George Orwell1984Zukunftsroman (1949)
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Audio Hörbuch Teil 1 (dlf-2021)
aus wikipedia-2023
1984 (Originaltitel: Nineteen Eighty-Four, deutscher Alternativtitel: Neunzehnhundertvierundachtzig), geschrieben von 1946 bis 1948[1] und erschienen im Juni 1949, ist ein dystopischer Roman von George Orwell (eigentlich Eric Arthur Blair), in dem ein totalitärer Überwachungsstaat im Jahr 1984 dargestellt wird.
Hauptperson der Handlung ist Winston Smith, ein einfaches Mitglied der diktatorisch herrschenden, fiktiven Staatspartei Sozialistische Partei Englands, auf die sich die herrschende politische Ideologie Engsoz (Englischer Sozialismus, orig. Ingsoc) stützt.
Der allgegenwärtigen Überwachung zum Trotz will Smith seine Privatsphäre sichern und etwas über die real geschehene Vergangenheit erfahren, die von der Partei durch umfangreiche Geschichtsfälschung verheimlicht wird. Dadurch gerät er mit dem System in Konflikt, das ihn gefangen nimmt, foltert und einer Gehirnwäsche unterzieht.
Orwell begann mit dem Verfassen des Buches im Jahr 1946 während seines Aufenthaltes auf der Insel Jura vor der Küste Schottlands[2] und stellte es Ende 1948 fertig.[1][3] Der Titel enthält den Zahlendreher der Jahreszahl 1948 zu 1984 als Anspielung auf eine zwar damals noch fern erscheinende, aber (ähnlich wie Orwells vorangegangener Roman Farm der Tiere) doch eng mit der damaligen Gegenwart verknüpfte Zukunft. Die Erstausgabe des Buches kam in London am 8. Juni 1949 in den Verkauf.
Der Roman wird oft dann zitiert bzw. sein Titel oder der Name Orwell genannt, wenn es darum geht, staatliche Überwachungsmaßnahmen kritisch zu kommentieren oder auf Tendenzen zu einem Überwachungsstaat hinzuweisen.
Inhalt
Die Welt ist in die drei verfeindeten Machtblöcke Ozeanien, Eurasien und Ostasien aufgeteilt, die sich in dauerhaftem Krieg miteinander befinden. Die Handlung des Romans spielt in Ozeanien, das Nord- und Südamerika, die britischen Inseln, Australien und das südliche Afrika umfasst, wobei Winston Smith im „Landefeld 1“ (das ist England) lebt. In dem diktatorisch und totalitär geführten Staat unterdrückt eine vom – nie wirklich sichtbaren – Großen Bruder (Big Brother) geführte Parteielite (Innere Partei) die restlichen Parteimitglieder (Äußere Partei) und die breite Masse des Volkes, die „Proles“.
Die allgegenwärtige Gedankenpolizei überwacht permanent alle Parteimitglieder. Mit nicht abschaltbaren Geräten (Teleschirmen, engl. telescreens), die zugleich alle Wohnungen visuell kontrollieren und abhören, schürt das Staatsfernsehen Hass auf den Staatsfeind Emmanuel Goldstein, der angeblich eine gegen die Partei gerichtete Untergrundorganisation, die Bruderschaft, leitet.
Dieser Hass wird den Menschen als Teil der allgegenwärtigen Propaganda täglich neu eingehämmert und dient dazu, die Bevölkerung durch das gemeinsame, allgegenwärtige und anscheinend übermächtige Feindbild zusammenzuschweißen und von ihrem entbehrungsreichen, von harter Arbeit geprägten Leben abzulenken.
Die englische Sprache wird von „schädlichen Begriffen“ gereinigt und wurde durch eine neue Sprache (Neusprech – Newspeak) ersetzt. Zudem beeinflusst die Partei das Denken in ihrem Sinn mit ständig wiederholten Parolen wie „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“ und „Unwissenheit ist Stärke“. Im Laufe der Handlung wird auch die Frage aufgeworfen, ob die Partei den Krieg mit den anderen Ländern und den Terror der verfemten Untergrundbewegung Goldsteins nicht vielleicht insgeheim selbst inszeniert, um einen Vorwand für die massive Überwachung, den permanenten Ausnahmezustand und die umfassende Unterdrückung zu schaffen. Die Bürger werden durch die ständig wiederholte Parole „Der Große Bruder beobachtet dich“ („Big Brother is watching you“) fortlaufend an ihre Überwachung erinnert.
Die Hauptfigur Winston Smith arbeitet im Ministerium für Wahrheit in London und ist damit beschäftigt, alte Zeitungsberichte und somit das vergangene Geschichtsbild fortlaufend an die gerade herrschende Parteilinie anzupassen. Obwohl er zur Äußeren Partei gehört, lehnt Smith das totalitäre System ab und führt heimlich Tagebuch über seine verbotenen Gefühle. Julia, ebenfalls Parteimitglied, wird zu seiner Geliebten und Mitwisserin. Smith versucht, mit der von der Partei verfolgten Untergrundbewegung Kontakt aufzunehmen. In dem scheinbar gleichgesinnten O’Brien glaubt er, einen Helfer und Mitkämpfer gefunden zu haben, dieser stellt sich jedoch später als besonders intelligentes und fanatisches Mitglied der Inneren Partei heraus, von dem Winston schließlich verhaftet wird. Unter der Folter im Ministerium für Liebe bricht Smith psychisch zusammen: Er verrät Julia, verliert seine gerade erst neu gewonnene Individualität und glaubt nach einer Gehirnwäsche schließlich, durch seine neu entdeckte Liebe zum Großen Bruder endlich frei zu sein.
Teil 1
Die Geschichte beginnt mit einem Bild des Alltags in einem dystopischen
Überwachungsstaat. Winston Smith arbeitet im Ministerium für Wahrheit
(Propagandaministerium) in London. Sein Leben ist geprägt von
Versorgungsproblemen, ständiger Überwachung, Angst und Mangel an persönlichen
Beziehungen. Seine Arbeit besteht zum größten Teil darin, im Sinne der Partei
Geschichtsklitterung zu betreiben, das heißt, unbequeme Fakten und Daten zu
manipulieren oder zu löschen und so die historische Wahrheit für die
Öffentlichkeit und Nachwelt zu verfälschen. So wie er leben alle ihm bekannten
Mitglieder der Äußeren Partei in Ozeanien, einem der drei Superstaaten; die
beiden anderen sind Eurasien und Ostasien. Deren Existenz ist allerdings nicht
belegt, sondern möglicherweise von der Partei nur vorgetäuscht, um einen
andauernden Kriegszustand zu rechtfertigen. Es stellt sich sogar die Frage, ob
die häufig in Ozeanien einschlagenden Raketen nicht von der Partei selbst
abgefeuert werden.
Innerlich kann sich Winston schon lange nicht mehr mit der Parteidoktrin
identifizieren. Er muss seine Meinung geheim halten, da in Ozeanien nicht nur
alle Handlungen gegen die herrschende Partei als Verbrechen gelten, sondern
schon der Wunsch zum Widerstand ein sogenanntes Gedankenverbrechen
(thoughtcrime) ist. Es fällt Winston besonders schwer, sich angesichts der
ständigen Videoüberwachung durch Teleschirme, Polizeistreifen, Nachbarn und
Arbeitskollegen zu verstellen. Die Mitglieder der äußeren Partei werden derart
streng überwacht, dass bereits das nervöse Zucken eines Fingers oder ein
falscher Blick zur Verhaftung und zum Tod führen können. Winston beginnt
schließlich, seine Gedanken heimlich in einem Tagebuch festzuhalten, das er bei
Mr. Charrington, dem Inhaber eines alten Kramladens, entdeckt.
Als ihm eines Tages bei der Arbeit eine bei der „Jugendliga gegen Sexualität“
engagierte junge Frau namens Julia durch Blickkontakte auffällt, vermutet er,
dass sie ein Mitglied der Gedankenpolizei (der Geheimpolizei des Systems) oder
eine „Amateurspionin“ (selbständig arbeitende Spitzel) ist.
Winstons großes Interesse für die Vergangenheit treibt ihn immer wieder in die
Elendsviertel der Proles (Proletarier). Als ihm Mr. Charrington eine Glaskugel
zeigt, die eine Koralle umschließt, ist Winston sofort von diesem Stück
Vergangenheit fasziniert und kauft es. Mr. Charrington führt Winston später in
ein möbliertes Zimmer, das keinen überwachenden Teleschirm zu besitzen scheint.
