andere einer maternalen Verschlingung und Verzweiflung auszusetzen. Besser ist es, wenn man bei Alter-Ego-Fetischen und konstantem Austausch von Geschenken zur Abwehr von der Wiederkehr der Kindheitserinnerungen, von Verhungern und Verlassenwerden bleibt. 

Jeder Schritt in Richtung persönlicher Nähe oder Vertrauen löst Flashbacks an maternale Distanz­ierung aus, da »schizoide Zustände oft zu akuten paranoiden Regressionen führen, weil die Aggressionen des Patienten in dem Moment für ihn bedrohlicher werden, in dem er sich erlaubt, sich anderen Individuen zu nähern«.115) Deshalb folgen Kriege bei Stammeskulturen oft auf Enttäuschungen bei sexuellen Affären — wenn die Männer beim Versuch von Intimität scheitern, werden sie paranoid und bringen fantasierte »Feinde« um. 

Erst als die Kindererziehung den nächst höheren Modus erreichte, waren Menschen in der Lage, komplexere Gesellschaften zu bilden, die Vertrauen in andere und dominante männliche Führer ausreichend zuließen, um Besitztum und komplexe hierarchische Organisationen zuzulassen, welche die Entwicklung von höheren Niveaus bei ökonomischer Produktivität und Handel erlaubten.

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