Hans Paasche
Die Briefe des
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aus wikipedia-2021 Hans Paasche (* 3. April 1881 in Rostock; † 21. Mai 1920 auf Gut Waldfrieden, Netzekreis, Verwaltungsbezirk Grenzmark Westpreußen-Posen) war ein deutscher Marineoffizier, Pazifist und Schriftsteller. Er beteiligte sich vor dem Ersten Weltkrieg an den Diskussionen der bürgerlichen Lebensreformbewegung und hatte einen gewissen Einfluss auf den politisierten und gesellschaftskritischen Teil der Wandervogelbewegung. In seinem bekanntesten Werk Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland,[1] ursprünglich 1912/13 in Fortsetzungen erschienen, gießt er Hohn und Spott über die anmaßende und groteske Lebensführung der „zivilisierten“ Menschheit. 1918 gehörte er für einige Wochen dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin an. Im Mai 1920 wurde er, erst 39 Jahre alt, von Angehörigen des Reichswehr-Schutzregimentes 4 aus Deutsch Krone auf seinem abgelegenen Gut straflos ermordet.[2]
Leben und Werk Hans Paasche wurde in eine konservative, großbürgerliche Familie geboren. Sein Vater, Hermann Paasche, war Wirtschaftswissenschaftler, später Reichstags-Vizepräsident sowie Mitglied der Nationalliberalen Partei. Paasche besuchte das Joachimsthalsche Gymnasium in Berlin und schlug anschließend (1900) die Laufbahn des Marineoffiziers ein, er wollte die Welt kennen lernen. 1904 war er für den Dienstposten des Navigationsoffiziers im Dienstgrad Oberleutnant zur See auf dem Kleinen Kreuzer SMS Bussard vorgesehen. Dazu verließ Paasche am 5. Mai 1904 auf dem deutschen Dampfer Main Bremerhaven. Im Juni traf die Main in Colombo auf die Bussard und Paasche konnte seinen Dienst antreten. SMS Bussard war zu dieser Zeit als Stationär für die Ostafrikanische Marinestation vorgesehen und traf am 30. Juni in Daressalam in Deutsch-Ostafrika ein. Als im August 1905 der Maji-Maji-Aufstand ausbrach, wurde die Bussard eingesetzt, um Truppen-Detachements der Marine bzw. der kaiserlichen Schutztruppe an der Küste abzusetzen, um die Küstenstationen zu schützen und die Aufständischen zu bekämpfen. Paasche wurde als Anführer eines dieser Detachements in Mohorro abgesetzt und war hier auch in Kämpfe gegen die Aufständischen verwickelt.[3] Es kam jedoch zu Konflikten mit seinen Vorgesetzten, weil er Gefechtsverluste – auf beiden Seiten – zu vermeiden versuchte. Das bedeutete für seine karrierebewussten Kameraden: Weniger Siegesmeldungen an die Heimat und weniger Orden. Paasche, der viel las und auch Geige spielte, hatte eigens Kisuaheli erlernt, um sich besser mit den Einheimischen verständigen zu können. Er übte Kritik an der brutalen Kolonialpolitik des Deutschen Reiches und forderte eine menschliche Behandlung der angeblichen Schützlinge. Eine Malariaerkrankung beendete seinen Dienst in Afrika. Den dienstlichen Verpflichtungen oblag er fortan bewusst nachlässig und erhielt Anfang 1909 den erhofften Abschied.
1909 heiratete Paasche Ellen Witting, Tochter des Bankiers Richard
Witting und Nichte des Publizisten Maximilian Harden. Die Hochzeitsreise
führte beide ins östliche Afrika und an die Quellen des Weißen Nils.
Ellen Paasche war die erste Europäerin, die dorthin gelangte. 1909/1910
lebte das Paar am Victoriasee. Beide schrieben über diese Reise das
umfangreiche Manuskript Die Hochzeitsreise zu den Quellen des Nils, das
vollständig verloren ging.
