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Zweiter Teil

6   Das Zeitalter des Showbusiness  

Postman-1985

 

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Ein Bekannter von mir, ein eifriger Student, kam am Tag vor einer wichtigen Prüfung abends in seine kleine Wohnung zurück und mußte feststellen, daß seine einzige Lampe kaputtgegangen war und sich nicht reparieren ließ. Nach einem kurzen Anfall von Panik gelang es ihm, seinen Gleichmut ebenso wie seine Aussichten auf eine befriedigende Note wiederherzustellen: Er schaltete den Fernseher ein, drehte den Ton ab, und mit dem Rücken zum Gerät nutzte er dessen Licht, um noch einmal die wichtigsten Passagen nachzulesen, zu denen er befragt werden würde. So kann man den Fernseher benutzen — zur Beleuchtung einer Buchseite.

Der Bildschirm ist jedoch mehr als eine Lichtquelle. Er ist eine glatte, fast ebene Fläche, auf der auch gedruckte Wörter gezeigt werden können. Wir alle haben schon einmal in einem Hotel gewohnt, wo der Fernseher einen speziellen Kanal besitzt, auf dem die Tagesereignisse in endlos über den Bildschirm wandernden Buchstaben beschrieben werden. Auch so kann man den Fernseher benutzen — als elektronisches Schwarzes Brett.

Viele Fernsehgeräte sind groß und stabil genug, um das Gewicht einer kleinen Bibliothek auszuhalten. Auf einer altmodischen RCA-Fernsehtruhe kann man ohne weiteres 30 Bücher deponieren, und ich kenne eine Frau, die ihre ganze Sammlung mit Werken von Dickens, Flaubert und Turgenjew auf einem 53-cm-Westing­house untergebracht hat. Auch so kann man den Fernseher benutzen — als Bücherbord.

Ich erwähne diese verwegenen Varianten der Fernsehnutzung, um die von manchen gehegte Hoffnung ad absurdum zu führen, das Fernsehen könne durchaus zur Stützung der traditionellen Formen von Bildung gebraucht werden. 

Diese Hoffnung entspricht genau dem, was Marshall McLuhan »Rückspiegeldenken« genannt hat. Das »Rückspiegeldenken« geht davon aus, daß ein neues Medium lediglich die Fortsetzung oder Erweiterung eines älteren sei, und sieht im Auto nur ein schnelles Pferd oder in der Glühbirne eine besonders starke Kerze. 

In diesen Fehler zu verfallen hieße in unserem Zusammenhang, völlig zu verkennen, auf welche Weise das Fernsehen eine Neubestimmung des öffentlichen Diskurses vollbringt. Weder setzt das Fernsehen die Schriftkultur fort, noch erweitert es sie. Es attackiert sie.

Wenn das Fernsehen überhaupt etwas fortführt, dann jene Tradition, die mit dem Telegraphen und der Photographie um die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte, und nicht die, die im 15. Jahrhundert mit der Druckpresse begann.

Das sind Fragen, mit denen wir uns im folgenden beschäftigen wollen, und um dabei möglichst wenig Verwirrung aufkommen zu lassen, möchte ich zunächst den Unterschied zwischen einer Technik und einem Medium verdeutlichen.

Man könnte es so formulieren: Die Technik verhält sich zum Medium wie das Gehirn zum Verstand oder zum Denken. So wie das Gehirn ist die Technik ein gegenständlicher Apparat. So wie der Verstand ist das Medium die Art und Weise, in der man einen solchen materiellen Apparat gebraucht. Die Technik wird zum Medium, indem sie sich eines bestimmten symbolischen Codes bedient, indem sie ihren Ort in einer bestimmten sozialen Umgebung findet und indem sie in bestimmten ökonomischen und politischen Kontexten Fuß faßt. Mit anderen Worten, die Technik ist bloß eine Maschine; das Medium ist die soziale und intellektuelle Umwelt, die von einer Maschine hervorgebracht wird.

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Nun weist jede Technik, wie das Gehirn selbst, eine bestimmte innere Tendenz oder Perspektive auf. In ihrer materiellen Form sind bestimmte Nutzungs­möglichkeiten angelegt und andere nicht. Nur wer nichts über die Geschichte der Technik weiß, kann annehmen, eine Technik sei neutral. Es gibt einen alten Witz, der diese naive Ansicht aufs Korn nimmt. Thomas Edison, so lautet er, hätte seine Erfindung der Glühbirne viel früher bekanntgegeben, wenn er sich die Glühbirne beim Einschalten nicht jedesmal vor den Mund gehalten und »Hallo? Hallo?« gesagt hätte.

Eher unwahrscheinlich! Jede Technik hat ihre eigene Logik. Sie ist, wie gesagt, eine Metapher, die darauf wartet, sich zu entfalten. Die Druckpresse zum Beispiel hatte offensichtlich eine Tendenz, die auf ihre Nutzung als sprachliches Medium hinauslief. Natürlich ist es vorstellbar, daß man sie ausschließlich zur Wiedergabe von Bildern verwendet. Und man kann sich vorstellen, daß die römisch-katholische Kirche im 16. Jahrhundert nichts dagegen gehabt hätte, sie so einzusetzen. Wäre dies geschehen, so hätte die protestantische Reformation vielleicht nie stattgefunden. 

