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7. Die Voraussetzungen der sexualpolitischen Praxis im antireligiösen Kampf 

  

 

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In einer Massenversammlung in Berlin im Januar 1933 stellte der Nationalsozialist Otto Strasser an seinen Gegner, den Kommunisten Wittfogel eine Frage, die durch ihre Richtigkeit verblüffte und dem Zuhörer, der materialistisch überzeugt war, das Empfinden gab, dass ihre theoretische und praktische Beantwortung von der kirchlichen Hierarchie als Botschaft ihres Unter­ganges empfunden werden musste.

Er warf den Marxisten vor, dass sie die Bedeutung des Seelischen und des Religiösen unterschätzten. Wenn die Religion, so meinte er, nach Marx nur die Blume an der Kette der Ausbeutung der arbeitenden Menschheit wäre, so könnte nicht verstanden werden, mit welchen Mitteln sich die Religion seit Jahrtausenden, die christliche im besonderen seit zwei Jahrtausenden fast unverändert halten konnte, zumal sie im Beginne mehr Opfer für ihren Bestand gefordert hätte, als alle Revolutionen zusammen­genommen. 

Die Frage blieb unbeantwortet, fügt sich aber den Ausführungen dieser Schrift restlos ein.

Man musste sich sagen, dass die Frage berechtigt war, aber nicht als Einwand gegen die materialistische Geschichts­auffassung, sondern als eine Mahnung des metaphysischen Gegners, sich Rechenschaft darüber zu geben, ob die materialistische Weltanschauung die Religion und die Mittel ihrer Verankerung auch vielseitig und tief genug erfasst hatte.

Die Antwort musste verneinend lauten: Die materialistische Lehre hatte es bisher nicht vermocht, den mächtigen Gefühlsgehalt der Religion materialistisch zu begreifen und dementsprechende Praxis zu entwickeln, obgleich ihr die Vertreter der Kirche die Lösung der Frage und die praktische Antwort in Schriften und Predigten fast restlos ausgehändigt hatten. Der sexualökonomische Charakter der religiösen Ideologie und Gefühlswelt liegt offen zutage; er wurde vom Freidenkertum mit fast der gleichen Gründlichkeit übersehen wie die offen zutagetretende Sexualität des Kindes von den berühmtesten Pädagogen. Es ist klar, dass hier die Religion über ein noch unentdecktes Bollwerk verfügt, das sie mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln gegen den Kulturbolschewismus verfocht, noch ehe dieser daran dachte, dass es derartiges gibt.

 

  1 Verankerung der Religion durch sexuelle Angst   

Die sexualfeindliche Religion, also die Religion im strengsten Sinne des Wortes, ist ein Produkt der patriarchalischen Organisation. Dabei ist das Sohn-Vater-Verhältnis, das wir in jeder patriarchalischen Religion vorfinden und auf das die bisherige psycho­analytische Religions­forschung das ausschliessliche Gewicht gelegt hat, nur notwendiger gesellschaftlich bestimmter Inhalt des religiösen Erlebens; dieses Erleben selbst geht aber hervor aus der Sexualunterdrückung des Patriarchats, die seine energetische Grundlage schafft.

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Der Dienst, in den die Religion im Laufe der Zeit sich stellt, die Beziehung des Gehorsams und der Entsagung der Autorität gegenüber, ist selbst sekundäre Funktion der Religion, wenn sie auch später zur Hauptfunktion im Sinne der Interessen der herrschenden Klasse wird. Sie kann sich als historisch jüngere, sekundär bestimmten Zwecken dienende Funktion auf eine unerschütterliche Basis stützen: auf die durch die Sexualunterdrückung im Sinne des religiösen statt des sexuellen Erlebens veränderte Struktur des patriarchalischen Menschen. Mit Rücksicht auf diese lebendige Quelle der religiösen Einstellung ist leicht verständlich, dass zur inhaltlichen Achse jeder religiösen Dogmengebung die Verneinung der Fleischeslust wird, was an den zwei Religionen des Christentums und des Buddhismus besonders klar zum Ausdruck kommt.

 

a. VERANKERUNG IN DER KINDHEIT

"Lieber Gott, nun schlaf ich ein, 
Schicke mir ein Engelein. 
Vater, lass die Augen Dein, 
Über meinem Bette sein. 
Hab ich Unrecht heut getan. 
Sieh es, lieber Gott, nicht an. 
Vater, hab' mit mir Geduld 
Und vergib mir meine Schuld. 
Alle Menschen gross und klein 
Mögen Dir befohlen sein."

So lautet eines der vielen typischen Gebete, die die Kinder vor dem Einschlafen aufzusagen haben.

