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2.  Das Unhaltbare aufhalten

1988 von Neil Postman

 

Der folgende Essay geht auf einen Vortrag in Den Haag zurück. Meine Zuhörer dort waren Lehrer, die an englisch­sprachigen Privatschulen in verschiedenen Ländern Europas unter­richteten. Ich möchte hervorheben, daß es sich nicht in erster Linie um Englischlehrer handelte. Meine Versuche, Englischlehrer zu erreichen, habe ich fast aufgegeben. Vor einigen Jahren bin ich zu dem Schluß gelangt, daß unter den Erziehern die Gruppe der Englischlehrer am allerwenigsten bereit ist, von ihren pädagogischen Traditionen merklich abzurücken. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber es ist überaus bedauerlich, denn die Englischlehrer sind in einer günstigeren Ausgangsposition als alle anderen, um vernünftiges Denken zu fördern.

Mancher von Ihnen wird vielleicht erkannt haben, daß der Titel meines Vortrags auf eine Formulierung aus George Orwells berühmtem Aufsatz <Politics and English Language> anspielt. In diesem Aufsatz spricht Orwell über den gefährlichen Verfall des politischen Denkens in der heutigen Zeit und erklärt, der politischen Sprache gehe es heute im wesentlichen darum, »das Unhaltbare aufrechtzuerhalten«. Ich nehme an, es ist nicht nötig, vor diesem Kreis zu erläutern, was er damit meinte. In den 35 Jahren, seit Orwell seinen Aufsatz schrieb, hat sich herausgestellt, daß der oberste Zweck der meisten politischen Verlaut­barungen darin besteht, die böswilligen Bestrebungen von Staaten zu rechtfertigen und, wenn möglich, zu verherrlichen.

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Vielleicht ist das immer so gewesen — zumindest seit dem 17. Jahrhundert —, jedenfalls werden wohl nicht allzu viele von uns erwarten, daß sich in Zukunft daran etwas ändern wird. Mit Ausnahme des vielfach mißverstandenen Machiavelli hat nie jemand behauptet, Politik sei ein schmutziges Geschäft, und wenn Orwell glaubte, daran könne sich etwas ändern, dann war er ein Optimist.

Auch ich bin ein Optimist. Aber nicht deshalb, weil ich auf eine Läuterung der Ziele des politischen Diskurses hoffe. Ich bin Optimist, weil ich es für durchaus möglich halte, daß die Menschen eine leere, verlogene, selbstgerechte oder inhumane Sprache zu durchschauen lernen und sich so zumindest vor einigen ihrer intellektuell verderblichen Folgewirkungen zu schützen vermögen. 

Mit meinem Optimismus befinde ich mich auf der Seite von H.G. Wells, der gesagt hat, die Zivilisation stehe in einem Wettlauf zwischen Bildung und Katastrophe, und obwohl die Bildung in diesem Wettlauf weit zurückliege, sei sie noch nicht abgeschlagen. Mit anderen Worten, ich glaube zwar nicht, daß wir beim krampfhaften Festhalten am Unhaltbaren mit einer Entkrampfung rechnen können, aber ich glaube, daß wir einen nützlichen Gegenangriff starten können, indem wir die Köpfe derer, die mit dieser Sprache erreicht werden sollen, besser wappnen.

Dabei müssen wir unsere Aufmerksamkeit unbedingt auf die Schulen und die Möglichkeit richten, daß sie wirklich einmal etwas tun, das unserer Jugend zu jener Differenziertheit im Umgang mit der Sprache verhilft, die wir mit einer vorurteilsfreien, von Provinzialismus ungetrübten Geisteshaltung verbinden. Natürlich bin ich mir darüber im klaren, daß in den meisten Weltgegenden die Schule der Ort ist, von dem man am allerletzten erwarten würde, daß dort eine solche Erziehung ernsthaft betrieben wird. Das heißt, in den meisten Gegenden erblickt man in der Schule ein Institut zur Indoktrination. Den berühmten Satz von Clausewitz abwandelnd, möchte ich sagen: Erziehung ist — meistens — nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit sanfteren Mitteln.

Die Vorstellung, die Schule habe die Jugend aufnahmebereit und zugänglich zu machen für die Vorurteile ihrer Gesellschaft, hat eine lange, ehrwürdige Tradition. Sehr deutlich haben sich unsere beiden ältesten und bedeutendsten Fachleute für Lehrplan­gestaltung, Konfuzius und Platon, in diesem Sinne ausgesprochen. Ihre Schriften begründeten jene Tradition, die von den Erziehern verlangt, die jungen Menschen so zu bearbeiten, daß sie glauben, was man ihnen sagt, und daß sie obendrein auch an die Art glauben, wie man es ihnen sagt.