Aber wenn jeder Christ Gottes Wort daheim auf dem Tisch haben konnte — und dafür kämpfte Luther —, dann war kein Papst vonnöten, um es zu deuten. In Wirklichkeit jedoch war es nie sehr wahrscheinlich, daß die Druckpresse allein oder auch nur vorrangig zur Vervielfältigung von Heiligenbildern gebraucht werden würde. Seit ihrer Erfindung im 15. Jahrhundert hat man in ihr eine hervorragende Chance erkannt, geschriebene Sprache zu veröffentlichen und in weiten Kreisen zu verbreiten. Alle ihre technischen Möglichkeiten wiesen in diese Richtung. Man könnte fast sagen, daß sie zu diesem Zweck erfunden wurde.

Auch die Technik des Fernsehens weist eine bestimmte Tendenz auf. Es ist vorstellbar, das Fernsehgerät als Lampe, als Fläche, auf der Texte gezeigt werden, als Bücherbord oder als Radio zu verwenden. Aber so ist das Fernsehen nicht verwendet worden, und so wird man es auch in Zukunft nicht verwenden. Jedenfalls nicht in Amerika. 

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Wenn wir also die Frage »Was ist das Fernsehen?« beantworten wollen, müssen wir zunächst begreifen, daß es hier nicht um das Fernsehen als Technik, sondern um das Fernsehen als Medium geht. 

In vielen Ländern der Erde unterscheidet sich das Medium Fernsehen, obwohl die Technik überall die gleiche ist wie in Amerika, ganz erheblich von dem, was wir kennen. Ich meine Länder, in denen die meisten Leute kein Fernsehgerät besitzen oder allenfalls eines, mit dem man nur einen Sender empfangen kann, der nicht rund um die Uhr Programme ausstrahlt; Länder, in denen die meisten Sendungen dazu dienen, Ideologie und Politik der Regierung direkt zu unterstützen, in denen man kein Werbefernsehen kennt und »sprechende Köpfe« den Bildschirm beherrschen; Länder, in denen das Fernsehen hauptsächlich wie ein Radio benutzt wird. Aus diesen und anderen Gründen kann das Fernsehen dort nicht die gleiche Bedeutung und den gleichen Einfluß erlangen wie in Amerika — und das heißt, man kann eine Technik so nutzen, daß die Entfaltung ihrer Potentiale verhindert wird und ihre sozialen Auswirkungen auf ein Minimum beschränkt bleiben.

In Amerika ist dies jedoch nie der Fall gewesen. Eine freiheitliche Demokratie und eine relativ freie Markt­wirt­schaft boten dem Fernsehen einen Nährboden, auf dem seine Potentiale als Technologie der Bilder sich vollständig entfalten konnten. Das hat dazu geführt, daß amerikanische Fernsehsendungen auf der ganzen Welt sehr gefragt sind. Der Export von US-Fernsehsendungen liegt bei 100.000 bis 200.000 Stunden, die sich gleichmäßig auf Lateinamerika, Asien und Europa verteilen.1

 

Im Laufe der Jahre sind Sendungen wie Gunsmoke, Bonanza, Mission: Impossible, Star Trek, Kojak und in jüngerer Zeit Dallas und Denver Clan in England, Japan, Israel und Norwegen genauso populär geworden wie in Omaha, Nebraska. Wie ich gehört (allerdings nicht nachgeprüft) habe, sollen die Lappen vor ein paar Jahren ihre alljährliche und vermutlich lebenswichtige Wanderung nach Norden um ein paar Tage verschoben haben, weil sie mitbekommen wollten, wer J. R. niedergeschossen hat. 

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All dies geschieht, während gleichzeitig das moralische und politische Ansehen Amerikas in der ganzen Welt sinkt. Amerikanische Fernsehsendungen sind nicht deshalb gefragt, weil Amerika so beliebt ist, sondern weil das amerikanische Fernsehen so beliebt ist.

Warum das so ist, läßt sich unschwer erraten. Wenn man sich amerikanische Fernsehsendungen anschaut, kommt einem in den Sinn, was George Bernard Shaw sagte, als er zum erstenmal die flimmernden Neonlichter auf dem abendlichen Broadway und in der 42nd Street sah: »Es muß wundervoll sein, wenn man nicht lesen kann.« Das amerikanische Fernsehen ist tatsächlich ein Genuß fürs Auge, ein wundervolles Schauspiel, das an jedem Sendetag Tausende von Bildern verströmt. Die durchschnittliche Länge einer Kameraeinstellung in den Sendungen der großen Fernseh­gesellschaften beträgt nur 3,5 Sekunden, so daß das Auge nie zur Ruhe kommt, stets etwas Neues zu sehen bekommt. 

Außerdem bietet das Fernsehen den Zuschauern eine Vielfalt von Themen, stellt minimale Anforderungen an das Auffassungsvermögen und will vor allem Gefühle wecken und befriedigen. Selbst die Werbespots, die mancher als lästig empfindet, sind raffiniert gemacht, stets angenehm fürs Auge und mit erregender Musik unterlegt. Die beste Photographie der Welt bekommt man heutzutage zweifellos in der Fernsehwerbung zu sehen. Mit anderen Worten, das amerikanische Fernsehen hat sich ganz und gar der Aufgabe verschrieben, sein Publikum mit Unterhaltung zu versorgen.