Von dem Zimmer ist Winston so angetan, dass er es am liebsten mieten möchte;
doch auch das ist bereits ein gefährlicher Gedanke, den er wieder verwirft, als
er sich dessen bewusst wird.
Teil 2
Dieser Teil handelt von Winstons Weg in den inneren Widerstand und endet mit
seiner Verhaftung durch die Gedankenpolizei.
Auf dem Weg von Charringtons Kramladen nach Hause begegnet ihm wieder Julia. Für
ihn besteht jetzt kein Zweifel mehr, dass sie ein Mitglied der Gedankenpolizei
ist. Ein paar Tage später trifft er sie im Wahrheitsministerium ein drittes Mal.
Gerade als sie an ihm vorbeigehen will, stürzt sie. Während Winston ihr wieder
auf die Beine hilft, steckt sie ihm heimlich einen kleinen Zettel zu. Weil
Winston sich in der Nähe eines Teleschirms befindet, wartet er, bis er seinen
Arbeitsplatz wieder erreicht hat, bevor er es riskiert, ihre Botschaft an ihn zu
lesen: „Ich liebe Dich.“
In den nächsten Tagen versucht er mehrfach vergeblich, Kontakt mit der jungen
Frau aufzunehmen. Eines Tages aber sitzt sie allein an einem Tisch in der
Kantine, und Winston setzt sich dazu. Zuerst wagt er nicht, sie anzusprechen,
denn überall überwachen sie die Teleschirme. Daher können sie nur wenige Worte
miteinander wechseln. Er erfährt, dass sie eine heimliche persönliche Rebellion
gegen die Partei führt. Nachdem sich die beiden einige Male in aller
Heimlichkeit und unter großen Mühen auf dem Lande getroffen haben, stimmt Julia
zu, das Zimmer über Mr. Charringtons Laden zu mieten, um ihre Zweisamkeit
auszuleben. Dort sehen und lieben sie sich von nun an öfter. Auch das ist ein
Schwerverbrechen, weil Sexualität unter Parteimitgliedern nur der Fortpflanzung
dienen darf und schrittweise durch künstliche Befruchtung ersetzt werden soll.
Winston erzählt Julia von O’Brien, einem Mitglied der Inneren Partei, das er für
einen Regimegegner hält, da dessen Verhalten ebenfalls leicht von der Norm
abweiche. Mit Julia besucht er O’Brien in dessen Wohnung. Zwar hängt auch bei
ihm ein Teleschirm, der aber kann wenigstens für kurze Zeit abgeschaltet werden.
Auf diese Weise können die drei eine halbe Stunde lang scheinbar unbeobachtet
miteinander sprechen. O’Brien gibt sich als Mitglied der „Bruderschaft“, der
Untergrundbewegung des Staatsverräters Emmanuel Goldstein, aus und lässt Winston
ein Exemplar von Goldsteins berüchtigtem Buch „Die Theorie und Praxis des
oligarchischen Kollektivismus“ zukommen. Vor seiner Verhaftung kommt Winston
dazu, das erste und das dritte Kapitel des Buches zu lesen. Im Grunde findet er
dort nur eine deutliche Beschreibung von Dingen, die ihm ohnehin schon klar
waren, und stellt fest: „Das Wie verstehe ich, aber nicht das Warum“. Später
erfährt er, dass O’Brien Mitverfasser des Buches ist.
Am selben Tag noch besprechen Winston und Julia ihre gemeinsame Zukunft. Während
Julia von einem glücklichen Leben zusammen mit Winston im Untergrund träumt,
möchte Winston um jeden Preis die Partei bekämpfen. Dabei ist ihm klar, dass man
sie dann bald aufspüren, foltern und liquidieren wird. Tatsächlich wird ihr
Zimmer im gleichen Augenblick umstellt und aufgebrochen. Nun stehen sie das
erste Mal wissentlich einem Mitglied der Gedankenpolizei gegenüber: Mr.
Charrington, dem Besitzer des Ladens, der sie die ganze Zeit über durch einen
hinter einem Wandbild verborgenen Teleschirm hat beobachten lassen.
Teil 3
Dieser Teil beschreibt die Gefangenschaft Winstons, seine Folter und Umerziehung
sowie das Geschehen nach seiner Freilassung.
Nach seiner Verhaftung wacht Winston in einem fensterlosen, ständig hell
beleuchteten Raum auf. Er vermutet, dass man ihn ins Ministerium für Liebe
gebracht hat. Alle Wände sind weiß gekachelt, an jeder befindet sich ein
Teleschirm. Rund um den Raum zieht sich an der Wand entlang eine Bank, gerade
breit genug zum Sitzen und einzig durch eine Toilette gegenüber der Tür
unterbrochen. Ständig kommen neue Gefangene in Winstons Zelle und werden wieder
abgeholt. Auch Winston wird von Zeit zu Zeit verlegt. Er erfährt von einem
mysteriösen „Zimmer 101“, vor dem alle Angst haben. Winston verliert durch das
ständige Licht und den fehlenden Tagesrhythmus bald das Zeitgefühl. Er bekommt
kaum zu essen und magert zusehends ab.
Zu Beginn durchläuft Winston einige routinemäßige Verhöre. Der zuständige
Offizier ist O’Brien, der in Wahrheit nicht zur „Bruderschaft“, sondern zur
Parteispitze gehört. Zunächst muss Winston die üblichen Geständnisse (u. a.
Spionage, Sabotage, Unterschlagung und Mord) unter ständiger Folter ablegen.
Bald wird daraus eine Gehirnwäsche. Stück für Stück zerlegt O’Brien das Weltbild
des intellektuell unterlegenen Winston. Wenn er uneinsichtig ist, sich dumm
stellt oder lügt, fügt ihm O’Brien Schmerzen durch Elektroschocks auf einer Art
Streckbank zu. Bisweilen lässt O’Brien Winston auch Medikamente gegen den
Schmerz geben. Um Winston zu demonstrieren, dass die willkürliche Steuerung des
Erinnerungsvermögens bei genügender Anstrengung möglich ist, lässt er ihm einen
Elektroschock durch den Kopf verabreichen, der Winstons Langzeitgedächtnis
vorübergehend beeinflusst.
O’Brien erklärt Winston die einzelnen Schritte der Umerziehung: Lernen,
Verstehen und Akzeptieren. Um Winstons Widerstand gegen das System zu brechen,
will O’Brien seinen Willen manipulieren. Dazu zwingt O’Brien ihn, seinen von den
Folterungen zerschundenen und ausgemergelten Körper im Spiegel zu betrachten. Da
sich Winston als Streiter für die Menschheit begreift („Lernen“), versucht man
ihm so klarzumachen, dass Gegenwehr zwecklos ist, da die Menschheit der Partei
Ozeaniens (sowie Ostasiens und Eurasiens) ebenso ausgeliefert sei wie er selbst.
Angewidert von sich selbst, empfindet Winston seinen Anblick als kläglich und
würdelos („Verstehen“) und nimmt die nährende Hand der Partei dankbar an
(„Akzeptieren“).
O’Brien enthüllt ihm das Geheimnis der Partei: Die Macht (über Menschen) als
Selbstzweck. Die Macht der Partei dient nur der Ausübung von Macht: „Wenn Sie
sich ein Bild von der Zukunft ausmalen wollen, dann stellen Sie sich einen
Stiefel vor, der in ein Menschenantlitz tritt – immer und immer wieder.“
Folgerichtig steht am Ende der Umerziehung nicht der Straferlass, sondern der
endgültige Tod: „Sie sind ein schwieriger Fall. Aber geben Sie die Hoffnung
nicht auf. Jeder wird früher oder später geheilt. Am Schluss erschießen wir
Sie.“ Die von der mittelalterlichen Inquisition („Du sollst nicht!“) und den
totalitären Systemen („Du sollst!“) gepflegten Gebote, die immer nur Märtyrer
erzeugten, da die Opfer nicht „akzeptierten“, „bejahten“, werden ersetzt durch
das Gebot der Partei: „Du hast zu sein!“. O’Brien: „Jeder wird reingewaschen
[„geheilt“].“
Winston erhält von nun an wieder genug zu essen und wird gesund gepflegt. Man
fertigt ihm sogar ein neues Gebiss an. Während er sich körperlich erholt,
trainiert er sich im Zwiedenken[6] und Verbrechenstopp[7] und übt, seinen
eigenen Geist zu überlisten. Winstons Umerziehung scheint dem Ende zuzugehen.
