7 Die Maschinen-Ideologie: Computertechnologie
Postman-1991
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Daß sich das amerikanische Technopol den Computer nun auf die gleiche hastige, gedankenlose Art einverleibt hat, wie es sich die medizinische Technologie aneignete, ist unbestreitbar. Es war vielleicht unvermeidlich und ist jedenfalls höchst bedauerlich. Ich will damit nicht sagen, der Computer sei wie ein Verhängnis über die Welt unserer Symbole gekommen, sondern nur, daß er, ähnlich der medizinischen Technologie, auf eine Art und Weise Macht gewonnen hat und bestimmend für unser Denken geworden ist, wie eine wachsame Kultur dies vielleicht nicht zugelassen hätte.
Deshalb lohnt es sich, genauer zu untersuchen, welche Ideen der Computertechnologie innewohnen.
Auch andere haben dies natürlich schon getan, vor allem Joseph Weizenbaum in seinem großartigen, unentbehrlichen Buch <Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft>. Weizenbaum stieß jedoch, wie alle anderen Autoren, auf einige Schwierigkeiten, die sich aus der »Universalität« der Computer ergeben, daraus, daß (a) ihre Anwendungsmöglichkeiten unendlich vielfältig sind und daß (b) Computer meist in die Struktur anderer Maschinen integriert sind.
Deshalb ist es schwierig, jene Ideen zu isolieren, die speziell von der Computertechnologie propagiert werden.
Der Computer ist etwas ganz anderes als zum Beispiel das Stethoskop, dem in einem begrenzten Kontext eine begrenzte Funktion zukommt. Wenn man von den Safeknackern einmal absieht, die angeblich Stethoskope benutzen, um zu hören, wie die Zuhaltungen der Schlösser einrasten, werden Stethoskope nur von Ärzten verwendet. Aber jeder benutzt Computer oder wird von ihnen benutzt, und zwar zu Zwecken, die anscheinend grenzenlos sind.
Über die allgemein bekannten Funktionen wie elektronische Dokumentenablage, Erstellung von Tabellen und Textverarbeitung hinaus läßt sich eine faszinierende Liste innovativer und geradezu bizarrer Anwendungen für den Computer formulieren. Vor mir liegt ein Artikel der New York Times, aus dem hervorgeht, wie der Computer die Architekten von Schwimmbädern in die Lage versetzt, gigantische, achterbahnähnliche Wasserrutschbahnen zu entwerfen und künstliche Wellen von 2,50 Meter Höhe zu erzeugen.1) In meiner bescheidenen Sammlung habe ich einen anderen Artikel über die Verwendung des Personal Computers zur Erstellung von Schautafeln für Konferenzen von Unternehmensleitungen.2 In einem dritten wird dargelegt, wie Computergraphiken den Geschworenen vor Gericht dabei helfen, sich besser an Zeugenaussagen zu erinnern.
Gregory Mazares, der Präsident der Graphik-Abteilung von »Litigation Sciences«, wird mit folgendem Satz zitiert: »Wir sind eine eingeschaltete, angeschlossene, visuell orientierte Gesellschaft, und die Geschworenen glauben in der Regel das, was sie sehen. Diese Technologie hält die Aufmerksamkeit der Geschworenen wach, indem sie das Material vereinfacht und ihnen die Information in kleinen Schüben zukommen läßt.«3 Während Mr. Mazares eingeschalteten Leuten hilft, sich an irgend etwas zu erinnern, hilft Morton David von der Firma Franklin Computer ihnen, jedes Wort in der Bibel blitzschnell mit Hilfe elektronischer Bibeln aufzufinden. (Das Wort »Blitz / lightning« kommt in der »New International Version« der Bibel übrigens zweiundvierzigmal vor, in der »King James Version« hingegen nur achtmal. Wenn Sie Lust dazu haben, können Sie dergleichen auch selbst in wenigen Sekunden herausfinden.)
Diese Errungenschaft beherrscht die Phantasie von Mr. David so sehr, daß er erklärt: »Unsere Technologie hat möglicherweise einen ebenso tiefgreifenden Wandel bewirkt wie Gutenbergs Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern.«4 Und dann gibt es da noch einen Artikel, der beschreibt, wie Computer eingesetzt werden, um Investitionsentscheidungen zu treffen, indem sie Ablaufszenarien entwerfen — mit welcher Genauigkeit, das erfahren wir allerdings nicht.5)
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In der Technological Review lesen wir, wie Computer der Polizei helfen, die Adressen von Leuten festzustellen, die in einer Notsituation anrufen; demnächst, so wird dort prophezeit, stünde der Polizei sofort so viel Information über jeden möglichen Anrufer zur Verfügung, daß sie sofort einschätzen könne, wie ernst ein Hilferuf zu nehmen sei.