Wenn man sagt, das Fernsehen sei unterhaltsam, dann ist das zunächst nichts weiter als eine Banalität. Aus dieser Tatsache ergibt sich noch keine Bedrohung für die Kultur, und es würde sich nicht einmal lohnen, ein Buch darüber zu schreiben. Man könnte sich sogar darüber freuen. Unser Weg durchs Leben ist, wie man so sagt, nicht mit Blumen bestreut. Und der Anblick einiger Blüten hier und da macht uns die Reise leichter. So dachten gewiß auch die Lappen. Und so denken, wie man annehmen darf, auch die 90 Millionen Amerikaner, die Abend für Abend fernsehen. 

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Aber mir geht es hier nicht darum, daß das Fernsehen unterhaltsam ist, sondern darum, daß es die Unter­haltung zum natürlichen Rahmen jeglicher Darstellung von Erfahrung gemacht hat. Unser Fernseh­apparat sichert uns eine ständige Verbindung zur Welt, er tut dies allerdings mit einem durch nichts zu erschütternden Lächeln auf dem Gesicht. 

Problematisch am Fernsehen ist nicht, daß es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, daß es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert. Um es anders zu formulieren: Das Entertainment ist die Superideologie des gesamten Fernsehdiskurses.  

Gleichgültig, was gezeigt wird und aus welchem Blickwinkel — die Grundannahme ist stets, daß es zu unserer Unterhaltung und unserem Vergnügen gezeigt wird. Deshalb fordern uns die Sprecher sogar in den Nachrichtensendungen, die uns täglich Bruchstücke von Tragik und Barbarei ins Haus liefern, dazu auf, »morgen wieder dabeizusein«. Wozu eigentlich?

Man sollte meinen, daß einige Minuten, angefüllt mit Mord und Unheil, Stoff genug für einen Monat schlafloser Nächte bieten. Aber wir nehmen die Einladung des Nachrichtensprechers an, weil wir wissen, daß wir die »Nachrichten« nicht ernstzunehmen brauchen, daß sie sozusagen nur zum Vergnügen da sind. Der ganze Aufbau einer Nachrichtensendung gibt uns das zu verstehen: das gute Aussehen und die Liebens­würdigkeit der Sprecher, die netten Scherze, die aufregende Anfangs- und Schlußmusik der Show, die abwechslungs­reichen Filmbeiträge, die attraktiven Werbespots — das alles und manches mehr erweckt den Eindruck, daß das, was wir eben gesehen haben, kein Grund zum Heulen sei. Kurzum, die Nachrichten­sendung ist ein Rahmen für Entertainment und nicht für Bildung, Nachdenken oder Besinnung. 

Und wir dürfen nicht zu hart über diejenigen urteilen, die sie so gestaltet haben. Sie stellen Nachrichten nicht zusammen, damit man sie liest, sie senden sie auch nicht im Radio, damit man sie hört. Sie übertragen sie im Fernsehen, damit man sie sieht. Sie müssen der Richtung folgen, die ihnen ihr Medium vorzeichnet. 

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Dahinter steckt weder böse Absicht noch mangelnde Intelligenz, sondern die klare Erkenntnis, daß »gutes Fernsehen« nichts mit dem zu tun hat, was man im Hinblick auf Erörterung, Urteilsbildung oder andere Formen sprachlicher Kommunikation als »gut« bezeichnen würde, sehr viel dagegen mit der Wirkungsweise von Bildern.

 

Ich möchte diesen Punkt an der achtzigminütigen Diskussion veranschaulichen, die die Fernsehgesellschaft ABC im Anschluß an den umstrittenen Kinofilm <Der Tag danach> am 20.11.1983 brachte.  

Obwohl sich nur noch wenige an diese Sendung erinnern werden, wähle ich sie als Beispiel aus, denn hier zeigte sich das Fernsehen offenkundig von seiner »ernsthaften« und »verantwortungs­bewußten« Seite. Alles an dieser Sendung legt es nahe, an ihr zu prüfen, inwiefern das Fernsehen in der Lage ist, sich vom Modus der Unterhaltung zu lösen und sich auf das Niveau einer ernsthaften Unterrichtung der Öffentlichkeit zu erheben.

Erstens war ihr Thema die Möglichkeit eines atomaren Holocausts.
Zweitens war der Film selbst von mehreren einflußreichen politischen Gruppierungen attackiert worden, unter ihnen auch Reverend Jerry Falwells »Moralische Mehrheit«. Deshalb kam es für die Fernsehanstalt darauf an, den Wert des Fernsehens als Medium für Information und kohärenten Diskurs und seine ernsthaften Absichten unter Beweis zu stellen.
Drittens gab es während der Sendung, selbst keine Hintergrundmusik — ein wesentlicher Punkt, denn fast alle Fernsehsendungen sind mit Musik untermalt, die dem Publikum zu verstehen gibt, welchen Gefühlen es nachgeben soll. Als Mittel der Regieführung ist die Musik so selbstverständlich, daß ihr Fehlen stets beunruhigend wirkt.
Viertens gab es während der Diskussion keine Werbespots, wodurch eine von Ehrfurcht erfüllte Stimmungslage erzeugt wurde, wie sie normalerweise den Begräbnis­feierlichkeiten für ermordete Präsidenten vorbehalten bleibt.
Und schließlich gehörten zu den Diskussionsteilnehmern Henry Kissinger, Robert McNamara und Elie Wiesel, jeder auf seine Weise ein Sinnbild ernsthafter Diskursführung.