Doch als er eines Nachts im Traum laut nach Julia ruft, erkennt O’Brien, dass
Winston nach wie vor den Großen Bruder verabscheut und seine Liebe zu Julia
ungebrochen ist. Er wird in das berüchtigte Zimmer 101 gebracht. Dort erwartet
jeden Menschen seine persönliche Hölle. Da O’Brien von Winstons panischer Angst
vor Ratten weiß, lässt er einen Käfig mit zwei ausgehungerten Exemplaren direkt
vor Winstons Gesicht befestigen und droht damit, die Käfigtür zu öffnen. Um
diese Gefahr abzuwenden, opfert Winston das letzte Gut, das ihm von seinem
ursprünglichen Selbst noch geblieben ist: seine Liebe zu Julia. Er verrät sie,
indem er O’Brien anfleht, diese Folter nicht ihm, sondern Julia anzutun. Damit
sind seine Selbstachtung und sein innerer Widerstand endgültig gebrochen.
Infolgedessen wird er aus der Haft entlassen.
Nach der Entlassung ist Winston zwar weiterhin im Wahrheitsministerium
angestellt, in seiner neuen Position hat er aber so gut wie keine Aufgaben,
sodass er viel Zeit beim Lösen von Schachproblemen in einem heruntergekommenen
Café verbringt. Auch trinkt er sehr viel Gin. Er trifft Julia noch ein letztes
Mal. Auch sie zeigt Spuren der Folter, eine Narbe verunstaltet ihr Gesicht, und
ihr ehedem athletischer Körper ist unförmig geworden. Sie eröffnet Winston, ihn
verraten zu haben, und gesteht ihm, dass die Partei es verstanden habe, ihre
Gefühle für ihn zu zerstören. Später ertappt sich Winston dabei, wie er
gemeinsam mit der Masse beim Betrachten der Kriegsberichte mitfiebert. Er
erkennt, dass er von seiner lebenslangen Auflehnung gegen die Gemeinschaft
geheilt ist. Er hat eine Vision von seiner Hinrichtung: In einem öffentlichen
Prozess bekennt Winston unter Tränen, dankbar und demütig seine Liebe zum Großen
Bruder, der ihm half, den „Sieg gegen sich selbst“ zu erringen. Der Tagtraum
endet damit, dass ihm „die langersehnte Kugel ins Gehirn dringt“. Die
Gehirnwäsche war erfolgreich.
Das Buch endet mit Winstons Erkenntnis, dass er den Großen Bruder wahrlich
liebt.
Figuren
Figurenkonstellation
Winston Smith
Winston Smith, die Hauptfigur des Romans, ist ein 39 Jahre alter,
ausgemergelter, gebrechlicher, grüblerischer und resignierter Mann, der an den
von der Partei ausgegebenen Parolen und ihrem Führer, dem Großen Bruder,
zweifelt. Um den tatsächlichen Verlauf der Dinge festhalten zu können (gegenüber
der pausenlosen Geschichtsfälschung der Partei, die er aus seiner Arbeit im
Ministerium für Wahrheit kennt), beginnt er, Tagebuch zu schreiben. Er wünscht
sich den Umsturz der Regierung und den Niedergang des Großen Bruders und sucht
daher nach Gleichgesinnten, die er in Julia und O’Brien zu finden glaubt.
Winston ist in seinem Widerstand bemüht zu verstehen, wie die Partei eine solch
totale Macht ausüben kann. Seine Überlegungen kreisen häufig um die Möglichkeit,
Sprache zur Gedankenkontrolle zu benutzen (siehe unter „Neusprech“). Orwell
setzte den Namen des Protagonisten aus dem Vornamen von Winston Churchill und
dem einfachen Allerwelts-Nachnamen Smith zusammen.
Julia
Während Winston ruhelos, fatalistisch und um die Gesellschaft als Ganzes besorgt
ist, ist Julia gefühlsbetont, pragmatisch, darauf bedacht, den Augenblick zu
genießen und das Beste aus ihrem Leben herauszuholen. Sie hasst die Partei, weil
diese versucht, ihr persönliches Glück zu zerstören, um sie fest für die
Gemeinschaft zu verplanen. Julias Rebellion gegen die Partei ist daher viel
persönlicher. Während Winston versucht, der Bruderschaft beizutreten und sich
mit dem abstrakten Manifest ihres Gründers Emmanuel Goldstein befasst, möchte
Julia ein freies Sexualleben führen. Sie will eine Beziehung mit Winston und
befasst sich mit zukünftigen Plänen dafür. Sie ist nicht wie Winston überzeugt,
dass die Gedankenpolizei sie erwischen wird und daher viel mehr darauf bedacht,
ihre Kollegen, Nachbarn und die Gedankenpolizei zu täuschen. Daher engagiert sie
sich bei der „Jugendliga gegen Sexualität“ (in neueren deutschen Ausgaben:
„Junioren-Anti-Sex-Liga“ genannt), eifert am heftigsten beim Zwei-Minuten-Hass
und besucht zusammen mit Winston erstaunlich viele Demonstrationen. „Es zahle
sich aus, sagt sie, es diene zur Tarnung. Wenn man die Regeln im Kleinen
einhalte, könne man sie im Großen übertreten.“ (Teil 2, Kapitel 3) Julia
behauptet, sie habe zahlreiche Affären mit Parteimitgliedern gehabt. Obwohl der
Leser nicht erfährt, ob sie dies nur auf Winstons Wunsch behauptet oder es
wirklich den Tatsachen entspricht, zeigt es doch deutlich, dass sie nicht
gewillt ist, sich von der Partei ihre Lust nehmen zu lassen.
Julia besitzt einen natürlichen Lebensgeist und auch einen stärker ausgeprägten
Realitätssinn, im Gegensatz zu Winstons Verzweiflung und Todessehnsucht,.
Sie verrät am Ende Winston, um sich zu retten, wird aber ähnlich umerzogen wie
Winston.
O’Brien
O’Brien ist ein vom Ministerium für Liebe eingesetzter Spion, der Mitglieder der
Äußeren Partei auf Gedankenverbrechen überwachen soll. Zu diesem Zweck verstellt
er sich gegenüber Winston und Julia und gibt sich als Feind der Partei aus.
Winston lernt O’Brien bei seiner Arbeit im Ministerium für Wahrheit kennen.
Während des obligatorischen Zwei-Minuten-Hass tauschen sie einen Blick aus, der
für Winston Grund genug ist anzunehmen, O’Brien sei ein Feind der Partei.
O’Brien wird von Winston für seine Eleganz und überragende Klugheit bewundert.
Winston träumt oft von O’Brien und einer funktionierenden Widerstandsbewegung.
O’Brien ist Mitglied der Inneren Partei und hat daher mehr Privilegien als die
Mitglieder der Äußeren Partei. So kann er den Teleschirm in seiner Wohnung
abstellen und besitzt einige Luxusgüter wie Wein. Daher vertraut sich Winston
ihm an und bekommt von ihm Goldsteins revolutionäres Buch (welches, wie sich am
Ende herausstellt, teilweise von O’Brien selbst verfasst worden war). Winston
trifft O’Brien im dritten Teil des Buches im Ministerium für Liebe wieder.
Dieses Treffen wurde von O’Brien (in einem Traum Winstons) vorhergesagt: Wir
treffen uns dort, wo keine Dunkelheit herrscht. O’Brien stellt sich nun als ein
überzeugter Anhänger des Großen Bruders heraus. Durch die Folterung im
Ministerium für Liebe versucht er, Winston von den parteifeindlichen Gedanken zu
befreien.
Großer Bruder
Die literarische Figur des Großen Bruders ist für das Volk praktisch unsichtbar,
in seinem Bild aber allgegenwärtig. Niemand bekam ihn je zu Gesicht und er
scheint nur die fiktive Personifizierung einer Kollektivherrschaft zu sein.[8]
Ob es ihn wirklich gibt, ist eine der Fragen, die Winston quälen. Von O’Brien
erhält er auf diese Frage nur eine mehrdeutige Antwort im Sinne der Partei: Es
gibt den Großen Bruder, und er wird ewig leben, weil die Partei dies so will.
Der Große Bruder ist eine Fiktion, eine Massensuggestion, die weder ganz wahr
noch ganz falsch ist. Man kann weder wissen, dass es ihn gibt, noch, dass es ihn
nicht gibt. Also existiert er in den Köpfen, eben weil er existieren könnte.