Man könnte sich fragen, ob Charles Babbage dergleichen im Sinne hatte, als er 1822 (nur sechs Jahre nach dem Erscheinen von Laennecs Stethoskop) verkündete, er habe eine Maschine erfunden, die einfache arithmetische Berechnungen ausführen könne. Vielleicht ja — denn er hat diese erste Erfindung nie vollendet, sondern begann schon bald, an einer anspruchsvolleren Maschine zu arbeiten, die komplexere Aufgaben bewältigen sollte. Auch diesen Plan ließ er fallen und wandte sich 1833 vom Bau von Rechenmaschinen ab und beschäftigte sich von nun an mit Plänen für eine programmierbare Maschine, die zum Vorläufer des modernen Computers wurde. Seine erste Maschine dieser Art, die er typischerweise nie vollendete, sollte durch Lochkarten gesteuert werden, wie sie die französischen Weber zur Steuerung ihrer mechanischen Webstühle verwendeten.
Während der nächsten siebenunddreißig Jahre arbeitete Babbage an der Verbesserung seiner programmierbaren Maschine, und jeder Entwurf fiel komplexer aus als der vorangegangene.6 An einem bestimmten Punkt wurde ihm klar, daß ihm die Mechanisierung numerischer Operationen auch ein Mittel für den Umgang mit nicht-numerischen Symbolen an die Hand gab.
Ohne Übertreibung kann man sagen, daß Babbages Erkenntnis mit der Entdeckung des Prinzips der Alphabetschrift durch die Griechen im 3. Jahrhundert v. Chr. vergleichbar ist — die Erkenntnis nämlich, daß sich die Symbole des Alphabets von ihrer phonetischen Funktion trennen und als ein System zur Klassifikation, Speicherung und zum Abrufen von Information nutzen lassen. Mit dieser Erkenntnis gerüstet, konnte Babbage jedenfalls darüber spekulieren, ob es möglich sei, eine Maschine zur »intelligenten« Informationsverarbeitung zu konstruieren, obwohl die technischen Mittel seiner Zeit für die Verwirklichung dieser Idee noch nicht ausreichten.
Der Computer, wie wir ihn heute kennen, mußte warten, bis eine Reihe anderer Erfindungen und Entdeckungen gemacht waren, darunter der Telegraph, das Telephon und die Anwendung der Booleschen Algebra auf Relaisschaltungen, die dann zu Claude Shannons Erfindung des digitalen Schaltkreises führten.
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Wenn wir heute das Wort »Rechner« oder »Computer« ohne nähere Bestimmung gebrauchen, dann bezeichnen wir damit irgendeine Spielart der von John Neumann in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts erfundenen Maschine. Vorher bezeichnete das Wort »Computer« bzw. »Rechner« eine Person, die irgendwelche mechanischen Berechnungen ausführte. Aber wie die Rechentätigkeit selbst ging auch das Wort vom Menschen auf die Maschine über, vor allem weil sich Neumanns Maschine als außerordentlich stark erwies.
Nach der Erfindung des digitalen Computers war klar, daß der Computer Funktionen erfüllen konnte, die man in mancher Hinsicht als »intelligent« beschreiben konnte. 1936 zeigte der große englische Mathematiker Alan Turing, daß es möglich sei, eine Maschine zu bauen, die sich im Hinblick auf viele praktische Zielsetzungen so verhält wie ein Mensch, der damit beschäftigt ist, Probleme zu lösen. Turing wollte eine Maschine dann als »intelligent« bezeichnen, wenn sie durch eingetastete Botschaften mit einem menschlichen Wesen Gedanken austauschen könne, d.h. wenn sie die Rolle eines Gesprächspartners übernehmen könne.
In der Frühzeit des »Artificial Intelligence Laboratory« am Massachusetts Institute of Technology schrieb Joseph Weizenbaum ein Programm namens »Eliza«, das demonstrierte, wie leicht es war, Turings Intelligenztest zu bestehen. Wenn man »Eliza« eine Frage stellte, in der ein Substantiv vorkam, konnte das Programm darauf mit der Äußerung reagieren »Warum interessieren Sie sich für«, gefolgt von dem Substantiv und einem Fragezeichen. Das heißt, es konnte die Wortstellung von Aussagen verändern und dann nach mehr Informationen über eines der in der Aussage enthaltenen Substantive fragen. »Eliza« agierte also wie ein an Rogers orientierter Psychologe oder jedenfalls wie ein freundlicher und nicht sonderlich kostspieliger Psychotherapeut. Manche Leute, die »Eliza« benutzten, wollten nicht wahrhaben, daß sie sich mit einer Maschine unterhielten.
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Nachdem Weizenbaum faktisch eine Turing-Maschine geschaffen hatte, nahm er sein Programm aus dem Netzwerk wieder heraus und schrieb sein Buch <Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft>, in dem er verschiedene Fragen aufwarf, unter anderem nach den Forschungsprogrammen derer, die auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz arbeiten; nach der stillschweigend gemachten Annahme, daß der Computer alles, was er tun kann, auch tun soll, und nach den Auswirkungen der Computertechnologie auf die Art und Weise, wie die Menschen sich ein Bild von der Welt herstellen — also nach der Ideologie des Computers, der ich mich nun zuwenden möchte.