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Achtlos geht man an den Inhalten solcher Sprüche vorbei. Dennoch enthält er alles in konzentrierter Form, was Inhalt und Gefühlsgehalt der Religion ausmacht: in der ersten Strophe Bitte um Schutz, in der zweiten Wiederholung dieser Bitte direkt an den Vater; in der dritten Bitte um Verzeihung für eine begangene Schuld; Gott-Vater möchte es nicht ansehen; worauf bezieht sich das Schuldgefühl? Worauf die Bitte, Vater möge es nicht ansehen? Im weiten Kreise der verbotenen Taten steht die Schuld des Spiels mit den Geschlechtsorganen zentral.

Das Verbot der Berührung der Geschlechtsorgane wäre unwirksam, wenn es nicht durch die Vorstellung gestützt würde, dass Gott alles sieht und dass man dabei auch "brav" sein müsse, wenn die Eltern sich entfernen. Wer diesen Zusammenhang, obwohl er ihn an den eigenen Kindern oft geübt hat, als psychoanalytische Phantasie abtun will, wird vielleicht durch folgende eindrucksvolle Begebenheit überzeugt werden, dass die Verankerung der Gottvorstellung mithilfe sexueller Angst erfolgt.

Ein Mädchen von etwa sieben Jahren, das bewusst völlig gottlos erzogen wurde, entwickelte eines Tages einen Zwang zu beten; Zwang deshalb, weil sie sich selbst dagegen sträubte und es als ihrem Wissen widersprechend empfand. Die Entstehungs­geschichte des Betenmüssens ist folgende: Das Kind pflegte täglich vor dem Schlafengehen zu onanieren. Eines Tages hatte sie ungewohnterweise Angst davor; statt dessen empfand sie den Impuls, vor dem Einschlafen vor ihrem Bettchen niederzuknien und ein dem obigen ähnliches Gebet herzusagen.

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"Wenn ich bete, so bekomme ich keine Angst". Die Angst war an dem Tage aufgetreten, an dem sie sich die Onanie zum ersten Male versagt hatte. Warum diese Selbstversagung? Sie erzählte ihrem Vater, der ihr volles Vertrauen besass, dass sie einige Monate früher in einem Ferienheim ein böses Erlebnis gehabt hatte. Sie hatte wie die meisten Kinder in einem Busch mit einem Jungen Geschlechtsverkehr gespielt ("Vater und Mutter gespielt"), nun sei ein anderer Junge plötzlich dazugekommen und hätte ihnen "pfui" zugerufen.

Obwohl sie von den Eltern dahin unterrichtet war, dass solche Spiele nichts böses seien, schämte sie sich und onanierte statt dessen vor dem Schlafengehen. Eines Abends, es war kurz vor dem Auftreten des Betzwanges, war sie mit einigen anderen Kindern aus einem politischen Gruppenabend nach Hause gegangen. Auf dem Wege sangen sie kommunistische Lieder. Da begegnete ihnen eine alte Frau, die sie später der Hexe aus Hansel und Gretel ähnlich empfand. Diese rief ihnen zu: "Ihr gottlose Bande, der Teufel soll Euch holen!" An dem Abend dachte sie, als sie wieder onanieren wollte, zum ersten Male, es könnte vielleicht doch einen Gott geben, der das sieht und bestraft. Sie hatte die Drohung der alten Frau unbewusst mit dem Erlebnis mit dem Jungen verknüpft. Nun begann sie auch gegen die Onanie anzukämpfen, entwickelte Angst und zur Bändigung der Angst den Betzwang. Das Beten war an die Stelle der sexuellen Befriedigung getreten.

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Trotzdem wich die Angst nicht vollkommen, sie begann allmählich nächtliche Schreckvorstellungen zu entwickeln. Sie fürchtete sich nunmehr vor einem überirdischen Wesen, das sie für ihre sexuelle Schuld strafen konnte, sie empfahl sich daher seiner Obhut, was im Grunde eine Stützung ihres Abwehr­kampfes gegen die Versuchung zu onanieren bedeutete.

Dieser Prozess ist nicht etwa als individuelle Erscheinung zu bewerten, sondern ist der typische Vorgang der Verankerung der Gottesvorstellung in der überwiegenden Mehrheit der Kinder der christlichen Kulturkreise. Der gleichen Funktion dienen, wie die analytische Märchenforschung ergeben hat, die Märchen vom Typus "Hansel und Gretel", in denen die Onaniebestrafung in verhüllter, jedoch dem Unbewussten des Kindes eindeutiger Weise angedroht wird. Auf die Einzelheiten der Entstehung des mystischen Denkens der Kinder aus solchen Märchenerzählungen und seine Beziehung zur Sexualhemmung kann hier nicht eingegangen werden. 