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Obwohl Kissinger einige Zeit später einen Auftritt in der Erfolgsserie Denver Clan hatte, war er damals ein Muster intellektueller Nüchternheit und ist es noch heute; und Wiesel ist im Grunde das leibhaftige soziale Gewissen. Auch die anderen in der Runde, Carl Sagan, William Buckley und General Brent Scowcroft, sind Männer mit intellektuellem Einfluß, von denen man nicht erwarten würde, daß sie sich an trivialen öffentlichen Veranstaltungen beteiligen.

Zu Beginn der Sendung erklärte Ted Koppel, gleichsam als Zeremonienmeister, das Folgende sei nicht als »Debatte«, sondern als »Diskussion« gedacht. Und wer sich für die Theorie des Diskurses interessierte, dem bot sich nun eine günstige Gelegenheit, herauszufinden, was seriöses Fernsehen unter dem Begriff »Diskussion« versteht. Es versteht darunter folgendes: Jeder der sechs Männer bekam ungefähr fünf Minuten, um etwas zum Thema zu sagen. Worin das Thema nun aber genau bestand, darüber hatte man sich nicht geeinigt, und niemand fühlte sich verpflichtet, auf das einzugehen, was die anderen gesagt hatten.

Das wäre auch schwierig gewesen: Die Teilnehmer wurden nämlich wie die Finalisten bei einem Schönheitswettbewerb der Reihe nach aufgerufen, und jeder bekam die ihm zugestandene Redezeit vor der Kamera. Hätte also Elie Wiesel, der als letzter aufgerufen wurde, auf das eingehen wollen, was der zuerst aufgerufene William Buckley gesagt hatte, so hätten vier Stellungnahmen von insgesamt rund 20 Minuten Länge dazwischengestanden, und das Publikum (wenn nicht gar Elie Wiesel selbst) hätte gewiß Schwierigkeiten gehabt, sich an die Argumentation zu erinnern, die ihn zu seiner Erwiderung veranlaßte. 

Tatsächlich vermieden es die Teilnehmer — die fast alle nicht zum ersten Mal vor der Kamera standen — im großen und ganzen, sich auf die Thesen der anderen einzulassen. Sie verbrachten ihre ersten Minuten und auch die folgenden damit, ihre hohe Stellung ins Licht zu rücken oder Eindruck zu schinden. 

Dr. Kissinger zum Beispiel war offensichtlich bemüht, bei den Zuschauern Bedauern darüber hervorzurufen, daß sie ihn nicht mehr als Außenminister hatten, indem er ständig an Bücher erinnerte, die er einst geschrieben, an Vorschläge, die er einst unterbreitet, und an Verhandlungen, die er einst geführt hatte.

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Mr. McNamara informierte das Publikum, daß er noch am selben Nachmittag in Deutschland gespeist habe, und fuhr dann fort, er habe mindestens 15 Vorschläge zur Reduzierung der Atomwaffen. Man sollte meinen, daß sich die Diskussion nun diesen Vorschlägen zuwandte; doch die anderen schienen an ihnen genausowenig interessiert wie an der Frage, was er in Deutschland zu essen bekommen hatte. (Später faßte er sich ein Herz und nannte drei seiner Vorschläge, sie wurden jedoch nicht diskutiert.)

Elie Wiesel hob in einer Reihe gleichnishafter Einlassungen und Paradoxa die Tragik des menschlichen Daseins hervor; weil ihm aber nicht die Zeit blieb, seine Äußerungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen, wirkte er weltfremd und verwirrt und hinterließ den Eindruck eines wandernden Rabbi, der unter die Heiden geraten ist.

Mit anderen Worten, dies war keine Diskussion im üblichen Sinne des Wortes. 

Selbst als der »Diskussionsteil« begann, gab es keine Argumente oder Gegenargumente, kein sorgfältiges Abwägen von Voraussetzungen, keine Erklärungen, keine ausführlichen Darlegungen, keine Definitionen. Die meiner Meinung nach kohärenteste Stellungnahme kam von Carl Sagan — eine vierminütige Begründung für das »Einfrieren von Atomwaffen« —, sie enthielt jedoch mindestens zwei fragwürdige Annahmen und wurde nicht sorgfältig geprüft. Offensichtlich wollte niemand von den eigenen wenigen Minuten etwas opfern, um auf das einzugehen, was die anderen in ihrer knapp bemessenen Zeit gesagt hatten. Ted Koppel seinerseits fühlte sich verpflichtet, die »Show« in Gang zu halten, und obwohl er gelegentlich etwas, das er als einen Gedankengang identifiziert hatte, aufgriff, ging es ihm doch vor allem darum, die Zeit zwischen den Gesprächsteilnehmern gerecht zu verteilen.

Aber die zeitlichen Beschränkungen allein bringen eine solche bruchstückhafte, diskontinuierliche Sprache nicht hervor. Es liegt schon beinahe außerhalb der Grenzen des Erlaubten, in einer Fernsehsendung zu sagen: »Lassen Sie mich darüber nachdenken«, »Ich weiß nicht«, »Was meinen Sie, wenn Sie sagen...?« oder »Aus welcher Quelle stammt Ihre Information?«

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Diese Art von Diskurs verlangsamt nicht nur das Tempo der Show, sie erzeugt auch einen Eindruck von Unsicherheit oder »fehlendem Pfiff«. Sie zeigt Menschen, während sie nachdenken und das ist im Fernsehen ebenso irritierend und langweilig wie auf einer Bühne in Las Vegas. Denken kommt auf dem Bildschirm nicht gut an, das haben die Programmdirektoren schon vor langer Zeit herausgefunden. Es gibt dabei nicht viel zu sehen.  