In Vorträgen versuchte Hans Paasche Verständnis für Afrika und seine Menschen zu wecken. Schon seit 1910/11 hatte er (als Reserveoffizier) öffentlich für den Pazifismus geworben, was ihm 1913 ein militärisches Ehrengerichtsverfahren eintrug.[8] Er befürwortete das Frauenstimmrecht, den Tierschutz, kämpfte gegen Vivisektion, Federmode und die Jagd und unterstützte die vegetarische Bewegung. Im Jahr 1913 war er einer der Wortführer beim Ersten Freideutschen Jugendtag, einem Treffen der Jugendbewegung auf dem Hohen Meißner in Nordhessen. Er gehörte auch zu dem von Friedrich Muck-Lamberty initiierten Kreis der Freunde um den Naturpropheten Gusto Gräser und war Mitglied in dem von Magnus Schwantje gegründeten Bund für radikale Ethik.
Die Siegessäule wankt
Das wenig ertragreiche kleine Gut lag östlich der Oder beim Dorf Hochzeit im damaligen Kreis Filehne. Mit den französischen Kriegsgefangenen, die Paasche zugeteilt worden waren, feierte er am 14. Juli 1917 den Jahrestag des Sturmes auf die Bastille und hisste auf dem Gutshaus die Trikolore. Im Verein mit seiner regen antimilitaristischen Propagandaarbeit führten solche Vorkommnisse im Herbst 1917 zu Paasches Verhaftung. Vor dem Untersuchungsrichter gab er zu Protokoll, was er später unter dem Titel Meine Mitschuld am Weltkriege veröffentlichte. Um einen Prozess mit dem redegewandten Ex-Offizier zu vermeiden, ließ man ihn in eine Berliner Nervenklinik einweisen. Möglicherweise hatte dabei auch Richard Witting seine Hände im Spiel, entging dessen Schwiegersohn damit doch immerhin der drohenden Anklage wegen Hochverrats und der Verhängung der Todesstrafe.[10] Dort befreiten Paasche am 9. November 1918 revolutionäre Matrosen und fuhren ihn direkt in den Reichstag, wo er in den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte gewählt wurde. Paasche stand damals der USPD nahe. Er plädierte für eine radikaldemokratische, sozialistische Politik, deren vorrangiges Ziel nach seinen Vorstellungen zunächst eine Zerschlagung des Großgrundbesitzes im Rahmen einer Bodenreform zu sein hatte. Um ein Zeichen des Bruchs mit der Vergangenheit zu setzen, schlug er den Abriss der Siegesallee samt Siegessäule vor. Am 26. November ließ Paasche in der Absicht, die Kriegsverbrechen des Jahres 1914 und die deutsche Besatzungspolitik untersuchen zu lassen, zwei Waggons mit Geheimakten aus dem Archiv des ehemaligen Generalgouvernements Belgien beschlagnahmen.[11] Eines von Paasches zentralen Anliegen war die Festnahme und Aburteilung der für die Auslösung des Krieges verantwortlichen Personen. Für diese Pläne und Maßnahmen fand Paasche kaum Unterstützung. Inzwischen setzten die Kräfte um Ebert, Scheidemann und Noske auch schon alles daran, die Masseninitiative abzuwürgen und die Arbeiter- und Soldatenräte zu entmachten. Am 25. Januar 1919 saß Paasche auf dem ersten Wagen des Trauerzuges für die an diesem Tag beigesetzten Opfer des Januaraufstandes, darunter auch der ermordete Karl Liebknecht.[12] Mit seiner maßlosen Enttäuschung über den Verrat der revolutionären Bestrebungen verband sich der Gram über den jähen Tod seiner erst 29 Jahre alten Frau Ellen, die am 8. Dezember 1918 der Spanischen Grippe erlegen war. Sie hatte inzwischen ihr viertes Kind geboren. Aus diesen Gründen zog sich Paasche an der Jahreswende erneut auf sein Gut zurück. Er gab die Kinder teils in Obhut von Verwandten, kümmerte sich um ökologisches Wirtschaften, verfasste aber auch weiterhin politische Schriften. Vom unablässigen Kleinkrieg mit seinen in der Nachbarschaft wohnenden Eltern einmal abgesehen, genoss er unter den Einheimischen einen hohen Ruf. Er unterstützte streikende Landarbeiter und stand kurz davor, mit überwältigender Mehrheit in den Gemeinderat gewählt zu werden. Im Frühjahr 1920 fand er in Hertha Geisler, die seit längerem zu seinem Freundeskreis zählte, zudem eine neue Partnerin.[13]