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Aber erfreulicherweise ist das noch nicht alles. Zum Glück steht uns noch eine andere Tradition zur Verfügung, die unser Recht begründet, die Schüler zum Zweifel oder zumindest zur Skepsis gegenüber den Vorurteilen ihrer Altvorderen zu erziehen. Wir können die Ursprünge dieser Tradition in einigen Fragmenten Ciceros lokalisieren, der gesagt hat, der Zweck der Bildung sei es, den Schüler aus der Tyrannei der Gegenwart zu befreien. Weiterentwicklungen dieser Auffassung finden wir bei Descartes, Bacon, Vico, Goethe und Jefferson. Und heute begegnet sie uns bei John Dewey, Freud und Bertrand Russell.

Im Geiste dieser Tradition — also Bildung als Bollwerk gegen die Kultur — möchte ich hier sprechen. Ich werde mich nicht mit der wichtigen Frage befassen, wie man eine solche Erziehung zum Zweifel denen schmackhaft machen kann, die für unsere Schulen bezahlen. Darüber weiß ich fast nichts, und was ich weiß, scheint falsch zu sein. Meine Bemerkungen richten sich deshalb an diejenigen, die sich dafür interessieren, wie man vorgehen könnte, wenn man die Berechtigung und den Wunsch dazu hätte.

Die Methode, die ich zu diesem Zweck gewählt habe, besteht darin, Ihnen sieben Konzepte vorzustellen, die alle etwas mit Sprache zu tun haben. Ich will nicht so anmaßend sein, sie die Sieben Pfeiler der Weisheit zu nennen, aber ich glaube, wenn man sie ernst nimmt, kann man mit ihrer Hilfe, wenigstens zum Teil, jene Begriffsstutzigkeit verringern, die den Verstand so überaus anfällig für wabernde Diskurse macht. Aber bevor ich beginne, muß ich betonen, daß sich die Erziehung, von der ich spreche, nicht darauf beschränkt, den Schülern dabei zu helfen, sich gegen das politisch Unhaltbare immun zu machen. Eine solche Erziehung wäre aus sich selbst unhaltbar, und zum Glück besteht kein Bedarf daran. Wenn wir eine Möglichkeit finden, kritische Intelligenz durch Spracherziehung zu fördern, dann dürfen wir annehmen, daß sich eine solche Intelligenz gegen alle möglichen Unhaltbarkeiten zur Wehr setzen kann — gegen die Neusprache ebenso wie gegen den Reklamerummel oder die Bürokratensprache und vor allem gegen die lähmendste Form von Unsinn, der junge Menschen ausgesetzt sind, gegen die Schulbücher.

Daß kritische Intelligenz vielseitig brauchbar ist, hatten wohl auch die Schulleute des Mittelalters vor Augen, als sie das sogenannte Trivium schufen, das in ihrer Version Grammatik, Logik und Rhetorik umfaßte.

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In diesen sprachlichen Fertigkeiten erblickte man »Meta-Fächer«, Schulfächer, die ihrerseits andere Fächer betrafen. Man glaubte, ihre Regeln, Richtlinien, Prinzipien und Erkenntnisse seien für das Nachdenken über alle möglichen Gegenstände von Nutzen. Mit anderen Worten, unsere Vorfahren hatten eines sehr genau verstanden, was wir anscheinend wieder vergessen haben, daß nämlich alle Fächer Formen von Diskurs sind, sogar Formen von Literatur. Und daß deshalb im Grunde jede Schulerziehung Spracherziehung ist. Wissen in einem Fach bedeutet vor allem Kenntnis der Sprache dieses Faches. Wenn man alle Wörter eines Faches beseitigt, hat man das Fach beseitigt. Die Biologie besteht schließlich nicht aus Pflanzen und Tieren; sie besteht aus dem Sprechen über Pflanzen und Tiere. Das Fach Geschichte besteht nicht aus den Ereignissen früherer Zeiten; es besteht aus einer Sprache, die solche Ereignisse schildert und deutet. Und die Astronomie besteht nicht aus Sternen und Planeten, sondern aus einer bestimmten Art, über Planeten und Sterne zu sprechen.

Und deshalb muß ein Schüler die Sprache eines Faches kennen. Aber das ist nur der Anfang. Denn es genügt nicht zu wissen, wie die Definitionen von »Substantiv«, »Gen« oder »Molekül« lauten. Man muß auch wissen, was eine Definition ist. Es genügt nicht, die richtigen Antworten zu wissen. Man muß auch die Fragen kennen, die diesen Antworten vorangehen. Man muß auch wissen, was eine Frage ist, denn nicht jeder Satz, der mit einer Hebung der Stimme endet oder mit einem »wer« oder »was« anfängt, ist deshalb schon eine Frage. Es gibt Sätze, die wie Fragen aussehen, aber keine sinnvollen Antworten hervorbringen können, und wenn sie sich in unserem Kopf einnisten, werden sie zu Hindernissen, die dem klaren Denken den Weg versperren. Man muß auch wissen, was eine Metapher ist und wie die Beziehung zwischen den Dingen und den Wörtern, die sie beschreiben, beschaffen ist. Kurz, man muß etwas über Meta-Sprache wissen — eine Sprache über die Sprache.