Die umfassendste Idee, die der Computer vermittelt, klingt in dem Titel eines Buches von David Bolter an — Turing's Man — »der Turing-Mensch«. Dieser Titel ist natürlich ein Gleichnis, so als würden wir sagen, wir seien seit dem 16. Jahrhundert und bis vor kurzer Zeit »Gutenberg-Menschen« gewesen. Obwohl sich Bolter für den Computer vor allem in seiner Funktion als einer neuen Art von Buch interessiert, erklärt er, der Computer sei zugleich das beherrschende Sinnbild unserer Zeit; der Computer definiere unser Zeitalter, indem er die Umrisse eines neuen Verhältnisses zur Information, zur Arbeit, zur Macht und zur Natur erkennbar mache. Dieses neue Verhältnis sei vor allem dadurch geprägt, daß der Computer die Menschen als »Prozessoren zur Verarbeitung von Informationen« bestimmt und die Natur selbst als jene Information, die es zu verarbeiten gilt.
Die wesentliche Botschaft des Computers auf der Ebene der Sinnbilder besagt, daß wir Maschinen sind — immerhin denkende Maschinen, aber dennoch Maschinen. Aus diesem Grund ist der Computer die maßgebliche, unvergleichliche, nahezu perfekte Maschine des Technopols. Er übernimmt die Vorherrschaft über die Ansprüche unserer Natur, unserer Biologie, unserer Emotionen und unserer Spiritualität. Er beansprucht die Souveränität über das ganze Spektrum menschlicher Erfahrung und menschlichen Erlebens und bekräftigt seinen Anspruch, indem er demonstriert, daß er besser »denken« kann als wir. Aus einer fast hysterischen Begeisterung für die künstliche Intelligenz hat Marvin Minsky einmal gesagt, die Denkkraft der »Silizium-Gehirne« sei so phantastisch, daß wir »froh sein können, wenn sie uns als Haustiere behalten«.7
Noch schwindelerregender, aber auch noch gefährlicher ist eine Bemerkung von John McCarthy, dem Erfinder des Terminus »künstliche Intelligenz«. Er erklärte, selbst »so einfache Maschinen wie Thermostate besitzen, so könnte man sagen. Glaubensüberzeugungen«.
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Auf die naheliegende Frage des Philosophen John Searle »Was glaubt denn Ihr Thermostat?« entgegnete McCarthy: »Mein Thermostat glaubt dreierlei — es ist zu warm hier, es ist zu kalt hier und: es ist gerade richtig hier.«8
Bemerkenswert an dieser Antwort ist, daß sie die Bedeutung des Wortes »Glaubensüberzeugung« neu definiert. Sie weist die Ansicht zurück, Menschen verfügten über innere Gemüts- oder Geisteszustände, die ihrerseits die Grundlage von Glaubensüberzeugungen bilden, und behauptet statt dessen, »Glaubensüberzeugung« bedeute nur das, was irgendein Mensch oder irgendein Ding tut. Die zitierte Bemerkung gibt außerdem zu verstehen, daß es zwischen dem Simulieren einer Idee und dem Kopieren einer Idee keinen wirklichen Unterschied gebe. Und vor allem weist sie die Vorstellung zurück, daß Verstand oder Geist (mind) ein biologisches Phänomen ist.
Anders gesagt, wir haben es hier mit einer verrückt gewordenen Metapher zu tun. Von dem Satz, daß Menschen in mancher Hinsicht Maschinen gleichen, gelangen wir zu dem Satz, sie seien kaum etwas anderes als Maschinen, und dann zu der These, Menschen seien Maschinen. Und von dort, wie die Bemerkung von McCarthy verdeutlicht, unweigerlich zu der These, Maschinen seien menschliche Wesen. Hieraus folgt, daß man Maschinen herstellen kann, die menschliche Intelligenz kopieren, und deshalb waren die Forschungen auf dem Gebiet der sogenannten »künstlichen Intelligenz« unentbehrlich. Interessant an dieser Gedankengang ist vor allem der ihm innewohnende gefährliche Reduktionismus.
Menschliche Intelligenz ist, wie Weizenbaum immer wieder betont, nicht übertragbar. Es ist ganz einfach eine Tatsache, daß Menschen über ein unverwechselbares, biologisch verwurzeltes, immaterielles Verstandesleben verfügen, das in gewissen begrenzten Hinsichten von Maschinen simuliert, niemals jedoch kopiert werden kann. Maschinen können nicht fühlen, und, noch wichtiger, sie können nicht verstehen. »Eliza« kann zwar fragen »Warum machen Sie sich Sorgen über Ihre Mutter?«, und es kann durchaus sein, daß ein Therapeut dieselbe Frage stellen würde. Aber die Maschine weiß nicht, was die Frage bedeutet.
Sie weiß nicht einmal, daß sie etwas bedeutet. (Selbstverständlich kann es auch Therapeuten geben, die nicht wissen, was diese Frage bedeutet, Therapeuten, die diese Frage nur routinemäßig, unaufmerksam, als Teil eines Rituals stellen, und in diesem Fall könnte man sagen, daß sie wie Maschinen agieren.)