Die Psychoanalyse lässt in keinem behandelten oder untersuchten Falle einen Zweifel darüber, dass sich das religiöse Empfinden an der Onanieangst als zentralem Punkt des allgemeinen Schuldgefühls entwickelt. Es ist umso unverständlicher, wie dieser Tatbestand von der bisherigen analytischen Forschung übersehen werden konnte. In der Gottvorstellung erscheint das eigene Gewissen, die verinnerlichte Mahnung oder Drohung der Eltern und Erzieher objektiviert. Das ist bekanntes Gut der wissenschaftlichen Forschung; weniger klar ist, dass der Glaube und die Gottesangst energetisch sexuelle Erregung sind, die ihr Ziel und ihren Inhalt gewechselt haben.

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Das religiöse Empfinden wäre demnach dasselbe wie das sexuelle, nur mit anderen psychischen Inhalten: Von hier ergibt sich ein gerader Weg zum Verständnis der Wiederkehr des sexuellen Erlebens in mancher asketischen Übung, wie etwa in dem Wahn mancher Nonnen, die Braut Christi zu sein, der wahrscheinlich selten zur genitalen Bewusstheit sich entwickelt und daher andere sexuelle Bahnen, etwa masochistisches Martyrium beschreiten muss. Die Zurück­führung solcher religiöser Einstellungen auf die Elternbeziehung gibt nur den typischen Inhalt wieder, erklärt jedoch nicht das Erleben selbst.

Kehren wir zu unserem Kinde zurück. Das Betenmüssen schwand wieder, als das Mädchen sich über den Ursprung ihrer Angst ins klare kam und machte wieder schuldgefühlsfreier Onanie Platz. So unscheinbar dieser Tatbestand scheinen mag, die Konsequenzen daraus für die Sexualpolitik gegenüber der religiösen Verseuchung unserer Jugend sind gross. Einige Monate nach dem Schwinden des Betzwanges schrieb die Kleine aus einer Ferienkolonie an ihren Vater:

"Lieber Karli, hier ist ein Kornfeld und am Rand davon haben wir unser Spital (natürlich nur im Spiel). Da spielen wir immer Doktor (wir sind fünf Mädels). Wenn einem von uns etwas am Lulu wehtut, so geht er dorthin, denn dort haben wir Salben und Creme, Watte. Das alles haben wir uns stiebitzt."

Das ist sexueller Kulturbolschewismus, unzweifelhaft. Und die Kultur? Das Mädchen lernt in gleichem Schritt in einer Klasse mit durchschnittlich 1-2 Jahre älteren Kindern und die Lehrer bestätigen ihren Fleiss und ihre Begabung. Politisch und im allgemeinen Wissen, sowie in regem Interesse für die Wirklichkeit überragt sie ihre Altersgenossen weit.

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b. VERANKERUNG DER RELIGION IM JUGENDALTER 

 

Wir haben an dem Beispiel des kleinen Mädchens zu zeigen versucht, wie sich typischerweise schon im Kleinkinde die religiöse Angst verankert. Wir konnten daran sehen, dass die Sexualangst die zentrale Vermittlerrolle bei der Verankerung der privatwirt­schaftlichen Gesellschaftsordnung in der Struktur der Kinder dieser Gesellschaft spielt. Nun müssen wir diese Funktion der Sexualangst eine Strecke weit in die Zeit der Pubertät verfolgen. Nehmen wir eine der typischen christlichen Flugschriften vor und versuchen wir, uns daran zu orientieren:

 

  LANDEN ODER STRANDEN?   

 

Nietzsche: Schlamm ruht auf dem Grunde ihrer Seele und wehe, wenn der Schlamm Geist hat. 
Kirkegaard:
Ist die Vernunft allein getauft, bleiben die Leidenschaften Heiden. 
Zwei Felsen sind in das Leben eines jeden Mannes gestellt, an denen er landet oder strandet, an denen er sich aufrichtet oder zerschellt: Gott und — das andere Geschlecht. Unzählige junge Männer stranden oder scheitern im Leben, nicht, weil sie zu wenig gelernt haben, sondern weil sie nicht zur Klarheit kommen über Gott und — weil sie nicht fertig werden mit dem Trieb, der den Menschen unnennbares Glück, aber auch abgrundtiefes Elend bringen kann: dem Geschlechtstrieb.

Es gibt so viele, die kommen nie zum Vollmenschentum, weil sie unter der Herrschaft des Trieblebens stehen. An sich sind ja starke Triebe noch kein Grund

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zur Trauer. Sie bedeuten im Gegenteil Reichtum und Lebenssteigerung. Sie ermöglichen grosse, starke Liebe und erhöhte Arbeits- und Leistungsfähigkeit. Sie sind der Weckruf zu einer starken Persönlichkeit. Aber der Trieb wird zum Unrecht gegen sich selbst und zur Sünde gegen den Schöpfer, wenn der Mensch ihn nicht mehr in Zucht behält, sondern die Herrschaft verliert und sein Sklave wird. Im Menschen herrscht entweder das Geistige oder das Triebhafte, d. i. das Tierische. Beides verträgt sich nicht miteinander. Riesengross tritt daher vor jeden denkenden Mann einmal die Frage: Willst du den eigentlichen Sinn deines Lebens erkennen, nämlich zu leuchten, oder willst du in der Weissglut deiner unbeherrschten Triebe verbrennen?

