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Gute Absichten reichen nicht aus

Der Gott, dem du dienst, ist die eigene Begierde.
Marlowe, Faustus, Akt 2

9-25

Zwei Gründe haben mich veranlasst, dieses Buch zu schreiben. Der erste war ein Erlebnis im Mai 2005 in einem Vortragssaal in London. Ich hatte ein Referat über den Klimawandel gehalten und dabei argumentiert, dass wir kaum eine Chance hätten, die globale Erwärmung aufzuhalten, wenn wir unseren Ausstoß an Treibhausgasen nicht um 80 Prozent reduzieren würden.(2) 

Die dritte Frage aus dem Publikum verblüffte mich: »Wie wird das Land denn aussehen, wenn es tatsächlich zu einer Reduktion von 80 Prozent kommt?« Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Und es fiel mir auch kein vernünftiger Grund ein, warum ich nicht darüber nachgedacht hatte. 

Aber in den vorderen Reihen saß einer der Umweltschützer, die ich am meisten bewundere und fürchte, ein Mann namens Mayer Hillman. Ich bewundere ihn, weil er sagt, was er für wahr hält, und sich nicht um die Konsequenzen schert. Ich fürchte ihn, weil sein Leben ein Spiegel ist, in dem wir anderen all unsere Heuchelei sehen können. »Das ist so eine einfache Frage, dass ich Mayer bitte, sie zu beantworten.«

Er stand auf. Er ist 75, sieht aber aus wie fünfzig, vielleicht weil er überall mit dem Rad hinfährt. Er ist klein und dünn, wirkt fit; und wenn er redet, wirft er sich immer in die Brust und hält beide Arme hoch, als wolle er um Aufmerksamkeit bitten. Er lächelte. Ich sah ihm an, dass er etwas Empörendes sagen würde: »Ein sehr armes Dritte-Welt-Land.«

Etwa zur gleichen Zeit las ich einen Roman von McEwan. Der Held, Henry, kommt vom Sport und geht unter die Dusche:

Wenn diese Zivilisation zusammenbricht, wenn die Römer - wer auch immer sie diesmal sein mögen - am Ende verschwunden sind und das neue dunkle Zeitalter beginnt, wird dies ein Luxus sein, auf den wir als einen der ersten verzichten müssen. Wenn die Alten dann um ihre Torffeuer hocken, werden sie ihren ungläubigen Enkeln erzählen, wie sie mitten im Winter nackt unter einer Fontäne von heißem, sauberem Wasser gestanden haben, dazu Stücke duftender Seife und dickflüssiges Gel, bernsteingelb und zinnoberrot, das sie sich ins Haar massierten, damit es glänzte und fülliger wirkte, als es tatsächlich war, und am Ende warteten dicke weiße Handtücher, so groß wie eine Toga, auf wärmenden Gestellen. 3

Setzte ich mich wirklich dafür ein, all dem ein Ende zu machen, die Bequemlichkeiten zu untergraben, die Henry feiert und die ich — wie jeder Angehörige der Mittelklasse in der reichen Welt — jetzt für selbstverständlich hielt?

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Es gibt Aspekte dieser Zivilisation, die ich bedaure. Ich hasse die Lügen und die politische Korruption, Ungleichheit, den Export von Ungerechtigkeit, die militärischen Abenteuer, die Zerstörung der unberührten Natur, den Lärm, den Müll.

Aber die meisten Leute in den reichen Nationen leben die meiste Zeit so, wie es sich alle Generationen vor ihnen erträumt haben. Die meisten von uns können sich ihre Arbeit aussuchen. Wir verfügen über Freizeit, und es gibt vielfältige Möglichkeiten, sie zu füllen. Wir dürfen eine beliebige Zahl unterschiedsloser Männer in Anzügen wählen. Wir dürfen denken und sagen, was wir wollen; und auch wenn wir vielleicht nicht beachtet werden, steckt uns niemand dafür ins Gefängnis. Wir dürfen reisen, wohin wir wollen. Wir dürfen uns selbst verwöhnen »bis an die äußerste Grenze dessen, was Hygiene und Wirtschaft zulassen«. Wir sind, wenn wir es denn wollen, gut genährt. Frauen — einige Frauen jedenfalls — sind von der Pflicht zu häuslichen Dienstleistungen befreit. Wir erwarten eine effektive Gesundheitsfürsorge. Unsere Kinder sind gut ausgebildet. Wir leben warm, sicher, in Wohlstand und in Frieden.

