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4. Der axiale Mensch

Mumford-1956

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  § 1  

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Der Philosoph Karl Jaspers hat die Begriffe <Achsenzeit> und <Achsenreligionen> geprägt, um eine Tatsache zu bezeichnen, die während des letzten Jahr­hunderts von verschiedenen Beobachtern vermerkt worden war, nämlich, daß sich in Europa und Asien etwa im Verlauf des 6. Jahrhunderts v. Chr. an weit voneinander entfernten Punkten ein tiefer Wandel in Religion und Moral vollzogen. 

Um diese Zeit entstanden die frühesten Universalreligionen, der Buddhismus und der Zoroastrianismus, während die später entstehenden, das Christentum, der Mithraskult, der Manichäismus und der Islam, die von ihnen begonnene Umwandlung fortsetzten, in deren Verlauf ein neuer Menschentypus und eine Form der Gesellschaft Gestalt gewannen.

Das Wort axial, wie ich es unabhängig von Jaspers in meinem Buch <The Conduct of Life> gebraucht habe, hat eine doppelte Bedeutung. Es drückt zunächst die Tatsache einer Wendeachse in der Geschichte des Menschen aus; die Richtungsänderung, die sich um diese Achse vollzog, wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts von Stuart Glennie zum erstenmal beschrieben.

Axial ist aber auch ein Begriff aus der Axiologie, der Lehre von den Werten und Axiomen, und ich benutze ihn in diesem Zusammenhang, um die tiefgreifende Veränderung der menschlichen Werte und Zielsetzungen zu kennzeichnen, die nach dem 6. Jahrhundert v.Chr. stattfand. Obwohl diese Veränderung entscheidenden Charakter hatte, möchte ich sie nicht so scharf von der früheren Entwicklung in Religion und Moral abgrenzen, wie Karl Jaspers es getan hat. Wenn die theologischen Vorstellungen Echnatons nicht von den alten memphischen Priestern bekämpft und unterdrückt worden wären, hätte Ägypten wahrscheinlich sieben Jahr­hunderte vor Zoroaster, Buddha und Konfuzius die erste axiale, auf einen naturalistischen Monotheismus begründete Religion hervorgebracht.

Die typischen Elemente der axialen Religionen existierten bereits in embrionaler Form, manchmal sogar schon hoch entwickelt, in früheren Religionen. Der wichtigste Beitrag der Vergangenheit war die Anschauung, daß zeitliche Ereignisse, die endliche Wesen berühren, eine ewige Bedeutung haben, daß das kurze Leben des Menschen nicht mit dem Tode endet, sondern in einer anderen Sphäre fortdauert, und daß die Beschaffenheit dieses verlängerten Daseins von dem Urteil eines letzten Gerichts abhängt, das bestimmt, ob der Gerichtete an diesem künftigen Leben teilhaben darf oder von seinen Wohltaten ausgeschlossen und vielleicht sogar bestraft wird.

Daß die kosmischen Mächte der ausgleichenden Gerechtigkeit dienen, daß es einen engen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Menschen und Vorgängen gibt, die außerhalb seiner Macht liegen und sein Leben zum Guten oder zum Bösen wenden, waren festeingewurzelte Anschauungen in Chaldäa und Ägypten, bevor noch die entsprechende Idee einer individuellen göttlichen Vorsehung sich konkretisierte. Die Grundvoraussetzungen der Religion sind die Einheit und Sinnhaftigkeit allen Lebens, ja allen Seins. Dieses Axiom erreichte seinen höchsten Ausdruck in den Upanishaden, die postulieren, daß Brahma und Atman eins sind. Dieser Einheitsbegriff kann dahin interpretiert werden, daß die äußere Welt und das innere Selbst in ihrem Ursprung identisch sind oder daß sie eins werden durch einen dynamischen Prozeß gegenseitiger Schöpfung. Doch die Ablösung des göttlichen Herrschers durch den gehorchenden Propheten war keine natürliche Evolution; sie brach mit dem Kult der zentralisierten Macht und suchte einen neuen Weg der Entwicklung.

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Noch bevor ihre axialen Propheten Amos und Jesaias den inneren Bereich der Religion der Juden erweiterten, hatten die Israeliten ihre Stammesgottheit zu einem einzigen, eigen­schafts­losen Schöpfer und Beherrscher des Universums gemacht, ja, sie waren noch weitergegangen und hatten ihm ein Wesen zuerkannt, das in jeder Beziehung so verschieden war von dem des Menschen, daß Gott, obwohl sie mit ihm unter bestimmten Bedingungen in Verbindung treten konnten, im Grunde ohne Namen und ohne beschreibbare Attribute blieb; er war jene unerforschliche Macht, der Moses und Job begegneten und deren Wege sich jeder vernünftigen Erklärung und dem menschlichen Urteil entzogen. Wenn wir in dem Monotheismus des Moses eine Fortsetzung der Vision Echnatons sehen, dann müssen wir diese Religionen präaxial nennen, denn sie waren auf die gleichen Intuitionen gegründet und wiesen in die gleiche Richtung.

Die axiale Tendenz, das Leben als einen ständigen Kampf zwischen den Mächten des Guten und des Bösen zu betrachten, zwischen Ahriman und Ormuzd, wie sie in den Personifikationen der Zoroasterianer hießen, geht zurück auf ein früheres Aufdämmern ethischen Bewußtseins bei den Ägyptern. Bei ihnen geboten die Götter, die im, Anfang nur blinden Gehorsam forderten, mit der Zeit Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, Mitleid und Nachsicht in allen menschlichen Beziehungen; sie wandten ihre eigene kosmische Zeitrechnung auf alle menschlichen Betätigungen an und enthoben sie so ihrer irdischen Beschränktheit. Gewissenhaftigkeit zu üben nicht nur in der Verehrung der Götter und der Darbringung der Opfer, sondern auch im Verkehr mit seinen Mitmenschen, wurde beim zivilisierten Menschen ein Kennzeichen seines wachsenden religiösen Sinnes. Wenn er gewalttätig, betrügerisch, ungerecht und rücksichtslos war, beleidigte er die Götter nicht weniger, als wenn er es unterließ, ihr Bild zu ehren oder ihren Priestern Opfergaben zu spenden.

Selbst die Neigung, das innere Leben zu pflegen auf Kosten des äußeren und eine scharfe Trennung aufrechtzuerhalten zwischen dem Natürlichen und dem Idealen, ist weit davon entfernt, eine neue Erscheinung zu sein; denn es war von jeher Aufgabe der Priesterschaft gewesen, das Heilige über das Profane zu stellen. In der Zeit des Jesaias begann ein neuer Menschentyp, sanftmütig, schweigsam, passiv, introvertiert, wie wir heute sagen würden, den stolzen dynamischen Helden als Vorbild zu ersetzen. In welcher Beziehung also waren die axialen Religionen ein absoluter Neuanfang?

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 § 2  

 

Die zentrale Veränderung, die durch die axiale Religion bewirkt wurde, war die Neuformung, ja der Umguß der menschlichen Persönlichkeit. In diesem Vorgang ersetzten Werte, die nur in der Persönlichkeit entstehen, jene, die den Institutionen und institutionellen Funktionen eigen waren. Die neuen Empfindungen, gefühlsmäßigen Neigungen und Bindungen sind jetzt in einer lebendigen Gestalt verkörpert, in dem Propheten. Das Leben, das er führt, die Botschaft, die er verkündet, werden zum sinnfälligen Ideal für alle andern Menschen. 

Der Menschensohn ist Mensch in seiner eigenen Person, erhoben zu seiner höchsten Macht, und nicht ein übernatürliches Wesen, das Furcht einflößt und blinden Gehorsam fordert, sondern ein echter Mensch, den man lieben kann und dem man nacheifern soll. Die göttlichen Ebenbilder, die sich der präaxiale Mensch geschaffen hatte, waren erhaben und schrecklich in ihrer Unnahbarkeit, doch wenn man sie näher betrachtet, so vergrößerten sie nur menschliche und animalische Neigungen, denen der gewöhnliche Sterbliche nur allzu leicht erlag; doch die Menschen, die in Gemeinschaften lebten, konnten ihren Göttern nicht nacheifern, ohne in Schwierigkeiten zu geraten; im menschlichen Bereich angemaßte göttliche Eigenschaften führen zu Irrsinn und Verbrechen.

Der axiale Prophet erneuert den Begriff Gottes und prägt das Bild des Menschen neu. Das Persönliche erhält den Vorrang vor dem Sozialen. Buddhas ursprüngliche Darstellung des kosmischen Prozesses entkleidete ihn aller organischen Bilder, tierischer und menschlicher. Obwohl er hierdurch die Wirklichkeit des Selbst leugnete, wurde sein eigenes Selbst zum Vorbild für seine Anhänger: er konnte mit rationalen Mitteln die tiefe Quelle seiner persönlichen Wirkung nicht ersticken. Selbst wo, wie in den andern axialen Religionen, Gott nicht nur der Inbegriff der schöpferischen Macht, sondern auch der erfüllenden Liebe ist, gilt das größere Interesse dem Mittler, dem Gott in Menschengestalt, der die axiale Veränderung einleitet, einem Konfuzius, einem Jesus, einem Mohammed oder ihren Jüngern, die durch treue Nachfolge das Urbild in ihrer eigenen Person wiederverkörpern. Muß nicht eine einzigartige Kraft in einem Buddha gewirkt haben, der Generationen von Buddhisten schuf und so seine Idee in Fleisch verwandelte? Über das organische Gewebe und die soziale Haut des Menschen legt der axiale Prophet ein neues Selbst, eine unsichtbare Hülle, die platonische Form des axialen Menschen.