Willst du als Tier oder als Geistesmensch dein Leben verbringen?

Der Prozess des Mannwerdens, um den es sich hier handelt, ist das Problem des Herdfeuers. Beherrscht und gebändigt, erleuchtet und wärmt die Kraft des Feuers den Raum, aber wehe, wenn das Feuer aus dem Herd herausschlägt! Wehe, wenn der sexuelle Trieb den ganzen Mann so beherrscht, dass der Trieb zum Herrn alles Denkens, Tuns und Treibens wird!

Unsere Zeit ist krank. In früheren Zeiten verlangte man, dass der Eros in Zucht und Verantwortung gehalten wurde. Heute meint man, dass der moderne Mensch der Zucht nicht mehr bedürfe. Man übersieht aber dabei, dass der heutige Grosstadtmensch viel nervöser und willensschwächer ist und daher mehr Zucht haben muss.

Und nun blick' einmal um dich: Nicht der Geist herrscht in unserem Vaterlande, die Oberhand haben die ungezügelten Triebe und in unserer Jungmännerwelt vor allem der zuchtlose Geschlechtstrieb, der in Unsittlichkeit ausartet. In Fabrik und Kontor, auf der Bühne und im öffentlichen Leben regiert der Geist der Halbwelt, herrscht vielfach die Zote. Und wieviel frohe Jugendlust geht zugrunde in den Pesthöllen der Grosstadt, den Tingeltangels und Nachtcafes, den Spiellokalen und den schlechten Kinos! Der heutige junge Mann hält sich für besonders klug, wenn er der Theorie des Auslebens huldigt. In Wahrheit trifft auf

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ihn das Wort Goethes zu, das er im "Faust" den Mephisto sprechen lässt:
"Er nennt's Vernunft und braucht's allein, 
Um tierischer als jedes Tier zu sein." —

Zwei Dinge sind es, die den Prozess des Mannwerdens sehr erschweren: Die Weltstadt mit ihren abnormen Verhältnissen und der Dämon in uns. Der junge Mann, der zum erstenmal, vielleicht aus wohlbehütetem Elternhause allein nach der Weltstadt kommt, sieht sich umgeben von einer Fülle neuer Eindrücke. Ständiger Lärm, aufregende Bilder, schwüle Lektüre, oft wenig Möglichkeit zur Bewegung in guter Luft, Alkohol, Kino, Theater und überall, wo er hinsieht, aufreizende Kleidermoden auf sexuelle Wirkung berechnet — wer kann einem solch konzentrierten Angriff standhalten? Und auf die Versuchung von aussen antwortet der Dämon von innen nur zu gern mit einem Ja. Denn Nietzsche hat recht, "es ruht Schlamm auf dem Grunde der Seele", bei allen Menschen, "bellen die wilden Hunde im Keller" und warten darauf, freigelassen zu werden.

Viele geraten unter die Diktatur der Unsittlichkeit, weil sie nicht zur rechten Zeit über die Gefahren aufgeklärt wurden. Solche werden dankbar sein für ein offenes Wort der Warnung und des Rates, das ihnen ein Entrinnen oder eine Umkehr ermöglicht.

Die Unsittlichkeit tritt an die meisten zuerst in der Form der Selbstbefleckung heran. Es ist wissenschaftlich festgestellt, dass oft in erschreckend frühem Alter damit begonnen wird. Die Folgen dieser schlimmen Gewohnheit sind zwar oft übertrieben worden. Doch muss das Urteil bedeutender Ärzte jeden ernst stimmen. Professor Dr. Hartung, viele Jahre Primararzt der dermatologischen Abteilung des Allerheiligen-Hospitals in Breslau, äussert sich dazu wie folgt:

"Es ist kein Zweifel, dass ein stärkeres Nachgeben gegenüber dem Hange zur Selbstbefleckung den Körper in schwerster Weise schädigt, und dass sich gerade im späteren Leben aus dem Betrieb dieses Lasters Störungen in Form von allgemeiner Nervosität, geistiger Arbeitsunfähigkeit und körperlicher Erschlaffung herausbilden."

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Besonders betont er noch, dass der Mensch, welcher Selbstbefleckung treibt, in dem Bewusstsein etwas Unreines zu tun, auch seine Selbstachtung und seine freie Stirn verliert. Das ständige Bewusstsein einer widerwärtigen und vor anderen zu verbergenden Heimlichkeit erniedrigt ihn sittlich vor sich selbst.