Mit einem Wort, Denken ist keine darstellende Kunst. Doch das Fernsehen erfordert die Kunst der Darstellung, und so führte uns die Fernsehanstalt ABC vor, wie das Bild, das man sich von sprachgewandten Männern mit großer politischer Urteilskraft macht, ins Wanken gerät, wenn ein Medium sie zwingt, einen Auftritt zu absolvieren, statt Gedanken zu entwickeln. So erklärt sich auch, warum diese 80 Minuten überaus unterhaltsam waren, so wie ein Stück von Samuel Becket: Über allem schwebt ein gravitätischer Ernst, der Sinn übersteigt jedes Verständnis.

Zweifellos waren die Auftritte höchst professionell. Sagan verzichtete auf den Rollkragenpullover, mit dem er sich in der Sendung Kosmos präsentiert hatte. Ja. er hatte sich sogar die Haare schneiden lassen. Er spielte die Rolle des rationalen Wissenschaftlers, der im Namen des Planeten spricht. Ob Paul Newman sie besser gespielt hätte, ist fraglich, obwohl Leonard Nimoy es vielleicht geschafft hätte. Scowcroft gab sich geziemend militärisch — präzise und distanziert, als der unermüdliche Verteidiger der nationalen Sicherheit. Kissinger brillierte wie immer in der Rolle des welterfahrenen Staatsmannes, der es müde ist, dem Unheil als einziger die Stirn zu bieten. Geradezu meisterhaft spielte Koppel den Moderator, tat so, als ordne und gliedere er Gedankengänge, während er in Wirklichkeit bloß für einen reibungslosen Ablauf der Vorstellung sorgte. Am Ende konnte man nur noch Beifall klatschen, und genau das will eine gute Fernsehsendung ja stets erreichen: Applaus, nicht Nachdenklichkeit.

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Ich behaupte nicht, daß es unmöglich ist, kohärente Sprache oder Gedanken, die erst im Entstehen sind, im Fernsehen zu übermitteln. William Buckleys eigene Sendung Firing Line zeigt gelegentlich Menschen, die sich im Visier der Kamera befinden, obwohl sie gerade nachdenken. Es gibt andere Sendungen, zum Beispiel Meet the Press oder The Open Mind, die sich offenkundig bemühen, intellektuellen Stil und die Tradition des Buchdrucks zu bewahren; sie werden allerdings so ins Programm eingebaut, daß sie mit Sendungen von großer optischer Anziehungskraft nicht konkurrieren, denn sonst würde sie niemand anschauen. 

Schließlich kommt es zuweilen vor, daß die Konzeption einer Sendung in einen Gegensatz zu dem Medium gerät, das sie überträgt. In der beliebtesten Radiosendung der frühen vierziger Jahre trat zum Beispiel ein Bauchredner auf, und mehr als einmal habe ich damals in Major Bowe's Amateur Hour die Sprünge von Steptänzern gehört. (Wenn ich mich nicht irre, wurde dort sogar einmal ein Pantomime vorgestellt.)

 Bauchreden, Tanz und Pantomime kommen im Radio jedoch genauso schlecht an wie längere, komplizierte sprachliche Darlegungen im Fernsehen. Eine leidlich gute Wirkung läßt sich erzielen, wenn man nur eine Kamera verwendet und die Einstellung nicht verändert — wie es geschieht, wenn der Präsident eine Rede hält. Aber in Höchstform ist das Fernsehen hier nicht, und es ist auch nicht die Art von Fernsehen, die die Leute gerne sehen möchten. Für das Fernsehen kommt es einzig und allein darauf an, daß die Leute zusehen, deshalb heißt es ja auch Fernsehen. Und was sie sehen und sehen wollen, sind laufende Bilder — Millionen laufender Bilder, in schnellem Wechsel und dynamischer Vielfalt. Aus dem Wesen dieses Mediums ergibt sich, daß es den Gehalt von Ideen unterdrücken muß, um den Ansprüchen optischer Anziehungs­kraft, das heißt: den Wertmaßstäben des Showgeschäfts, zu genügen.

Kino, Schallplatten und Radio (letzteres heutzutage ein Anhängsel der Musikindustrie) sind natürlich ebenfalls darauf aus, die Kultur mit Unterhaltung zu versorgen, und ihr Einfluß auf den Stilwandel des amerikanischen Diskurses ist nicht unerheblich. Aber mit dem Fernsehen verhält es sich noch anders, weil sich das Fernsehen auf alle Diskursformen erstreckt. 

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Niemand geht ins Kino, um etwas über die Politik der Regierung oder über die jüngsten Fortschritte der Naturwissenschaften zu erfahren. Niemand kauft eine Schallplatte, weil er sich über die Baseball-Tabelle, die Wetteraussichten oder den neuesten Mordfall zu informieren wünscht. Kein Mensch schaltet heute noch das Radio ein, um sich eine »Seifenoper« oder eine Ansprache des Präsidenten anzuhören (sofern ein Fernseher in der Nähe ist). 