Emmanuel Goldstein
Emmanuel Goldstein besitzt wie der Große Bruder ein zeitloses Wesen. Er ist ein
ehemaliges Mitglied der Parteiführung, ist aber nun als „Staatsfeind Nummer
eins“ verhasst. Er prangert den Verrat an den sozialistischen Ideen der
Revolutionszeit an und will eine Konterrevolution mittels der „Bruderschaft“ und
der wechselnden Feinde von Ozeanien durchführen. Goldstein und die Bruderschaft
sind möglicherweise eine von der Partei geschaffene Illusion, ein Köder, der
Abweichler anziehen soll, damit es für die Gedankenpolizei leichter wird,
potentielle Gedankenverbrecher zu fassen. Er ist auch als einziger
Oppositioneller nicht zur „Unperson“ erklärt worden, da seine Funktion als
Feindbild für das System unentbehrlich ist. In diesem Sinne ist er genauso
unsterblich wie der Große Bruder. Im Roman bleibt offen, ob Goldstein
tatsächlich existiert.
In dem Buch „Die Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus“, oft auch
einfach nur „Das Buch“, soll Goldstein die Anatomie des Systems erklärt
haben.[9] Dieses Buch wurde in Wirklichkeit von Parteifunktionären, unter
anderem O’Brien, verfasst. Dieser gibt zu, dass in dem Buch die Wahrheit über
die Untaten der Partei stehe, das könne jedoch nicht geändert werden.
Vorbild für diese Figur ist der in der Sowjetunion unter Stalin zur Hassfigur
und zum Verräter erklärte Leo Trotzki.
Orwells Inspiration
Das Senate House, der ehemalige Sitz des Ministry of Information, entspricht der
Beschreibung nach den vier Ministerien im Roman, wobei das Ministry of Love im
Buch keine Fenster hat
Orwell erklärt in seinem Essay Why I Write,[10] dass er seit dem Spanischen
Bürgerkrieg in seinen Arbeiten immer wieder vor Totalitarismus warnt. Der Aufbau
der Regierung von Ozeanien ist eine Parodie auf eine berühmte Rede von Roosevelt
über die Four Freedoms. Wie Orwell später einmal Malcolm Muggeridge erzählte,
entstammte viel von Winstons Arbeitsalltag Orwells eigenen Erfahrungen, die er
bei der BBC sammelte.[11] Die BBC war damals noch dem Ministerium für
Information unterstellt, dessen ehemaliger Sitz den im Roman beschriebenen
Ministerien ähnlich sieht.[12]
Orwell hatte sich 1937 in Valencia eine Woche lang täglich in einem Café mit
Leopold Kohr getroffen, als beide Berichterstatter für internationale Zeitungen
über den Spanischen Bürgerkrieg waren. Sie diskutierten dort über die Tendenz
allgegenwärtiger Überwachung in zentralisierten Gesellschaften.[13]
Methoden der Machtausübung
Kontrolle der Vergangenheit
Ein elementares Konzept der Partei zur Kontrolle der Gedanken ist die Kontrolle
der Vergangenheit. Deshalb wird im Ministerium für Wahrheit ein gigantischer
Aufwand betrieben, alle existierenden Dokumente der gegenwärtigen Parteilinie
anzupassen. Von der Partei oder dem Großen Bruder geäußerte Voraussagen z. B.
zur Güterproduktion oder dem Kriegsverlauf werden an die tatsächlich
eingetretenen Fakten angepasst, damit „die Partei immer recht hat“. Niemand soll
in der Lage sein, mittels historischer Dokumente Aussagen der Partei zu
widerlegen. Auch Berichte, die sich auf positive Art und Weise über Personen
äußern, die inzwischen durch „Verschwindenlassen“ oder „Vaporisieren“
(„Verdampfen“) zu „Unpersonen“ geworden sind, werden umgeschrieben. Außerdem
wird durch die fortlaufende Änderung von Berichten über die Kriegslage der
Bevölkerung stets der Eindruck vermittelt, dass der Staat schon immer mit dem
jeweiligen Gegner verfeindet war, so dass der häufige Wechsel der Kriegsgegner
aus dem Bewusstsein schwindet. Um dies zu ermöglichen, wird die Parteizeitung,
die Times, regelmäßig bis in alle historischen Ausgaben laufend angepasst und
alte Ausgaben unter Beibehaltung des Datums neu gedruckt. Die nicht mehr in die
Parteilinie passenden alten Exemplare werden aus den Archiven genommen und
vernichtet.
Auch dafür gibt es ein berühmtes historisches Vorbild, das Orwell möglicherweise
kannte, eine Fotografie von Lenin. In der Originalversion stehen Trotzki und
Kamenjew neben ihm. In der zweiten Version ist Trotzki wegretuschiert, aber
Kamenjew steht noch da. In der dritten Version ist auch Kamenjew verschwunden.
Siehe auch: Damnatio memoriae
Krieg ist Frieden
In Orwells Welt führen die drei Supermächte nur noch begrenzte Kriege an der
Peripherie. Es genügt ihnen, um die Bevölkerung dazu zu bewegen, sich mit Armut
und Mangel infolge des Kriegszustandes zufriedenzugeben. Da dies im Interesse
aller drei Regierungen liegt, verhindert es den großen Krieg zwischen ihnen.
Dass sie ständig ihre Bündnispartner wechseln, ändert daran nichts (vgl.
Mächtegleichgewicht). Die Situation sichert die Herrschaft aller drei
Supermächte, denn sie sind unwillig und/oder unfähig, die Bevölkerung angemessen
zu versorgen. Um zu unterstreichen, dass die Bevölkerung sich mit dem Zustand
zufriedengeben kann (und muss), verbreitet die Partei den Slogan „Krieg ist
Frieden“, wobei Frieden der stets erwünschte und zu erreichende Zustand ist, der
regelmäßig in der Propaganda der Partei in greifbare Nähe rückt.
Allerdings vermuten im Zuge des Romans sogar Julia und später Winston, dass
möglicherweise die Regierung von Ozeanien selbst Bomben abwirft, um die
Gegenwärtigkeit des Kriegs aufrechtzuerhalten. Die Vermutung wird genährt von
der Tatsache, dass diese Bombenangriffe niemals auf Wohngebiete der
Parteimitglieder gerichtet sind, sondern immer auf Gebiete der Proles
niedergehen.
Zwiedenken
→ Hauptartikel: Doppeldenk
Zwiedenken (in neueren deutschen Ausgaben: Doppeldenk, engl. doublethink) ist
eine zentrale These des Buches. Wenn die Partei sagt, dass 2 + 2 = 5 ist, dann
ist es so. Es genügt auch nicht, es nur zu sagen und dabei zu lügen, man muss es
wirklich glauben. Da die Partei die Gedanken kontrolliert, glauben die Menschen,
dass 2 + 2 = 5 ist, wenn die Partei dies sagt, und wenn die Menschen es glauben,
dann ist es so. Andererseits wird von O’Brien gegenüber Winston eingeräumt, dass
es z. B. für wissenschaftliche Zwecke mitunter schon erforderlich sei, zu
wissen, dass 2 + 2 = 4 ist. Hier setzt dann das eigentliche Zwiedenken ein, da
vom linientreuen Parteimitglied verlangt wird, zwischen „zwei Wahrheiten hin-
und herzuschalten“ (in einem Moment 2 + 2 = 5, im nächsten 2 + 2 = 4), ohne sich
dessen bewusst zu sein. Eine objektive Wahrheit außerhalb der Partei gibt es
nicht. Unter der Folter sieht Winston tatsächlich einmal die verlangten fünf
Finger, obwohl ihm O’Brien nur vier zeigt. O’Brien: „Die Wirklichkeit spielt
sich im Kopf ab. … Es gibt nichts, was wir nicht machen könnten. … Sie müssen
sich von diesen dem neunzehnten Jahrhundert angehörenden Vorstellungen
hinsichtlich der Naturgesetze freimachen. Die Naturgesetze machen wir.“
Hasswoche
Siehe auch: Hass-Woche
Die Hasswoche ist eine Propagandaveranstaltung, die dem Hass auf politische und
militärische Gegner gewidmet ist. Wie austauschbar diese Gegner für das System
sind, zeigt eine Episode, in welcher der Hassredner mitten in seiner Rede einen
Zettel zugeschoben bekommt, auf dem steht, dass der Gegner gewechselt hat. Ohne
zu stocken oder sich einmal zu versprechen, setzt er seine Rede fort; Hassobjekt
ist jetzt der neue Gegner. Die kleine Schwester der Hasswoche ist der tägliche
Zwei-Minuten-Hass, an dem jeder teilnehmen muss.
Gegen seinen Willen kann sich auch Winston der dort erzeugten Hassgefühle nicht
erwehren, sie nur zum Teil gegen die Partei, anstatt wie eigentlich gewollt,
gegen das von der Partei vorgegebene (Ersatz-)Objekt wenden. Innerhalb der
kollektiven Situation, die massenpsychologische Auswirkungen hat (Winston wird
von dem Hass angesteckt), reagieren die Teilnehmenden ihre aufgestauten
negativen Emotionen geleitet von der Partei in ihr genehme Bahnen ab. Zugleich
rufen die von der Partei produzierten Inhalte Ängste hervor, vor denen die
Menschen, wie versichert wird, nur der Große Bruder beschützen kann.