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Nicht die Äußerung, sondern die Bedeutung macht die Unverwechselbarkeit des Verstandes aus. Ich meine hier mit »Bedeutung« mehr als das, was zustande kommt, wenn man verschiedene Symbole zusammenfügt, von deren Denotationen mindestens zwei Personen Kenntnis besitzen. Nach meinem Verständnis umfaßt »Bedeutung« auch jene Komplexe, die wir Gefühle, Erfahrungen und Empfindungen nennen und die nicht unbedingt in Symbole gefaßt sein müssen, sich zuweilen gar nicht in Symbole fassen lassen. Trotzdem »bedeuten« sie. Ohne konkrete Symbole ist der Computer bloß ein Haufen Schrott. Auch wenn die Suche nach einer Maschine, die den menschlichen Verstand kopiert, die Menschen schon seit langer Zeit umtreibt, auch wenn der digitale Schaltkreis dieser Suche eine wissenschaftliche Struktur gegeben hat, so führt die künstliche Intelligenz doch nicht zu einem Bedeutung schaffenden, verstehenden, empfindenden Geschöpf, wie es der Mensch ist, und kann nicht dorthin führen.
Das alles mag vollkommen einleuchtend erscheinen, dennoch ist die Metapher, die die Maschine mit dem Menschen (oder den Menschen mit der Maschine) gleichsetzt, so stark, daß sie sich längst in unserer Alltagssprache festgesetzt hat. Immer wieder hört man Leute sagen, sie würden sich »programmieren« oder ein Programm bei sich »löschen«. Ihr Gehirn bezeichnen sie als ein Stück »Hardware«, bei dem man »Daten abrufen« kann, und die Vorstellung, daß Denken nichts anderes als das Verarbeiten und Dekodieren von Daten sei, ist inzwischen allgemein geläufig.
Ein bestürzendes Beispiel dafür, wie tief unsere Sprache die »Mensch-Maschine«-Metapher in sich aufgenommen hat, bieten die Ereignisse nach dem 4. November 1988, als die Computer in der Umgebung des ARPANET-Netzwerks plötzlich immer träger wurden und schließlich unter einer Masse nicht in das System gehörender Daten verstopften. Das Problem breitete sich ziemlich rasch auf sechstausend Computer in den Vereinigten Staaten und in Übersee aus. Die erste Vermutung lautete, ein fremdes Software-Programm habe sich mit den übrigen Programmen verbunden.
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Ein solches Programm bezeichnet man mit einer anderen Mensch-Maschine-Metapher als »Virus«. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem Eindringling um ein selbständiges Programm, das eigens dazu entworfen worden war, Computer unbrauchbar zu machen: um einen sogenannten »Wurm« (worm). Dennoch hielt sich der technisch inkorrekte Ausdruck »Virus«, zweifellos wegen seiner Vertrautheit und wegen seiner Beziehung zum menschlichen Leben. Raymond Gozzi, Jr., hat analysiert, wie die Massenmedien über dieses Ereignis berichteten: die Computer, so schrieben die Zeitungen, seien »infiziert«, der Virus sei »virulent« und »ansteckend«, es würden Versuche unternommen, die infizierten Computer unter »Quarantäne« zu stellen und die Netzwerke zu »sterilisieren«; außerdem hofften die Programmierer, ein »Serum« entwickeln zu können, mit dem die Computer gegen neuerliche Angriffe »geimpft« werden könnten."9
Diese Sprache zeugt nicht bloß von einem pittoresken Anthropomorphismus. Sie spiegelt auch eine massive Verschiebung in der Wahrnehmung der Beziehung zwischen Computern und Menschen. Wenn Computer krank werden können, dann können sie auch gesund sein. Sobald sie gesund sind, können sie klar denken und Entscheidungen treffen. Der Computer, so ergibt sich hieraus, hat einen Willen, er hegt Absichten und kennt Gründe - mit anderen Worten, die Menschen sind der Verantwortung für die Entscheidungen des Computers enthoben. Infolge einer merkwürdigen grammatischen Alchemie erhält der Satz »Wir benutzen den Computer, um zu rechnen« die Bedeutung »Der Computer rechnet«. Ein Computer, der rechnet, kann sich auch entschließen, falsch zu rechnen oder überhaupt nicht zu rechnen. Und das meinen die Schalterbeamten in der Bank, wenn sie einem sagen, sie wüßten nicht, wieviel Geld man auf seinem Konto habe, weil die Computer »den Dienst quittiert« hätten. Ganz zwanglos ergibt sich hieraus, daß in der Bank niemand verantwortlich ist. Computer machen Fehler, sie werden müde oder krank. Warum deshalb den Leuten Vorwürfe machen?
Wir könnten diesen Gedankengang als <agentic shift>, als »Verschiebung der ursächlich wirkenden Kraft«, bezeichnen. Ich übernehme diesen Ausdruck von Stanley Milgram zur Bezeichnung jenes Vorgangs, in dem Menschen die Verantwortung für das Ergebnis einer Handlung von sich auf einen abstrakteren Handlungsträger übertragen. 10)
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Dann geben wir die Kontrolle auf, und dies bedeutet im Falle des Computers, daß wir ohne große Bedenken unvernünftige oder auch unmenschliche Ziele verfolgen können, weil der Computer sie erreichen kann oder weil wir glauben, daß er sie erreichen kann.