Aber alle setzen sich wegen dieser und vieler anderer Anlässe vor den Fernseher, und deshalb ist die Resonanz des Fernsehens innerhalb der gesamten Kultur so stark. Das Fernsehen ist für unsere Kultur zur wichtigsten Form der Selbstverständigung geworden. Deshalb — das ist der entscheidende Punkt — wird die Art, wie das Fernsehen die Welt in Szene setzt, zum Modell dafür, wie die Welt recht eigentlich aussehen sollte. Es geht nicht bloß darum, daß das Entertainment auf dem Bildschirm zur Metapher für jeglichen Diskurs wird. Es geht darum, daß diese Metapher auch jenseits des Bildschirms dominiert. 

Wo früher der Buchdruck den Stil im Umgang mit Politik, Religion, Wirtschaft, Bildung, Recht und anderen wichtigen Angelegenheiten der Gesellschaft vorschrieb, gebietet heute das Fernsehen. In Gerichtssälen, Klassenzimmern, Operationssälen, Sitzungssälen, Kirchen und selbst im Flugzeug sprechen die Amerikaner nicht miteinander, sie unterhalten einander. Sie tauschen keine Gedanken aus; sie tauschen Bilder aus. Sie argumentieren nicht mit Sätzen; sie argumentieren mit gutem Aussehen, Prominenz und Werbesprüchen. Denn die Botschaft des Fernsehens als Metapher besagt nicht nur, daß die Welt eine Bühne ist, sondern auch, daß diese Bühne in Las Vegas, Nevada, steht.

In Chicago zum Beispiel mischt Reverend Greg Sakowicz, ein katholischer Priester, seine religiösen Unterweisungen mit Rock'n Roll-Musik. Laut Associated Press ist Hochwürden Sakowicz sowohl Seelsorger an der Heilig-Geist-Kirche in Schaumberg (einem Vorort von Chicago) als auch Diskjockey beim Sender WKQX. 

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In seiner Sendung The Journey Inward plaudert Vater Sakowicz über Themen wie familiäre Beziehungen und Verantwortung und durchsetzt seine Predigten mit »den Klängen von Billboard's Top Ten«. Er wolle nicht »wie in der Kirche« predigen, erklärt er und fügt hinzu: »Frommsein heißt doch nicht, daß man langweilig sein muß.«

Unterdessen setzte sich in der St. Patricks Kathedrale von New York im Trubel seiner Einsetzung als Erzbischof von New York Vater John J. O'Connor eine Baseballkappe der New Yorker Yankees auf. Er ließ einige Witze vom Stapel, von denen zumindest einer speziell auf den Bürgermeister von New York, Edward Koch, gemünzt war, der sich unter den Zuhörern des Erzbischofs befand, d.h. Gemeindemitglied war. Bei seinem nächsten öffentlichen Auftritt stülpte sich der neue Erzbischof dann eine Mütze der Mets, des zweiten New Yorker Baseball-Teams, über. 

Das alles wurde selbstverständlich im Fernsehen gebracht, und es war überaus unterhaltsam, vor allem weil Erzbischof O'Connor noch einen Schritt weiterging als der priesterliche Diskjockey; wahrend dieser gemeint hatte, man brauche nicht langweilig zu sein, um fromm zu sein, ist der Erzbischof offenbar der Meinung, man brauche überhaupt nicht fromm zu sein.

In Phoenix, Arizona, führte Dr. Edward Dietrich eine komplizierte Bypass-Operation bei Bernard Schuler aus. Zur Freude von Mr. Schuler war die Operation erfolgreich. Und zur Freude Amerikas wurde sie im Fernsehen übertragen. Mindestens fünfzig amerikanische Fernsehstationen und sogar die British Broadcasting Company zeigten die Operation. Ein zweiköpfiges Sprecher­team hielt die Zuschauer darüber auf dem laufenden, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Warum dieses Ereignis im Fernsehen übertragen wurde, war nicht klar, jedenfalls machte es sowohl Dr. Dietrich als auch den Brustkasten von Mr. Schuler prominent. Vielleicht weil Mr. Schuler zu viele Ratgebersendungen mit Ärzten im Fernsehen gesehen hatte, war er im Hinblick auf den Ausgang des chirurgischen Eingriffs ungemein zuversichtlich: »Zum Teufel, bei einer Live-Sendung können sie mich einfach nicht hopsgehen lassen.«2)

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Wie sowohl WCBS-TV als auch WNBC-TV 1984 mit großer Begeisterung berichteten, haben die Public Schools in Philadelphia ein Experiment begonnen, bei dem den Kindern der Lernstoff vorgesungen wird. Es wurde gezeigt, wie mit Walkmen ausgerüstete Schüler sich Rockmusik anhörten, deren Text von den acht Wortarten handelte. Mr. Jocko Henderson, der sich das ausgedacht hatte, beabsichtigt, die Schüler außerdem bald dadurch zu beglücken, daß er Mathematik, Geschichte und Englisch den strengen Formen der Rockmusik unterwirft. 

In Wirklichkeit stammt diese Idee allerdings gar nicht von Mr. Henderson. Die Pionierarbeit leistete der Children's Television Workshop, dessen Sendung Sesam Straße auf eine recht kostspielige Weise den Beweis antritt, daß Bildung und Unterhaltung sich nicht voneinander unterscheiden lassen. Dennoch kann Mr. Henderson einen Punkt für sich verbuchen: Während Sesam Straße nur versucht, aus dem Lesenlernen eine Form der leichten Unterhaltung zu machen, will der Versuch in Philadelphia das Klassen­zimmer selbst in ein Rock-Konzert verwandeln.