Unperson
Historische Vorlage: Um Stalin (2. v. l.) verschwinden Antipow (2. Foto),
Schwernik (3. Foto) und schließlich Kirow (4. Foto).
Politische Gegner werden liquidiert („verflüssigt“) – vaporisiert („verdampft“)
auf Neusprech, bzw. vor einem Massenpublikum öffentlich erhängt. Damit allein
ist die Partei aber nicht zufrieden: Jede Erinnerung an die Ermordeten muss
ausgelöscht werden; sie werden zur Unperson – es gibt sie nicht, es hat sie nie
gegeben. Dies wird am Beispiel eines Arbeitskollegen von Winston namens Syme
verdeutlicht, der begeistert an der Entwicklung von Neusprech mitarbeitete,
jedoch eines Tages „verschwand“ und „nie existiert“ hatte. Eine ganze Abteilung
in Winstons Ministerium ist unablässig damit beschäftigt, Dokumente, in denen
Unpersonen erwähnt werden, zu vernichten und neu zu verfassen. Das Vorbild
hierfür ist offensichtlich die Sowjetunion unter Stalin. Dort wurde die
Geschichte der Revolution ständig neu geschrieben. Sogar Fotos wurden dafür
retuschiert bzw. manipuliert.
Neusprech
→ Hauptartikel: Neusprech
Der Ausdruck Neusprech (englisch: Newspeak, in älteren Versionen als Neusprache
übersetzt) bezeichnet eine Sprache, die aus politischen Gründen künstlich
modifiziert wurde. Neusprech ist die eingeführte Amtssprache in Ozeanien: Die
zehnte, und gegen Ende des Buches auch die elfte Auflage des den Neusprech
festlegenden Wörterbuchs werden zur Zeit der Handlung erstellt. Neusprech ist in
drei Teile gegliedert. Teil A umfasst die Alltagssprache, die von jeder
politischen und ideologischen Bedeutung frei sein sollte. Teil B stellt das
unabdingbare Minimum des ideologischen und politischen Wortschatzes dar. Teil C
ist mit Abstand der umfangreichste und beinhaltet die technischen und
wissenschaftlichen Fachausdrücke.
Neusprech soll nach und nach die Alltagssprache („Altsprech“) verdrängen und
dient dazu, den Wortschatz zu reduzieren, um so differenziertes bzw. nuanciertes
Denken zu erschweren. Das zeigt der Satz „Altdenker unbauchfühl Engsoz“
(Oldthinkers unbellyfeel Ingsoc) im Kommentar der Parteizeitung in Neusprech.
Eine annähernde Übersetzung in Altsprech könnte lauten: „Derjenige, dessen
Weltanschauung sich vor der Revolution geformt hat, kann die Prinzipien des
Englischen Sozialismus niemals in seiner letzten Tiefe erfühlen und verstehen“.
Gab es in Altsprech für jedes Adjektiv noch ein entsprechendes Gegenteil, so
wird in Neusprech jedes Gegenteil durch ein vorangestelltes un- gebildet. So
lautet zum Beispiel das Gegenteil von gut ungut und von warm unwarm.
Steigerungsformen werden durch ein vorangestelltes plus (Komparativ)
beziehungsweise doppelplus (Superlativ) gekennzeichnet: So werden beispielsweise
besser und am besten durch plusgut bzw. doppelplusgut ersetzt. Außerdem werden
fast alle Unregelmäßigkeiten an die Regeln angeglichen. Längere Bezeichnungen
wie Ministerium für Wahrheit werden einfach zu Miniwahr verkürzt. Dahinter
verblasst auch die ursprüngliche Bedeutung der Worte.
Ein weiteres Mittel sind Euphemismen (Beschönigungen), Neologismen und
Umdeutungen. Die Haft- und Folterlager des Systems heißen Lustlager. Das
dahinterstehende Ministerium ist das Ministerium für Liebe. Die politischen
Gefangenen sind Gedankenverbrecher. In Parolen der Partei, wie zum Beispiel
Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke, werden
den Wörtern einfach neue Bedeutungen zugewiesen, damit sie nicht gegen die
Partei verwendet werden können. Auch haben Wörter je nach Bezug(sperson) andere
Bedeutungen, so kann „schwarzweiß“, ob benutzt für Parteimitglieder oder
-feinde, besondere Parteitreue oder aber Landesverrat bedeuten. Damit
unterbindet die Partei von Anfang an, dass ein alternatives System gedacht
werden kann. So könne man zwar in Neusprech durchaus sagen: „Der Große Bruder
ist ungut“, differenzieren oder begründen aber lasse sich diese Aussage nicht,
denn dafür fehle das notwendige Vokabular. Für ein orthodoxes Parteimitglied
beinhalte ein solches Verbrechendenk oder Deldenk daher eine völlig unhaltbare,
absurde Feststellung und bleibe nur ein grober Fluch und für die Partei
ungefährlich.
Ein gutes Beispiel dafür liefert Orwell im Anhang des Romans (je nach Ausgabe),
wo er die Prinzipien von Neusprech erklärt:
„Die Worte ‚Kommunistische Internationale‘, zum Beispiel, erinnern an ein Bild
von weltweiter Brüderlichkeit, rote Flaggen, Karl Marx und der Pariser Kommune.
Das Wort ‚Komintern‘, andererseits, suggeriert eher einen straff organisierten
Körper mit einer wohldefinierten Doktrin. Es verweist auf etwas, das so simpel
erkannt wird […] wie ein Stuhl oder ein Tisch. ‚Komintern‘ ist ein Wort, das
ohne Aufhebens geäußert werden kann, aber ‚Kommunistische Internationale‘ ist
eine Phrase, über die jeder wenigstens eine kurze Zeit lang zögert.
Gleichermaßen sind die Assoziationen, die von einem Wort wie ‚Minitrue‘ geweckt
werden, seltener und besser kontrollierbar als jene, die von ‚Ministry of Truth‘
erzeugt werden.“
– Anhang der Ausgabe Nineteen Eighty-Four. Penguin Books 1990, ISBN
0-14-012671-6[14]
Wegen der umfangreichen Arbeiten, alle Bücher von Altsprech in Neusprech zu
übersetzen, wird der Zeitpunkt der endgültigen Einführung von Neusprech auf 2050
festgesetzt.
(Gedanken-)Verbrechen
Im Jahre 1984 werden kritische Gedanken, sogenannte Gedankenverbrechen, die die
Doktrin des fiktiven Staates Ozeanien in Frage stellen, als Staatsverbrechen
behandelt. Das erklärte Ziel der herrschenden totalitären Partei ist, durch die
Einführung einer neuen Sprache (Neusprech genannt), durch ständige Verfälschung
der Geschichte und durch totale Kontrolle und Bedrohung den Bürgern die
Möglichkeiten zu entziehen, Gedankenverbrechen zu begehen. Beispielsweise liegt
Ozeanien abwechselnd mit Eurasien oder aber mit Ostasien im Krieg, während es
mit dem jeweils anderen in Frieden lebt. Wenn Ozeanien mit einem Staat Krieg
führt, dann führte es schon immer mit diesem Staat Krieg und wird auch in
Zukunft immer mit diesem Staat Krieg führen, während man mit dem anderen Staat
immer in Frieden lebte und auch in Zukunft immer in Frieden leben wird. Wer das
nicht anerkennt, begeht ein Gedankenverbrechen. Es gilt auch als Verbrechen,
nicht den je nach Anlass geforderten freudigen, ernsten oder auch hasserfüllten
Gesichtsausdruck zu tragen.
Ozeanien
Die Welt von „1984“
Die drei Supermächte
Ozeanien ist eine der drei verbleibenden Supermächte der Welt, neben Eurasien
und Ostasien. Ozeanien besteht aus den früheren Staaten Amerikas, den Inseln des
Atlantiks, einschließlich der Britischen Inseln, Australasien und dem südlichen
Teil von Afrika, Eurasien in etwa aus Kontinentaleuropa, der Türkei und der
früheren Sowjetunion, sich ausdehnend von der Iberischen Halbinsel bis zur
Beringstraße. Ostasien besteht aus China, den südlich davon gelegenen Staaten,
Korea, der Mongolei und Japan. Ozeanien befindet sich stets mit mindestens einer
der beiden anderen Mächte im Krieg; es geht dabei jedoch ausschließlich um die
Ablenkung der Bevölkerung und niemals wirklich um das umkämpfte Territorium oder
die Vernichtung der Feinde. Letzteres erscheint durch das absolute
Kräftegleichgewicht ohnehin unmöglich. Eurasien ist durch seine riesigen
Landflächen geschützt, Ozeanien durch die Ausdehnung des Atlantischen und des
Pazifischen Ozeans, Ostasien durch die Gebärfreudigkeit und den Fleiß seiner
Bewohner.