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Was ist dieses neue Selbst? In erster Linie ist es ein Selbst, das im Gegensatz zu dem im Glauben an die alten Götter befangenen gereinigt ist von seiner tierischen Natur. Das Ritual des Taufbades der axialen Religionen gibt dieser inneren Reinigung symbolischen Ausdruck. Der Prophet lehnt es nicht nur ab, die animalischen Funktionen des Essens, Schlafens und Sichpaarens als ausreichende Beschäftigung des Menschen zu betrachten, er strebt danach, alle tierischen Regungen und Begierden zu unterdrücken und zu beherrschen, alle Bindungen zu lösen, die ihn allzu eng an seinen Selbsterhaltungstrieb fesseln, alle organischen und sozialen Handlungen zur Vorbereitung auf ein Dasein von höherer Bedeutung und wahrer Glückseligkeit zu machen. Wahrhaft leben heißt, befreit sein von dem Druck, weiterleben zu wollen.

Die Zähmung der biologischen Natur des Menschen erfordert ein umfassendes Regime an Selbstverleug­nung und körperlicher Kasteiung. Das Auge darf sich nicht versuchen lassen durch schöne Bilder, der Gaumen darf sich nicht verwöhnen lassen durch Geschmacksgenüsse noch die Haut durch weiche Kleidung, und der Körper darf sich nicht schmücken oder seine Muskeln geschmeidig machen und stärken durch Spiel und Tanz. Kurz, jede körperliche Tätigkeit und Empfindung muß auf ein Mindestmaß beschränkt oder unterdrückt werden, vor allem im Bereich des Geschlechtlichen. Das ideale Leben für den axialen Propheten — es gibt Ausnahmen wie Konfuzius und Mohammed — ist ein Leben, das vollkommen frei ist von sexueller Erregung und häuslicher Verantwortung, keusch, selbstbescheiden, abgeschlossen, fern allen Versuchungen, die schon die bloße Gegenwart des ändern Geschlechts wecken mag. Auf diese Weise soll die Seele gestärkt werden und befreit von den niederen Sorgen und den trügerischen Freuden, die ihre Kräfte schwächen.

 

Mit der Emanzipation von den leiblichen Bedürfnissen und Süchten muß eine andere, fast ebenso schwer durchführbare Emanzipation verbunden sein, die von allen sozialen Bindungen. Die Früchte der Zivilisation sollen verschmäht oder als Gift für die Integrität der Seele behandelt werden. So sagte Sokrates, der einflußreichste der westlichen axialen Philosophen: »Ich tue nichts anderes als umhergehen und die Alten und die Jungen unter euch ermahnen, nicht so sehr auf eure Körper und euer Geld wie auf die Vervollkommnung eurer Seelen zu achten.« Indem er nicht heiratet, wie Buddha, Jesus und Mani, umgeht der Prophet die Verpflichtungen des Familienlebens, die Hindernisse auf dem Weg der Selbstvervollkommnung seien; wer sich bemüht, seinem Weibe zu gefallen, vergißt, Gott zu gefallen, sagte Paulus von Tarsos.

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Soweit wie möglich ist dieses neue Selbst auch befreit von allen Verantwortlichkeiten einer organisierten Gemeinschaft, deren wirtschaftliche, militärische, soziale und religiöse Anforderungen ihn von seinem Innenleben ablenken; denn was sind diese öffentlichen Pflichten anders als ein sinnloses Wiederholen leerer Verrichtungen, die den Bestand der Gesellschaft sichern sollen, aber in Wirklichkeit nur die Entfaltung der Seele hemmen?

Indem er die Institutionen des Stammes und der Zivilisation negiert, zerstört der Gläubige die Grundlagen des zivilisierten Lebens. Durch seine neue Haltung gegenüber seinem Mitmenschen und seine Betonung der persönlichen Werte, die das Brauchtum der Gesellschaft in Frage stellen, sucht der Prophet eine neue Gemeinschaft zu gestalten, die Gemeinschaft der »Erlösten«. Hierin liegt die große Anziehungskraft dieser axialen Religionen für diejenigen, die verwirrt oder niedergeschlagen sind angesichts der Hohlheit der Zivilisation und ihrer Errungenschaften. Indem sie auf die Güter dieser Welt verzichten, suchen diejenigen, die »Erlösung« gefunden haben, den Tod zu überwinden; indem sie die Güter des Lebens aufgeben, hoffen sie, ein höheres Gut in der Ewigkeit zu erlangen.

Das neue Bild des Menschen sucht zunächst nicht, sich durch Gebot oder Gewalt aufzuzwingen, es baut auf die Über­zeugungs­kraft oder richtiger auf die ansteckende Wirkung des Beispiels des Propheten. Und die Tatsache, daß die Menschen sich um ihn sammeln und in erstaunlicher Zahl seine Lehre zu verstehen, zu befolgen und sich nach seinem Bild umzuformen suchen, zeigt, daß er einen Teil des menschlichen Selbst anspricht, der bisher weder in der archaischen noch in der zivilisierten Gesellschaft zum Ausdruck gekommen war; er weckt in den Menschen das Bewußtsein ihrer geheimen Sehnsüchte durch Steigerung ihres Unbehagens an animalischer Selbstzufriedenheit, technischer Perfektion, sozialer Routine, kurz an dem, was William James die Göttliche Metze genannt hat, am Erfolg. 

Die Wunder, die der Prophet wirkt, erschließen in denen, die sie erleben, die tiefsten und wahren Quellen des Lebens. Wie einst der Held seine Zeitgenossen zu bewußten gemeinsamen Taten aufgestachelt hat, die das Äußere der Welt veränderten, so ruft der Heilige sie auf zu geistigen Anstrengungen, die bisher unvorstellbar waren. Diese geistigen Wirkungen erweisen sich oft als kurzlebig, wie jene Produkte des nuklearen Zerfalls, die nur eine kleine Halbwertzeit besitzen; doch wie diese entwickeln sie eine potentielle innere Kraft, die weit über die Wirkungsmöglichkeit aller organischen und sozialen Stabilität hinausgeht.

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Diese Erhöhung der inneren menschlichen Kräfte gibt uns vielleicht einen Hinweis auf die Natur des Universums selbst. Möglicherweise liegt allem Sein ein Drang zur Selbstverwandlung zugrunde, der seinen Ausdruck im Prozeß des Wachstums, der Entwicklung, der Erneuerung, der gesteuerten Entfaltung zur Vollkommenheit findet. Dieser Selbstveränderungstrieb ist vielleicht eine strukturelle Funktion der gesamten organischen Welt, hat vielleicht sogar seinen Ursprung in dem autogenen kosmischen Prozeß, der die Elemente aufbaute; denn je weiter wir die Unterstellung einer Tendenz zur Selbstveränderung in die Vergangenheit ausdehnen, um so berechtigter erscheint sie, aber auch um so unerklärlicher, es sei denn in mythischen Begriffen, die von bewußten menschlichen Zweckvorstellungen geprägt wurden.

Die ersten Formen des Lebens durchbrachen die Grenze der beschränkten Möglichkeiten der »Materie«, als sich innerhalb des komplexen Eiweiß-Moleküls in wachsendem Maße innere Umstellungen zu vollziehen begannen, die zu neuen, zwar unstabilen und vorübergehenden, aber entwicklungsfähigen Kombinationen führten. Der Prozeß der Selbstveränderung, der, nachdem sich die ersten lebenden Organismen gebildet hatten, ungeahnten Spielraum gewann, brachte auf sich stetig verbreiternder Front in wachsender Zahl und Vielfalt neue Gattungen und Formen hervor, die sich langsam höherentwickelten in Richtung auf Verstand, Bewußtsein und erweiterte Möglichkeiten des Ausdrucks und autonomer Selbstentfaltung. Wenn die Kraft dieses eigen­schöpferischen Vorgangs erschöpft war, starben die Gattungen aus oder pflanzten sich auf dem erreichten Niveau so lange unverändert fort, bis entweder äußerer Einfluß oder ein innerer Impuls zu weiterer Selbstverwandlung führte. Diese Erscheinung hat ihre exakte Parallele in der Geschichte des Menschen.

Der archaische Mensch hatte sich bis zu einem bestimmten Stand hinaufentwickelt und war dann stehengeblieben. Der zivilisierte Mensch war eine Stufe höhergestiegen und seinerseits in Stagnation geraten. Nun trat der axiale Mensch auf den Plan und unternahm es, durch strenge Selbstzucht eine weitere Umbildung an sich zu vollziehen, indem er seine körperlichen Bedürfnisse, seine physische Abhängigkeit und seine gesellschaftlichen Bindungen beschränkte, Um sich auf sein inneres Wachstum konzentrieren zu können.

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Er forderte eine gewaltige Umgestaltung des Menschenbildes, doch in einem geistigen Sinne, denn sein Reich ist die individuelle Seele. Zu Beginn der ägyptischen Zivilisation wagte nur der Pharao, eine Seele zu beanspruchen. Mit den axialen Religionen wurde die Demokratisierung des Himmels, die in Babylonien und Ägypten bereits begonnen hatte, universal. An diesem Punkt scheint die Seele aus dem Körper »herauszutreten«, um einen Ausdruck des Dionysos-Kultes zu gebrauchen.