Ohne solches Wissen kann der Schüler ebenso leicht von einem Fach wie von einem Politiker tyrannisiert werden, das heißt, der Gegner ist hier letztlich nicht der unhaltbare Diskurs, sondern der Umstand, daß wir nicht wissen, wie wir uns gegen ihn wappnen können. Was ich Ihnen hier empfehlen möchte, ist nun nicht so systematisch angelegt und nicht so tiefschürfend wie das Trivium.

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Ich schlage nicht einmal ein neues Fach vor — nur sieben Ideen oder Einsichten oder Prinzipien (nennen Sie es, wie Sie wollen), die für das Funktionieren einer kritischen Intelligenz zentrale Bedeutung haben und die übrigens in den Zuständigkeitsbereich eines jeden Lehrers auf jeder Schulstufe gehören.

Hier also mein erstes Prinzip, es betrifft das Definieren und lautet so: Eine Definition ist keine Manifestation der Natur, sondern stets bloß ein Werkzeug, das uns bei der Erreichung unserer Zwecke behilflich ist. Um das deutlich zu machen, möchte ich hier den Beistand von I.A. Richards in Anspruch nehmen, der einmal gesagt hat: »Wir wollen etwas tun, und eine Definition ist ein Mittel, um es zu tun. Wenn wir bestimmte Ergebnisse wollen, müssen wir bestimmte Definitionen verwenden. Aber unabhängig von einem Zweck kommt keiner Definition irgendeine Autorität zu, auch nicht die Autorität, uns andere Zwecksetzungen zu verbieten.« Dieses Zitat ist eines der befreiendsten, die ich kenne, aber die meisten Menschen haben von einer solchen Definition von »Definition« noch nie gehört; im allgemeinen befällt sie eine Art geistiger Lähmung, sobald ihnen eine Definition vorgesetzt wird, sei es von einem Politiker, sei es von einem Lehrer. Ich selbst habe noch nie vernommen, daß ein Schüler dem Lehrer, der soeben etwas definiert hat, die folgende oder eine ähnliche Frage gestellt hätte:

»Von wem stammt diese Definition und welchen Zwecken dient sie?« Es ist mehr als wahrscheinlich, daß ein Lehrer, der mit dieser Frage konfrontiert würde, ziemlich verblüfft wäre, denn die meisten von uns sind mit Definitionen genauso tyrannisiert worden wie unsere Schüler. Ich kenne allerdings einen Fall, in dem ein Student sich weigerte, eine Definition zu akzeptieren, die von einer ganzen Universität aufgestellt worden war. Es handelte sich um die Columbia University. Der Student beantragte seine Zulassung zum Studium und wurde abgewiesen. Darauf schickte er folgenden Brief an den Leiter der Zulassungsstelle:

»Sehr geehrter Herr: hiermit bestätige ich den Eingang Ihrer Ablehnung meines Antrags. So gern ich Ihren Wünschen nachkommen würde , ist es mir in diesem Fall doch nicht möglich. Ich habe bereits von vier anderen Colleges Ablehnungen erhalten, und hier liegt für mich die Grenze. Mit Ihrer Ablehnung ist diese Grenze überschritten. Deshalb muß ich Ihre Ablehnung ablehnen und werde, auch wenn Ihnen dadurch Ungelegenheiten entstehen sollten, am 18. September zum Seminarbeginn erscheinen ...«

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Columbia wäre gut beraten gewesen, die Bewerbung dieses Studenten noch einmal zu prüfen - nicht weil diese Universität nicht das Recht hätte, für ihre Zwecke zu definieren, was sie unter einem geeigneten Studienbewerber versteht, sondern weil dieser Student begriffen hat, was manche Professoren von Columbia wahrscheinlich noch nicht begriffen haben, nämlich daß in jeder Definition ein gewisses Maß an Willkür steckt und daß ein intelligenter Mensch jedenfalls nicht verpflichtet ist, die Definition eines anderen gutzuheißen — auch wenn er nicht viel gegen sie ausrichten kann.

Man sollte den Schülern deutlich machen, daß uns Definitionen nicht von Gott gegeben sind; daß wir von ihnen abweichen dürfen, ohne unser Seelenheil aufs Spiel zu setzen; daß die Autorität einer Definition ganz und gar auf ihrer Nützlichkeit beruht und nicht auf ihrer Richtigkeit (was immer das bedeuten würde); daß es ein Ausdruck von Dummheit ist, wenn man einem anderen dessen Definition eines Wortes, eines Problems oder einer Situation ohne Überlegung abnimmt.

Und schließlich, daß dies alles für die Definition eines Wortes oder eines Moleküls genauso gilt wie für eine Definition von Kunst, Gott, Freiheit oder Demokratie. Deshalb kenne ich keine bessere Methode, Schülern beim Selbstschutz gegen das Unhaltbare beizustehen, als ihnen zu jedem wichtigen Begriff und Ausdruck, mit dem sie sich in einem bestimmten Fach beschäftigen müssen, eine alternative Definition anzubieten. Es kommt darauf an, ihnen begreiflich zu machen, daß Definitionen Hypothesen sind und daß jede Definition einen bestimmten philosophischen oder politischen oder epistemologischen Blickwinkel in sich birgt. Es ist sicherlich richtig, daß derjenige, der die Macht zu definieren besitzt, unser Herr und Gebieter ist. Aber ebenso richtig ist, daß niemals wirklich zu dessen Sklave werden kann, wer eine alternative Definition im Kopfe hat.