Er sagt weiter, dass diejenigen jungen Leute, die diesem Laster fröhnen, schlaff und weichlich werden, die Arbeitslust verlieren, und dass allerlei nervöse Reizzustände ihr Gedächtnis und ihre Leistungsfähigkeit schwächen. Andere bedeutende Ärzte, die darüber geschrieben haben, stimmen dem Gesagten bei.

Die Selbstbefleckung verschlechtert aber nicht nur das Blut, sie beseitigt seelische Kräfte und Hemmungen, die für das Mannwerden notwendig sind, sie nimmt der Seele die Geschlossenheit, sie wirkt, wenn sie zur dauernden Gewohnheit wird, wie ein fressender Wurm.

Viel schlimmer sind aber die Folgen der Unsittlichkeit mit dem anderen Geschlecht. Es ist doch nicht von ungefähr, dass die furchtbarste Geissel der Menschheit — die Geschlechtskrankheiten — eine Folge dieser Übertretung ist. Erstaunlich ist nur, wie unglaublich töricht auch sonst klug sein wollende Leute auf diesem Gebiet sind.

Universitätsprofessor Dr. Paul Lazarus, Berlin, zeichnet ein erschütterndes Bild von der tiefen seeli-chen und körperlichen Erkrankung unseres Volkes durch die Geschlechtskrankheiten.

Die Syphilis muss als einer der erfolgreichsten Totengräber der Volkskraft bezeichnet werden.

Aber auch der Tripper, den törichterweise viele junge Männer sehr leicht nehmen, ist eine ernste und gefährliche Erkrankung. Und schon die Tatsache, dass es der ärztlichen Wissenschaft nicht möglich ist, sie mit Sicherheit zu heilen, sollte alle Leichtfertigkeit bannen.

Professor Dr. Binswanger sagt über die Geschlechtskrankheiten: "Es ist bemerkenswert, dass scheinbar ganz leichte Fälle von Ansteckungen zu solchen schweren Leiden führen, dass oft viele Jahre zwischen der ursprünglichen Ansteckung und dem Ausbruche eines unheilbaren Nervenleidens liegen und dass von der heute so überaus häufigen Krankheit, welche im

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Laienmund als Gehirnerweichung bezeichnet wird, sicherlich über 60 % auf eine früher stattgehabte geschlechtliche Ansteckung zurückzuführen sind."

Ist es nicht ein bis ins Innerste erschütternder Gedanke, dass durch eine solche Jugendsünde die, welche uns einmal am nächsten stehen — Weib und Kind —, in jammervolles Siechtum hineinkommen können?

Aber ich muss noch eine Verirrung erwähnen, die heute viel stärker auftritt, als mancher meint: die Homosexualität. Vorweg sei gleich gesagt: wir wollen stets herzliches Mitgefühl und Verständnis allen entgegenbringen, die auf diesem Gebiet durch Veranlagung oder Vererbung einen stillen, oft verzweifelten Kampf um ihre Reinheit führen. Heil allen, die hier Siege erringen, weil sie den Kampf mit Gott führen! Aber wie Jesus den einzelnen Sünder liebte und jedem half, der sich helfen lassen wollte, der Sünde selbst aber mit heiligem Ernst entgegentrat, so müssen auch wir den volks- und jugendverderbenden Erscheinungen der Homosexualität entgegentreten. Es gab ja schon einmal eine Zeit, in der die Welt zu ertrinken drohte in der Flut der Perversität. Nur das Evangelium war damals imstande, die in der Fäulnis dieser widerlichen Unzuchtssünden versinkende Kultur zu überwinden und ein Neues heraufzuführen. Von den Sklaven und Opfern dieser Sünden schrieb Paulus an die Römer:

"Die Männer haben verlassen den natürlichen Brauch ... und sind gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde und haben Mann mit Mann Schande betrieben. — Darum hat sie auch Gott dahingegeben" (Rom. l). Die Homosexualität ist das Kainszeichen einer bis ins Mark kranken, gott- und seelenlosen Kultur. Sie ist eine Folge der herrschenden Welt- und Lebensanschauung, deren höchstes Ziel Genussucht ist. Mit Recht sagt Professor Foerster in seiner Sexualethik:

"Wo der geistige Heroismus lächerlich gemacht und das natürliche Ausleben verherrlicht wird, dort bekommt auch alles Perverse, Dämonische und Gemeine den Mut, ans Licht zu kommen, ja, es verhöhnt das Gesunde als eine Erkrankung und macht sich selbst zum Masstab des Lebens."

Es kommen heute Dinge aus der Tiefe, die der Mensch in seiner geheimsten Verkommenheit sich

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nicht zu gestehen wagt. Es werden noch ganz andere Dinge zum Vorschein kommen, und dann wird man begreifen, dass nur eine grosse geistige Macht — das Evangelium von Jesus Christus — hier allein helfen kann.