Maschinen der unterschiedlichsten Art können zuweilen menschliche oder, was noch wahrscheinlicher ist, übermenschliche Züge annehmen. Ein besonders absurdes Beispiel, das mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist eine Bemerkung, die einer meiner Schüler an einem schwülwarmen Sommertag in einem Seminarraum ohne Klimaanlage machte. Als er erfuhr, daß das Thermometer 37 Grad Celsius anzeigte, erwiderte er: »Kein Wunder, daß es so heiß ist!« Die Natur war hier aus dem Schneider. Bloß die Thermometer hätten aufhören müssen, verrückt zu spielen, dann wäre uns schon wohler. Computer indessen sind noch viel »menschlicher« als Thermometer und als die meisten anderen technischen Apparate. Anders als die meisten Maschinen arbeiten die Computer nicht; sie leiten die Arbeit. Sie sind, wie es Norbert Wiener formulierte eine »Kommando- und Kontrolltechnologie«, und ihr Wert ist gering, wenn nichts da ist, was sie kontrollieren können. Aus diesem Grund sind sie für Bürokratien überaus wichtig.
Selbstverständlich kann man erwarten, daß sich Bürokraten eine Technologie gern zu eigen machen, die die Illusion hervorruft, Entscheidungen unterlägen nicht ihrer, der Bürokraten, Kontrolle. Weil der Computer den Anschein von Intelligenz und Unparteilichkeit erweckt, verfügt er über eine fast magische Kraft, die Aufmerksamkeit von den für die bürokratischen Funktionen Verantwortlichen abzulenken und auf sich selbst zu richten, als wäre der Computer die eigentliche Quelle von Autorität. Der Bürokrat, der sich mit einem Computer gewappnet hat, ist der heimliche Gesetzgeber unserer Zeit und zugleich eines ihrer größten Übel. Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Adolf Eichmann für seine Taten nie zur Rechenschaft gezogen worden wäre, wenn er hätte sagen können, daß nicht er, sondern eine Batterie von Computern die Juden auf die Krematorien verteilt habe.
Obwohl (oder vielleicht weil) ich im Laufe meiner akademischen Laufbahn erst spät mit »Verwaltungsaufgaben« zu tun bekam, staune ich immer wieder darüber, wie gehorsam Menschen Erklärungen hinnehmen, die mit den Worten anfangen »Der Computer zeigt...« oder »Der Computer hat entschieden...«.
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Unter dem Technopol ist dies das Gegenstück zu dem Satz »Es ist Gottes Wille«, und die Wirkung ist im wesentlichen die gleiche. Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, daß ich selten auf diese Art von Humbug zurückgreife. Aber gelegentlich, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe, gebe auch ich der Versuchung nach. Bis jetzt hat darauf noch niemand erwidert: »Dein Computer kann mir gestohlen bleiben.«
Die Wehrlosigkeit, mit der die Leute dem Computer ausgeliefert sind, erinnert an Franz Kafka. In seinem Roman Der Prozeß wird Joseph K. ein Verbrechen zur Last gelegt — welcher Art dieses Verbrechen ist und wer es ihm zur Last legt, weiß er nicht. Der Computer macht aus vielen von uns Gestalten wie Joseph K. Oft fungiert er als ein anonymer Ankläger, der nicht offenbart, woher die gegen uns gefällten Urteile stammen, und dem man solche Offenbarungen auch gar nicht abverlangt. Es genügt anscheinend, daß der Computer gesprochen hat. Wer die Daten eingegeben hat und zu welchem Zweck, wem damit gedient ist und welche Überlegungen alledem zugrunde liegen — solche Fragen bleiben ungestellt.
Dies gilt nicht nur in privaten Dingen, sondern auch für öffentliche Entscheidungen. Große Institutionen wie das Pentagon, die Bundesfinanzbehörde oder multinationale Konzerne erklären uns, ihre Entscheidungen beruhten auf Ergebnissen von Computern, und dies genügt meist, um uns zu beruhigen oder vielmehr einzuschläfern. Jedenfalls fühlen wir uns genötigt, auf Klagen der Vorwürfe zu verzichten. Auch aus diesem Grund hat der Computer zur Stärkung bürokratischer Institutionen beigetragen und Impulse zu einem tiefgreifenden sozialen Wandel geschwächt. »Der Beginn der Computerrevolution und der Anbruch des Computerzeitalters sind oft verkündet worden«, hat Joseph Weizenbaum geschrieben. »Aber wenn der Triumph einer Revolution an der Tiefe der gesellschaftlichen Veränderungen gemessen werden soll, die sie mit sich gebracht hat, dann hat es keine Computerrevolution gegeben.«11
Indem die Computer die Abläufe innerhalb von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen automatisieren, haben sie die Effizienz dieser Institutionen vielleicht erhöht, vielleicht auch nicht — in jedem Fall aber haben sie von der Frage abgelenkt, ob solche Einrichtungen notwendig sind oder nicht und wie sie verbessert werden könnten.