 

Während der ersten zwei Millionen Jahre seiner Geschichte lebte der Mensch den äußeren Umständen entsprechend. Unsere Existenz wurde beherrscht von den Veränderungen der Ökologie. Wir verbrachten unser Leben, wie alle Tiere, in Furcht vor Hunger, Plünderung, dem Wetter und Krankheiten. Während der folgenden paar tausend Jahre, nachdem wir eine rudimentäre Vorstellung von Ackerbau und Vorratshaltung entwickelt hatten, besserte sich unsere Ernährungslage, und schon bald hatten wir die meisten unserer nichtmenschlichen Fressfeinde ausgerottet.

Aber unser Leben wurde jetzt beherrscht von Schwert und Speer. Wir kämpften vor allem um Land. Wir brauchten es nicht nur, um Nahrung anzubauen, sondern auch, um unsere Macht zu demonstrieren — Weidefläche für unsere Pferde und Rinder, Holz für unser Feuer.

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Dann begannen wir einige der Möglichkeiten zu entdecken, die fossile Brennstoffe uns eröffneten. Nun waren wir nicht mehr darauf angewiesen, die Energie­träger aus der Umgebung zu nutzen; stattdessen stand uns das gesamte Sonnenlicht zur Verfügung, das — in Form von Kohlenstoff — während der letzten 350 Millionen Jahre gespeichert worden war. Die neuen Brennstoffe erlaubten der Wirtschaft zu wachsen — genug zu wachsen, um einigen der Menschen Arbeit zu geben, die durch die Auseinandersetzungen früherer Zeiten um Land besitzlos geworden waren.

Die Industrie und die Städte erlebten einen Boom. Eingezwängt zwischen ihren Arbeitsplätzen und ihren engen Behausungen, begannen die Besitzlosen sich zu organisieren. Die Despoten, die ihre Macht durch die Aneignung von Grund und Boden erlangt hatten, waren gezwungen, ihren Griff zu lockern.

Fossile Brennstoffe halfen uns, Kriege zu führen, die entsetzlicher waren, als wir sie uns je hätten vorstellen können, aber sie machten Kriege auch weniger notwendig. Zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte — tatsächlich sogar zum ersten Mal in der biologischen Geschichte — stand Energie im Überfluss zur Verfügung. Wir konnten überleben, ohne mit irgendjemandem um die erforderlichen Ressourcen kämpfen zu müssen. Unsere Freiheit, unsere Bequemlichkeit und unser Wohlstand sind allesamt Produkte des fossilen Kohlenstoffs, bei dessen Verbrennung das Gas Kohlendioxid entsteht, das hauptsächlich für die globale Erwärmung verantwortlich ist. 

Unsere Generation ist die glücklichste, die je gelebt hat. Unsere Generation ist vielleicht die glücklichste, die je leben wird. Wir befinden uns in einem kurzen historischen Intermezzo zwischen ökologischer Einschränkung und ökologischer Katastrophe.

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Oh, diese fernen, sonnigen Tage im Mai 2005, als ich noch glaubte, das Problem sei mit einer Reduzierung um bloße 80 Prozent zu lösen. Nach meinem Vortrag schrieb mir ein Mann namens Colin Forrest. Ich hätte versäumt, so erklärte er, die neuesten Hochrechnungen zu berücksichtigen. Er schickte mir eine Abhandlung, die er geschrieben hatte und deren Argumente ich nicht widerlegen konnte4) (ich werde sie im nächsten Kapitel ausführlicher erklären).