Im axialen Menschen gelangen Empfindungen, Gefühle und Vorstellungen einer transzendenten Ordnung ins Bewußtsein, die wahrscheinlich als Sehnsucht schon lange in seinem Unbewußten geschlummert hatten, jetzt aber Gegenstand der Überlegung und bewußten Strebens wurden. Um sein neues Selbst zu verwirklichen, ignoriert der axiale Mensch zunächst die Leib-Seele-Ganzheit des Menschen und ist blind für die naheliegende Frage, was geschehen würde, wenn die neuen Grundsätze seiner Religion, die Weltverzicht und Körperverachtung forderten, allgemein übernommen wurden. Würden die Geburtenziffern nicht gefährlich sinken, wenn die Anhänger des Propheten seine Gebote gewissenhaft befolgten? Würde die axiale Religion nicht durch die Überzahl der Nichtgläubigen erstickt werden? Die Tatsache, daß diese offensichtlichen Handicaps die axialen Religionen nicht daran hindern konnten, sich in ungeahntem Maß auszubreiten, zeigt, daß andere, mächtigere Kräfte am Werk waren.

 

   § 3  

 

Die axiale Religion trat mit neuem Anspruch an den Menschen heran, bot ihm aber auch gleichzeitig eine neue Chance. Im Gegensatz zu den früheren Kulten waren die axialen Religionen nicht auf ein Gebiet oder eine Gesellschaft beschränkt; man gehörte ihnen nicht an durch Geburt. Man erbte gewissermaßen die Götter Ägyptens oder Babyloniens, so wie man die Güter ihrer Kultur erbte; doch man erbte nicht, wenigstens nicht im Entstehungsstadium, den axialen Gott oder seinen Propheten, man nahm sie an durch einen bewußten Wahlakt, durch einen Akt des Glaubens, der von dem Willen zu innerer Wandlung begleitet war. Das neue Selbst konnte nicht verwirklicht werden durch Belehrung und Gewöhnung, obwohl dies später auch möglich wurde, sondern durch Bekehrung, durch einen Akt der Gnade. Dieses universale Selbst war in seinen Wurzeln das Produkt einer Empörung gegen die willenlos hingenommenen Formen des Lebens, verstärkt durch eine Ahnung ungenutzter Möglichkeiten, die es zu erforschen galt.

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Die axialen Religionen bildeten sich oft während einer Periode gesellschaftlicher Auflösung, in der die Befriedigung der normalen Bedürfnisse nicht mehr gesichert erschien; sie suchten, den negativen Tendenzen ihrer Zeit einen positiven Inhalt zu geben. Doch die Wirren einer Epoche bringen nicht notwendiger­weise ihr eigenes Heilmittel hervor; wenn dies so wäre, könnte man kaum die Verweltlichung der Christenheit nach den Katastrophen des 14. Jahrhunderts, die Europa den größten Menschenverlust seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. brachten, erklären. 

Andererseits zeigen sich die ersten Anfänge der Offenbarungs-Religionen im 6. Jahrhundert v.Chr., also vor der Blüte der hellenischen Kultur und mehr als ein Jahrhundert früher als die Kriege und Zerstörungen, die ihr folgten. Wahrscheinlich kommen wir der Wahrheit am nächsten, wenn wir sagen, daß die Hitze der Ereignisse oft einen langsamen Prozeß innerer Reife beschleunigt, der unter anderen Bedingungen am Ende des gleiche Resultat gezeitigt hätte.

Durch die axialen Religionen wurde eine neue Gesellschaftsform. geprägt, die alle Grenzen überwand, eine Gesellschaft von Gläubigen, geeint durch einen übernatürlichen Glauben und eine Vision der Vollkommenheit. Die axialen Religionen durchbrachen die überkommene Isolation des Stammes, des Dorfes, der Stadt, des Staates und selbst des Reiches; sie überschritten alle Grenzen und riefen alle Menschen auf zu einem neuen Leben. Die trennenden Linien zwischen Dazugehörenden und Außen­stehenden, zwischen Juden und Heiden, zwischen Griechen und Barbaren, zwischen Inländern und Ausländern wurden ausgelöscht. Alle Menschen konnten Teil dieser neuen Gesellschaft werden, ohne Ansehen ihrer sozialen Stellung, ihres Vermögensstandes, ihrer politischen Zugehörigkeit, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts; sie waren Kinder eines Gottes, Brüder und Schwestern einer einzigen Familie.

Diese geistige Dynamik befähigte alle axialen Religionen, sich territorial unvergleichlich weiter auszudehnen, als es den größten Reichen je durch Waffengewalt gelungen war. Und indem sie den Bereich der Verständigung und der Zusammenarbeit erweiterten, verbreiteten sie auch die großen Fortschritte der Zivilisation. Gewiß, keine der axialen Religionen hat bis jetzt eine nachhaltige, weltweite Wirkung erreicht, und dies könnte Anlaß zu kritischen Fragen sein, doch der Glaube an ihre Universalität war immer ein Teil ihrer Neuorientierung, denn die Seele kam von Gott, und alle Geschöpfe waren seiner Vorsehung unterstellt und hatten Teil an seinem himmlischen Versprechen.

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In dieser Hinsicht und nicht weniger im Sinne einer Erschließung der von äußerem Zwang befreiten Kräfte des inneren Lebens brachte die axiale Religion einen gewaltigen Wachstumsfortschritt; sie steckte dem Menschen ein Ziel, das weit über das des archaischen und des zivilisierten Menschen hinauswies, und schuf einen neuen Menschentypus, der fähig war, das Ideal einer universalen Gemeinschaft auf« zustellen und zu erstreben, wenn auch infolge seiner einseitigen Seinsvorstellungen nicht fähig, eine solche Gesellschaft zu verwirklichen. Doch nicht nur äußere Grenzen ignorierten die axialen Religionen, sie hoben auch eine andere innere, für den zivilisierten Menschen charakteristische Trennung auf, die der Klassen, zumindest in ihrem Verhältnis zu Gott und der Ewigkeit.

Wenn in Zeiten willkürlicher Gewalt und verschwenderischen Lebens die Unterdrückung der Armen durch die Reichen und Mächtigen wuchs und den Groll der Massen erregte, traten die axialen Religionen als Vermittler auf und boten eine wenigstens vorübergehende Lösung der drohenden Konflikte an. In der Sicht Gottes waren auch der Reiche und der Arme Brüder. Dies war ein neuer Gedanke; man begegnet ihm zwar schon in alten ägyptischen Schriften, doch jetzt wurde er zum Organisationsprinzip in einer neuen Institution, der Kirche, der Gemeinde der Gläubigen. Erlöst werden bedeutete, als Glied in diese neue Gemeinschaft aufgenommen werden, in eine höhere Gemeinschaft, in der alle andern Bedingungen, selbst die der Familie, zurücktraten.

Von dieser Zeit an kann die menschliche Persönlichkeit unter drei Aspekten betrachtet werden, die zwar erst in unserem Jahrhundert von Sigmund Freud aufgezeigt und definiert wurden, aber seit Aristoteles im menschlichen Denken mehr oder weniger erkennbar sind. Diese Betrachtungsweise teilt das Wesen des Menschen in drei Teile: Erstens: das biologische Urselbst (der alte Adam), das noch mit der tierischen Vergangenheit des Menschen verbunden, stabil und dauernd ist und Zehntausende von Jahren braucht, um entscheidende organische Veränderungen zu bewirken. .Dieses Urselbst ist der Sitz aller vitalen Vorgänge, es birgt in seinen Organe und Geweben alle Möglichkeiten des Verstandes und des Geistes; doch es verhält sich zum höherentwickelten Selbst wie der Steinbruch zur fertigen Statue. Zweitens: das abgeleitete, soziale Selbst, geformt durch die überlieferte Kultur des Menschen, durch Ernährung, Erziehung, geprägt durch Institutionen und Umwelten, die allen in ihrem Bereich Lebenden einen einheitlichen Charakter verleihen.

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Dieses Selbst zeigt die Anfänge eines differenzierten Ichs, doch es ist vornehmlich noch ein Produkt von Brauch, Gewohnheit und Tradition, wenn es sich auch in zivilisierten Gesellschaften unter dem Druck der wechselnden Anforderungen in ein Berufs-Selbst, ein Privat-Selbst und ein politisches Selbst spaltet. In seiner umfassendsten Form wird es das »nationale Selbst«, das ein gemeinsames menschliches Ziel erkennt, aber unfähig ist, es aus seiner Situation heraus zu erreichen. Diese zivilisierten Teil-Ichs können mit den Steinblöcken verglichen werden, die aus dem Steinbruch herausgehauen, aber noch nicht zu individuellen Statuen gemeißelt wurden.

Als drittes gibt es das ideale Selbst, das Super-Ich, die letzte, äußerste Schicht des Selbst, kaum sichtbar beim ersten nachweisbaren Auftauchen des Menschen; es ist der gebrechlichste, unstabilste, anfälligste, hinfälligste und der Erniedrigung am meisten unterworfene Teil der menschlichen Psyche. Doch dieses Selbst strebt nach einer beherrschenden Stellung, denn es besitzt die Fähigkeit des Wachstums und der Entwicklung.