Mein zweites Konzept läßt sich am besten an Hand einer Geschichte vorstellen, die dem amerikanischen Psychologen Gordon Allport zugeschrieben wird. Sie handelt von zwei Priestern, die in einen Streit darüber geraten waren, ob es statthaft sei, gleichzeitig zu beten und zu rauchen. Einer von ihnen meinte, es sei gestattet, der andere meinte dies nicht, und so beschloß jeder von ihnen, dem Papst zu schreiben, um von ihm eine definitive Antwort zu bekommen. 

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Nach einiger Zeit trafen sie sich wieder, um ihre Ergebnisse zu vergleichen, und mußten nun zu ihrem Erstaunen feststellen, daß der Papst jedem von ihnen zugestimmt hatte. »Wie hast du deine Frage gestellt?« fragte der erste. Der andere erwiderte: »Ich habe gefragt, ob es statthaft sei, beim Beten zu rauchen. Seine Heiligkeit sagte, es sei nicht statthaft, da das Beten eine überaus ernste Beschäftigung sei. Und wie hast du deine Frage formuliert?« Der erste entgegnete: »Ich habe gefragt, ob es statthaft sei, beim Rauchen zu beten, und seine Heiligkeit sagte, es sei statthaft, da es immer richtig sei zu beten.«

Der springende Punkt bei dieser Geschichte ist natürlich, daß die Form, in der wir unsere Fragen stellen, bestimmend dafür ist, von welcher Art die Antworten sind, die wir erhalten. Aber es gibt noch einen wichtigeren Punkt: Alles Wissen, das wir je erlangen, ist das Ergebnis von Fragen. Unter Naturwissenschaftlern ist es eine Binsenweisheit, daß sie die Natur nicht so sehen, wie sie ist, sondern nur durch die Fragen, die sie an sie richten. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Wir sehen nichts so, wie es ist-wir sehen alles nur durch die Fragen, die wir stellen. Doch wenn Fragen das wichtigste intellektuelle Werkzeug sind, das wir besitzen, ist es dann nicht geradezu unglaublich, daß die Kunst und Wissenschaft des Fragens nicht systematisch an den Schulen gelehrt wird?

Ich schlage vor, diesen Mangel zu beheben, indem wir das Fragenstellen nicht nur in unsere Lehrpläne aufnehmen, sondern ihm einen Platz ganz weit oben auf der Liste einräumen. Schließlich ist es in einem sehr elementaren Sinne sinnlos, Antworten zu haben, ohne die Fragen zu kennen, die diese Antworten hervorgebracht haben. Und es kommt nicht darauf an, ob solche Antworten die Biologie, die Grammatik, die Politik oder die Geschichte betreffen. Eine Antwort zu haben, ohne die Frage zu kennen, ohne zu begreifen, daß man vielleicht eine andere Antwort erhalten hätte, wenn die Frage anders gestellt worden wäre, ist nicht nur sinnlos, es kann auch äußerst gefährlich sein. In den Köpfen vieler Amerikaner spuken Antworten herum wie etwa »Amerika sollte mit dem Star-Wars-Programm weitermachen« oder »Wir sollten Marine-Einheiten nach Nicaragua schicken«. Aber da sie die Fragen nicht kennen, die mit solchen Sätzen beantwortet werden, sind ihre Ansichten im wörtlichen Sinne gedankenlos. Deshalb empfehle ich zweierlei. Insbesondere sollten wir unseren Schülern etwas über das Fragenstellen im allgemeinen beibringen.

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Zum Beispiel, daß eine ungenau formulierte Frage eine ungenaue Antwort provoziert; daß jede Frage einen bestimmten Blickwinkel in sich birgt; daß sich fast jede Frage, die man stellt, auch anders formulieren ließe und dann auch eine andere Antwort hervorrufen würde; daß jede Maßnahme, die wir ergreifen, die Antwort auf eine Frage ist, auch wenn wir uns dies nicht immer klar machen; daß unwirksame Maßnahmen möglicherweise das Ergebnis falsch gestellter Fragen sind; und vor allem, daß eine Frage Sprache ist und daher anfällig für die Irrtümer, zu denen uns ein unentwickeltes Sprachverständnis verleiten wird. Wie es Francis Bacon vor mehr als 350 Jahren ausdrückte: »Es erwächst aus einer falschen und untauglichen Fügung der Wörter ein wundersames Hemmnis für den Verstand.« Eine bessere Definition von Dummheit kenne ich nicht: eine falsche und untaugliche Fügung der Wörter.