Wenn die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre im Jahr 2030 noch genauso hoch ist wie heute, dann ist das Ergebnis wahrscheinlich eine Klima­erwärmung von 2 Grad Celsius (über dem vorindustriellen Niveau). 2 Grad ist der Grenzwert, über den hinaus in bestimmten größeren Ökosystemen der Zusammenbruch beginnt. Nachdem sie bis zu diesem Zeitpunkt Kohlendioxid aufgenommen haben, werden sie das Gas anschließend freisetzen. Mit anderen Worten: Jenseits dieses Punktes wird uns der Klimawandel aus der Hand genommen und beschleunigt sich ohne unser Zutun. 

Die einzige Möglichkeit, so argumentiert Forrest, wie wir dafür sorgen können, dass die Temperatur mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bis zu diesem Punkt ansteigen wird, besteht für die reichen Nationen darin, ihre Treibhaus­gasemissionen bis 2030 um 90 Prozent zu senken. 

Das ist die Aufgabe, die wir zu lösen haben; und das ist machbar — wie ich in diesem Buch darzustellen versuche. Mit »machbar« meine ich hier, dass es mit der industriellen Zivilisation vereinbar ist. In der Umweltbewegung gibt es einige Leute, die meinen, dieser Zustand sei es nicht wert, erhalten zu werden. Der Slogan von North-American-Earth-First lautet beispielsweise: »Back to the Pleistocene«. Aber sogar wenn Sie es vorziehen, in Fellen herumzulaufen und gigantische Auerochsen zu jagen oder von ihnen gejagt zu werden, ist der Ruf nach einer Rückkehr in die Ökonomie des Steinzeitalters vergeblich, weil die große Mehrheit der Menschen diese Aussicht für unattraktiv hält.

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Sogar die Aufforderung zur Rückkehr in eine weitgehend agrarische Gesellschaft oder in die Ökonomie eines »sehr armen Dritte-Welt-Landes« wäre sinnlos. Ob uns das verweichlichte Leben nun gefällt oder nicht (und ich vermute, dass einige von denen, die sich für die Abkehr davon aussprechen, zu den Ersten gehören würden, die in der Wildnis untergehen), es ist eine politische Notwendigkeit, die Mittel zu entdecken, die seinen Erhalt gewährleisten. In diesem Buch suche ich nach den am wenigsten schmerzhaften Veränderungen, mit deren Hilfe wir eine 90-prozentige Reduktion der Kohlendioxidemissionen erreichen können. Es ist der Versuch, unseren Anspruch auf Komfort, Wohlstand und Frieden mit den Einschränkungen zu vereinbaren, die uns davon abhalten, den Komfort, Wohlstand und Frieden anderer Menschen zu zerstören. Und obwohl ich zu Beginn meiner Suche nach diesen Lösungen davon überzeugt war, dass es aussichtslos sein würde, glaube ich jetzt daran, dass wir es schaffen können.

Dieses Buch ist beides: ein Aufruf zum Handeln und ein Gedankenexperiment.

Untersuchungsgegenstand ist eine mittelgroße Industrienation: Großbritannien. Ich will zu zeigen versuchen, wie eine moderne Ökonomie ihre Kohlendioxidemissionen weitgehend reduzieren und dabei doch eine moderne Ökonomie bleiben kann. Zwar müssen Länder, die größer sind oder in denen ein anderes Klima herrscht, die Vorschläge aus diesem Buch entsprechend anpassen; aber das Modell als solches halte ich für generell anwendbar. Wenn es in Großbritannien möglich ist, die nötigen Einschnitte vorzunehmen, dann ist das mit ähnlichen Mitteln fast überall machbar.

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Ich konzentriere mich aus folgendem Grund auf die reichen Nationen: Erst wenn wir bewiesen haben, dass wir es mit der Reduktion unserer eigenen Emissionen ernst meinen, können wir es uns erlauben, auch von ärmeren Ländern Einschränkungen zu verlangen. Die am häufigsten verwendete Ausrede der reichen Länder für ihre Inaktivität lässt sich in einem Wort zusammenfassen: China. Es stimmt, dass Chinas Pro-Kopf-Emissionen um jährlich ungefähr 2 Prozent gestiegen sind.5) Aber sie sind immer noch gering im Vergleich zu unseren eigenen. Ein chinesischer Bürger produziert durchschnittlich 2,7 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Ein britischer Bürger kommt auf 9,5 Tonnen und ein US-Bürger auf 20 Tonnen.6) Den Chinesen die Schuld an diesem Problem zu geben und zu behaupten, ihre Raffgier würde unsere Bemühungen zum Scheitern verurteilen, ist nicht nur Heuchelei, sondern, wie ich glaube, eine weitere Manifestation unserer alten Hysterie im Hinblick auf die »gelbe Gefahr«.

