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Vorwort

 

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Suchen Sie ein paar bequeme Ausreden, um Energie zu verschwenden? Brauchen Sie Argumente, um die Natur zu plündern? Wollen Sie eine Bestätigung dafür, daß sich alle Umweltprobleme von selbst erledigen? Dann können Sie dieses Buch getrost beiseite legen. 

Wenn Sie jedoch wissen wollen, wie engagierte Bürger, Unternehmer und Politiker ökologische Erfolge erzielen, wie Umweltprobleme in der Vergangenheit und Gegenwart gelöst wurden und wie wir alle schon in naher Zukunft in Einklang mit der Natur leben werden, dann lesen Sie.

Wer in den technikbegeisterten 50er und 60er Jahren vor den Folgen des industriellen Fortschritts warnte, wurde verlacht oder beschimpft. Heute hat sich die Situation umgekehrt: Wer bezweifelt, daß die technische Zivilisation direkt in den Abgrund führt, wer Umwelt­probleme im besten Sinne der Aufklärung für lösbar hält, wer an ein besseres Morgen glaubt, dem weht der Wind des Zeitgeistes hart ins Gesicht. Beflissen wird der Unruhestifter in Schubladen gesteckt: So einer kann nur von der Industrie gekauft sein, ein patholo­gischer Schönfärber oder bestenfalls ein Naivling.

Doch alle sozialen Reformen der Geschichte, jeder politischer Fortschritt, jede technische Verbesserung wurden von Menschen verwirklicht, die an die Zukunft glaubten. Wer die Apokalypse erwartet, verändert die Welt nicht.

Pessimismus, Dogmatismus und Fundamentalismus haben der Umwelt­bewegung ihre Dynamik genommen. Viele stecken in einem düsteren Gedanken­gefängnis, in das sie sich selbst eingesperrt haben. Es ist Zeit auszubrechen und die besseren Argumente neu zu erringen. Dafür müssen verhärtete Vorurteile, Denkverbote und Tabus geknackt werden. »Der einzige Weg der Natur beizustehen, liegt darin, ihr scheinbares Gegenteil zu entfesseln, das unabhängige Denken,« schrieb Max Horkheimer.

Ökologische Untergangsszenarien stimmen immer weniger mit den Fakten überein. Stück für Stück demontiert die Wirklichkeit die Kata­strophen-Prognosen der Vergangenheit. Die Dynamik des Ökosystems Erde ist nicht nur komplexer, sondern offensichtlich auch stabiler als vielfach angenommen. Hinzu kommen die Erfolge praktischen Umwelt- und Naturschutzes: Manche Flüsse, Wälder und Tierarten erholen sich in einem geradezu atemberaubenden Tempo.

Die Umweltbewegung reagiert auf den eigenen Erfolg nicht etwa mit Freude, sondern mit Erklärungsnotstand. Ökologische Fortschritte will sie nicht zur Kenntnis nehmen. Reflexartig hält sie an den alten Denk­mustern fest und schürt aus alter Gewohnheit Katastrophenängste. Dabei verliert sie rapide an Glaubwürdigkeit und setzt fahrlässig ihren Einfluß aufs Spiel. Wer zur Selbstkritik nicht fähig ist, macht es der Gegenseite leicht.

Dort hoffen unverbesserliche Betonköpfe bereits auf einen Rollback in präökologische Zeiten. Die republikanischen Ultras in den USA und Autofahrer­parteien in Europa sind erste Anzeichen dafür. Sie wittern ihre Chance, denn die Sympathie der Bevölkerung mit den Umwelt­schützern zeigt Abnutzungs­erscheinungen. »Da macht sich ein Gefühl breit,« sagt der amerikanische Umwelt­philosoph Baird Callicott, »daß die Umweltschützer vielleicht doch etwas übertrieben haben. Die Welt ist ja noch nicht unter­gegangen. Das Geschrei nervt mittlerweile.«