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Eine Universität, eine politische Partei, eine Religionsgemeinschaft, ein Gerichtsverfahren oder auch die Konferenz einer Firmenleitung werden nicht dadurch besser, daß man die Prozeduren automatisiert. Sie wirken auf diese Weise vielleicht beeindruckender, technischer, autoritativer, aber Mängel in ihren Voraussetzungen, in den ihnen zugrundeliegenden Ideen und Theorien bleiben hiervon unberührt. Mit anderen Worten, die Computertechnologie hat noch nicht jene Kraft erlangt, mit der die Druckpresse radikale und nachhaltig wirksame soziale, politische und religiöse Gedanken hervorbrachte. Wenn die Druckpresse, wie es David Riesman formuliert hat, das »Schießpulver des Geistes« lieferte, dann liefert der Computer, indem er mit Mängeln behafteten Institutionen und Ideen den Anschein von Perfektion verleiht, das Talkumpuder des Geistes.
Ich möchte nicht soweit gehen wie Weizenbaum und behaupten, die Computer seien nur raffinierte Mittel zur Erfüllung unwichtiger Funktionen und die Computerrevolution sei nichts weiter als eine Explosion von Unsinn. Vielleicht muß dieses Urteil in der Zukunft korrigiert werden, denn der Computer ist eine Technologie für tausenderlei Anwendungen — er ist der Proteus unter den Maschinen, wie Seymour Papert gesagt hat. Man denke etwa an den Gebrauch von computererzeugten Bildern in der sogenannten »virtuellen Realität«. Durch Miniaturbildschirme, die an ein Brillengestell montiert werden, kann man die wirkliche Welt völlig ausschalten und sich statt dessen in einer simulierten dreidimensionalen Welt bewegen, deren Bestandteile sich mit jeder Kopfbewegung verwandeln. Daß Timothy Leary ein begeisterter Befürworter der Virtuellen Realität ist, bietet gewiß keine Garantie dafür, daß dieser Apparatur eine konstruktive Zukunft beschieden sein wird. Aber wer weiß? Vielleicht bietet die Virtuelle Realität denen, die mit der wirklichen Wirklichkeit nicht mehr zurechtkommen, eine bessere Therapie als »Eliza«.
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Klar ist heute jedenfalls, daß die Computertechnologie die Macht des Technopols vermehrt und die Menschen in dem Glauben bestärkt hat, technologische Innovation sei gleichbedeutend mit menschlichem Fortschritt. Gelungen ist ihr dies, indem sie verschiedene Vorstellungen propagierte, auf die ich an dieser Stelle kurz eingehen mochte.
Sie hat, wie schon gesagt, die metaphorische Gleichsetzung der Maschinen mit den Menschen und der Menschen mit den Maschinen über jedes vernünftige Maß hinausgetrieben. Ich behaupte nicht, daß die Computertechnologie diese Metapher hervorgebracht habe. Man kann ihr auch in der Medizin begegnen: Ärzte und Patienten sind längst zu der Überzeugung gelangt, daß der Mensch wie eine Maschine aus verschiedenen Teilen besteht, die, wenn sie schadhaft sind, durch mechanische Teile ersetzt werden können, die genauso wie die ursprünglichen funktionieren, und zwar ohne daß die anderen Teile der Maschine hierdurch beeinträchtigt oder auch nur beeinflußt würden. Gewiß, bis zu einem gewissen Grade erweist sich diese Annahme als praktikabel, aber da der Mensch in Wirklichkeit keine Maschine, sondern ein biologischer Organismus ist, dessen Organe allesamt miteinander verbunden sind und durch Gemütszustände tief beeinflußt werden, stößt die metaphorische Gleichsetzung des Menschen mit der Maschine auf dem Gebiet der Medizin sehr bald an ernst zu nehmende Grenzen und kann katastrophale Auswirkungen haben.
Etwas Ähnliches gilt für die Anwendung der Maschinenmetapher auf Industriearbeiter. Die modernen Industrietechniken beruhen auf der Idee, daß eine Maschine aus isolierbaren und austauschbaren Teilen besteht. Aber indem die Industrie ihre Fabriken so einrichtete, daß auch die Arbeiter darin nurmehr als isolierbare und austauschbare Teile erschienen, hat sie tiefe Entfremdung und Erbitterung hervorgerufen.
Darin besteht die Pointe des Films Moderne Zeiten, in dem Charlie Chaplin zeigen wollte, welche psychischen Schäden die Metapher erzeugt, wenn man sie zu weit treibt. Aber weil der Computer »denkt« und nicht eigentlich arbeitet, verfügt er über eine unvergleichliche Macht, mechanistische Metaphern in Betrieb zu nehmen, eine Macht, die für das Technopol äußerst wertvoll ist, bei uns allerdings die Überzeugung voraussetzt, daß wir gut daran tun, wie Maschinen zu agieren, und daß wir die Maschinen an wichtigen Punkten getrost als unsere Stellvertreter agieren lassen können.
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Solche Anschauungen führen dazu, daß das Vertrauen in die menschliche Urteilskraft und die menschliche Subjektivität schwindet. Wir haben der einzigartigen Fähigkeit des Menschen, Dinge in all ihren psychischen, emotionalen und ethischen Dimensionen als Ganzes zu sehen, ihren Wert genommen und durch den Glauben an die Macht technischer Berechnungen ersetzt. Mit dem, was Computer im allgemeinen leisten, legen sie unverhältnismäßig viel Gewicht auf technische Kommunikationsvorgänge, während sie an inhaltlicher Substanz sehr wenig zu bieten haben. Mit Ausnahme des elektrischen Lichts hat es nie eine Technologie gegeben, die den Aphorismus von Marshall McLuhan »Das Medium ist die Botschaft« besser veranschaulicht hätte als der Computer. Der Computer ist fast nur Prozeß.