Nach einem Blick auf die Folgen des ungebremsten Klimawandels und auf die Gründe, warum wir so langsam auf diese Bedrohung reagieren, beginne ich die Suche nach Lösungen in meinem eigenen Haus. Ich zeige, wie Jahre einer entsetzlichen Baupraxis, veralteter Regelungen und politischer Feigheit uns Häuser beschert haben, die kaum geeignet sind, ihre wesentliche Funktion zu erfüllen und das Wetter draußen zu halten. Ich betrachte die Möglichkeiten, wie wir die existierenden Häuser sanieren und bessere bauen könnten, und gehe der Frage nach, wo die physikalischen und ökonomischen Grenzen der Energieeffizienz liegen könnten.

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Im nächsten Kapitel geht es darum, wie die nötige Energie am besten erzeugt wird. Bevor ich meine Recherchen zu diesem Thema begann, hielt ich die Sache für ziemlich einfach: Wir würden uns lediglich entscheiden müssen, ob wir Wind-, Wasser- oder Solarstrom wollten, Kernkraftwerke oder Strom aus Biomasse — oder ob wir lieber die Abgase unserer Kraftwerke von Kohlendioxid reinigen wollten. Doch je mehr ich las, desto schwieriger und widersprüchlicher wurden die Fragen. Die drei Kapitel, die sich mit diesem Thema beschäftigen, sind die technisch kompliziertesten im gesamten Buch. Aber ich glaube, dass ich — wenn auch nur ganz knapp — eine praktikable Lösung gefunden habe.

Anschließend zeige ich, wie ein neues System des Transports zu Lande die Kohlendioxidemissionen um 90 Prozent senken könnte, ohne dass wir dabei nennenswerte Teile unserer Mobilität einbüßen. Beim Thema Flugverkehr musste ich jedoch feststellen, dass es im Grunde keine effektiven technischen Lösungen gibt: In diesem Kapitel ist es mir nicht gelungen, unseren gewohnten Luxus mit dem Überleben der Biosphäre in Einklang zu bringen; und so komme ich notgedrungen zu dem Schluss, dass die einzig mögliche Antwort eine massive Verringerung der Flüge ist.

Anschließend untersuche ich zwei Industriezweige — den Einzelhandel und die Zementproduktion, die beide unangemessen hohe Kohlendioxidemissionen haben —, und ich schlage einige radikale Maßnahmen vor, die gewährleisten würden, dass die Geschäfte weiterhin existieren und Häuser weiterhin gebaut werden können, ohne die Polkappen zum Schmelzen zu bringen.

Ich habe in allen Kapiteln versucht, die billigsten Methoden darzustellen, die nachweislich funktionieren und am besten mit unserem heutigen Leben zu vereinbaren sind.

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Ich würde gern glauben, dass die von mir vorgeschlagenen Veränderungen realisierbar sind, indem man einfach an die Leute appelliert, sich einzuschränken. Aber auch wenn einige Umweltschützer, ungeachtet der Misserfolge, die es während der letzten vierzig Jahre in dieser Hinsicht gab, es nicht einsehen wollen, bin ich doch der Meinung, dass es Zeitverschwendung ist, auf die freiwillige Selbstbeschränkung zu setzen.

Was bringt es uns, mit dem Rad in die Stadt zu fahren, wenn der Rest der Welt in monströsen Lastwagen an uns vorbeidonnert? Durch den Verzicht auf ein eigenes Auto habe ich lediglich meinen Platz auf der Straße jemand anders überlassen, der ein hungrigeres Modell fährt, als ich es gekauft hätte. Warum soll ich für Doppelverglasung zahlen, wenn die Supermärkte mit ihrem Warmluftgebläse über den Türen das Pflaster heizen? 