Besinnen wir uns also auf Bacon und machen wir die Kunst des Fragens zu einem unserer wichtigen Unterrichtsgegenstände. Aber wenn wir dies tun, müssen wir uns auch mit den Besonderheiten des Fragensteilens in den verschiedenen Fächern genauer befassen. Welcher Art sind beispielsweise die Fragen, die in der Beschäftigung mit der Geschichte den Verstand hemmen oder ihn befreien ? Worin unterscheiden sich diese Fragen von denen, die man an einen mathematischen Beweis oder ein literarisches Werk oder eine biologische Theorie richten kann ? Von einem Wissenssystem zum ändern wandeln sich offenbar auch die Prinzipien und Regeln des Fragenstellens, und diese Tatsache sollte man nicht außer acht lassen.

Womit ich zu meinem dritten Prinzip gelange: daß nämlich die schwierigsten Wörter in jedem Diskurs selten die vielsilbigen sind, die sich schwer buchstabieren lassen und die die Schüler in ihren Wörterbüchern nachschlagen. Die schwierigsten Wörter sind meist die mit den scheinbar einfachsten Bedeutungen: »wahr«, »falsch«, »Tatsache«, »Gesetz«, »gut« und »schlecht«. Wörter wie »Partizip«, »Mutation«, »zentrifugal«, auch »Apartheid« oder »Proletariat« werfen selten ernstliche Verständnisprobleme auf. Die Situationen, in denen solche Wörter vorkommen können, sind begrenzt, so daß wir kaum Gefahr laufen, uns in irgendwelche Mehrdeutigkeiten zu verstricken. 

Ein Wort wie »Gesetz« dagegen wird in fast jedem Diskurs-Universum verwendet, und in jedem mit einer anderen Bedeutung. Das »Gesetz von Angebot und Nachfrage« ist eine andere Art von Gesetz als das »Gesetz der Lautverschiebung« in der Sprachwissenschaft oder das »Newtonsche Gravitationsgesetz« in der Physik oder das »Gesetz vom Überleben des am besten Angepaßten« in der Biologie.

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Eine »wahre« Aussage in der Mathematik ist etwas anderes als eine »wahre« Aussage in der Ökonomie. Und wenn wir von der Wahrheit eines literarischen Werkes sprechen, meinen wir wiederum etwas anderes. Wenn Präsident Reagan sagt, es sei »richtig«, Cruise Missiles in Europa zu stationieren, dann beruft er sich nicht auf die gleiche Autorität und nicht einmal auf die gleiche Logik, wie wenn er sagt, es sei »richtig«, die Staatsausgaben zu verringern. Und wiederum etwas ganz anderes meint der Lehrer, der seinen Schülern erklärt, »richtig« sei es, wenn man sagt »Es funktioniert nicht« statt »Es tut nicht funktionieren«.

Das heißt, wenn wir unsere Schüler Wortschatztests machen lassen, dann sollten wir herauszufinden versuchen, ob sie etwas darüber wissen, wie man die wirklich schwierigen Wörter der Sprache tatsächlich gebraucht. Ich hielte es für nützlich, einen Unterrichtsplan zu entwerfen, der die Beschäftigung mit, sagen wir, fünfzig schweren Wörtern vorsieht, angefangen bei »gut« und »schlecht« und endend mit »wahr« und »falsch«. Zeigen Sie mir einen Schüler, der etwas darüber weiß, was diese Wörter bedeuten, aus welchen Quellen sie ihre Verbindlichkeit schöpfen und unter welchen Umständen sie gebraucht werden - und ich zeige Ihnen einen Schüler, der Epistemologe ist, das heißt, einen Schüler, der weiß, was die Schulbücher zu verheimlichen suchen. Und ein Schüler, der das weiß, der weiß auch, was Reklameleute oder Politiker oder Prediger zu verheimlichen suchen.

Ich halte es auch für nützlich, ein Unterrichtsprogramm zu entwerfen, das sich mit der Verwendung von Metaphern oder Gleichnissen beschäftigt. Und dies ist das vierte Konzept, das ich hier nennen möchte. Wenn ich mich nicht sehr irre, befaßt man sich in der Schule heute kaum mit der Metapher, ausgenommen die Englischlehrer bei Gedichtinterpretationen. Das erscheint mir absurd, denn ich sehe nicht, wie man ein Fach verstehen soll, ohne etwas über die Metaphern zu wissen, auf denen es errichtet ist. Sämtliche Fächer gründen auf machtvollen Metaphern, die unserem Denken eine bestimmte Richtung geben und es organisieren. In Geschichte, Ökonomie, Physik, Biologie oder Sprachwissenschaft sind Metaphern — ähnlich wie die Fragen — Organe der Wahrnehmung.