Entwicklung
Der Roman selbst erklärt wenig über die Geschichte von Ozeanien. Allerdings
erhält Winston im zweiten Teil des Romans von O’Brien eine Kopie von Goldsteins
parteikritischem Buch. Auch wenn sich später herausstellt, dass dieses Buch
tatsächlich von der Partei selbst verfasst wurde, erklärt es schlüssig das
Konzept der Partei und die Geschichte des Engsoz (englischer Sozialismus, im
englischen Original Ingsoc, abgeleitet aus English Socialism). Demnach soll es
kurz nach dem Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg im Vereinigten Königreich
zu einer sozialistischen Revolution gekommen sein.
Währenddessen startete die Sowjetunion eine massive Invasion in Europa und
übernahm den gesamten Kontinent mit Ausnahme des Vereinigten Königreiches. Ein
dritter – diesmal atomarer – Weltkrieg brach zwischen Ozeanien (geführt von den
ehemaligen USA), Eurasien (geführt von der ehemaligen Sowjetunion) und Ostasien
(geführt vermutlich vom ehemaligen China[15]) aus, Atombomben wurden über
Europa, Westrussland und Nordamerika abgeworfen. Im späteren Krieg wird auf den
Einsatz von Nuklearwaffen verzichtet, da die Supermächte fürchteten, dass durch
weitere Atombomben die gesellschaftliche Ordnung und damit ihre Macht
zusammenbrechen würde.
Im Roman erinnert sich Winston an einen Zeitpunkt, als eine Atombombe über
Colchester abgeworfen wurde und eine Massenpanik ausgelöst hatte. Die drei
Großmächte erkannten schließlich, dass die Vernichtung des Gegners nicht ohne
die eigene Vernichtung möglich sei. Statt aber den Krieg zu beenden, beschlossen
sie zunächst, um die Vormachtstellung in Afrika zu kämpfen, um anschließend,
durch Ausbeutung der Rohstoffe und Menschen Afrikas, auch ihre Gegner besiegen
zu können. Obwohl allen drei Seiten bewusst ist, dass dieser Plan niemals
aufgehen kann, da, sobald eine Macht so etwas wie eine Vorherrschaft zu erringen
droht, sich die anderen zwei Seiten gegen sie verbünden würden, halten sich alle
Seiten an dieses Abkommen. Denn inzwischen haben sie erkannt, dass der ständige
Krieg es ihnen erlaubt, die Bevölkerung in einem Zustand der ständigen Angst und
Arbeitshetze zu halten, ohne je den Lebensstandard in ihren Ländern heben zu
müssen, da die schwer erarbeiteten Güter immer wieder an der Front vernichtet
werden könnten. Die Partei glaubt, dass eine Bevölkerung, die ständig damit
beschäftigt ist, sich um die notwendigsten Dinge zum Leben zu sorgen, keine Zeit
für kritische Gedanken habe und damit leicht zu kontrollieren und zu
manipulieren sei.
Die drei Großmächte kämpfen selten auf ihrem Territorium, nur die einschlagenden
Raketenbomben (die vielleicht aber auch nur von der Partei selbst gezündet
werden) terrorisieren die Bevölkerung.
In den späten Fünfzigern wurde die Revolution dann vom Großen Bruder verraten,
der mit seiner Theorie vom „englischen Sozialismus“ einen Terrorstaat schuf, bis
er 1970 alle Funktionäre neben sich in großen Säuberungswellen verschwinden ließ
und einen gigantischen Personenkult um seine Person aufbaute. Dabei wurde nicht
einmal seine eigene Existenz gesichert, da ihn kaum jemand je zu Gesicht
bekommen hat. Im Jahre 1984 ist „Luftstützpunkt Nummer Eins“ (Airstrip One, das
frühere Großbritannien, in neueren Ausgaben auch mit „Landefeld Eins“ übersetzt)
zur drittreichsten Region in Ozeanien geworden, was aber nicht viel bedeutet.
Gesellschaft
Die Gesellschaftspyramide in Ozeanien: Big Brother, Partei und Arbeiterklasse
(Proles)
Die oligarchische Gesellschaft von Ozeanien ist wie eine Pyramide aufgebaut und
an die Verhältnisse in der Sowjetunion angelehnt in drei hierarchische Gruppen
unterteilt: Innere Partei, äußere Partei und Arbeiter (Proles)
Die Mitglieder der Inneren Partei machen zwei Prozent der Bevölkerung aus. Sie
stellen die Oberschicht dar und haben alle führenden Positionen inne. Sie
genießen viele Privilegien und sind auf jeden Fall nicht den strengen
Rationierungen unterworfen, die für den Rest der Gesellschaft gelten. Die
Teleschirme in ihren Arbeitsräumen (evtl. auch Wohnräumen) können sie selber
abschalten. Der Funktionär O’Brien konsumiert zu Hause Wein; ein Luxusgut, über
das andere Menschen nicht verfügen. Julia stiehlt bei Gelegenheit auch Kaffee,
Tee und Zucker – alles Dinge, die in der Regel nur Mitglieder der Inneren Partei
konsumieren. Natürlich sind auch diese nicht dagegen gefeit, von heute auf
morgen in Ungnade zu fallen und zur Unperson zu werden. Alle Mitglieder der
Inneren Partei sind Brillenträger.[16]
Die Mitglieder der Äußeren Partei stellen die Mittelschicht dar und machen etwa
13 % der Bevölkerung aus. Sie üben exekutive Aufgaben im Dienst der Partei aus
und dienen lediglich deren Aufrechterhaltung. Manche von ihnen sind in
intellektuellen Bereichen beschäftigt (etwa der Geschichtsfälschung oder der
Arbeit an der neuen Ausgabe des Newspeak Dictionary) und geraten so in eine
Position, in der sie der Partei gefährlich werden können. Viele von ihnen
verschwinden früher oder später spurlos (Ausdruck im Roman: „vaporisiert“
(„verdampft“)), wie zum Beispiel Syme, ein Bekannter von Winston, der am
Neusprech-Wörterbuch arbeitet.
Die Proles, die Arbeiter, machen zwar 85 % der Bevölkerung aus, werden aber
durch Armut und Medien bewusst dumm und passiv gehalten und stellen selbst beim
offensichtlichen Charakter der Diktatur der Partei kein Risiko für deren
Position dar. Dies wird erreicht, indem gewaltige wirtschaftliche Mittel nicht
den Armen zugutekommen, sondern in einem permanenten Krieg vernichtet werden (z.
B. Bau von „Schwimmenden Festungen“, engl. Floating Fortresses). Auch dient
dieser Krieg als Begründung dafür, dass sich das Land ständig in einer Notlage
befindet und sich gar keinen „Luxus“ wie Demokratie, Freiheit oder
Armutsbekämpfung leisten kann. Dazu produziert der Staat ständig billige
Schnulzenlieder, Groschenromane, Pornofilme und andere Dinge, die ausschließlich
von den Proles konsumiert werden dürfen. Ebenfalls organisiert der Staat eine
Lotterie, bei der die Großgewinner fiktiv sind – aber doch sind die Proles,
mangels anderer Beschäftigung, von diesen einfältigen Tätigkeiten hingerissen.
Sie haben keine Zeit oder keine Ambition, den Staat zu kritisieren, aber dennoch
ist diese Kaste die einzige, die in der Lage wäre, einen Umsturz herbeizuführen.
Wenn es nach dem Scheitern des Protagonisten noch Hoffnung auf Veränderung gibt,
so geht diese von den Proles aus. Während Mitglieder der Inneren und Äußeren
Partei einander mehr oder weniger akzeptieren, sehen sie in den Proles nichts
anderes als Tiere; faktisch kann niemand aus der Schicht der Proles aufsteigen.
Auch haben die Proles den niedrigsten Lebensstandard innerhalb der Gesellschaft.
Das Buch des Oppositionellen Emmanuel Goldstein beschreibt die Entstehung dieser
drei Klassen so, dass die sozialistischen Revolutionäre, die aus der früheren
Mittelschicht stammen und aus denen sich die Funktionäre der Partei rekrutieren,
die ursprüngliche Idee des Marxismus, die die Befreiung der Arbeiterklasse
vorsah, soweit pervertiert haben, dass sie ihnen ihren Machterhalt ermöglicht.