Man wird geboren mit dem ersten Selbst, der biologischen Substanz. Man wird geboren in das zweite Selbst, das soziale Selbst, das das Tier in eine menschliche Gestalt verwandelt und seine rein animalischen Neigungen auf nützliche soziale Zwecke ausrichtet, die durch die Gruppe bestimmt werden. Doch man muß wiedergeboren werden, wenn man das dritte Ich verwirklichen will. In dieser Wiedergeburt übernimmt der letzte Teil des Selbst die Führung und setzt ein Ziel, das weder die tierische Natur des Menschen noch seine sozialen Leistungen angestrebt haben. In dieser Emanzipierung von seiner Vergangenheit liegt das Versprechen weiteren Wachstums.

Der Glaube an diese Wiedergeburt ist eines der markantesten Kennzeichen der axialen Religionen, ja ihr Hauptbeitrag zur Geschichte des Menschen­geschlechts. Doch bei der Festlegung der Richtlinien für die weitere Entwicklung des Menschen unterließen sie zu ihrer nachträglichen Bestürzung, die Naturgeschichte des Menschen in Rechnung zu stellen. In der Hoffnung, die Bekehrung beschleunigen zu können, verneinten sie die niederen Elemente und zerbrachen die Einheit des lebendigen Organismus, anstatt die organische Vitalität wirkungsvoller in den Dienst des höheren Selbst zu stellen.

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 § 4

 

Im Anfang wirkt sich die axiale Entwicklung nicht in institutionellen Veränderungen aus. Abgesehen von kleineren Versuchen, die Gewohnheiten der Gemeinschaft zu beeinflussen, schiebt sie alle sozialen Probleme beiseite oder umgeht sie zumindest in ihrem Bemühen, eine unmittelbare Verbindung mit den Werten herzustellen, die sie als zentrale Anliegen des Menschen betrachtet. Hierin liegt sowohl ihre Anziehungskraft als auch ihre Gefahrenquelle.

Indem sie die Verwandlung des Menschen abhängig macht von einem inneren Entschluß des Individuums, sich einer höheren Macht zu unterwerfen, vermeidet sie die Anstrengung, die harte Schale des sozialen Selbst zu durchstoßen. Indem er sich Flügel zulegt, anstatt den vorgezeichneten Weg der Zivilisation weiterzugehen, scheint der axiale Prophet, wenigstens zu Beginn, in der Lage zu sein, Jahrhunderte gemeinsamer Leistungen in einer einzigen Generation zu überspringen. In einer Zeit der Entfremdung und Enttäuschung befürwortet das verzweifelte Verlangen nach Erlösung eine solche Wegverkürzung. Unter dem hypnotischen Einfluß des Propheten, charisma genannt, sieht der Blinde, wirft der Lahme seine Krücken weg und geht, steht der Tote auf und wirft sein Leichentuch ab. Von der neuen Schau ergriffen, verkauft sogar der Reiche alle seine Güter und verteilt den Erlös an die Armen, oder der Stolze wäscht dem Demütigen die Füße.

Wenn man die soziale Ordnung in ihrer historischen Form betrachtet, erscheint es ebenso schwierig, sie zu verändern, wie eine übervölkerte und überalterte Großstadt zu modernisieren; sie ist zu kompakt, vor allem zu komplex, als daß man eine gerade Straße von idealen Maßen durch ihr Gewirr von Gebäuden, Gassen, Denkmälern und Besitztumsrechten brechen könnte. So verschieden sind die Bedürfnisse und Interessen selbst in einer einfachen Gesellschaft, so vielen Gruppen und Institutionen muß man gerecht werden, so schwer ist vorauszusehen, welche Folgen eine Veränderung in einem Teil der Organisation in ihren übrigen Teilen bewirken wird, daß man versucht ist, sie sich selbst zu überlassen, bis ihr künftiger Zusammenbruch das Problem vereinfacht. Zweifellos erscheint es auch dem weisesten der Herrscher, einem Solon oder einem Aschoka, unmöglich, auf Grund eines genügend verständlichen Planes die Struktur im Leben der Gemeinschaft zu verändern; er muß sich mit Teilmaßnahmen und Teilerfolgen begnügen.

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Wenn eine Teilreform zuviel von der alten Ordnung bestehen läßt, so bringt eine revolutionäre Umgestaltung, die sie zerstören und auf neuen Fundamenten beginnen will, nur Verarmung mit sich, denn eine Operation, die den Krankheitsherd vollständig entfernt, kann leicht auch den Organismus töten. Plato z.B. erwog während der frühen axialen Zeit eine radikale Änderung der sozialen Ordnung und beschrieb in seinem Buch Der Staat ihre Grundsätze und in Die Gesetze ihre Durchführung. Doch seine eigenen Erfahrungen als revolutionärer Erneuerer in Syrakus sollten ihn ernüchtern; denn dort traf er auf den Widerstand sowohl des Tyrannen, der ihn eingeladen hatte, als auch der Bevölkerung, zu deren Besten er seine Ideen verwirklichen wollte.

Die axialen Religionen erstrebten also nie eine Reform auf Grund einer utopischen Vorstellung, obwohl Plato nicht der erste und auch nicht der letzte war, der diesen Weg empfahl. Die neuen Propheten beließen die Gesellschaft meistens in dem gleichen Zustand, in dem sie sie vorfanden; sie mochten manchmal ihre Einrichtungen tadeln, doch sie verwarfen sie nicht. Sie wandten ihre Aufmerksamkeit der individuellen Seele zu, in deren Tiefen sie den Hebel ansetzen zu müssen glaubten. Die einzelnen Menschen, wenn sie einmal zutiefst aufgewühlt waren, würden zunächst sich selbst vollkommen wandeln, und wenn sie an Zahl zunahmen, würde auch die Gesellschaft sich entsprechend verändern.

Indem sie ihr Bemühen auf die individuelle Seele konzentrierten, Verallgemeinerten die axialen Propheten natürlich ihre eigene Erfahrung; abseits von der Gesellschaft, in beschaulicher Einsamkeit, hatten sie eine neue Quelle geistiger Energien entdeckt, die auf wunderbare Weise die menschlichen Beziehungen veränderten. Nach einer Zeit der Enttäuschungen und Prüfungen, ja vollkommener Verzweiflung, hatten sie sich plötzlich erleuchtet und im Besitz eines neuen Lebensgesetzes gefühlt, das die Menschen von ihrer Vergangenheit, von allen gesellschaftlichen Bindungen löste und sie zu Gliedern einer neuen Gemeinschaft machte, in der sie höhere Ziele verfolgen konnten. Soweit sie ändern Menschen dieses Erlebnis vermitteln konnten, durften sie auf einen Erfolg ihrer Sendung hoffen.

In Worte gekleidet, mochten die axialen Ideen oft allzu mager erscheinen. So lehrte Buddha: Meide alle Wege der Begierde und der Leidenschaft, betrachte alles kreatürliche Leben mit Abstand und Mitleid und suche Befreiung aus dem Zyklus von Geburt und Tod. Das Evangelium Jesu lautete: Verzichte darauf. Macht über andere Menschen und die Kräfte der Natur zu erlangen, um das Reich des Himmels zu erwerben, in dem das Gesetz der Liebe herrscht und das Wohl des Nächsten dein eigenes ist.

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Und Lao-tse empfahl: Folge dem Weg, bringe deine eigenen Kräfte in Einklang mit den Kräften der Natur, wirf ab alle Gewohnheiten, Gesetze, Werte und Symbole, die dich blind machen für die Wirklichkeit, die hinter ihnen liegt. Diese Worte sind nur nüchterner Ersatz für die überwältigende Kraft der prophetischen Erleuchtung, aus der sie geboren sind. In der Tat, die Lehren und Glaubenssätze der axialen Religionen genügen in sich nicht, die dynamische Anziehungskraft zu erklären, die sie ausstrahlen, oder die positiven Verwandlungen, die sie bewirken.

Die axiale Wandlung war in Wirklichkeit auch nicht eine Leistung des bewußten Verstandes, und noch weniger das Ergebnis rein rationalen Denkens, sie vollzog sich in einem tieferen Bereich und umfaßte die gesamte Persönlichkeit.

In einem einzigen Augenblick werden alle Lebenskräfte des Propheten umpolarisiert und neu ausgerichtet und harmonisiert in einem höheren und reicheren Lebenssinn, der unmittelbare Vereinigung mit Gott verspricht. Von dieser Zeit an handelt er mit der absoluten Sicherheit des Rechttuns; er hat eine Mission, und in der Erfüllung dieser Mission trägt jede seiner Handlungen den Stempel der neuen Persönlichkeit. Dies ist das Wunder der zweiten Geburt. Das neue Selbst wird das »wirkliche«, und die neue Lebensform allein bringt ihm die Erfüllung seiner Sehnsucht.

Zweifellos hat dieser innere Wandel in unvollkommenen, schattenhaften Formen an vielen Punkten der Geschichte, lange bevor die axialen Religionen auftraten, stattgefunden. In gewissem Maße vollzieht er sich jeden Tag in weniger bedeutenden Persön­lichkeiten und desavouiert die Beobachtungen von Lehrern, die Hoffnungen von Eltern, die Voraussagen psychologischer Tests und die engherzigen Forderungen von Arbeitgebern. 

Diejenigen, die annehmen, daß die erste Geburt allein zählt, oder daß die konforme, soziale Prägung des Menschen endgültig ist, mögen geneigt sein, wie einer der Biographen Walt Whitmans, die zweite Geburt als Charlatanerie, als Verstellung, nahe dem Betrug, zu betrachten. Die ständige Möglichkeit dieser Verfälschung macht in der Tat die Heuchelei zu einem typischen Laster der axialen Religionen. Doch die axialen Religionen müssen nach ihren Wirkungen beurteilt werden. Wenn die Wandlung echt war, gebar sie einen neuen Freiheitssinn. Für den, der wiedergeboren wurde, waren weder der Wunsch, weiterzuleben, noch die Anpassung an die Umwelt Leitsterne seines täglichen Handelns.