Manche werden aber Einwendungen gegen das Gesagte machen. "Handelt es sich hier nicht," so sagst du vielleicht, "um einen Naturtrieb, der befriedigt werden muss?" — Bei entfesselter Leidenschaft handelt es sich nicht um etwas Natürliches, sondern um etwas höchst Unnatürliches. In fast allen Fällen ist erst durch eigene oder durch die Schuld anderer die böse Luft vorbereitet, entbrannt und grossgezogen worden. Sieh einen Trinker oder einen Morphiumsüchtigen an. Ist sein fortwährendes Verlangen nach Alkohol oder Morphium etwa natürlich? Dies Verlangen ist nur durch häufige Hingabe an das Laster künstlich grossgezogen worden. Der Trieb, der von Gott in uns gelegt ist für die Ehe zur Erhaltung des Menschengeschlechts, ist an und für sich gut und nicht allzuschwer zu zügeln. Tausende von Männern beherrschen ihn in rechter Weise mit Erfolg.

"Aber ist es denn nicht schädlich für den reifen Mann, wenn er sich dieser Dinge enthält?" Professor Dr. Hartung, den wir wieder anführen möchten, sagt darauf wörtlich: "Ich antworte Ihnen klipp und klar: Nein, dem ist nicht so. Der Mann, der Ihnen jemals gesagt hat. dass bei gesunden Männern aus Keuschheit und Zurückhaltung im weiteren Sinne eine Schädigung entstehen könnte, hat Sie auf schlimmste Irrwege hingewiesen, und wenn er wirklich durchdacht hat, was er Ihnen gesagt hat, so ist er ein unwissender oder schlechter Mensch gewesen."

Dringend ist zu warnen vor dem Gebrauch von Präventivmitteln. Der einzig wirkliche Schutz ist Enthaltsamkeit bis zur Ehe.

Ich habe versucht, dir die Folgen der Unsittlichkeit offen und wahrheitsgemäss vor Augen zu führen. Daraus siehst du das Verderben für Leib und Geist dessen, der sich mit dieser Sünde abgibt. Dazu kommt jedoch noch das Unheil, das aus diesem Laster für die Seele entsteht. Ich bezeuge dir mit heiligem Ernst: Die Unzucht ist ein Verbrechen gegen Gott.

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Sie raubt unbedingt den Frieden des Herzens und lässt keinen zur rechten Freude und Ruhe kommen. Gottes Wort sagt: "Wer auf sein Fleisch säet, der wird vom Fleisch das Verderben ernten" (Gal. 6, 8).

Der Geist der Halbwelt zieht dort mit unabwendbarer Notwendigkeit ein, wo der Zusammenhang mit der Überwelt verlorengeht.

Für alle aber, welche nicht Opfer der Unsittlichkeit sein oder bleiben wollen, füge ich noch einige Worte des Rates und der Aufmunterung hinzu. Es muss zu einem völligen Bruch mit der Sünde der Unsittlichkeit in Gedanken, Worten und Taten kommen. Das ist das erste, was diejenigen beachten müssen, die nicht ihre Sklaven werden wollen. Selbstverständlich dürfen die Stätten der Verführung und Sünde nicht mehr aufgesucht, ja. es muss, soweit dies möglich ist, alles gemieden werden, was der Verführung irgendwie Vorschub leisten könnte. So ist der Umgang und Verkehr mit unsittlichen Kameraden usw. unbedingt zu meiden; ebenso das Lesen schlüpfriger Bücher und Ansehen gemeiner Bilder und der Besuch zweideutiger Vorstellungen. Dafür musst du dir guten Umgang suchen, durch den du gehalten und gehoben wirst. Empfehlenswert ist alles, was den Körper abhärtet und den Kampf gegen die Unsittlichkeit erleichtert, wie Turnen, Sport, Schwimmen, Fusswanderungen, Aufstehen sofort nach dem Erwachen. Massigkeit im Genuss von Speisen und vor allem von Getränken. Alkohol ist zu meiden. Das alles genügt aber noch nicht; denn viele müssen immer wieder, auch wenn sie diese Ratschläge befolgen, die schmerzliche Erfahrung machen, dass der entfesselte Trieb viel zu stark ist.