Warum soll ich Energiesparbirnen in meine Lampen schrauben, wenn ein Mann in Lancashire sich damit brüstet, dass er sein Haus mit 1,2 Millionen Weihnachtskerzen schmückt? (Mr. Danny Meikle hat Journalisten erklärt, dass er zwei industrielle Stromzähler benötigt, um die Elektrizität zu messen, die er verbraucht. In einem Jahr ließ seine Festbeleuchtung die Kabel schmelzen, die sein Dorf mit Strom versorgten.7) Der Name des Dorfes — der meiner Meinung nach beweist, dass es einen Gott gibt — lautet Coalburn.)

Und wer von uns, außer vielleicht Mayer Hillman, kann wirklich von sich behaupten, dass er so lebt, wie er andere zu leben auffordert? Die meisten Umwelt­schützer (und da schließe ich mich selbst ein) sind Heuchler. Ich weiß von einer britischen Klimaschutzaktivistin, die ihren Urlaub schnorchelnd im Pazifik verbringt; und da kommt sie ganz bestimmt nicht mit dem Fahrrad hin. Ein Freund — ein prominenter Umweltschützer — verbrennt Kohle im offenen Kamin. Ein anderer (er setzt sich aktiv für Artenvielfalt ein) serviert seinen Gästen Thunfischsteaks. 

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In einem Interview mit dem Guardian, das in Las Vegas geführt wurde, sprach Chris Martin, der Leadsänger von Coldplay, über die Songs in seinem Album X&Y: 

Twisted Logic ist ein eindringliches, zorniges Lied, das die Leute ermutigt, die richtigen Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie leben und wie sie den Planeten behandeln wollen. 8) 

Einige Absätze später offenbarte er, dass er auf dem Weg war,

mit einem Privatjet nach Palm Springs zu fliegen, 35 Minuten von Las Vegas entfernt. Die Band kann es sich jetzt leisten, wo immer das möglich ist, zu fliegen; und die besser geschützte Privatsphäre sowie die höhere Geschwindigkeit lassen es zu, dass Apple ihren Vater häufiger auf seinen Tourneen begleitet. »Ich will auf keinen Fall, dass sie die ganze Zeit zu Hause bleibt«, sagt Martin. »Wenn sie älter ist, kann sie mich hoffentlich besuchen, wann immer sie Lust dazu hat. Ich habe immer gedacht, es würde cool sein, in der Schule sagen zu können: <Heute komme ich nicht — ich flieg nach Costa Rica, um meinen Vater auf der Bühne zu sehen.> Ich denke, damit gewinnt man ein paar Punkte.«9)

Am Anfang seiner »Öko-Bibel« erklärt der grüne Gärtner Bob Flowerdew, biologisches Gärtnern bedeute, »den ökologischen Schaden minimal zu halten und die Ressourcen optimal zu nutzen«.10) Anschließend brüstet er sich: »Wenn die meisten Leute ihre [neuen Kartoffeln] am Karfreitag gerade mal setzen, wie es in Großbritannien Tradition ist, dann esse ich meine schon.«11) Und wie schafft er das? Indem er sie in einem beheizten Treibhaus zieht.

Wir kaufen vielleicht umweltfreundliche Waschmittel und waschbare Windeln. Aber was wir damit an Kohlendioxid einsparen, machen wir zehntausendfach zunichte, wenn wir in ein Flugzeug steigen. Unsere Bemühungen sind rein symbolisch.

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Wie unsere Überzeugungen auch aussehen mögen, im Großen und Ganzen konsumieren wir, was unser Einkommen hergibt. Umweltschutz ist für andere Leute.