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Die alten Bindungen und Verpflichtungen hörten auf, gültig zu sein. Neue Möglichkeiten, die alles rationale Begriffsvermögen überstiegen, tauchten auf; das Schicksal des Menschen war nicht länger festgelegt, voraussagbar, unausweichlich hoffnungslos. Die Religion versprach ihm Befreiung vom Joch der Zivilisation.

Im Augenblick der Inkarnation scheint der neue Erlöser einen Lebensstil entdeckt zu haben, der die Zivilisation überwindet, ihre Härten mildert und den Menschen aus ihren erstarrten Formen befreit. Diejenigen, die dem Propheten auf seinem kühnen Weg folgen, werden vor dem lebendigen Tod bewahrt, der ihnen droht, wenn sie eich weiter den Institutionen unterwerfen, die in ihrem Bemühen, dem Zerfall zu entgehen, immer starrer, willkürlicher, tyrannischer und lebensverneinender werden.

Die axiale Religion stellt nicht nur die Seele über den Körper und animalische Bedürfnisse über geistige Sehnsüchte, sie vertauscht auch die Rollen von Leben und Tod; sie betrachtet die negativen Elemente des Lebens, Schmerz, Sünde, Sorgen, Unglück als heilsame Prüfungen, die den Menschen reif machen für eine innere schicksalhafte Umwandlung. In Zeiten allgemeiner gesellschaftlicher Auflösung verwandelt die axiale Religion so jede Bedrohung des Lebens in eine Chance und verlieh hierdurch ihren Gläubigen Mut und Kraft, das Schlimmste zu ertragen.

Durch diese unmittelbare Verbindung des Individuums mit den tieferen Kräften seines Selbst, deren es sich bewußt wurde, erhielten alle Krisen des Lebens einen neuen Sinn. Geburt, Kindheit, Reife, Ehe und Berufswahl erlangten wegen ihrer geistigen Konsequenzen symbolhafte Bedeutung. »Was immer deine Arbeit ist, dein Essen, dein Opfer, deine Begabung, dein Kummer, mache ein Geschenk für mich daraus«, sagt Krishna in der Bhagavad-Gita. Wer durch eine zweite Geburt ging, wurde in eine größere Gemeinschaft geboren, in die Kirche, die das neue Leben symbolhaft als Mutter in ihren Schutz nahm und heiligte.

Die kleine axiale Gemeinschaft gründete sich nicht wie die primitiveren archaischen Gruppen auf Nachbar­schaft und Familien­tradition, sondern auf einen gemeinsamen Glauben an die letzte Bestimmung des Menschen, doch das intime Ich-und-du-Verhältnis, das durch die veräußerlichten Lebensgewohnheiten der Zivilisation zerstört worden war, wurde wiederhergestellt; so banden die Synagoge und die Kirche das entlegendste Dorf zum erstenmal an eine große Gemeinschaft. Es war eine neue Art der Bindung, die Btarker war als die chaotische Verfilzung in den Großstädten und der erzwungene Zusammenhalt in den Großreichen, und diese geistige Einheit war der große soziale historische Beitrag der axialen Religion.

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Die neue Maske oder persona, die die axiale Religion schuf, war entworfen, auf jedes menschliche Gesicht zu passen und seine tiefere Menschlichkeit zu betonen. Ein Zug von Beweglichkeit und Anpassungs­fähigkeit, ja Abenteuerlichkeit kennzeichnete dieses neue Selbst; die Menschen fühlten sich zu Hause in einem Bereich, der größer war als der Planet, denn wo sie auch hingingen, fanden sie andere Menschen, die den gleichen Wandel erlebt und eine neue Gemeinschaftsform gebildet hatten, die Gemeinschaft der Wiedergeborenen, der Geretteten, der Erlösten, der Verwandelten, der Träger eines neuen Selbst und der Kinder eines neuen Gottes. Durch ihre eigene Bescheidenheit und Nachgiebigkeit besänftigten die axialen Religionen außerdem die Gewalt der Starken und brachten den Schwachen, Armen, Kranken, Hilflosen und Sterbenden das Geschenk der Barmherzigkeit.

Obwohl die unmittelbaren Reaktionen des Geschlechts unterdrückt wurden, oft über das Maß des Gesunden hinaus, wurde der Wirkungsbereich seiner sublimierten Äußerungen stark erweitert und in Form von Liebeswerken und Opfertaten auf alle Bereiche des Lebens ausgedehnt. Wie der zivilisierte Mensch infolge seiner heroischen und kollektiven Kraftentfaltung tiefere Spuren in seiner Umwelt hinterließ als seine Vorfahren, so Hinterließ der axiale Mensch tiefere Eindrücke in der Seele des Menschen. Indem er die physischen und sozialen Bedürfnisse geistigen Zwecken unterordnete, entwickelte er einen Sinn für neue Möglichkeiten, den der Mensch nie zuvor besessen hatte. Er bewies, daß ein erdachtes ideales Selbst, das seiner biologischen Natur nicht voll entsprach, trotzdem Form annehmen und um sich eine Gesellschaft erstehen lassen konnte, die bis zu einem gewissen Grad dieses neue Bild vom Menschen widerspiegelte.

  

  § 5  

 

Bis jetzt habe ich nur eine Art des axialen Propheten, eine Klasse der axialen Religionen beschrieben, vornehmlich jene, die begründet wurden von Buddha, Zoroaster, dem Verfasser der Bhagavad-Gita, Jesu und Mohammed, von Menschen, deren Bilder, wenn auch schwach, die Züge eines großen Teils der Erdbevölkerung geprägt haben. Sie sind die Überlebenden aus einer langen Reihe von kühnen, mit dem gleichen Anspruch auftretenden, doch nicht so erfolgreichen Geistern, beginnend mit Apollonius von Tyana, Marcion und Mani und bis in unsere Zeit reichend mit Namen wie Joseph Smith und Mary Baker Eddy. 

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Auch diese Menschen suchten entscheidende Veränderungen im Leben ihrer Zeitgenossen zu erreichen, und bis zu einem gewissen Grad und solange ihr eigenes und das Vorbild ihrer ersten Jünger unmittelbar wirksam war, gelang dies ihnen auch. Doch diese Wirkung war nicht nachhaltend und reproduktiv wie die einer technischen Neuerung. In jeder Generation muß die Inkarnation wiederholt werden, und um den Geist des Gründers der Gemeinschaft zu erhalten und zu verbreiten, muß jedes einzelne Mitglied bekehrt, neu geboren werden. Ich erinnere mich noch der traurigen Worte eines Ältesten der Amana-Kolonie, mit denen er den Abfall der Gemeinde von ihrem christlichen Kommunismus beklagte: »Keiner von uns ist seit mehr als einer Generation vom Geist heimgesucht worden.« Auf die Dauer erforderte das, was durch eine Wegabkürzung erreichbar schien, größere Anstrengung und Ausdauer, als notwendig waren, um den Leerlauf der Zivilisation in Gang zu halten.

Doch es gibt noch eine andere, mit der Tendenz der axialen Religionen parallel laufende Linie in der Entwicklung des Menschen, die wir nicht unbeachtet lassen dürfen. Für lange Zeit schien sie ein zweiter, von der Vernunft sanktionierter und von den unkontrollierbaren Impulsen des Unbewußten und der Unsicherheit des Glaubens unabhängiger Weg zu sein; sie beginnt mit der Entstehung der axialen Philosophien. Diese Philosophien beruhen auf Intuitionen und Forderungen, die den Prinzipien der axialen Religionen entsprechen; sie wenden sich an die höhere Natur des Menschen und setzen Ziele, die einen Bruch mit dem Instinkt, der Gewohnheit und der Konvention fordern. Obwohl die axiale Philosophie die nichtrationalen Kräfte in der Persönlichkeit nicht vernachlässigt— lauschte Sokrates nicht seinem Dämon, und übermittelte Plato nicht seine höchste Lehre durch mündliche Kommunikation? —, betont sie das Rationale und menschlich Kontrollierbare. Diese neuen Führer behalten die Methode der intellektuellen Definition, des exakten Wissens und der pädagogischen Erziehung bei; wenn sie auch durch mystische Erleuchtung oder prophetische Schau angeregt wurden, sie waren vor allem Lehrer.

Im Westen schienen die axialen Philosophien lange Zeit mit den axialen Religionen zu wetteifern. In Griechen­land, beginnend mit Solon und seinem einflußreicheren Nachfolger Sokrates, begründeten die axialen Philosophen eine Reihe von Denkschulen, von denen jede ihre eigenen Auffassungen vom Universum, von Gott und von der Natur des Menschen entwickelte und ihre eigenen Werte und Ziele setzte.

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Die neu erstandene Persönlichkeit in ihrer hochindividualisierten Form drückt all diesen axialen Philosophien ihren Stempel auf; hieraus erklärt sich ihre typische Gestaltung des täglichen Lebens und ihres Erziehungssystems, die vom Meister auf den Schüler weitervererbt wird.