„Auf der Flucht erschossen“
Paasche soll sich 1919 der KPD angeschlossen haben. Im Frühjahr 1920 forderte er die Landarbeiter seines Gutes und jene benachbarter Güter auf, bei der bevorstehenden Reichstagswahl für die Partei zu stimmen.[16] Daraufhin wurde er bei den Behörden mehrfach als „Umstürzler“ denunziert, der auf seinem Gut ein Waffenlager unterhalte – wahrscheinlich sogar von seinem eigenen Vater.[17] Unabhängig davon war Paasche von Freunden vor einem geplanten Anschlag Rechtsradikaler gewarnt worden und hatte auch selbst bemerkt, dass Unbekannte das Gut per Fernglas beobachteten.[18] Zwei Verfolgern entkam er, indem er sich in der Hütte eines Waldarbeiters verbarg. Eine Übersiedlung nach Berlin lehnte Paasche dennoch ab. Am 21. Mai erschienen zwei Offiziere mit etwa fünfzig Soldaten auf zwei mit Maschinengewehren bestückten Lastkraftwagen auf Gut Waldfrieden. Paasche hielt sich gerade mit seinen Kindern an einem nahegelegenen See auf. Er wurde herbeigerufen und beim Näherkommen durch einen Schuss ins Herz getötet. Er war bekleidet mit Badehose und Jacke und trug Sandalen. Die angeblich im Gut gehorteten Waffen erwiesen sich als Hirngespinste. Die Durchsuchung des Anwesens förderte lediglich einige Exemplare der Freiheit und der Roten Fahne zutage, die als „Beweismittel“ beschlagnahmt wurden. Der Schütze (unterster Mannschaftsdienstgrad) Diekmann, der den tödlichen Schuss abgab, und der diensthabende Vorgesetzte Oberleutnant Koppe, die angaben, Paasche sei „auf der Flucht erschossen“ worden, wurden nicht belangt. Die zuständige Staatsanwaltschaft deckte den Mord als „Zusammentreffen nicht voraussehbarer unglücklicher Umstände“.
Der Diplomat und Publizist Harry Graf Kessler hielt in seinem Tagebuch
1920 dazu fest (Zitat):
Gerhart Hauptmann gestaltete den Mord an Paasche im Dritten Abenteuer seines Till Eulenspiegel. Dort lässt er Till klagen: „Hör es, Sonne! Und höre es, Wald! Auch du, Erde, vernimm es! / Hört und rächt es, ihr Tiere und Geister des Feldes! Sie haben / meinen Bruder, den Evangelisten des Herrn erschlagen!“[23]
Gedenkstätten Die ursprüngliche Paasche-Linde fiel 2002 im Sturm und wurde 2007 von einer polnischen Schülergruppe aus Krzyż Wielkopolski durch eine im Gut Waldfrieden ausgegrabene junge Linde ersetzt, die unter Beteiligung eines aus Kanada angereisten Paasche-Enkels während eines Festaktes gepflanzt wurde.[25]
Das westlich der Verbindungsstraße zwischen Przesieki (Wiesental) und Kuźnica Zelichowska (Selchowhammer) gelegene Gut Waldfrieden (polnisch: Zacisze) wurde 1912 von Hans Paasche und seiner Frau Ellen erworben und bestand zu der Zeit aus 800 Morgen Wald und 200 Morgen Wiesen und Felder sowie dem Tiefsee (polnisch: Jezioro Głębokie). Nach Paasches Ermordung wurde er im Beisein Hunderter Bauern, Land- und Forstarbeiter aus der Umgebung nahe einem Weiher auf seinem Gut beerdigt. 1923 wurde das Anwesen verkauft und 1945 die inzwischen verfallenen Gebäude abgetragen. Heute wird das Gelände von der Oberförsterei in Krzyż Wielkopolski verwaltet.