Wo finden wir die Festigkeit, die zum Widerstand notwendig ist. wo die Kraft zum Sieg, den wir brauchen. wenn wir nicht unser Bestes, unsere Persönlichkeit verlieren sollen? Wenn die Versuchung in glühendem Reiz an uns herantritt, wenn das lodernde Feuer der Sinnenlust jäh aufschlägt, zeigt es sich, dass blosse Aufklärung allein nicht hilft. Kraft, lebendige Kraft haben wir nötig, um unsere Triebe zu meistern und die unreinen Mächte in uns und ausser uns zu überwinden. Nur einer gibt uns diese Kraft: Jesus. Er hat uns durch seinen blutigen Opfertod nicht nur

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Vergebung erwirkt, so dass wir Frieden finden können unter den Anklagen unseres Gewissens, er ist uns auch selbst durch seinen Geist die lebendige Kraft eines neuen, reinen Lebens. Durch ihn kann auch ein im Sündendienst gelähmter Wille wieder fest werden und zur Freiheit und zum Leben erstehen und sich in den schweren Kämpfen mit der Sünde siegreich bewähren.

Wer zur wirklichen Freiheit gelangen will, der komme zum lebendigen Heiland, der der Sünde die Macht genommen und für jeden reichlich Kraft und Hilfe hat. Das ist keine christliche Theorie, sondern eine Tatsache, die viele stark angefochtene junge Männer ausprobiert haben und täglich erfahren. Wenn irgend möglich, vertraue dich auch einem ernsten Christen und wahren Freunde an, der dir raten und mit dir kämpfen kann. Denn einen Kampf wird es geben, aber einen Kampf mit Aussicht auf Sieg.
Und nun lass mich zum Schluss an dich selbst die persönliche Frage richten: Wie steht es um dich, mein Freund, und was willst du mit dieser Warnung machen?
Willst du, um leichtfertigen und gewissenlosen Menschen zu gefallen, dich zugrunde richten lassen, oder dich reinen, edlen Männern anschliessen, deren Umgang dein Inneres erhebt und deinen Willen zum Kampf gegen alles Unreine stählt? Willst du ein Mensch sein, der durch seine Worte, sein Beispiel und Wesen ein Fluch ist für sich und andere, oder möchtest du immer mehr ein Mann werden, der ein Segen ist für seine Mitmenschen?
Willst du um einiger Augenblicke flüchtiger Lust willen an Leib, Charakter und Seele — zeitlich und ewig — zugrunde gehen, oder dich retten lassen, solange es noch Zeit ist?
Bitte, sei aufrichtig in der Beantwortung dieser Fragen und habe den Mut, zu tun, was Gott deinem Gewissen klargemacht hat!
Wähle ehrlich! Halbwelt oder Oberwelt? Tier oder Geistesmensch? Stranden oder Landen?

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In dieser Flugschrift wird der Jugendliche vor die Alternative gestellt: Gott oder die Sexualität. Das "Vollmenschentum" erschöpft sich zwar nicht in der Asexualität, aber diese ist seine erste Voraussetzung. Die Gegenüberstellung von "Tier" und "Geistesmensch" orientiert sich an der Gegenüberstellung von "sexuell" und "geistig"; es ist die gleiche Antithese, die in stets gleichbleibender Weise, wie wir andernorts an Beispielen belegen werden, die Grundlage der gesamten bürgerlichen und theosophischen Moralphilosophie bildet. Sie blieb bisher unangreifbar, weil ihre Grundlage, die Sexualverneinung, die realen Widersprüchen im Leben des bürgerlichen Menschen entspricht, nicht angetastet wurde.

Der durchschnittliche Jugendliche, auch der aus proletarischen Kreisen, steht, von früher Kindheit an durch das Elternhaus darauf vorbereitet, in dem scharfen Konflikt zwischen Sexualanspruch und Versagung. Ein Flugblatt von der Art des oben wiedergegebenen drängt ihn in die Richtung der Erledigung des Konfliktes im Sinne der Kirche, ohne freilich die Schwierigkeit dabei aus der Welt zu schaffen. Die Kirche hilft sich in der Schwierigkeit dadurch, dass sie die Onanie zwar offiziell streng verdammt, in der Beichte jedoch durch periodische Absolution dem Jugendlichen diesen Ausweg im Grunde praktisch nicht versperrt. Sie gerät aber dabei in eine andere Schwierigkeit, die für die Sexualpolitik von grösster Wichtigkeit ist. Die Kirche kann ihre Massenbasis nur durch zweierlei Taktik erhalten: erstens indem sie die Massen durch Sexualangst an sich bindet, zweitens aber auch, indem sie ihre antikapitalistische Geste aufrecht erhält.