Wie die axialen Religionen sich in der Kirche und in Glaubensgemeinschaften organisierten, so bildeten die axialen Philosophien Schulen. Plato gründete die erste Akademie in der westlichen Welt, und in ihrem symbolischen Schatten lehrten ein Jahrtausend lang eine Folge von Philosophen, von Epikur und Zeno bis Plotin und Boethius, und jeder von ihnen rang mit dem Problem, die Persönlichkeit zu formen und die Kräfte der Gesellschaft zu bändigen, oder bemühte sich, durch Konzentration des Verstandes einen Weg zu finden, den Geist zu schützen und zu bewahren durch Abwendung von »dem lärmenden Streit über das Göttliche«.

Im Osten vollzog sich eine ähnliche Entwicklung. Gemessen an der Dauer seines Einflusses, war Konfuzius der größte der östlichen axialen Philosophen. Er war ein Beispiel dafür, wie weit das, was die axialen Religionen erstrebten, ohne Theologie erreicht werden konnte. Denn die Philosophie arbeitet mit Methoden, die eher auf fleißigem Studium und vernunftmäßig festgelegter Lebenshaltung beruhen als auf Bekehrung und Glauben. Ohne über Gott zu sprechen oder die Kräfte des Unbewußten zu wecken, und ohne sich selbst, wie Sokrates, zu gestatten, seiner inneren Stimme zu lauschen, gelang Konfuzius eine Umwandlung des Menschen von großer historischer Bedeutung.  

Indem er archaische Riten und Musik mit natürlicher, kreatürlicher Pietät verband, erneuerte er die alte Gemeinschaft zwischen der lebenden Familie und ihren toten Vorfahren und stärkte so ein Band, das jede aufstrebende Zivilisation zu schwächen pflegt. Indem er großen Wert auf die Details der Etikette legte und sie mit den Künsten verband, verlieh er der Höflichkeit moralische Wirkung, und weil er darauf vertraute, daß die Macht des Denkens am Ende die gedankenlose Gewalt überwinden werde, empfahl er das systematische Studium von Büchern.

Und die größte Leistung des Konfuzius war vielleicht die Schaffung eines neuen universalen Persönlich­keits­vorbildes, des Gelehrten und Gentlemans, und er war der erste vollkommene Vertreter dieses Typus.

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Kein Zug des biologischen und sozialen Charakters des Menschen war in dieser neuen Inkarnation ganz verleugnet, doch alle Funktionen seiner Natur waren sorgsam aufeinander abgestimmt und wurden wachsam kontrolliert, da Konfuzius in allem das goldene Mittel zu verwirklichen suchte. Generationen von Chinesen eiferten diesem neuen Ideal nach in seiner Gelassenheit, seiner Lernbeflissenheit, seiner höflichen Redeweise, seiner sanften Verständigkeit. Wo immer die Musen angerufen werden, wo Wissen und natürliche Frömmigkeit und Würde über die Macht gestellt werden, wo der Verstand mit humorvoller Nachsicht behandelt, was sich ihm widersetzt, wirkt der lebendige Geist des Konfuzius; in einer Generation heißt er Aristoteles, in einer ändern Erasmus, in einer dritten Goethe.

Obwohl diese Verwandlung in der gleichen Richtung verläuft wie die der axialen Religionen, stellt sie in einer Beziehung eine Abweichung dar und unterliegt einem besonderen Handikap. Da ihre Methode pädagogischer Natur ist und ein systematisches Vorgehen erfordert, ist sie notwendigerweise langsamer. Deshalb fühlen sich nicht die Massen, sondern eine Minderheit von begüterten Menschen, die in der Lage sind, sich ohne die Behinderung des Broterwerbs. ihrer Bildung widmen zu können, von diesen Philosophen angesprochen. Im günstigsten Falle sickern ihre Ideen von der obersten Klasse der Gesellschaft nach unten durch, doch bis sie die untersten Schichten erreicht haben, hat sich vieles von ihnen verflüchtigt. Der axiale Prophet dagegen erreicht die Masse der Menschheit unmittelbar, indem er ihren Wünschen und Träumen Nahrung gibt. »Ich und die Meinen, wir überzeugen nicht durch Argumente«, sagte Walt Whitman, »wir überzeugen durch unsere Gegenwart.«

Da der Umwandlungsprozeß der axialen Pädagogik sich nur langsam vollzieht, beschränkt sich die Wirkung der Philosophen auf eine kleine, mit ihnen in engem Kontakt lebende Gruppe von Schülern und kann nie plötzliche »Massenbekehrungen« erzielen. Die besinnliche Muße und die Lösung vom Alltag, die der Philosoph von seinen Jüngern fordert, ist ein Vorrecht der Reichen oder einer kleinen Zahl von begabten Jugendlichen, die von Gönnern unterhalten werden. Aus dem gleichen Grund blieb der Einfluß der axialen Philosophie meistens auf den Bereich der eigenen Sprache beschränkt, ja, jeder Philosoph errichtet in seinem Bestreben, ein eigenes Vokabularium zu schaffen, eine zusätzliche Schranke; deshalb überwinden Philosophien nur schwer die Grenzen von Kulturlandschaften.

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So wirkte sich der Einfluß der axialen Philosophien am stärksten durch ihren Beitrag zur Religion und zur höheren Bildung aus. Doch ihrem Appell an Vernunft und Maß im Menschen, wenn er auch weniger dramatisch wirkte als die Heilsbotschaft der Religionen, kommt das Verdienst zu, Bestrebungen gefördert und vertieft zu haben, die bereits im Gange waren. Sie besaßen in ihrer Methode eine Kontinuität, die den axialen Religionen fehlte, bis auch diese eigene philosophische Systeme und pädagogische Praktiken entwickelten, um die Wirkung der unmittelbaren Erleuchtung zu ergänzen.

In einer ändern Hinsicht jedoch zeigen die axiale Philosophie und die axiale Religion die gleiche Schwäche. Da sie ihren Ursprung in einer eindrucksvollen Persönlichkeit haben, zeigen sie auch die Neigung zur Spaltung, zum Schisma, wenn eine neue starke Persönlichkeit die Nachfolge antritt und ihre Eigenart zum Ausdruck bringen will. Fast noch zu Buddhas Lebzeiten entstand eine ganze Reihe von buddhistischen Sekten. Die gleiche Tendenz ist auch schon in den Frühzeiten des Christentums zu beobachten, wo sie zur Aufstellung von Dogmen und Gegendogmen und zum Ausschluß von Ketzern aus der Kirche führte oder im Falle der Albigenser zu ihrer physischen Ausrottung. Trotz der Ähnlichkeit ihrer Methoden und Ziele wurden die axialen Religionen durch ihre geringfügigen Differenzen zu Hindernissen für den Universalismus, zu dem sie sich alle bekannten.

Wenn die Schwäche der Zivilisation nivellierende Uniformität ist, dann ist die Schwäche der axialen Gesellschaft ihr Sektierertum. Diese Schwäche ist begründet in der Weigerung, andere Persönlichkeitstypen als Inkarnation gelten zu lassen außer dem eigenen Gründerpropheten oder andere Heilswahrheiten in ihre Lehre aufzunehmen, die sie doch nur bereichern und umfassender machen würden. Die Folge ist, daß jede sogenannte Universalreligion sich der Verschmelzung mit ändern Universalreligionen widersetzt. Eine demütige Seele wie Ramakrishna, der durch ernsthafte Praktizierung andere als seine eigene Religion, den Hinduismus, zu erleben und zu begreifen suchte, ist eine Ausnahme.

Diese Schwächen begrenzen den Wirkungsbereich der gesamten axialen Verwandlung, doch die Tatsache ihres teilweisen Erfolges kann nicht geleugnet werden, noch war er klein. Durch Übertragung sozialer Werte und Rechte in die innere Welt haben die axialen Religionen der aufsteigenden Persönlichkeit Freiheit und Tatkraft geschenkt; wie nie zuvor wurden alle Handlungen der Menschen selbstbewußt und Gegenstand unabhängiger Bewertung. Die Zivilisation wurde jetzt zum Fahrzeug und war nicht länger das Ziel, auf das sich die Entwicklung zu bewegte.

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Doch um die Menschen zu außergewöhnlichen Anstrengungen zu veranlassen, bedurften die axialen Religionen des negativen Ansporns in Gestalt von Leid und Unglück. Sie blühten in Zeiten des Elends, wenn die Lüste und Eitelkeiten der Welt bitter wurden, doch sie welkten dahin in Zeiten des Wohlstands, wenn die Kirche, von weltlich gesinnten Menschen geleitet, den Reichtum, die Macht und die Vorrechte des Staates an sich zog und damit auch in seine inneren Konflikte und äußeren Kämpfe verwickelt wurde. Aus diesem Grunde haben die axialen Heiligen oft die negativen Elemente des Lebens überbewertet und selbst die Gesundheit verachtet, weil sie weniger Möglichkeiten bot für ihre drastischen Heilmethoden. Diese Haltung haben jene auf die Spitze getrieben, die meinen, Eroberer und Tyrannen, die Leid über die Welt bringen, seien Werkzeuge Gottes zur Erlösung der Menschen, da ja der Mensch nur durch Leiden lerne.

So groß die Leistungen der axialen Religion auch sind, und solange ihr Einfluß auch währen mag, in einem gewissen Grad beruht ihr Erfolg auf einer Illusion. Der Typus der Persönlichkeit, nach der sie die gesamte Menschheit zu prägen suchten, ist in Wirklichkeit nicht universal. Die axiale Maske paßte nicht auf jedes Gesicht. 