Trotzdem geht es nach der offiziellen Darstellung der Partei allen Bürgern –
auch den Proles – besser als vor der Revolution, obwohl sie in
heruntergekommenen einförmigen Mietskasernen leben und nur das Lebensnotwendige
an Kleidung und Nahrungsmitteln besitzen. Das Bild der Gesellschaft vor der
Revolution, das in den Geschichtsbüchern vermittelt wird, beschreibt die
Unterdrückung durch ausbeuterische Kapitalisten, Geistliche und Aristokraten,
Armut, Obdachlosigkeit, Kinderarbeit und das ius primae noctis. Dies ist ein
Zerrbild der englischen Klassengesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch
eine Anlehnung an das in sozialistischen Staaten tatsächlich vermittelte
Geschichtsbild, das zur Ablenkung von gegenwärtigen Problemen und zur
Bestätigung der Parteiparole von der „Befreiung der Menschheit“ dienen sollte.
Überwachung
Orwell beschreibt in 1984 eine totale Überwachung, hauptsächlich mit Hilfe von
Teleschirmen (telescreens[17]) ausgeübt, der sich kein Mitglied der Äußeren
Partei entziehen kann (bei der Inneren Partei ist es nicht klar – O’Brien kann
sich anscheinend für kurze Zeit entziehen, da er den Teleschirm abschalten
kann). Der Teleschirm ist sowohl Sende- als auch Empfangsgerät, das in jedem
Haus der inneren und äußeren Partei, an öffentlichen Plätzen und bei der Arbeit
die Bürger Ozeaniens überwacht. Niemand weiß, ob man gerade beobachtet wird oder
nicht, und man kann nur darüber spekulieren, wie oft oder nach welchem System
sich die Gedankenpolizei in die Privatsphäre einschaltet. Darum ist es sogar
denkbar, dass sie ständig alle (Parteimitglieder) beobachtet. Siehe auch
Panopticon, das Konzept totaler Überwachung.
Ein weiteres Mittel zur Überwachung sind Mikrofone, die überwiegend in
ländlichen Gegenden eingesetzt werden. Diese sind besonders deswegen gefürchtet,
weil sie, im Gegensatz zu den Teleschirmen, versteckt sind und man so noch
weniger weiß, ob man überwacht wird oder nicht.
Auch patrouillieren in unregelmäßigen Abständen Hubschrauber der Gedankenpolizei
durch die Wohngegenden und spähen direkt in die Fenster, was aber weniger der
tatsächlichen Überwachung dient, sondern eher ein Gefühl der Ohnmacht und
ständigen Beobachtung hervorrufen soll.
Im Gegensatz zu dieser offenen Überwachung gibt es noch die Bespitzelung der
Menschen untereinander. Besonders Kinder werden schon in der Jugendorganisation
der Spitzel/Späher (spies) dazu erzogen und animiert, ihre Eltern
auszuspionieren und zu verraten. Manche Eltern sind sogar stolz darauf, wenn
ihre Kinder andere oder sogar die eigenen Eltern verraten, so zum Beispiel im
Falle Parsons, Winstons Nachbarn, eines angepassten, im Sinne des Systems
funktionierenden Mitglieds der Äußeren Partei. Parsons wird von seiner
siebenjährigen Tochter denunziert, als er sich im Schlaf negativ über den Großen
Bruder äußert. Außerdem werden alle Parteimitglieder in Vereinen organisiert und
sind dazu aufgerufen, möglichst viel Zeit in Gemeinschaftshäusern zu verbringen,
damit jeder jeden im Blick hat.
Die Proles werden nur vereinzelt überwacht, da sie nicht als Menschen und ihre
Ansichten als bedeutungslos angesehen werden.
Ministerien
Der Aufbau der Regierung in 1984 ist eine Parodie auf eine bekannte Rede des
US-Präsidenten Roosevelt vor dem Kongress 1941 über die „vier Freiheiten“
(„freedom of speech and religion, from want and fear“): die Redefreiheit, die
Religionsfreiheit, die Freiheit von Mangelzuständen und von Furcht. George
Orwell verwendete diese Rede zusammen mit seinen Erfahrungen bei der British
Broadcasting Corporation (BBC) dazu, um die vier Ministerien von Ozeanien zu
erschaffen:
Ministerium für Frieden (Minipax): Dieses Ministerium befasst sich damit, den
immerwährenden Krieg in Gang zu halten. Eventuell ist es auch für die Angriffe
auf eigene Städte verantwortlich, um die Kriegsstimmung aufrechtzuerhalten.
Ministerium für Überfluss/Überfülle (Miniflu(ss)/Minifülle): Dieses Ministerium
ist für Wirtschaft und die Ausarbeitung der Drei-Jahres-Pläne zuständig, die
laut offiziellen Meldungen ständig erreicht bzw. übertroffen werden, während die
tatsächliche Produktion wahrscheinlich absichtlich gering gehalten wird. So
werden angeblich 145 Millionen Stiefel pro Jahr produziert, während „die Hälfte
der Bevölkerung Ozeaniens barfuß“ geht. Das Ministerium sorgt also auch dafür,
dass nie genug Konsumgüter vorhanden sind beziehungsweise die Qualität extrem
schlecht bleibt (man vergleiche Winstons Bemerkungen über die schlechte und
sogar abnehmende Qualität von Schokolade, Victory-Zigaretten und Victory-Gin).
Ministerium für Liebe (Minilieb): Dieses mysteriöse und gefürchtete Ministerium
unterhält die Gedankenpolizei, die Abweichler aufspürt und dorthin bringt. Dort
werden sie solange gefoltert, bis sie „umgedreht“, also wieder voll und ganz auf
Parteilinie sind. Einige werden danach freigelassen, um noch einige Zeit in
Ozeanien zu leben, bevor sie erschossen werden. Andere werden sofort erschossen.
Ministerium für Wahrheit (Miniwahr): Dieses Ministerium befasst sich mit der
Vergangenheit beziehungsweise mit deren ständiger Manipulation. Sämtliche
Bücher, Filme, Schriften, Zeitungen, Tonaufnahmen etc. aus vergangener Zeit
werden hier ständig revidiert und an die aktuelle Linie der Partei angepasst,
sodass laut allen Aufzeichnungen, die existieren, die Partei immer recht hat und
immer recht gehabt hat.
„Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle
Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und
wurde Wahrheit.“ (Vgl. Teil 1 aus 1984.)
„Wer die Macht über die Geschichte hat, hat auch Macht über Gegenwart und
Zukunft.“
Interpretation
Orwell beschreibt einen dystopischen Staat, der aus reiner Machtgier Individuen
und Individualität, z. B. bei Julia und dem Protagonisten Winston, zerstört.
Winstons Krampfadergeschwür ist ein körperliches Symptom für die unter dem
Regime leidende Psyche.[18]
„Golden Country“ steht im Kontrast zu der entseelten Wirklichkeit und
symbolisiert Winstons Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit sowie einer
besseren Zukunft. Solange Winston diesen Traum behielt, war er nicht vollständig
umerzogen. Erst als in Room 101 die letzte Folterung, der letzte
Umerziehungsschritt vollzogen ist, erinnert er sich an kein „Golden Country“
mehr.
Der Briefbeschwerer dient Winston zunächst als Sinnbild einer Vergangenheit, in
der es u. a. Schönheit gab. Dieser Gegenstand symbolisiert seine Missachtung der
Gegenwart, womit er sich als Gedankenverbrecher schuldig macht. The paperweight
was the room he was in, and the coral was Julia's life and his own, fixed in a
sort of eternity at the heart of the crystal. (S. 154). Doch der gläserne
Briefbeschwerer weist auch auf die Zerbrechlichkeit ihrer gläsernen Welt hin; im
Zuge der Gefangennahme wird diese auf brutale Weise zerstört und zeigt sich
somit als eine Illusion.[19]
Der Staub in London entstand im dort herrschenden permanenten Kriegszustand.
Gleichzeitig kann es als Symbolik betrachtet werden: „Bis ins kleinste
Staubkörnchen“ werden die Bürger durchdrungen. Bis zum Ende bleibt der Staub,
als Winston nach seiner Umerziehung im Cafe Kastanienbaum die Gleichung „2+2=5“
mit Staub auf den Tisch schreibt.[20]
Urheberrechte
1984 ist in der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich[21] seit
dem 1. Januar 2021 gemeinfrei. In der Folge erschienen zu Beginn dieses
Jahres gleich acht Neuübersetzungen ins Deutsche.[22] In den USA wird das
Werk erst nach 2044 den Status Public Domain erhalten, den es zum Beispiel in
Kanada[23], Russland und Australien bereits hat.[24]
Rezeption
Die Enthüllungen von Edward Snowden führten 2013 zur höheren Platzierung von
Orwells Roman in Verkaufsranglisten.
