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11   Empfängnisverhütung und Abtreibung

Neuffer-1992

 

94-102

Sowohl bei der Empfängnisverhütung wie beim Schwangerschaftsabbruch handelt es sich um Schlüsselstrategien für gleich zwei Hauptziele im Sinne der hier vorgetragenen Thesen: das fundamentale Ziel, niemanden ohne seine Zustimmung ins Leben zu setzen, und das zeitbedingt‐aktuelle [Ziel], die Wucht des exponentiellen Bevölkerungs­wachstums, wenn irgend möglich, etwas abzumildern.

Die Zusammenhänge sind allgemein bekannt und als solche unbestritten. Ohne die kreuzzugartige Kampagne der Römisch‐katholischen Kirche würde man nicht viele Worte darüber verlieren, sondern alles daran­setzen, die Geburtenzahlen durch den Einsatz jedes sich bietenden humanen Mittels zu verringern.

Daß es zu sehr unterschiedlichen Meinungen über die Zulässigkeit der Abtreibung kommt, läßt sich allerdings auch von Nichtgläubigen mühelos nachvollziehen. Hier geht es ja in der Tat um die Beendigung menschlichen Lebens ‐ wenn auch nicht um die Beendigung des Lebens von Menschen.

Dagegen fällt es schwer, das kirchliche Verbot, empfängnisverhütende Mittel anzuwenden, auch nur intellektuell zu verstehen. Das kann nicht daran liegen, daß Papst Johannes Paul II. sich nicht oft und eindring­lich genug in dieser Sache geäußert hätte.

Er hat das völlige Verbot aller empfängnisverhütenden Mittel zwar nicht erlassen. Dies stammt aus einer Enzyklika Pauls VI. Doch er hat es mit besonderem Nachdruck immer wieder als besonders wichtig hervor­gehoben und wortreich erläutert.

Nur, warum Empfängnisverhütung »als Akt immer innerlich unanständig (disonesto)« sein soll, das bedürfte doch einer plausiblen Begründung und nicht der Verweisung darauf, daß Eheleute »jene Erleuchtung finden« können, »die ihnen erlaubt, mit göttlicher Gnade jene unvermeidlichen Schwierigkeiten zu überwinden, die sie in wenig günstigen sozialen Umständen und in einer von leichtfertigem Hedonismus geprägten Umwelt antreffen«.

Nicht einmal die sogenannten natürlichen Methoden der Empfängnisvermeidung dürfe man »als >erlaubte< Variante einer Wahl gegen das Leben praktizieren; dies wäre im Grunde ähnlich der Empfängnisverhütung«.

Die Kennzeichnung des Überbevölkerungselends mit seinen 40.000 Tag für Tag verhungernden Kindern als »wenig günstige soziale Umstände« kann man nur als Ergebnis einer erschreckenden Wirklichkeitsverdrängung deuten. Das ist schlimm, aber davor sind auch höchste Priester nicht gefeit.

Wirklich bestürzend ist es, daß die gesamte Kirchenhierarchie sich solchem ‐ mit Verlaub ‐ mörderischen Unsinn, wenn auch manchmal widerstrebend, fügt. Sie lädt damit schwere Schuld auf sich und verliert jede Glaubwürdigkeit, wenn sie an anderer Stelle auf die Heiligkeit des Lebens pocht.

Nun könnte man diesem Kirchenkampf gegen Empfängnisverhütung mit einer gewissen Gelassenheit zusehen, wenn es sich nur um die Verhütungspraxis in den bevölkerungs­stabilen Industrieländern handelte. Hier empfinden auch kirchentreue Katholiken in ihrer großen Mehrheit solche Lehre nicht mehr als verbindlich und ignorieren das Verbot weitgehend.

In den geburtenstarken Entwicklungsländern sieht die Sache aber anders aus.

Hier haben die Bemühungen um die Akzeptanz von Programmen zur Familien­planung ohnehin schon mit dem Widerstand traditionalistischer Vorstellungen und Praktiken zu kämpfen. Soziale Gründe für eine große Kinder­zahl kommen hinzu. Wenn dann eine vielfach motivierte Ablehnung von allen Maßnahmen der Empfängnis­verhütung von der einflußreichen katholischen Kirche mitgetragen wird, so müssen die Auswirkungen beträcht­lich sein. Das gilt vor allem für eine Reihe afrikanischer Länder und Südafrika. Geradezu dramatisch waren die Auswirkungen auf den katholischen Philippinen, wo die Familienplanung zeitweilig zum Erliegen gekommen ist.