Es gibt zum Beispiel keine bedeutenden Computerleute, so wie es bedeutende Schriftsteller, Maler oder Musiker gibt. Es gibt »bedeutende Programme« und »bedeutende Programmierer«, aber ihre Bedeutung besteht in dem Scharfsinn, mit dem sie entweder eine menschliche Funktion simulieren oder neue Möglichkeiten für Kalkulation, Geschwindigkeit und Datenmengen eröffnen.12
Es ist, wenn J. David Bolter recht hat, natürlich möglich, daß sich die Computer in Zukunft zu einer neuen Art von Buch entwickeln und die Tradition der Schreibtechniken erweitern und bereichern.13 Da der Buchdruck neue Literaturformen hervorbrachte, als er die »Handschrift« ersetzte, ist es möglich, daß das elektronische Schreiben etwas Ähnliches bewirkt. Aber im Augenblick fungiert die Computertechnologie eher als ein neuer Modus der Übermittlung denn als ein neues Mittel substanzieller Kommunikation. Sie bewegt Informationen — in riesigen Mengen, schnell und im Modus von Kalkulationen. Der Computer ermöglicht tatsächlich die Erfüllung von Descartes' Traum einer Mathematisierung der Welt.
Computer machen es leicht, Tatsachen in Statistiken zu verwandeln oder Probleme in Gleichungen zu übersetzen. Dies kann durchaus nützlich sein (etwa wenn auf diese Weise Regelmäßigkeiten sichtbar werden, die sonst unbemerkt blieben), aber es wird zur Ablenkung und obendrein zur Gefahr, wenn diese Verfahren kritiklos auf menschliche Angelegenheiten angewendet werden. Das gleiche gilt für die Geschwindigkeit, die der Computer so sehr in den Vordergrund stellt, und vor allem für seine Kapazität, unvergleichliche Mengen von Informationen hervorzubringen und zu speichern.
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In spezifischen Zusammenhängen ist vielleicht nichts dagegen einzuwenden, daß Kalkül, Tempo und Informationsfülle eine überragende Bedeutung gewinnen. Aber die »Botschaft« der Computertechnologie ist allumfassend und hat etwas Despotisches. Der Computer behauptet, um es klar und einfach auszudrücken, daß die Mehrzahl der ernsten Probleme, mit denen wir es im privaten und im öffentlichen Bereich zu tun haben, technische Lösungen erfordern, die etwas mit dem raschen Zugriff auf ansonsten nicht verfügbare Informationen zu tun haben. Ich behaupte dagegen, daß dies Unsinn ist.
Unsere wirklich ernsten Probleme sind nicht technischer Natur, und sie erwachsen auch nicht aus unzureichender Information. Wenn es zu einer Nuklearkatastrophe kommt, dann nicht wegen unzureichender Information. Wenn heute Menschen verhungern, geschieht das nicht wegen unzureichender Information. Wenn Familien zerbrechen, wenn Kinder mißhandelt werden, wenn zunehmende Kriminalität eine Stadt terrorisiert, wenn sich die Erziehung als ohnmächtig erweist, so nicht wegen unzureichender Information. Mathematische Gleichungen, blitzschnelle Kommunikation und riesige Informationsmengen haben mit diesen Problemen nichts zu tun. Und bei ihrer Lösung ist der Computer nutzlos.
Und doch nötigt uns der Computer wegen seiner »Universalität« zum Respekt und sogar zur Verehrung und beansprucht Funktionen auf allen Gebieten menschlichen Handelns. Denen, die es für unsinnig halten, dem Computer diese weitreichende Vollmacht streitig zu machen, fehlt das, was Paul Goodman einmal als »technologische Bescheidenheit« bezeichnet hat — sie besteht darin, daß man eine Vorstellung vom Ganzen hat und zugleich weiß, daß es ratsam ist, nicht mehr zu verlangen und zu erzwingen, als zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe geboten erscheint. Norbert Wiener warnte vor dem Mangel an Bescheidenheit, als er feststellte, wenn Digitalrechner schon vor der Erfindung der Atombombe in Gebrauch gewesen wären, hätte man nachher gewiß behauptet, die Bombe hätte ohne Computer nicht erfunden werden können. Doch sie wurde erfunden. Und es ist wichtig, daß wir uns zuweilen darauf besinnen, wieviel getan werden kann, ohne Computer einzusetzen.
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Seymour Papert zum Beispiel wünscht sich, Schüler sollten zu Epistemologen werden, sie sollten kritisch denken und lernen, wie man Wissen und Erkenntnis hervorbringt. In seinem Buch Kinder, Computer und Neues Lernen erweckt er den Eindruck, sein unter dem Namen LOGO bekanntgewordenes Computerprogramm mache dies nun möglich. Aber gute Lehrer haben das seit Hunderten von Jahren auch ohne die Hilfe von LOGO zuwege gebracht. Ich behaupte nicht, daß LOGO, von einem geschickten Lehrer richtig eingesetzt, nicht hilfreich sein kann, aber ich zweifle daran, daß es mehr leistet als Papier und Bleistift und das Sprechen selbst, wenn sie von einem geschickten Lehrer richtig eingesetzt werden.