Orwells Roman wird regelmäßig zitiert, bzw. häufig nur der Titel 1984 oder auch
nur der Name Orwell genannt, um kritisch auf Tendenzen hin zu einem
Überwachungsstaat hinzuweisen. Ähnlich wird auch der Begriff des Großen Bruders
eingesetzt, etwa bei den Big Brother Awards.
Seit etwa 2009 geschah dies zum Beispiel öfter mit Bezug auf das
Forschungsprojekt INDECT der EU zur „präventiven Verbrechensbekämpfung“ mittels
automatischer Auswertung von Überwachungskamerabildern des öffentlichen Raums.
So bezeichnete der britische Daily Telegraph das Projekt 2009 als Orwellschen
Plan.[4] Der Freitag fragte mit Bezug auf das Projekt rhetorisch, ob Orwell wohl
ein „naiver Optimist“ war.[5]
1999 wurde das Werk in Frankreich auf Platz 22 der Liste der hundert besten
Bücher des 20. Jahrhunderts gewählt.
Die DDR wertete Orwells Werk als staatsfeindliche Hetzschrift und
verhängte hohe Zuchthausstrafen für die Lektüre und den Verleih, weil er, gemäß
einer Urteilsbegründung, den Sozialismus verteufele und verunglimpfe und die
Sowjetunion sowie die Führungsrolle der marxistisch-leninistischen
Parteidiktatur diffamiere.[25][26]
Nach Bekanntwerden des PRISM-Überwachungsprogramms des US-Geheimdiensts NSA
durch den Whistleblower Edward Snowden im Juni 2013 erlebte das Buch in den USA
und Großbritannien ein Revival. Es stieg in der Liste der meistverkauften Bücher
des Internet-Buchhändlers Amazon.com in den USA auf Rang 66 und in
Großbritannien auf Platz 42.[27] Durch die Aussage der Beraterin des
US-Präsidenten Donald Trump, Kellyanne Conway bezüglich „alternative Fakten“,
einer Phrase, die für Orwells „Doppeldenk“ charakteristisch sei, rangierte es
2017 in den USA sogar auf Platz 1.[28]
Das Album Diamond Dogs von 1974, das David Bowie auch in den USA zum Durchbruch
verhalf, war ursprünglich als Musical des Romans angelegt. Nachdem bereits vier
Songs geschrieben waren, erfuhr Bowie, dass Orwells Witwe ihm nicht die Rechte
einräumen würde, das Projekt als solches zu verwirklichen. Auf dem fertigen
Album finden sich bereits in den Titeln 1984 und Big Brother direkte Referenzen
auf das Buch. Auch bestimmte Textzeilen weisen auf die ständige Überwachung und
die damit einhergehenden Konsequenzen hin, so in We are the dead.[29]
Bezüge zur Gegenwart werden verschiedentlich ebenfalls in der Debatte um
Politische Korrektheit gezogen, welche durch Sprachtabus und Euphemismen an
Orwells „Neusprech“ und „Gutdenk“ erinnere.[30][31]
Die Verkäufe des Buchs in Russland nahmen nach dem Russischen Überfall auf die
Ukraine 2022 um 75 Prozent zu, während die Propaganda in der Russischen
Föderation den Angriffskrieg als „Befreiung“ darstellte und die Anordnung
erging, in Schulen den Krieg als „Friedensmission“ zu erklären.[32] Die
umstrittene Sprecherin des Außenministeriums behauptete gar, Orwells Buch
beschreibe nicht einen totalitären Staat, sondern den Niedergang des
Liberalismus, während die übliche gegenteilige Erklärung eine der größten
globalen Fake-Geschichten sei.
Sonstiges
Der in Prag lebende Journalist Siarhei Šupa übersetzte 1984 ins Belarussische.
Der Verleger Andrej Januschkiewitsch legte diese Übersetzung 2020 neu auf. Sie
war einige Monate lang ein Bestseller, wohl weil er von vielen als dichte
Beschreibung der belarussischen Wirklichkeit gelesen wurde. Um den 19. Mai 2022,
elf Wochen nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, wurde der
Roman verboten und der Verleger verhaftet.[33]
Adaptionen
Verfilmungen
1984, Fernsehfilm von Paul Nickell aus dem Jahr 1953 für den US-Sender CBS mit
Lorne Greene[34]
1984, Fernsehfilm von Rudolf Katscher aus dem Jahr 1954 für BBC mit Peter
Cushing und Donald Pleasence[35]
Neunzehnhundertvierundachtzig, Spielfilm aus dem Jahr 1956, wieder mit Donald
Pleasence
1984, Verfilmung aus dem Jahr 1984
Vertonungen
Im Jahre 1984, Hörspiel, Südwestfunk / BBC
Die totalitäre Welt – 1984. Eine Warnung, RIAS Berlin, 1949
1984, Hörspiel, Radio Bremen, 1950
Im Jahre 1984, Hörspiel, ORF, 1950
London 1984, Hörspiel, RIAS, 1950, 49 Min.
1984, Hörspiel, ORF-W, 1970
1984, 1. Teil: Gedankenverbrechen, 2. Teil: Der letzte Mensch, Hörspiel,
RIAS/SWF, 1977, 121 Min.
1984', Literaturoper, 2005
1984, Hörspiel in vier Teilen, Bearbeitung, Komposition und Regie: Klaus
Buhlert, BR/DLF Kultur, 2021, 251 Min. (ardaudiothek.de).
Literatur
Ausgaben
Nineteen Eighty-Four. Penguin, London, 2021, (aktuelle Originalausgabe) ISBN
978-0-24-145351-3
Neunzehnhundertvierundachtzig. Nachwort Arthur Koestler. Übersetzung Kurt
Wagenseil. Diana, Zürich 1950; zuletzt: Ullstein, Frankfurt 1996, ISBN
978-3-548-22562-3.
1984. Übers. Michael Walter. Ullstein, Frankfurt am Main 1984, zuletzt: 2017,
ISBN 978-3-548-28945-8.
1984. Übers. Simone Fischer. Nikol Verlag, Hamburg 2021, ISBN 978-3-86820-607-4.
1984. Übers. Gisbert Haefs. Manesse, Zürich 2021, ISBN 978-3-7175-2528-8.
1984. Übers. Holger Hanowell. Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen 2021, ISBN
978-3-15-020635-5.
1984. Übers. Frank Heibert. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, ISBN
978-3-103-97097-5.
1984. Übers. Eike Schönfeld. Insel Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-458-17876-7.
1984. Übers. Karsten Singelmann. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2021, ISBN
978-3-499-00185-7.
1984. Übers. Jan Strümpel. Anaconda Verlag, Köln 2021, ISBN 978-3-7306-0976-7.
1984. Übers. Lutz-W. Wolff. dtv, München 2021, ISBN 978-3-423-43771-4.
Sekundärliteratur
Bernd-Peter Lange: George Orwell: 1984. Fink, München 1982, ISBN 3-7705-2066-1.
Robert Plank: George Orwells „1984“. Eine psychologische Studie. Übersetzung
Leopold Spira. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 978-3-518-37469-6.
Michael Rademacher: George Orwell, Japan und die BBC. Die Rolle des totalitären
Japan bei der Entstehung von „Nineteen Eighty-Four“. In: Archiv für das Studium
der neueren Sprachen und Literaturen. 149. Jahrgang, 1997, Nr. 1, S. 33–54, ISSN
0003-8970.
Michael Rademacher: Orwell and Hitler: „Mein Kampf“ as a Source for „Nineteen
Eighty-Four“. In: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, 47. Jahrgang,
1999, Nr. 1, S. 38–53, ISSN 0044-2305.
William R. Steinhoff: George Orwell and the Origins of 1984. University of
Michigan Press, Ann Arbor 1975, ISBN 978-0-472-87400-2.
Maria-Felicitas Herforth: George Orwell: 1984 (Nineteen Eighty-Four) (= Königs
Erläuterungen und Materialien. 108). Bange, Hollfeld 2002, ISBN 3-8044-1769-8.
Kathleen Ellenrieder: Lektüreschlüssel zu George Orwell: 1984. (= Reclams
Universal-Bibliothek. 15362), Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-015362-X.
Dorian Lynskey: The ministry of truth. A biography of George Orwell's 1984.
Picador, London 2019, ISBN 978-1-5098-9073-6.