Ihren stärksten Erfolg hat die katholische Kirche allerdings in den USA erzielt, die in der Carter‐Ära erhebliche internationale Anstrengungen zur Familien­planung unternommen hatten. Die Reagan‐Administration hat hier 1984 auf der zweiten Weltbevölkerungskonferenz in Mexiko aus opportunistischer Rücksichtnahme auf den konservativen Flügel der Republikaner eine Kehrtwendung vollzogen. Alle finanziellen Zuwendungen an die Bevölkerungs­organisation der Vereinten Nationen und andere international tätige Institutionen der Familienplanung wurden gestrichen, soweit die Empfänger sich nicht zu einem völligen Verzicht auf die Unter­stützung oder Duldung von Abtreibungen verpflichteten. Dazu waren diese weder in der Lage, noch bereit.

So wurde den weltweiten Bemühungen um die Eindämmung der Bevölkerungsexplosion ein Schlag versetzt, der bis heute unverändert wirksam ist.

Daß die Kirchenkampagne gegen Mittel zur Empfängnisverhütung sich auch auf die immer wichtiger werdende Eindämmung von AIDS negativ auswirkt, sei nur am Rande erwähnt.

Doch es ist nicht zu erwarten, daß der polnische Papst noch zu irgendwelchen Einsichten zu gewinnen wäre. Nach Lage der Dinge müssen wir uns mit der Hoffnung begnügen, daß Paul Johannes II. einen Nachfolger bekommen möge, der die unselige Position seiner Kirche in der Frage der Empfängnis­verhütung revidiert.

Bei der Abtreibungsfrage wird man einen Sinneswandel dieser Art kaum erhoffen dürfen. Hier hat sich die Kirche ‐ übrigens auch mit größerer Resonanz unter den Gläubigen ‐ sehr festgelegt: Schon die Zygote, das gerade befruchtete Ei, sei individuelles menschliches Leben, das nach Gottes Wille unverfügbar sei.

Zwar lassen sich auch in Rom beträchtliche Unterschiede zwischen einer Zelle und einem aus Zellen bestehenden Menschen nicht übersehen. Aber, so lautet die Begründung, der Übergang sei stufenlos und verbiete damit differenzierende Einteilungen. In der Potentialität der Zelle zur Entwicklung des ausdifferenzierten Menschen sei ihre uneingeschränkte Schutz‐Würdigkeit begründet. Daher sei jede Abtreibung Mord.

Dem folgt im Prinzip übrigens auch die gemeinsame Erklärung aller christlichen Kirchen von 1989.

Diese Argumentation lebt mehr von ihrem Pathos als von der Kraft ihrer Logik. Denn es gibt natürlich zwischen der Empfängnis und der Geburt eine ganze Reihe von Entwicklungsstadien, deren Kriterien sich hinreichend genau definieren und zuordnen lassen, um Rechtsfolgen daran zu knüpfen.

Gewiß vollzieht sich die Entwicklung vom befruchteten Ei über die verschiedenen Phasen der Fötenbildung und der Kindheitsphasen kontinuierlich, sowohl innerhalb wie außerhalb des Mutterleibes. Man kann Tag und Stunde des Auftretens bestimmter Schlüsseleigenschaften nicht festlegen. Aber man kann für jede dieser Eigenschaften zwischen solchen Stadien unterscheiden, in denen sie mit Sicherheit noch nicht existieren, solchen, in denen sie sich entwickeln können, und solchen, in denen sie mit Sicherheit vorhanden sind.

Man kann den Stimmbruch nicht datieren. Aber man weiß genau, bis wann er noch nicht stattgefunden hat und ab wann er eine unwiderrufliche Tatsache ist. Die Gradualität der Übergänge im organischen Leben schließt also die Aufeinanderfolge markant verschiedener Entwicklungsetappen keineswegs aus. Erst recht hebt sie die essentielle Verschiedenheit einer Urzelle oder einer frühen Zellkonfiguration von homo sapiens von einem voll ausgebildeten, empfindenden, denkenden, zentral gesteuert handelnden Menschen nicht auf.