Mit ihrer Überbetonung des »Zerebralen« und Geistigen ist die axiale Persönlichkeit ein wertvolles Korrektiv für die Extrovertiertheit und Hohlheit des Durchschnittsmenschen, doch sie ist in ihrer isolierten Perfektion kein hinreichend repräsentatives Ideal für alle Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen, denn sie verwirft zu vieles, was nötig ist zu seiner vollen Entfaltung. Zudem ist das innere Leben, das zum ausschließlichen Anliegen des axialen Denkens wurde, nicht autark, und die Moral, die in isolierter Selbstgenügsamkeit standhält, zerbricht leicht, wenn sie sozialem Druck ausgesetzt wird. Wenn dieses innere Leben die ersten Augenblicke seiner spontanen Erleuchtung überdauern soll, braucht es ein äußeres, seinen Bedürfnissen und Wahrnehmungen entsprechendes Leben, das es ergänzt und erhält. Was geschieht, wenn die neue Lehre ihren Gläubigen gebietet, die Hungernden zu speisen und die Gefangenen zu trösten und keinen Rat weiß, wenn Hungersnot und Krieg drohen? Die axialen Religionen predigten zwar Brüderlichkeit, Nächstenliebe und Friede unter den Menschen, doch in ihrer prinzipiellen Indifferenz gegenüber allen sozialen Problemen überließen sie die Menschheit weiter den Geißeln der Zivilisation, der Sklaverei, der wirtschaftlichen Ausbeutung und dem Kriege.

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Solange die Menschen von gemeinsamen Gefahren bedroht oder vom gleichen Elend betroffen sind, mag dieser Dualismus einer himmlischen und einer irdischen Gemeinschaft keine große Rolle spielen, doch unter normalen Bedingungen wird die Diskrepanz zwischen Bekenntnis und Praxis zum Ärgernis für alle anständigen Menschen. Ein Ideal, das zu hoch ist, um von allen Menschen erreicht werden zu können, wirkt vielleicht verderblicher als eine anspruchslosere Moral, wie nichtchristliche Völker im 19. Jahrhundert oft feststellten, wenn sie die Taten der Händler und Soldaten mit den Lehren der Missionare verglichen. Die radikale Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und individueller Seele, zwischen irdischen Bindungen und Neigungen und himmlischen Versprechungen und Sehnsüchten, zwischen »dieser Welt« und »der ändern Welt«, war einer der großen Fehler der meisten axialen Religionen. Durch seine ausschließliche Verinnerlichung des Lebens tolerierte, ja sanktionierte der »moralische Mensch« die »amoralische Gesellschaft«.

Indem sie die Seele allein pflegte, wurde die axiale Religion der Gesamtnatur des Menschen nicht gerecht, und die übertriebenen Erwartungen, die sie weckte, führten zu Enttäuschungen und Konflikten und erzeugten Schuldkomplexe.

Eine zweite große Schwäche der axialen Religionen war eine Folge der soeben beschriebenen. Als das neue Menschenvorbild und die neue Lebenslehre in der Kirche zur Institution geworden waren, bauten die neuen Menschheitsführer in ihr System, um ihm Dauer zu verleihen, eben jene Elemente wieder ein, von denen sie Befreiung gesucht hatten, die Funktionen der Zivilisation. Mit der Zeit nahm die Kirche als organisierte Körperschaft den Platz der lebenden Person ein, die sie gegründet hatte. Durch Rituale und Andachtsübungen, durch symbolische »Werke« und durch praktische Betätigung, die sich in der Gründung und Leitung wirtschaftlicher Unternehmungen und der Errichtung von großen Gebäuden äußert, trägt die Kirche als Organisation die Uridee in alle Teile der Gemeinschaft, doch in dem gleichen Maße, in dem sie äußerlich erfolgreich ist, trübt sie das Licht der inneren Erleuchtung und leitet die neu erschlossenen Kraftströme in die alten Kanäle der leeren Routine.

Die Folgen dieses Widerspruches können nicht mehr rückgängig gemacht werden, denn die axialen Propheten sahen seine Auswirkungen in ihrer Unschuld nicht voraus und trafen auch keine Vorsichtsmaßnahmen. So wurde Buddha entgegen seiner eindeutig antitheologischen Lehre zum Gott, und trotz der eindringlichen Warnungen Jesu besteht ein großer Teil der Religionsausübung der Christenheit in jenen von den Heiden praktizierten und von ihm verbotenen Wiederholungen.

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§ 6

 

Doch die von uns aufgezeigten historischen Schwächen der axialen Religionen sind nicht typische Merkmale der übernatürlichen Religion, sondern allgemeine Erscheinungen in der Naturgeschichte aller Ideen und Institutionen. Von dieser Geschichte und ihren Zwangsläufigkeiten wußten die frühen Propheten zu wenig, um Mißverstehen und Verkehrung ihrer Absichten vorsorglich verhüten zu können, und diejenigen, die das häufige Abweichen des axialen Geistes von seinem geraden Weg so zynisch kritisiert haben, zeigen durch ihren Zynismus, daß sie ebenso ahnungslos sind.

Anderswo (in The Condition of Man) habe ich versucht, darzulegen, wie eine Idee, die stark und groß genug ist, den Menschen und die Gemeinschaft umzuformen, entsteht und wirkt. Dieser Vorgang kann in vier Stadien eingeteilt werden, die normalerweise einander ablösen, obwohl Elemente der letzten Stadien schon im Anfang wirksam sind.

Das erste Stadium ist das der Formulierung. In ihm nimmt eine neue Idee in verschiedenen Köpfen, spontan wie bei einer Mutation, Gestalt an; sie stellt sich dar als ein Bild neuer Möglichkeiten, das manchmal intuitiv erschaut, manchmal rational erfaßt wird, doch sie ist noch zerbrechlich und vergänglich, da sie noch keine Organe hat. 

Das nächste Stadium in Richtung auf die Verwirklichung ist die Inkarnation, die Fleischwerdung der Idee in der lebendigen Form eines Menschen und in die Gedanken, Taten und Pläne seiner Existenz. Wenn nur wenige die dynamischen Möglichkeiten der abstrakten Idee zu begreifen vermögen, so sind doch viele fähig, sie in ihrem konkreten Beispiel zu erkennen, denn durch den Akt der Inkarnation wird die potentielle Kraft der Idee aktiviert und ausgestrahlt.

Wenn die Inkarnation vollzogen ist, beginnt als nächstes Stadium die Inkorporierung, die Verbreitung der Idee in der Gemeinschaft durch die Praktizierung von Lehre und Glauben in den Verrichtungen des täglichen Lebens, in Kleidung, Ernährung und Erziehung und durch entsprechende Neugestaltung des Gemeinschaftslebens, seiner Bräuche und Gesetze. 

Im letzten Stadium, der Statuierung, gelangt die Uridee materiell zum Ausdruck in Gestalt von Werken der Kunst und der Technik, in Gebäuden, Denkmälern, Landschaftsformen und Städten, ein Vorgang, der sich, wenn das Fundament einmal gelegt ist, ebenso schnell vollziehen kann wie die Entwicklung der Steinarchitektur bei den Pyramiden.

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Die ersten beiden Stadien betreffen in der Hauptsache das Individuum; sie stellen die Introvertierung (das Nach-innen-Kehren) des Interesses dar, die zu einer Ausweitung der Möglichkeiten der Selbstentfaltung führt, wie keine der ändern Gesellschaftsformen sie bieten kann. In diesem Stadium sucht das Selbst durch innere Einkehr die tiefsten Quellen seiner Eigenschöpferigkeit zu erschließen, und dieses Werk kann es nur allein vollbringen. Diesen Vorgang hat Toynbee die Phase der Vergeistigung genannt. Doch die letzten Stadien kehren diesen Prozeß um und verlegen seinen Wirkungsbereich; die inneren Kräfte wenden sich nach außen und operieren in der Gemeinschaft. Inkorporierung und Statuierung suchen den indivuellen Erfolg durch Reformierung der Gesellschaft zu bestätigen und zu bekräftigen. In der axialen Religion ist die Materialisation, wie ich diesen Vorgang nenne, ein Versuch, eine soziale Methode zu finden, um den Prozeß der Selbstverwandlung weiterzutreiben, wenn die ursprüngliche prophetische Erleuchtung zu erlöschen beginnt.

Dieser Wechsel von Vergeistigung und Materialisation, von Introvertierung und Extravertierung, ist nach meiner Auffassung ein fundamentaler Prozeß, der das Individuum und die Gemeinschaft vereint, und seine beiden Phasen sind unerläßlich und gleich wichtig. Denn ohne die soziale Phase wäre die individuelle Anstrengung vergeblich, und ohne die individuelle Forderung nach Freiheit würde die Gesellschaft erstarren und zerfallen, wie die meisten historischen Zivilisationen an ihren eigenen Erfolgen zugrunde gegangen sind. 

Diejenigen, die das Verdienst der Ideen schmälern, unterschätzen die stete Wirkung menschlichen Denkens und Wollens und unterstellen, daß der gesamte Prozeß der sozialen Entwicklung äußerlich und automatisch, wenn nicht gar zufällig sei; nach ihnen wären alle Veränderungen, die im Menschen vor sich gehen, nur die Wirkung von Kräften und Institutionen seiner Umwelt. Diejenigen aber, die im Stadium der Materialisation nur eine Profanierung der Uridee sehen, leugnen die Bereicherung ihres Inhalts und die Ausweitung ihrer Möglichkeiten, die diese Materialisation mit sich bringt. Nur in der Dämmerung der großen Kathedralen von Chartres, Durham und Notre-Dame vermag das menschliche Augen einen Blick in den Himmel der Christenheit zu tun.