Das bedeutet, dass Veränderungen der Art, wie ich sie in diesem Buch befürworte, nicht ohne verbindliche Einschränkungen möglich sind, die für alle und nicht nur für alle anderen gelten. Ich muss leider sagen, dass nur gesetzliche Regelungen — diese zutiefst unbeliebte Idee — die Zerstörung verhindern können, die der Gott, dem wir dienen, der Gott unserer eigenen Begierde, anrichtet. Die von uns Menschen verursachte globale Erwärmung ist nicht aufzuhalten, wenn wir unsere Regierungen nicht dazu bringen, uns Veränderungen unseres Lebensstils aufzuzwingen.

Ich habe gesagt, dass die Freiheit eins der Geschenke ist, die uns fossile Brennstoffe gewähren — die Freiheit zu wählen, wie wir leben wollen, wohin wir gehen und was wir kaufen wollen. Eine Reduktion der Kohlendioxidemissionen um 90 Prozent ist, das gebe ich zu, mit massiven Einschränkungen verbunden. Ich habe diese Forderung nicht erfunden — sie ist das, was uns die Wissenschaft nahelegt. Aber innerhalb dieses eingeschränkten Rahmens sollten wir frei sein, so zu leben, wie wir wollen. Die Notwendigkeit, den Klimawandel aufzuhalten, darf keine Entschuldigung für eine zentralistische Planung werden. Es muss Aufgabe der Regierung sein, die Grenzen des Handelns festzulegen, innerhalb dieser Grenzen jedoch ein Maximum an Freiheit zu garantieren. Und die Regierung muss uns helfen, dafür zu sorgen, dass unser Leben innerhalb der notwendigen Einschränkungen so leicht wie möglich bleibt. In Kapitel 3 erkläre ich, wie das am besten zu bewerkstelligen ist.

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Ich schreibe dieses Buch nicht, um Ihnen zu bestätigen, was Sie für wahr halten. Vieles von dem, was ich sage, wird Leute, die sich für das Thema interessieren, verstören und unangenehm überraschen. Wie immer bin ich offenbar fest entschlossen, allen auf die Füße zu treten. Aber ich kann leider nicht verschweigen, dass wohlmeinende Leute eine Menge Unsinn über Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung geschrieben haben. Und es bringt uns kaum weiter, davon auszugehen, dass eine bestimmte Vorgehensweise funktioniert, wenn das nicht der Fall ist.

Ein Beispiel: Im Jahr 2005 veröffentlichte der Öko-Architekt Bill Dunster, der die berühmte BedZed-Anlage mit null Kohlendioxidemissionen am Stadtrand von London entworfen hat, eine Broschüre, die zeigen sollte, wie Häuser am besten renoviert werden. »Bis zur Hälfte Ihres jährlichen Stromverbrauchs«, so war dort zu lesen, »können Sie durch eine nahezu geräuschlose Mikro-Windturbine erzeugen«.12) Die von ihm beschriebene Turbine hatte einen Durchmesser von 1,75 Metern.13 Er schlug vor, sie am Brandgiebel des Hauses zu installieren. Die Sache schien ein echtes Schnäppchen zu sein, denn sie sollte nur 1000 Pfund kosten.

Etwas später im Jahr veröffentlichte das Magazin Building for a Future, das sich für erneuerbare Energien einsetzt, eine Analyse von Mikro-Windturbinen. Darin hieß es, eine Turbine mit einem Durchmesser von 1,75 Meter würde etwa 5 Prozent des jährlichen Strombedarfs eines Haushalts erzeugen.14) Um auf 50 Prozent zu kommen, wie Bill Dunster angibt, würde man eine Turbine von 4 Metern Durchmesser brauchen.15) Wollte man ein solches Monstrum am Brandgiebel des Hauses installieren, würde der seitliche Schub, den es ausübt, das Haus in Stücke reißen. Auch wenn es nicht deutlich ausgesprochen wurde, machte die Analyse des Magazins doch klar, dass Mikro-Windturbinen eine Verschwendung von Zeit und Geld sind. Bei den meisten Umwelt­schützern gilt dieses Eingeständnis als Häresie.