So ist die Behauptung der Kirchenerklärung, daß der Entwicklungsprozeß der Leibesfrucht »einen kontinuierlichen Vorgang darstellt und keine einsichtig zu machenden Einschnitte aufweist, an denen etwas Neues hinzukommt«, in ihrer zweiten Aussage schlicht falsch. Etwas »Neues«, das auch vom Laien als konstitutive menschliche Funktion angesehen wird, ist z. B. das Einsetzen der Hirntätigkeit beim werdenden Menschen.

Nun hat Hans‐Martin Sass (Medizin und Ethik) vorgeschlagen, den Lebensschutz des Fötus mit dem frühestmöglichen Beginn des Hirnlebens einsetzen zu lassen. Dieses hängt von der Ausbildung der Synapsen ab, deren Entwicklung in der späteren Großhirnrinde frühestens am 57. Tag nach der Empfängnis beginnt. Die damit verbundene Vernetzung der Nervenzellen ist Voraussetzung für die neuronale Kommunikation und damit für die biologische Funktions­fähigkeit des Gehirns.

Sass schlägt vor, mit dem Beginn der Synapsenbildung von »Hirnleben« zu sprechen und darin den Beginn des personalen Lebens zu sehen. Er zieht die Parallele zum »Hirntod«, der in der Medizin die Herz‐Kreislauf‐Definition für die menschliche Todesfeststellung abgelöst hat. Wenn die Gehirntätigkeit zum Stillstand gekommen ist, wird das personale Leben als erloschen angesehen. Nach diesem Vorschlag sollen also Beginn und Ende des rechtlich geschützten Lebens an das gleiche Kriterium geknüpft werden: an das Vorhandensein wenigstens minimaler Hirnfunktionen.

en.wikipedia  Hans-Martin_Sass *1935

Damit wäre Klarheit darüber geschaffen, daß der Fötus in der Frühphase seiner Entwicklung am allgemeinen grundrechtlichen Lebensschutz keinen Anteil hat. Praktisch wären damit die weitaus meisten Problem‐ und Konfliktfälle gelöst. Es bedürfte vor einer Schwangerschaftsunterbrechung innerhalb der 57‐Tage‐Frist keiner besonderen Pflichtberatung oder Indikationsstellungen mit allen ihren Demütigungen und Unzumutbarkeiten für die schwangere Frau. Ihre Entscheidung über die Abtreibung ist in dieser Frühphase wirklich eine Entscheidung über den eigenen Körper, nämlich darüber, ob sie ihn für die Ausbildung eines bisher nur potentiell vorhandenen neuen Menschen zur Verfügung stellen will oder nicht. Eine Abwägung konkurrierender Lebensinteressen zwischen Mutter und ungeborenem Kind entfällt in diesem Stadium mangels eines ungeborenen Kindes.

Damit würde auch endgültig jener absurde Anspruch des befruchtenden Mannes auf Austragung »seines Kindes«, der schon ernsthaft geltend gemacht worden ist, hinfällig. Nach Ablauf der ‐ angenommenen 57‐tägigen ‐ Frühphase der Schwangerschaft, also mit dem möglichen Beginn des Hirnlebens, setzt auch eine gewisse Schutzbedürftigkeit des ungeborenen Lebens ein. Von da an wird die Interessenkonkurrenz zwischen dem Fötus mit seinem kreatürlichen Lebensimpuls und der schwangeren Frau, die das werdende Kind ‐ aus welchem Grunde auch immer ‐ nicht austragen will, relevant.

Unstreitig dürfte es sein, daß eine Schwangerschaft, die mit einer Lebensgefahr für die Frau verbunden ist, jederzeit unterbrochen werden darf. Ob es neben dieser medizinischen Indikation auch andere Gründe geben soll, eine Schwangerschaft abzubrechen, und unter welchen Voraussetzungen das geschehen darf, gehört zu den am heftigsten umstrittenen Themen unserer Gesellschaft. Dabei sind auf allen Seiten Wertungen im Spiel, die sich einer argumentativen Zusammenführung in hohem Maße widersetzen.