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Durch unsere Metaphern hindurch nehmen wir die Welt wahr. Besteht das Licht aus Wellen oder Partikeln? Eine Astrophysikerin, die ich kenne, erzählt mir, sie und ihre Kollegen wüßten es nicht, sie hätten sich deshalb für den Augenblick auf das Wort »wavicle Wellikel« geeinigt. Sind Moleküle wie Billardkugeln oder wie Kraftfelder beschaffen? Ähnelt die Sprache einem Baum (manche sagen, sie besitze Wurzeln) oder einem Fluß (manche sagen, sie habe Quellen und Seitenarme) oder einem Gebäude (manche sagen, sie habe Fundamente)? Vollzieht sich die Geschichte nach den Anweisungen der Natur oder nach einem göttlichen Plan? Gleichen unsere Gene einem Informations-Code? Gleicht ein literarisches Werk der Blaupause eines Architekten, oder stellt es ein Geheimnis dar, das der Leser lüften muß?

Fragen wie diese beschäftigen die Gelehrten in jedem Fach, weil sie die Grundlagen des Faches selbst betreffen. Und nirgendwo gilt das mehr als im Bereich der Erziehung. Rousseau beginnt seinen großen Erziehungsroman Emile mit folgenden Worten: »Pflanzen verbessert man durch Kultivierung und Menschen durch Erziehung.« Und seine ganze Philosophie gründet auf diesem Vergleich zwischen Pflanzen und Kindern.

Keiner von uns entwirft einen Test, ein Lehrbuch, ein Vorlesungsverzeichnis oder einen Stundenplan, ohne daß sich darin die Bevorzugung einer bestimmten Metapher für den Verstand, für das Wissen oder für den Prozeß des Lernens widerspiegelte. Sehen Sie im Verstand eines Schülers einen Muskel, der trainiert werden muß? Oder einen Garten, den es zu bestellen gilt? Oder eine finstere Höhle, die erleuchtet werden muß? Oder ein leeres Gefäß, das gefüllt werden muß, bis es überfließt? Gleichgültig, welcher Metapher Sie den Vorzug geben, sie wird mitbestimmen, und zwar oft, ohne daß Sie sich dessen bewußt sind, wie Sie als Lehrer verfahren. Und für die Politiker stimmt das ebenso wie für Universitätsleute. Kein politischer Praktiker hat je drei Sätze hintereinander gesprochen, ohne irgendeine metaphorische Autorität für sein Handeln anzurufen. Und es gilt natürlich ganz besonders für die Großen der politischen Theorie. 

Rousseau beginnt seine Schrift Der Gesellschaftsvertrag mit einer eindrucksvollen Metapher, die Marx später aufnehmen sollte: »Der Mensch ist frei geboren, aber überall liegt er in Ketten.« Marx selbst beginnt sein Kommunistisches Manifest mit einer bedrohlich geisterhaften Metapher, dem berühmten Satz »Ein Gespenst geht um in Europa...«

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In seiner berühmten Gettysburgh-Ansprache vergleicht Abraham Lincoln die amerikanischen Gründerväter mit Gott, wenn er sagt, sie »schufen eine neue Nation«, so wie Gott Himmel und Erde schuf. Und Adolf Hitler beschließt Mein Kampf so: »Ein Staat, der im Zeitalter der Rassenvergiftung sich der Pflege seiner besten rassischen Elemente widmet, muß eines Tages zum Herrn der Erde werden.«

Worauf es mir hier ankommt, ist die Einsicht, daß alle Diskursformen mit Metaphern durchsetzt sind, und wenn unsere Schüler keine Vorstellung davon haben, wie Metaphern Argumente organisieren, Wahrnehmungen prägen und Gefühle bestimmen, dann bleibt ihr Verständnis bedenklich begrenzt.

 

Damit komme ich zu meinem fünften Konzept, das ich Verdinglichung nenne. Mit Verdinglichung meine ich das Verwechseln der Wörter mit den Dingen. Dieser Denkfehler kann vielfältige Formen annehmen, einige sind lediglich belustigend, andere extrem gefährlich. Letzten Sommer, in der drückenden Hitze von New York, sah einer meiner Studenten nach dem Thermometer im Seminarraum und sagte: »35 Grad. Kein Wunder, daß es so heiß ist!«

Das war natürlich falsch gedacht, so wie es vielen Leuten unterläuft, die drei einfache Gedanken nicht begriffen oder nicht behalten haben: daß es zunächst einmal die Dinge in der Welt gibt und außerdem auch noch die Namen, die wir ihnen geben; daß es so etwas wie den wirklichen oder eigentlichen Namen eines Dinges nicht gibt; und daß die Namen das Wesen dessen, was sie benennen, andeuten können oder auch nicht, wie es zum Beispiel der Fall war, als die Vereinigten Staaten ihre Versuche mit der Wasserstoffbombe im Südpazifik »Operation Sonnenschein« nannten. Ich versuche damit das gleiche zu sagen, was Shakespeare sehr viel beredter in dem Vers ausdrückte: »Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.« Aber ich sage auch, daß Shakespeare nur zur Hälfte recht hat, denn für viele Leute würde eine Rose gewiß weniger lieblich duften, wenn sie »Stinkkraut« hieße. Und weil dies so ist, weil die Menschen Namen und Dinge miteinander verwechseln, gehört die Reklame zu den Branchen mit dem beständigsten Erfolg auf dieser Welt. Werbefachleute wissen genau, daß man ein Auto, auch wenn es noch so gut ist, nicht verkaufen kann, wenn man es »Trottender Elefant« nennt. 