In New Bedford, Massachusetts, wurde ein Prozeß wegen Vergewaltigung im Fernsehen übertragen — zur Freude der Zuschauer, die den Unterschied zwischen diesem Prozeß und ihrer Lieblingsfernsehserie im Nach­mit­tags­programm wohl kaum hätten benennen können. In Florida werden Gerichtsverfahren wegen unterschiedlich schwerer Vergehen, auch Mordsachen, regelmäßig im Fernsehen gezeigt, und man hält sie allgemein für unterhaltsamer als die meisten fiktiven Gerichtsfernsehspiele

Das alles geschieht im Interesse der »Allgemeinbildung«. Mit der gleichen erhabenen Zielsetzung plant man, wie gerüchteweise verlautet, demnächst Beichten im Fernsehen zu übertragen. Als Titel ist »Geheimnisse des Beichtstuhls« vorgesehen, und gewiß würde bei dieser Sendung die Warnung eingeblendet, daß ihr Inhalt für Kinder teilweise nicht geeignet und deshalb die Anwesenheit von Eltern ratsam sei.

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Auf einem Flug der United Airlines von Chicago nach Vancouver schlägt eine Stewardess den Passagieren ein Spiel vor: Der Passagier mit den meisten Kreditkarten werde eine Flasche Sekt gewinnen. Ein Mann aus Boston mit zwölf Kreditkarten gewinnt. Bei einem zweiten Spiel sollen die Passagiere schätzen, wie alt die Angehörigen des Begleitpersonals zusammen­genommen sind. Ein Mann aus Chicago schätzt 128 und gewinnt, diesmal eine Flasche Wein. Während des zweiten Spiels gerät das Flugzeug in Luftturbulenzen, und das Fasten Seat Belt-Signal leuchtet auf. Kaum einer bemerkt es, am allerwenigsten die Stewardessen, die die Passagiere über die Sprechanlage ununterbrochen mit allerlei witzigen Bemerkungen unterhalten. Als das Flugzeug an seinem Ziel angekommen ist, sind sich offenbar alle darin einig, daß es Spaß macht, von Chicago nach Vancouver zu fliegen.

Am 7. Februar 1985 berichtete die New York Times, das Council for the Support and Advancement of Education habe Professor Charles Pine von der Rutgers University (Campus Newark) zum Professor des Jahres ernannt. Warum er einen so starken Eindruck auf seine Studenten macht, erklärt Professor Pine so: »Ich habe da ein paar Späße, die ich immer wieder anwende. Wenn ich an den Rand der Tafel komme, schreibe ich auf der Wand weiter. Das bringt immer Lacher. Wenn ich zeigen will, wie sich ein Gasmolekül bewegt, renne ich auf die eine Wand zu, lasse mich von ihr abprallen, und renne zur anderen Wand hinüber.« 

Vielleicht sind seine Studenten zu jung, um sich daran zu erinnern, daß James Cagney diese »Molekularbewegung« schon in Yankee Doodle Dandy sehr wirkungsvoll demonstriert hat. Wenn ich mich nicht irre, hat sie dann Donald O'Connor in Singin' in the Rain nachgeahmt. In einem Hörsaal ist sie, soweit ich weiß, bisher erst einmal vorgeführt worden: Hegel soll auf diese Weise mehrmals die Funktionsweise der Dialektik veranschaulicht haben.

Die Amish in Pennsylvania versuchen ein Leben abseits der Hauptströmung der amerikanischen Kultur zu führen. Unter anderem verbietet ihnen ihre Religion die Verehrung von Götzenbildern; deshalb ist es den Amish untersagt, ins Kino zu gehen oder sich photographieren zu lassen. 

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Doch offensichtlich verbietet ihnen ihre Religion nicht das Zuschauen bei Filmaufnahmen. Im Sommer 1984 jedenfalls fiel ein Team von Paramount Pictures in Lancaster County ein, um Aufnahmen für den Film Witness zu drehen. In ihm spielt Harrison Ford einen Detektiv, der sich in eine Frau der Amish verliebt.  

Obwohl die Amish von ihrer Kirche ermahnt worden waren, sich nicht mit den Filme­machern einzulassen, ließen es sich einige Schweißer nicht nehmen, nach getaner Arbeit schnell den Schauplatz der Dreharbeiten aufzusuchen. Andere Gläubige hatten sich in einiger Entfernung im Gras niedergelassen und beobachteten das Geschehen durch Feldstecher. 

»Wir haben in der Zeitung von dem Film gelesen«, erklärte eine Angehörige der Amish. »Die Kinder schneiden sogar Bilder von Harrison Ford aus.« Und sie fügte hinzu: »Aber im Grunde bedeutet ihnen das nicht viel. Jemand hat uns erzählt, daß er in Star Wars mitgespielt hat, aber das sagt uns nichts.«3  

Der letzte, der zu derartigen Schlüssen gelangt ist, war der Vorsitzende des Verbandes der amerikanischen Hufschmiede, als er erklärte, er habe in der Zeitung vom Automobil gelesen, sei jedoch überzeugt, es werde keinerlei Folgen für die Zukunft seiner Organisation haben.