Der Forderung nach einem rigorosen, strafrechtlich geschützten Abtreibungsverbot stehen eine erbitterte Ablehnung aller staatlichen Einmischung in den privaten Intimbereich und eine verbreitete moralische Akzeptanz der Abtreibung gegenüber. Wer die religiöse Position von der Heiligkeit des Lebens vertritt, wird dem Lebensschutz für den Fötus grundsätzlich Vorrang vor den Interessen der Frau am Abbruch der Schwangerschaft zuerkennen. Nur setzt das ein behauptetes Wissen voraus, das keineswegs allen Zeitgenossen einleuchtet: daß Gott nämlich will, daß jeder Fötus ausgetragen wird, auch ohne Rücksicht auf vielleicht vitale entgegengesetzte Wünsche der schwangeren Frau, ohne Rücksicht auf vielleicht wohlbegründete Bedenken gegenüber dem voraus­sichtlichen Lebensschicksal des erwarteten Kindes.

Warum aber sollte Gott, in dessen Schöpfungsplan die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs und der real auftretende, dringliche Wunsch nach einem solchen Schritt doch ihren Platz gefunden haben, der Schwangeren das Ausführungsrecht von vornherein versagt haben?

Gewiß, wir erkennen das Tötungsverbot des Dekalogs ["Zehn Gebote"; deto] als Kernsatz der humanistischen Sittlichkeit an. Aber viele von uns, wahrscheinlich die meisten, tun dies nicht, weil sie darin ein von Gott erlassenes Gebot sehen, sondern weil dieses Prinzip die elementare Grundlage jedes menschlichen Umgangs miteinander ist. Ohne gegenseitigen Respekt vor dem Leben, der Würde, dem Verfügungsrecht aller anderen Menschen gibt es keine humane Umwelt, in der wir gedeihen können. Die in der Praxis allzu häufigen Verletzungen dieser Grundsätze widerlegen ihre Geltung nicht, sondern verdeutlichen sie nur. Es bedarf also keiner göttlichen Weisung, um das Tötungsverbot verbindlich zu machen. Es ist selbstverständlicher Teil unserer sozialen Sittlichkeit, Ausfluß unseres aller ureigenen Interesses.

Die Frage nach dem Lebensinteresse mag uns auch beim Abtreibungskonflikt hilfreich sein. Was die Frau will, weiß sie: kein Kind. Das kann ein der Bequemlichkeit entsprungener Wunsch sein ‐ ebenso aber auch ein bitterer Verzicht oder die wohlbegründete Verfolgung anderer Lebenspläne. Wird sie gezwungen, die Leibesfrucht auszutragen, so wird sie damit in veränderte Lebensbedingungen von oft unabsehbarer Tragweite und in eine Verantwortung hineingestoßen, die sie nie gewollt hat oder jedenfalls inzwischen nicht mehr will, denen sie nicht gewachsen ist oder sich nicht gewachsen fühlt ‐ die sie jedenfalls auch um den Preis der mit jeder Abtreibung verbundenen emotionalen und sozialen Belastungen ablehnt. Für die Frau trägt die Entscheidung für oder gegen ein Kind lebensprägenden, existentiellen Charakter.

Letzteres kann man ebenso für das Objekt der Entscheidung, den Fötus, sagen. Doch wird hier mit der identischen Formulierung etwas ganz anderes ausgesagt. Für den Fötus bedeutet die vorgeburtliche Tötung zwar das Abschneiden seiner Lebenschance. Es ist dies aber eine Perspektive, von der er nichts weiß und die ihm im Sinne menschlicher Schicksalhaftigkeit nichts bedeuten kann.

Es fehlt ihm das Bewußtsein seiner selbst, es fehlen ihm Wünsche und Erwartungen, es fehlt ihm jede Lebensmotivation, ausgenommen das automatisch‐natürliche Funktionieren seines Organismus.

So stehen gegeneinander die realen Lebensgüter der Schwangeren, ihr gewußtes Schicksal, und die bewußtlose Potentialität des Fötus. Diesem den Vorrang einzuräumen wäre eine Entscheidung, die im Rahmen der üblichen Güterabwägung unseres Rechtssystems nicht begründbar ist. Nur wer aus religiöser Überzeugung die Höchstwertigkeit jeder Form von menschlichem Leben postuliert, kann gegen die Schwangere votieren.