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Aber wichtiger ist: Sie wissen, daß man ein Auto, auch wenn es noch so schlecht ist, verkaufen kann, sofern man es nur »Vista Cruiser« oder »Phoenix« oder »Gran Prix« tauft. Politiker wissen das ebenfalls, und leider auch die Akademiker, die viel zu oft die Banalität dessen, was sie zu sagen oder zu schreiben haben, zu bemänteln suchen, indem sie ihr allerlei verlockende Namen anheften. Ich schlage deshalb vor, der Rolle der Verdinglichung einen wichtigen Platz im Unterricht einzuräumen, damit unsere Schüler erfahren, wie sie funktioniert.

Mein sechstes Konzept besagt, daß man auch dem Stil und Tonfall der Sprache Aufmerksamkeit widmen sollte. Jedes Diskurs-Universum öffnet sich in spezifischer Weise seinem Thema und seinem Publikum. Das gilt nicht nur für die Sprachen der Politik, der Religion und der Wirtschaft, sondern auch für die Sprachen der Wissenschaft. Jedes Fach im Lehrplan ist zugleich eine spezifische Art und Weise zu sprechen und zu schreiben; das heißt, es gibt eine Rhetorik des Wissens, eine charakteristische Form, in der Argumente, Beweise, Spekulationen, Experimente, Polemiken und sogar Humor zum Ausdruck gebracht werden.

Man könnte das Sprechen oder Schreiben über ein Fach sogar als eine darstellende Kunst bezeichnen, und jedes Fach verlangt eine Darstellungsweise, die sich von der in allen anderen Fächern unterscheidet. Historiker zum Beispiel sprechen oder schreiben über die Geschichte nicht genauso wie Biologen über die Biologie. Die Unterschiede haben mit der Beschaffenheit des Materials zu tun, das sie beschäftigt, mit dem Grad von Genauigkeit, den ihre verallgemeinernden Aussagen zulassen, mit den Typen von Tatsachen, die sie ordnen, mit den Traditionen ihres Faches und der Ausbildung, die ihnen zuteil wurde. 

Das Gebiet der Rhetorik des Wissens ist nicht leicht zugänglich, aber man sollte sich daran erinnern, daß viele Gelehrte ebensosehr durch ihren Stil wie durch ihren Stoff Einfluß ausgeübt haben — man denke an Veblen in der Soziologie, an Freud in der Psychologie oder an Galbraith in der Ökonomie. Man muß sich klar machen, daß Wissen eine Form von Literatur ist, und es lohnt sich, die unterschiedlichen Stile des Wissens zu untersuchen und zu erörtern. Dies um so mehr, als die Sprache, auf die man in den üblichen Schulbüchern stößt, diesen ganzen Sachverhalt eher vernebelt. Die Schulbuchsprache verwandelt sich von einem Fach zum anderen kaum und erzeugt so den falschen Eindruck, systematisches Wissen lasse sich nur in langweiliger, geistloser Monotonie zum Ausdruck bringen.

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Ich habe schon Rezepte auf der Rückseite von irgendwelchen Haferflockenschachteln gelesen, die mit mehr Stil und Überzeugungskraft formuliert waren als mancher Schulbuchtext über die Ursachen der Amerikanischen Revolution. Von der Sprache der Grammatiklehrbücher möchte ich hier nicht sprechen — ein Greuel ist sie, um noch einmal Shakespeare zu zitieren, dem Ohre eines Christenmenschen. Aber die Schwierigkeiten sind nicht unüberwindbar. Lehrer, die sich die Zeit dazu nehmen, können Unterrichts­material ausfindig machen, das die Gedanken in einer für ihre jeweilige Disziplin charakteristischen Weise vermittelt. Und indem sie dies tun, können sie ihren Schülern zu der Einsicht verhelfen, daß sich die Sprachformen, die wir Gebet, politische Ansprache oder Anzeige nennen, nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch in ihrem Stil und Tonfall voneinander unterscheiden und vielleicht sogar hauptsächlich in ihrem Stil und Tonfall und in der Art, wie sie sich an den Empfänger wenden.

Damit komme ich zu meinem siebenten und letzten Konzept - man könnte es das Prinzip der Nicht-Neutralität der Medien nennen. Ich meine damit, was Marshall McLuhan andeuten wollte, als er sagte: »Das Medium ist die Botschaft.« Oder anders ausgedrückt: Die Form, in der eine Information kodiert ist, birgt unvermeidlich selbst eine bestimmte Perspektive in sich. In gewissem Sinne ist dies eine uns durchaus vertraute Vorstellung. Wir erkennen zum Beispiel, daß die Welt sich ein wenig verändert, wenn wir, statt in Englisch, in deutscher Sprache über sie sprechen.