Die Ökologiebewegung ist zweifellos historisch auf der richtigen Seite, doch sie hat Probleme mit der Gegenwart. Viele ihrer Protagonisten haben nicht begriffen, daß der Zug in Richtung Umweltschutz längst gestartet ist, erfreulich rasant fährt, und nur noch mit gewaltigen An­strengungen anzuhalten wäre. Umweltbewußtsein ist weltweit eine treibende Kraft geworden. Erstmals in der Geschichte der Mensch­heit wurden globale Umweltabkommen beschlossen, an die sich, wie beim FCKW-Verbot, alle Nationen halten. Ökologie überwindet Grenzen. Dieser große gesellschaftliche Umschwung ist dauerhaft und unabhängig von tagespolitischen Zickzackbewegungen. Die Luftqualität in den USA wurde in den 80er Jahren besser, obwohl Ronald Reagan regierte, der behauptete, Bäume verschmutzten die Umwelt mehr als Autos.

Keine soziale Bewegung unseres Jahrhunderts erzielte auch nur annähernd so schnell Erfolge wie die Umweltbewegung. Weder die Arbeiter, noch die Frauen oder die kolonisierten Völker schafften es, in nur 25 Jahren so bedeutende Veränderungen zu erkämpfen. In Deutschland sind die atomare Wiederauf­bereitung und die Brütertechnologie vom Tisch. Kein Atomkraftwerk wurde mehr gebaut, der Energieverbrauch sank. 

Sogar Jutta Ditfurth, die die Gegenwart gern in düsteren Farben zeichnet, räumt ein, daß die Anti-AKW-Kampagne eine überaus erfolgreiche »Widerstands­bewegung« war. Das Müllaufkommen verringert sich, die Flüsse und die Luft sind reiner, verloren geglaubte Tierarten kehren zurück und die Liste der verbotenen und ausge­musterten Gifte in Landwirtschaft und Industrie wird immer länger. In anderen westlichen Staaten geht der Trend in die gleiche Richtung, und sogar einige Entwicklungsländer erzielten bemerkens­werte Erfolge im Umwelt- und Naturschutz. Dies alles ist ein Verdienst der Ökologiebewegung. Die Menschen, die sich für diesen großartigen Umschwung eingesetzt haben, verdienen Hochachtung.

Doch viele von ihnen fühlen sich heute noch als unterdrückte Minderheit, obwohl sie längst Meinungsführer sind. Ihr Ansinnen ist sogar schon bei Heino angekommen. »Ich tendiere zu den Grünen«, gestand der blonde Volkssänger in einem Interview. »Ich wäre für die ein Aushängeschild.« Die Schattengefechte der vermeintlich Schwachen geraten zum Ritual und zur Farce. Anstatt die ausgestreckten Hände vieler Unternehmer zu ergreifen, rennen sie lieber mit theatralischem Kampf Geschrei offene Werkstore ein.

In romantischem Schwermut verteufeln sie die Technik, anstatt zu begreifen, daß Technik immer nur Werkzeug ist, wie ein Messer, mit dem man Karotten schneiden, aber auch Menschen töten kann. Fast alle technischen Neuerungen der letzten Jahre führten zu mehr Energie­effizienz, geringerem Ressourcen­verbrauch und weniger Müll. Es gibt keinen fundamentalen Gegensatz zwischen dem Künstlichen und dem Natürlichen. Der Mensch ist eine überaus erfolgreiche Art, die wie Ameisen oder Elefanten ihre Umwelt gestaltet. Diese Gestaltungskraft kann zerstörerisch werden. Wenn wir jedoch unseren Verstand benutzen, wird die technische Zivilisation im Einklang mit Wäldern und Walen, Seen und Savannen existieren.

Öko-Optimismus will die konstruktive Zusammenarbeit mit den Kräften der Natur. Öko-Optimismus setzt kritischen Verstand gegen romantische Düsterkeit. Öko-Optimismus will konkrete Lösungen statt selbst­gefälliger Symbolpolitik. Öko-Optimismus ist das Umweltbewußtsein der Zukunft. Dies Buch ist ein Plädoyer für Pragmatismus und Zuversicht in der Umweltdebatte. Lassen wir die Endzeitpropheten in ihrem Gedankennebel stehen und wenden wir uns der ökologischen Zukunft zu. Menschliche Phantasie und Erfindungsgabe halten noch viele Überraschungen für uns bereit.

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  Augsburg im März 1996
Dirk Maxeiner und Michael Miersch

 

 

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