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In einem Sinn sind die Hoffnungen des axialen Propheten betrogen worden, denn die geistige Verwandlung, die er so schnell erreichen wollte, wird auf der Ebene des Kollektivs erst wirksam, wenn sie die sozialen Institutionen umgeformt hat. Im Lichte seiner ursprünglichen Vision gesehen, verdunkelt sich seine Hoffnung auf eine endgültige Veränderung aller Menschen bald, denn der Prozeß vollzieht bich in der Mehrzahl der Individuen nicht so schnell und nicht so gründlich wie bei ihm; die Sünder, die Rückfälligen und vor allem die Lauen machen seine ganze Anstrengung zunichte. 

Im Anfang wenden sich ihm die Massen zu, weil er ihnen einen Weg der Entwicklung zeigt, der ihr Alltagsleben von seinen Unzulänglichkeiten zu befreien verspricht; sie sind Mensch genug, ihre eigenen Beschränkungen überwinden zu wollen und Ziele zu wählen, die höher sind als diejenigen, die ihre Gesellschaft ihnen bot. Doch wenn sie das große Experiment wagen, begegnen sie vielen unvorhergesehenen Schwierigkeiten und werden mutlos; sie sind wie der kleine Junge, der ernsthaft wünschte, lesen zu können, sich jedoch nach der ersten Lektion beklagte, daß er lesen können, aber nicht lesen lernen wollte. Der axiale Weg, der alles der individuellen Seele überläßt, ist nicht so bequem, wie er zu sein scheint, und selbst der Erfolg auf ihm bringt Enttäuschung und vor allem Vereinsamung mit sich.

Von Anfang an suchten die axialen Propheten ihre Idee rein zu erhalten, indem sie sich aus allen politischen Verantwortungen ihrer eigenen Gemeinschaft zurückzogen. Ihre Methode bestand darin, einen Bund oder eine Brüderschaft zu bilden oder eine Kolonie gleichgesinnter Menschen zu gründen, die bereit waren, in vollkommener Isolierung und im Einklang mit der Lehre des Propheten zu leben. Die neuen Gemeinschaften, wie die der Buddhisten, Pythagoräer, Epikuräer, Essener, Manichäer, Augustinianer und Benediktiner, überdauerten oft die größeren Gesellschaftsformen, von denen sie ein Teil waren. Doch solche kleinen Gruppen konnten nicht hoffen, die größere menschliche Bruderschaft zu verwirklichen, von der die Propheten geträumt hatten. Ihre Mitglieder suchten Reinheit in der Entsagung und ließen die verderbte Welt weitersündigen, ja, ihre eigene Erlösung machte sie anfällig für die speziellen Laster des Mönchstums, Selbstgenügsamkeit und geistige Stumpfheit, die durch ein von den Herausforderungen der Welt befreites Leben geweckt wurden.

Tatsächlich aber brachte die axiale Kultur ein Selbst hervor, das bei weitem befähigter war, eine komplexe politische Organisation zu leiten, als das zivilisierte Selbst im Rahmen seiner Stammes- und Landesgrenzen.

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Denn das axiale Selbst, abgehärtet und diszipliniert durch die strenge Zucht des Klosterlebens, besaß Ausdauer, Voraussicht, Selbstbeherrschung und Selbstkritik, und diese Eigenschaften wurden noch verstärkt durch den Geist der Opferbereitschaft für ein fernes, hohes Ziel. Diese Tugenden waren wertvoller als die der Soldaten und Bürokraten, die durch monotone Beschäftigung abgestumpft waren und nur durch die Aussicht auf begrenzte irdische Belohnung angespornt wurden. Es stellt vielleicht keinen Zufall dar, daß die Kirche von Rom die älteste, wirksame übernationale, politische Organisation ist. Doch die Überlegenheit des axialen Selbst in der wirksamen Anwendung zivilisatorischer Funktionen barg eine neue Gefahr; der axiale Mensch nahm die Laster der Zivilisation an, die er so geschickt zu beherrschen und auszubreiten verstanden hatte, und verwirkte durch diesen Triumph den Hauptdaseinsgrund der axialen Kultur.

Jede höhere Religion hat also in ihrer Entwicklung an einem bestimmten Punkt Halt gemacht und ihr Ziel in der gleichen Weise aufgegeben wie die Zivilisation, von der sie die Menschen befreien wollte. In allen axialen Religionen stoßen wir zu unserem großen Unbehagen auf die Beschränkungen der Stammesgemeinschaft und der nationalen Institutionen. Trotz zugestandener Freiheit in der Wahl der Religion wird man als Buddhist oder Christ geboren, fast ebenso wie man als Kaffer oder Eskimo geboren wird. Anstatt mit andern Menschen frei zu verkehren und mit ihnen die Gaben des Geistes auszutauschen, hat eine axiale Religion sich oft in hartnäckigem Stolz auf ihre eigene Wahrheit, ja, in einem Verlangen nach Herrschaft mit allen ändern verfeindet. Mohammeds Toleranz gegenüber Moses und Jesus war eine glückliche Ausnahme, obwohl sie keine Bruderschaft zwischen Christen und Juden herbeiführte. In der langen Geschichte der menschlichen Grausamkeit bildet die Behandlung der Häretiker und der Andersgläubigen durch die axialen Religionen die schwärzeste Seite, und die traurigsten Kapitel stellen die blutigen Religionskriege dar.

Wenn der Prozeß der Materialisation so weit fortgeschritten ist, daß die Spannung zwischen innerem Selbst und äußerer Welt dem Zerreißpunkt nahekommt, bleibt nur eine Hoffnung; die axiale Religion muß einen Prozeß durchlaufen, der ihre natürliche Wachstumsfolge umkehrt, d.h. durch Entkörperung und Auflösung zu Vergeistigung und Erleuchtung zurückführt.

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Bezeichnenderweise beginnen solche religiösen Reformen oft mit Akten der Bilderstürmerei, mit dem Zerstören von Heiligenbildern, der Plünderung von Heiligtümern und Gotteshäusern und dem Fernbleiben von den traditionellen Zeremonien. Doch der Erfolg dieser Bewegung hängt davon ab, ob es ihr gelingt, eine würdige Reinkarnation des Propheten hervorzubringen und der Uridee die Einsichten und die Erkenntnisse, die spätere menschliche Erfahrung gesammelt hat, organisch anzugliedern. Diese Wiedergeburt ist nicht leicht. Heute, in einer Zeit, da der universale Mensch wie nie zuvor danach verlangt, wiedergeboren zu werden, sind die axialen Religionen ein fast ebenso großes Hindernis für diese Wiedergeburt wie die abgeschlossenen Stammesgemeinschaften und Nationalstaaten. Welche axiale Religion hat je durch Nächstenliebe und Demut die Universalität verwirklicht, zu der ihr Stifter sich bekannt hatte?

 

   § 7  

 

Der Übergang vom zivilisierten Menschen zum axialen Menschen war ein Fortschritt, denn er erweiterte den Bereich der Moralität und erhöhte die Bereitschaft zu Selbstbesinnung und Selbstentfaltung, die in den nach außen gerichteten Gesellschaften gering geschätzt worden waren. Die Götter kehrten in die menschliche Seele zurück als Freunde, als Helfer, als Hebammen einer höheren, geistigen Geburt. Dem Menschen waren Möglichkeiten eröffnet worden, die über alle Grenzen von Raum und Zeit in die Ewigkeit wiesen. 

Doch die Verwandlung blieb unvollständig; ausgenommen in einzelnen Seelen, hat der axiale Mensch den zivilisierten Menschen nie ganz verdrängt oder sich mit ihm ausgesöhnt. Die Hoffnung, diese Aufgabe mit dem Hebel axialen Denkens zu bewältigen, war eitel gewesen. Obwohl der introvertierte Heilige den Helden als Führer und Vorbild der neuen Gemeinschaft zu ersetzen suchte, war er ebensowenig wie der extravertierte Held in der Lage, dem ganzen Menschen gerecht zu werden, noch War es der axiale Philosoph.

Doch zumindest war dies erreicht: 

Auf ihrer Suche nach Werten, die dem Rang des Menschen gemäß waren und für alle Menschen gültig sein sollten, haben die axialen Religionen und Philosophien die Basis menschlicher Beziehungen erweitert. Die grundlegenden Ähnlichkeiten zwischen den Werten und Zielen der axialen Ideologien wiegen ihre Unterschiede auf; sie kommen sich in ihrer Auffassung von der Natur und Bestimmung des Menschen so nahe, daß die tausend Widersinnigkeiten und Gegensätzlichkeiten grotesk erscheinen, die primitivere Kulturen, selbst nachdem sie zivilisatorische Formen angenommen hatten, kennzeichneten.

Hierdurch trieben die axialen Ideologien bis zu einem bemerkenswerten Grad eine Entwicklung voran, die auf äußeren Zusammenschluß und geistige Einheit abzielt und in wachsendem Maß ein Kennzeichen echten menschlichen Fortschritts geworden ist. Das erhöhte Super-Ego der axialen Religionen ist ein wertvoller Beitrag zu einem künftigen, die ganze Menschheit umfassenden Universalismus, ja, eine unerläßliche Voraussetzung für seine Verwirklichung.

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   Lewis Mumford 1956