Das liegt nicht an irgendwelchen Unterschieden in der Welt, sondern an Unterschieden zwischen dem Englischen und dem Deutschen, vor allem an Unterschieden in ihrer Grammatik. Wir könnten sogar sagen, daß die Grammatik einer Sprache ein Wahrnehmungsorgan ist und daß sich hieraus die Unterschiede zwischen den Weltsichten verschiedener Völker erklären lassen. Es hat jedoch lange gedauert, bis wir eingesehen haben, daß auch andere, außersprachliche Darstellungsformen — nicht nur das Alphabet und die Druckerpresse, sondern ebenso die Malerei, die Hieroglyphen und das Fernsehen — durchaus imstande sind, unverwechselbare Formen von Weltwahrnehmung hervorzubringen. Jede dieser Ausdrucksformen hebt bestimmte Merkmale der Wirklichkeit hervor und verdunkelt andere.

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Ja, es ist wohl so, daß jedes Medium, wie die Sprache selbst, die Welt für uns auf eigentümliche Weise einteilt, sie aufspaltet, ihr einen Rahmen gibt, sie vergrößert oder verkleinert, und einer bestimmten Auffassung Vorschub leistet, wie die Welt beschaffen ist. In Amerika zum Beispiel ist es ausgeschlossen, daß ein dicker Mann in ein hohes politisches Amt gewählt wird- nicht, weil die Verfassung dies verböte; sondern weil das Fernsehen es verbietet. Anders gesagt, das Fernsehen gibt dem visuellen Bild den höchsten Rang und bringt wenig Geduld und Liebe für das differenzierte oder verständige Wort auf.

Unsere Schüler müssen hier zwei wesentliche Punkte begreifen. Erstens, so wie die Sprache selbst eine Kultur nach ihrem Bild erschafft, so verändert jedes neue Kommunikationsmedium die Kultur oder schafft sie sich nach seinem Bilde neu. Deshalb ist es äußerst naiv zu glauben, ein Kommunikationsmedium (und im weiteren Sinne jede Technologie) sei bloß ein Werkzeug. Vielleicht erinnern Sie sich an die berühmte Erwiderung gegenüber dem Mann, der behauptet hatte, ein Hammer sei nichts als ein Werkzeug. Sie lautete: Für einen Mann mit einem Hammer sieht alles so aus wie ein Nagel. Wir könnten ergänzen: Für einen Mann mit einem Stift sieht alles so aus wie ein Satz; für einen Mann mit einer Fernsehkamera besteht die ganze Welt aus Bildern; und für einen Mann mit einem Computer besteht die ganze Welt aus Daten. Oder in Abwandlung eines Satzes von Wittgenstein: Ein Kommunikationsmedium mag ein Fahrzeug für den Gedanken sein, aber wir dürfen nicht vergessen, daß es auch selbst am Steuer sitzt. Überlegungen dazu, wie die Druckerpresse oder der Telegraph oder das Fernsehen oder der Computer sich am Steuerrad bewähren und wohin sie uns lenken, müssen Bestandteil der Erziehung unserer Schüler werden, sonst bleiben sie wehrlos und äußerst verwundbar.

Nun, es gibt noch ein weiteres Prinzip, das die Sprache betrifft und das vielleicht gerade jetzt vielen von Ihnen durch den Kopf geht: daß man es sich nämlich nicht gefallen lassen sollte, wenn ein Referent mehr Zeit für sich in Anspruch nimmt, als man ihm zugestanden hat. Deshalb möchte ich mit drei knappen Hinweisen schließen. 

Erstens, ich glaube, Sie haben verstanden, daß sich die Vorschläge, die ich hier gemacht habe, nicht ausschließlich und nicht einmal in erster Linie an Sprachlehrer — ob Englisch­lehrer oder andere — richten. Die Aufgabe stellt sich jedem. 

Zweitens, ich möchte noch einmal ausdrücklich auf einen Punkt hinweisen, den ich bereits erwähnt habe: Wollen wir unsere Schüler zum Widerstand gegen das Unhaltbare rüsten, so ist es weder notwendig noch wünschenswert, daß wir uns dabei auf die politische Sprache konzentrieren. Wenn man das versucht, wird die Wirkung oberflächlich und begrenzt bleiben. Am besten ist eine Abwehr mit größerer Reichweite, die Auswirkungen auf alle Formen von sprachlichem Austausch hat. 

Und schließlich (drittens) möchte ich sagen, daß ich nicht beanspruche, die von mir genannten Vorschläge könnten alle unsere Probleme lösen; mit anderen Worten, sie bieten keinen vollständigen Schutz gegen haltlose Diskurse. Ich sehe in diesen Gedanken nur einen vernünftigen Anfang. 

Es bleibt sehr viel mehr zu tun, und unsere Zeit ist begrenzt. Aber irgendwo müssen wir ansetzen — und, wie Ray Bradbury einmal schrieb: Irgendwo, das liegt zwischen dem rechten Ohr und dem linken.

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