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Während der Arbeit an diesem Buch habe ich entdeckt, dass meine Instinkte fast immer falsch waren. Wie viele Umweltschützer bin ich beispielsweise einem Irrtum erlegen, den man als »ästhetischen Kurzschluss« bezeichnen könnte: Ich habe ästhetisch befriedigende Lösungen mit ökologisch soliden verwechselt. So habe ich beispielsweise stets angenommen, dass Kerzen umweltfreundlicher sind als elektrische Beleuchtung, nur weil sie mir gefallen und weil sie weniger Licht spenden. In seinem ausgezeichneten Buch über Energiesysteme hebt Godfrey Boyle jedoch hervor, dass eine Kerze im Hinblick auf das Licht, das sie pro Watt investierter Energie abgibt, 71-mal weniger effizient ist als eine altmodische Glühbirne und 357-mal weniger effizient als eine kompakte Neonlampe.16) Dasselbe gilt für Petroleumlampen. Boyle stellt fest:

Es ist bemerkenswert, dass der komplexe Prozess, wenn man sich dafür entscheidet, 1 Liter Kerosin in einem Motor zu verbrennen, einen Generator damit anzutreiben und den Strom zum Betrieb einer Neonlampe zu erzeugen, 250- bis 450-mal so viel nützliches Licht hervorbringt wie das Verbrennen derselben Menge Öl in einer Lampe.17)

Hier ist nichts so, wie es scheint. Die Recherchen für dieses Buch haben mir eine Vielzahl von Überraschungen beschert. Ich bin sicher, das wird auch nach der Veröffentlichung so weitergehen, wenn meine Erkenntnisse und Vorschläge von anderen infrage gestellt und verbessert werden. Aber ich habe durchgängig versucht, alles von Grund auf zu durchdenken, nichts zu glauben, bevor es nicht bewiesen ist, und jede noch so befriedigende Technologie auf den Müll zu werfen, wenn sich herausstellte, dass sie nicht funktioniert. 

Ich habe versucht, die Möglichkeiten darzustellen, die uns mit den geringsten Schmerzen tatsächliche Einschnitte erlauben, nicht jene, die uns mit den geringsten Schmerzen erlauben, Aktivitäten vorzutäuschen.

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Zu den schwierigsten Aufgaben gehört die Entscheidung, wem ich vertrauen sollte. Viele Autoren, die über den Klimawandel geschrieben haben, verbinden mit den Ergebnissen ökonomische Interessen. In manchen Fällen — wie ich im Kapitel 2 (»Die Industrie der Leugner«) zeigen werde — sind diese Interessen stark verschleiert: So sprechen die Ölkonzerne beispielsweise mit gespaltener Zunge. Andererseits haben Umweltschützer, wie aus den von mir genannten Beispielen hervorgeht, oft wilde Behauptungen aufgestellt, die nicht durch Fakten zu belegen sind. Bisweilen unterstützen solche Behauptungen ihre eigenen ökonomischen Interessen, auch wenn diese generell nicht verborgen werden. Eine Regel, die ich mir selbst verordnet habe, lautet, nie jemandem zu trauen, der etwas verkaufen will. Indem ich die Aussagen verschiedener Leute bis zu ihrem Ursprung verfolgt habe, konnte ich eine Art Hierarchie der Glaubwürdigkeit entwickeln.

Bei dem Versuch zu entscheiden, welche Lösungen funktionieren und welche nicht, habe ich festgestellt, dass man sich gut auf wissenschaftliche Gesell­schaften und spezielle Komitees verlassen kann — wie etwa die <Royal Commission on Environmental Pollution>, das <House of Lords Science> and <Technology Committee> und das <House of Commons Environmental Audit Committee>. Dasselbe gilt für akademische Institutionen wie das <Environmental Change Institute> der Universität von Oxford, das <Tyndall Centre on Climate Change>, das <UK Energy Research Centre> und die <US National Academy of Engineering>. In ihren Berichten sind Jahrhunderte kollektiver Erfahrungen versammelt. 