Als die Dallas Cowboys bei den Football-Meisterschaften noch ständig gewannen, führte man ihren Erfolg darauf zurück, daß sie bei der Bewertung und Auswahl ihrer Mannschaftsmitglieder Computer gebrauchten. In den letzten Jahren, seit die Dallas Cowboys nur noch mit Mühe hier und da ein Spiel gewinnen, ist von den Computern nicht mehr die Rede — vielleicht, weil man erkannt hat, daß Computer mit dem Gewinnen von Football-Spielen nichts zu tun haben und nie etwas zu tun hatten. Das gleiche gilt für das Schreiben einer klaren, sparsamen, wohlgesetzten Prosa — ein Vorgang, der mit Textverarbeitung nichts zu tun hat. Auch wenn meine Schüler es nicht glauben wollen — es ist wirklich möglich, ohne Computer gut zu schreiben und mit Computer schlecht.
Technologische Unbescheidenheit ist unter dem Technopol, das zu ihr ermuntert, stets eine akute Gefahr. Das Technopol bestärkt die Menschen auch, nicht darauf zu achten, welche älteren Fertigkeiten beim Erwerb neuer Fertigkeiten womöglich verlorengehen. Man sollte sich immer wieder in Erinnerung rufen, was man alles ohne Computer zu tun vermag und was verlorengehen kann, wenn man sie benutzt.
Vor mir liegt ein Aufsatz von Sir Bernard Lovell, dem Gründer des Jodrell-Bank-Observatoriums in Großbritannien, in dem er behauptet, die Computer hätten die Kreativität in den Naturwissenschaften beeinträchtigt.14
Nachdem er seiner Bewunderung dafür Ausdruck gegeben hat, mit welcher Leichtigkeit Computerberechnungen faszinierende Einzelheiten über weit entfernte Galaxien vermitteln, äußert Sir Bernard die Sorge, daß die »faktenversessene, auf einen schmalen Horizont beschränkte, computerisierte Forschung in einen Widerspruch zur freien Entfaltung jener Fähigkeit geraten könnte, die wir als <Serendipität> bezeichnen — Talents nämlich, interessante Ergebnisse mehr oder weniger zufällig zu erzielen«.
Er nennt dann mehrere Beispiele für umwälzende, aber serendipitäre Entdeckungen, behauptet, es sei inzwischen zu einem dramatischen Rückgang solcher Entdeckungen gekommen, und äußert die Sorge, daß Computer als Informationsfilter zu undurchlässig und deshalb möglicherweise anti-serendipitär sind. Er ist natürlich nicht »gegen« die Computer, aber er fragt nach den Kosten, die sie verursachen.
Dr. Clay Forishee, ein Wissenschaftler, der sich bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde mit Problemen des menschlichen Leistungsvermögens beschäftigt, stellte eine ganz ähnliche Frage: ob die automatische Steuerung in der zivilien Luftfahrt den Piloten die Fähigkeit genommen hat, kreativ zu reagieren, wenn irgend etwas schiefgeht. Robert Buley, der bei Northwest Airlines für die Normenkontrolle zuständig ist, geht noch weiter: »Wenn wir das menschliche Bedienungspersonal der Technologie unterordnen, dann verlieren wir Kreativität [in Notsituationen].« Er ist nicht »gegen« Computer. Er macht sich Sorgen darüber, was wir verlieren, wenn wir sie benutzen.15
Sorgen macht sich auch Ethan Katsch in seinem Buch <The Electronic Media and the Transformation of Law>. »Die Ersetzung des gedruckten Wortes durch Computersysteme wird den Juristen einfach als ein Mittel zur Effizienzsteigerung angepriesen.«16 In Wirklichkeit aber, so fährt er fort, bedrohe die fast unbegrenzte Kapazität der Computer, Informationen zu speichern und abrufbar zu machen, die Autorität des Präjudiz, und er fügt hinzu, diese Bedrohung bleibe weithin unbemerkt. »Ein System von Präzedenzfällen ist unnötig, wenn nur sehr wenige Fälle verfügbar sind, und es wird funktionsunfähig, wenn es zu viele sind.« Was bedeutet dies, wenn es auch nur zum Teil zutreffen sollte? Werden die Anwälte bald nicht mehr in der Lage sein, die aufschlußreichen Präzedenzfälle zu ermitteln? Werden die Richter durch ein Übermaß an Präzedenzfällen in ständige Verwirrung geraten?
Wir wissen, daß Ärzte, die sich ganz auf Apparate verlassen, die Fähigkeit einbüßen, Diagnosen aufgrund von Beobachtungen zu stellen. Wir können uns auch fragen, welche anderen menschlichen Fertigkeiten und Traditionen zerfallen, indem wir uns auf die Computerkultur einlassen. Technopolisten machen sich hierüber keine Gedanken. Diejenigen, die es tun, bezeichnet man als Techno-Pessimisten, Schwarzseher und Schlimmeres. Ich glaube, sie sind nur erfüllt von technologischer Bescheidenheit, genauso wie König Thamus.
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