Die Winter-Ausgabe 1984 des Official Video Journal bringt eine ganzseitige Anzeige für das »Genesis-Projekt«. Ziel dieses Projektes ist es, die Bibel in eine Filmserie zu verwandeln. Das Endprodukt mit dem Namen The New Media Bible soll aus 225 Stunden Film bestehen und wird eine Viertelmilliarde Dollar kosten. 

Einer der Filmemacher, die sich am stärksten für dieses Vorhaben einsetzen, ist der Produzent John Heyman, dem wir unter anderem Saturday Night Fever und Grease verdanken. »Ich habe«, so soll er gesagt haben, »an der Bibel einfach einen Narren gefressen.« Der berühmte israelische Schauspieler Topol, vor allem durch seine Rolle als Tewje in dem Musical Anatevka bekannt geworden, soll den Abraham spielen. Wer die Rolle von Gottvater übernehmen wird, sagt die Anzeige nicht; aber wenn man sich die bisherigen Produkte dieses Produzenten ansieht, spricht manches für John Travolta.

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Bei der feierlichen Verleihung der akademischen Grade an der Yale University im Jahre 1983 wurden auch einige Ehrendoktorhüte verliehen, unter anderem an Mutter Theresa. Während sie und einige andere Helfer der Menschheit und Gelehrte ihre Auszeichnungen entgegennahmen, applaudierte das Publikum artig, obschon mit einer gewissen Zurückhaltung und Ungeduld, denn es wollte sein Herz der letzten Empfängerin schenken, die befangen hinter der Bühne ausharrte. Als dann ihre Leistungen im einzelnen genannt wurden, verließen viele Zuschauer die Plätze und strebten der Bühne zu, um der großen Frau näher zu sein. 

Und als der Name Meryl Streep fiel, brach ein Sturm der Begeisterung los, dessen Getöse Tote hätte aufwecken können. Einer, der die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Bob Hope durch eine andere Universität miterlebt hatte, meinte, der Beifall für Dr. Streep habe den für Dr. Hope noch übertroffen. Im Jahr darauf luden die leitenden Intellektuellen von Yale, die genausogut wie jeder andere wissen, was den Leuten Spaß macht, den Talk-Show-Master Dick Cavett ein, die Ansprache bei den Verleihungsfeierlichkeiten zu halten. Man munkelt, in diesem Jahr werde Don Rickles zum Doktor der Humanistischen Wissenschaften ernannt und Lola Falana solle die Festrede halten.  ( wikipedia  Meryl Streep *1949, Schauspielerin )

 

Vor den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1984 traten die beiden Kandidaten Ronald Reagan und Walter Mondale in sogenannten Fernseh-»Debatten« gegeneinander an. Mit den Lincoln-Douglas-Debatten oder mit anderen Zusammenkünften, die diesen Namen verdient haben, hatten diese Veranstaltungen allerdings nicht das geringste zu tun. Jeder Kandidat bekam fünf Minuten, um sich zu verschiedenen Fragen zu äußern, etwa: Wie sieht Ihre Mittelamerikapolitik aus bzw. wie würde sie aussehen? Worauf der Gegner dann eine Minute für seine Erwiderung bekam. 

Unter solchen Bedingungen können Komplexität, das Belegen von Behauptungen und Logik keine Rolle spielen, und an mehreren Stellen blieb selbst die Syntax auf der Strecke. Aber das macht nichts. Die beiden Männer wollten ohnehin nicht so sehr ihre Argumente als vielmehr ihre »Ausstrahlung« zur Geltung bringen, was nirgendwo besser gelingt als im Fernsehen. 

Auch die Kommentare nach den Debatten verzichteten weitgehend auf eine Bewertung der von den Kandidaten vorgebrachten Ideen — allein schon deshalb, weil es solche Ideen gar nicht gab. Statt dessen nahm man die Debatten als Boxkämpfe und beschäftigte sich mit der entscheidenden Frage: Wer hat wen k.o. geschlagen? Die Antwort ergab sich aus dem »Stil« der Kontrahenten — aus der Art, wie sie aussahen, wie fest ihr Blick war, wie sie lächelten und witzige Bemerkungen machten. In der zweiten Debatte reagierte Präsident Reagan auf die Frage nach seinem Alter mit einem kessen Satz, und am nächsten Tag meldeten mehrere Zeitungen, Ron habe »Fritz« mit diesem Witz k.o. geschlagen. So wird im Fernsehzeitalter der Führer der »freien Welt« vom Volk gewählt.

Dies alles deutet darauf hin, daß unsere Kultur begonnen hat, ihre Angelegenheiten, vor allem ihre wichtigen Angelegenheiten, auf eine neue Art und Weise zu regeln. Das Wesen ihres Diskurses verändert sich, wenn es mit jedem Tag schwieriger wird, zu erkennen, wo das Schaugeschäft aufhört und etwas anderes anfängt. 

Unsere Priester und Präsidenten, unsere Chirurgen und Anwälte, unsere Pädagogen und Nachrichtensprecher brauchen sich nicht sonderlich zu mühen, um den Anforderungen ihrer Fachgebiete zu genügen, sie müssen vor allem den Anforderungen gewachsen sein, die an eine gute Show gestellt werden. Hätte Irving Berlin im Titel seines berühmten Songs nur ein Wörtchen verändert, so wäre er zwar knapper, aber ebenso prophetisch gewesen wie Aldous Huxley. Er hätte nur zu schreiben brauchen: There's No Business BUT Show Business.

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