22/23


Die <International Energy Agency> (IEA) und die <US Energy Information Administration> sind zwar parteiisch, aber ebenfalls gute Quellen für Rohdaten. Obwohl man der britischen Regierung häufig vorwirft, dass sie ihre Daten frisiert, habe ich zu meiner Überraschung festgestellt, dass auch die meisten technischen Berichte aus dieser Quelle zuverlässig sind; manipuliert werden die Zahlen offenbar erst, nachdem man sie gesammelt hat. Im Hinblick auf neue technische Entwicklungen waren mir die Informationen aus dem <New Scientist>, aus <Energy World> und <Building for a Future> eine Hilfe.

 

Wenn es um die Frage geht, was die Klimaveränderungen unserem Planeten antun, scheint die Entscheidung auf den ersten Blick einfacher zu sein: Die glaubwürdigsten Quellen sind akademische Fachzeitschriften, wo die Autorenbeiträge einer kollegialen Überprüfung unterzogen werden, in erster Linie so bekannte Journale wie Nature und Science. Aber die Wissenschaft ist — wie sie es immer sein sollte — widersprüchlich und verwirrend. Es gibt keine »Antwort«, sondern nur eine Geschichte mit vielen Erzählern, die sich jeden Tag verändert. 

Von Zeit zu Zeit versuchen wissenschaftliche Komitees, sich einen Überblick zu verschaffen. Das herausragendste ist mit mehreren tausend Wissenschaftlern das <Intergovernmental Panel on Climate Change> (IPCC), das alle paar Jahre seine Einschätzung der Lage in einem Bericht veröffentlicht. Eine weitere nützliche Zusammenfassung wurde auf einer Konferenz zur Verfügung gestellt, die das britische <Meteorological Office> 2005 veranstaltete. Dort hat man versucht, die gesamten Folgen herauszuarbeiten, die der Klimawandel auf verschiedene Ökosysteme und die Menschen in verschiedenen Gegenden haben wird.

Aber nicht für alle Themen, die ich untersucht habe, gibt es zuverlässige Daten von entsprechend profilierten Institutionen. Bei einigen wichtigen Fragen lassen sie uns im Stich. So bleibt es Amateuren überlassen, die Berechnung der Kohlenstoffreduzierung durchzuführen, die ich in Kapitel 1 erkläre, und eine faire Methode für die Entscheidung zu entwickeln, wie die Rechte zur Luftverschmutzung verteilt werden sollten. Keiner der offiziellen Berichte, die ich gelesen habe, sagt einem, wie viel Elektrizität eine Mikro-Windturbine produziert oder wie viel Prozent unseres Stroms wir durch Wind-, Wasser- oder Sonnenenergie erzeugen können, ohne zu riskieren, dass das nationale Netz zusammenbricht. Also war ich gezwungen, mich entweder auf weniger seriöse Quellen zu verlassen oder mir die Antwort selbst zu erarbeiten.

In anderen Fällen gibt es zu viele Daten, womit ich meine, dass die Institutionen, denen ich zu vertrauen gelernt habe, widersprüchliche Schätzungen herausgeben; und ich habe nicht die Möglichkeit zu entscheiden, welchen Angaben ich glauben soll. Das gilt besonders für die Energiekosten, bei deren Schätzung es erhebliche Differenzen gibt. In diesem Fall habe ich verschiedene Schätzwerte veröffentlicht.

Ich hatte beim Schreiben dieses Buches vor allem eins im Sinn: Sie zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, den Klimawandel zu bekämpfen. Ich hoffe, es ist mir gelungen zu zeigen, dass es nicht zu spät ist, wie einige Leute (vor allem der Geophysiologe James Lovelock) behauptet haben.

Und ich hoffe auch, dass ich Sie auf diese Weise motivieren kann, nicht über das Versagen der Regierung in dieser Frage zu lamentieren, sondern ebendiese Regierung zu politischen Veränderungen zu zwingen, indem Sie sich einer politischen Bewegung anschließen, die zur mächtigsten der Welt werden muss.

Wenn all das nicht zum Erfolg führt, bleibt mir eine letzte Hoffnung: dass es mir gelingt, die Leute so deprimiert über den Zustand des Planeten zu machen, dass sie den ganzen Tag im Bett liegen und auf diese Weise ihren Verbrauch fossiler Brennstoffe reduzieren ...

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Einleitung von George Monbiot