Nachdem der Stettiner Neurologe und Naturforscher Jerzy Giergielewicz 2003 Paasches Werke der polnischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte, bildete sich in Krzyż Wielkopolski eine Schülerinitiative, die eine Patenschaft zur Pflege des Grabes von Hans Paasche übernahm. 2004 wurde auf Beschluss des Krzyżer Stadtrates das Grab zur Gedenkstätte hergerichtet. Dazu wurde die zugewucherte Grabstätte freigelegt und eingefriedet. Grüne Pfeile an Bäumen weisen den Weg von der verbliebenen Treppe des Gutsgebäudes zur Grabstelle. An Paasches 85. Todestag (2005) wurde Gut Waldfrieden als Gedenkstätte der europäischen Verständigung der Öffentlichkeit übergeben. Der dazu aus Toronto angereiste Gottfried Paasche, ein Enkel Hans Paasches, bekundete seine Dankbarkeit und seine Freude darüber, dass das Vermächtnis seines Großvaters mit dieser großartigen und mutigen Geste entgegengenommen werde, und bezweifelte, dass dergleichen in Deutschland möglich sei.[26][27] Zwei Tafeln in polnischer und deutscher Sprache weisen am Fuß der Treppe auf die Geschichte des Guts und seiner Bewohner hin. Da der Weg zur Gedenkstätte nicht beschildert ist, muss man sich anhand der Geo-Koordinaten ♁52° 59′ 48,3″ N, 15° 58′ 47,1″ O orientieren. Rostock und Bremen In Rostock und Bremen bemühen sich Einzelpersonen und Initiativen, das Gedenken an Paasche wachzuhalten. In welcher konkreten Form dem stattgegeben wird, soll noch entschieden werden.[28]
Werke (Auswahl)
Der Gedanke der Lebensreform im Projekt Gutenberg-DE (Aufsatz) Im Morgenlicht. Kriegs-, Jagd- und Reiseerlebnisse in Ostafrika. Mit 97 photographischen Aufnahmen des Verfassers. Berlin: Schwetschke 1907. Digitalisat
Was ich als Abstinent in den afrikanischen Kolonien erlebte, Reutlingen:
Mimir 1911[29] Meine Mitschuld am Weltkriege im Projekt Gutenberg-DE, Berlin: Neues Vaterland, Berger 1919 (Flugschriften des Bundes Neues Vaterland Nr. 6).
Das verlorene Afrika, Berlin: Neues Vaterland 1919 (Digitalisat).
Literatur in der Reihenfolge des Erscheinens Magnus Schwantje: Hans Paasche. Sein Leben und Wirken. Verlag Neues Vaterland, Berlin 1921. Otto Wanderer (d. i. Otto Buchinger): Paasche-Buch. Verlag Junge Menschen, Hamburg 1921. Helmut Donat, Wilfried Knauer (Hrsg.): „Auf der Flucht“ erschossen …. Schriften und Beiträge von und über Hans Paasche. Donat, Bremen 1981. Reinhold Lütgemeier-Davin: Hans Paasche (1881–1920), Lebensreformer, Anti-Preuße, Revolutionär. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung, Bd. 13 (1981), S. 187–194. Peter Morris-Keitel: Umwertung aller Werte. Hans Paasches „Lukanga Mukara“ neu gelesen. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung, Bd. 17 (1988–1992), S. 163–176.
Peter Morris-Keitel: Paradiesische Zustände. Zu Hans Paasches
Weltnaturschutzkonzept. In: Jost Hermand (Hrsg.): Mit den Bäumen sterben
die Menschen. Zur Kulturgeschichte der Ökologie. Böhlau, Köln 1993, S.
221–240.
Winfried Mogge: Paasche, Hans Albert Ferdinand. In: Neue Deutsche
Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN
3-428-00200-8, S. 735 f. (Digitalisat).
Christian Niemeyer: Hans Paasche unter Töchtern der Wüste? Kritische
Anmerkungen zur Heldenverehrung in der Jugendbewegungshistoriografie.
Helmut Donat: Rebell in Uniform. In: Die Zeit. Nr. 22, 21. Mai 2020, S.
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