Auch wer sich persönlich zu dieser Wertung bekennt, sollte allerdings überlegen, ob er ihre Durchsetzung in der Gesellschaft durch staatliche Verbote und Strafandrohungen erzwingen will. Abgesehen davon, daß solche Versuche aller Erfahrung nach von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, sollten im weltlich organisierten Staat religiöse Überzeugungen nicht in hoheitliches Handeln überführt werden.

Natürlich brauchen wir für unser komplexes Zusammenleben und seine Reglementierung einen Orientierungsrahmen ethischer Normen, in die auch subjektive Wertungen eingehen. Zum Gesetz sollten wir aber nur machen, worüber ein rational begründbarer Grundkonsens besteht. Das ist hier sicher nicht der Fall. Schließt man sich diesen Überlegungen an, so bedeutet das für unser Problem die völlige Freigabe der Abtreibung bis zum Zeitpunkt der Geburt. Während der gesamten Dauer der Schwangerschaft ist die Interessenkonkurrenz zwischen der Schwangeren und dem Fötus in ihren relevanten Elementen unverändert. Tatsächlich gilt das an sich sogar für einen beschränkten ersten Zeitraum nach der Geburt. Trotzdem muß man insoweit zu einem anderen Ergebnis kommen. Norbert Hoerster, der das Gesamtthema luzide behandelt (Abtreibung im säkularen Staat), hat überzeugend dargelegt, warum der strafrechtliche Lebensschutz mit dem Zeitpunkt der Geburt einsetzen sollte.

Eine letzte Überlegung ‐ oder Frage ‐ an die, deren Empfinden sich gegen die Freigabe der Abtreibung spontan und heftig sträubt: Wäre es denn wirklich der falsche Weg, wenn in einer heillos überbevölkerten Welt nur die Kinder geboren werden, deren Mütter sie wollen?

Allerdings ist den Kritikern der Schwangerschaftsunterbrechung darin recht zu geben, daß der Eingriff in jedem Fall ein Übel für die Frau darstellt. Im harmlosesten Fall ist sie eine lästige Komplikation. Aber für eine Frau, die sich schon mit der Schwangerschaft und der Perspektive auf ein Kind identifiziert hat, möglicherweise längst vor der Befruchtung, kann sich der Abbruch doch als ein körperlicher und seelischer Eingriff darstellen, den sie nicht ohne Schmerzen überwindet.

Hier, im psychologischen Bereich, im Erlebnisfeld der Schwangeren, gilt in der Tat, daß sie das werdende Leben vom Tag der Empfängnis an als etwas für sie höchst Relevantes zu erfahren vermag, das mit dem Beginn der Gehirntätigkeit des Fötus nicht das geringste zu tun hat. Die Vorstellung dieses »keimenden Lebens«, das Bewußtsein, daß hier ein Kind sich zu entwickeln angefangen hat, ihr Kind, ein mögliches Objekt von Liebe und Lebens­bedeutung, das kann den dann doch gefaßten ‐ wie auch immer motivierten ‐ Entschluß zur Abtreibung zu einer tief negativen Erfahrung machen.

Wenn man überhaupt Abtreibungsverbote in Erwägung zieht, so wären sie also nicht unter dem Aspekt des Schutzes von Menschenleben, sondern des Schutzes von schwangeren Frauen vor möglichen eigenen Verlust‐ oder Schulderfahrungen zu diskutieren. Daraus läßt sich nun freilich keine hinreichend starke Begründung für einen so schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Rechtssphäre aller Frauen gewinnen, wie ihn ein Abtreib­ungsverbot darstellen würde.

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detopia-2022
Zur (großen) Mit-Verantwortung des kath. Klerus an der Zunahme der Weltkopfzahl habe ich auf detopia viel Material, etwa bei Löbsack, Ditfurth, Weinzierl.
Es gibt natürlich weitere "Groß-Gründe". Aber beim Klerus ist das Dilemma verdichtet. "Vernunft zählt nicht."
Ähnlich gelacht haben wir früher über die Betonköpfe in Moskau (vor 1985). Und heute hören wir fassungslos Demokratienachrichten aus den USA (kein Parlamentspräsident).

 

 

 

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Martin Neuffer - 1992