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Sie verurteilt das Grosstadtleben mit seinen Gelegenheiten zur Verführung Jugendlicher, weil sie gegen die revolutionäre sexuelle Kraft ankämpfen muss, die durch das grosstädtische Leben der Jugend und des Proletariats geweckt werden könnte und durch die Lockerung der sexuellen Fesseln in der imperialistischen Phase auch tatsächlich geweckt wird. Auf der anderen Seite ist das sexuelle Leben der Massen in den Grosstädten, gekennzeichnet durch den brennenden Widerspruch zwischen hoher sexueller Bedürftigkeit und minimaler materieller und psychischer Befriedigungsmöglichkeit (nebenbei die wichtigste Bedürfnisbasis vieler Zweige der kapitalistischen Produktion, z. B. Film etc.). Dieser Widerspruch ist prinzipiell von keiner anderen Art als der, dass der Kapitalismus auf der einen Seite die gleiche Familie mit allen Mitteln verteidigt, die er auf der anderen durch seine wirtschaftlichen Krisen und seine Sexualökonomie zerstört. Die Kenntnis solcher Widersprüche ist für die praktische Sexualpolitik von grosser Bedeutung, denn sie eröffnet breite Möglichkeiten, den ideologischen Apparat der Bourgeoisie an einer seiner wundesten Stellen zu treffen.

Wo soll der Jugendliche die geeignete Kraft zur Niederringung seiner genitalen Sinnlichkeit suchen? Im Glauben an Jesus! Und der Jugendliche findet tatsächlich in diesem Glauben eine mächtige Kraft gegen seine Sexualität. Aufgrund welcher Mechanismen? Der Gottesglauben, der selbst in früher Kindheit anlässlich der ersten sexuellen Regungen aufgenommen wurde, versetzt in einen Zustand sexueller Erre-

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gung, der nicht nur einen Ersatz für die sinnliche Genitalbefriedigung bildet, sondern vielmehr derart ist, dass dadurch tatsächlich die normale, reife Sexualstrebung gelähmt wird. Der Jugendliche muss sich nämlich, um das Gebot der Kirche zu verwirklichen, in eine passiv-homosexuelle Triebrichtung begeben bzw. die entsprechenden Anlagen hierzu voll entwickeln ; die passive Homosexualität ist triebenergetisch der wirksamste Widerpart der phallischen männlichen Sexualität, denn sie ersetzt die Aktivität und Aggression durch Passivität und masochistische Haltungen, also gerade diejenigen, die die massenstrukturelle Basis der christlichen wie jeder patriarchalischen Religion bestimmen. Das bedeutet aber gleichzeitig auch Setzung von Neigung zu kritikloser Gefolgschaft, Autoritätsgläubigkeit und Anpassungsfähigkeit an die Institution der Ehe. Die Kirche spielt also in Wirklichkeit, indem sie die revolutionäre genitale Kraft niederringen will, eine andere sexuelle Triebkraft gegen sie aus. Sie bedient sich selbst sexueller Mechanismen zur Durchsetzung ihrer Ziele. Diese von ihr teils in Gang gesetzten, teils zur Blüte gebrachten nichtgenitalen sexuellen Regungen bestimmen dann die Massenpsychologie der kirchlichen Anhängerschaft: moralischer (sehr oft auch deutlich körperlicher) Masochismus und passive Homosexualität. Es ist daher unvollständig, zum Teil sogar falsch, wenn die Religion und ihre Macht aus der infantilen Vaterbindung erklärt wird. Sie bezieht ihre Macht aus der genitalen Sexualeinschränkung, die erst sekundär zur Regression auf die Linie

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der passiven und masochistischen Homosexualität drängt. Sie basiert sich also triebdynamisch auf doppelte Weise: durch Erzeugung von genitaler Angst und Ersatz der Genitalität durch infantile, für den Jugendlichen nicht mehr normale Triebrichtungen, die ihre Kraft aus der versagten Genitalität beziehen. Für die sexualpolitische Arbeit unter christlichen Jugendlichen halten wir vorläufig fest, dass im Kampfe gegen die Religion, wenn er mit geeigneten Mitteln geführt werden soll, der genitale Anspruch der Jugendlichen gegen den passivhomosexuellen ausgespielt werden kann und muss. Diese massen­psychologische Aufgabe deckt sich vollkommen mit den objektiven Entwicklungslinien des Kommunismus auf sexualpolitischem Gebiet: Aufhebung der genitalen Versagungen und Bejahung des genitalen Geschlechtslebens der Jugendlichen.

Mit der Aufdeckung dieser Mechanismen der religiösen Verseuchung der Massen ist aber die Frage nicht erschöpft. Eine besondere Stellung nimmt dabei der Marienkult ein. Wir bringen wieder eine typische Flugschrift zur Orientierung:

 

Marienverehrung und der Jungmann.
Von Dr. theol. Gerhard Kremer.

 

Echte, katholische Jugendfrömmigkeit wird stets dem Marienideal aufrichtig zugetan sein. Es ist nicht so, als ob Marienverehrung einer starken und warmen Christusfrömmigkeit Eintrag täte, im Gegenteil, wahre Marienverehrung muss zu Christus und sittlicher Lebenshaltung hinführen. Wir wollen das Marienideal für die sittliche und religiöse Erziehung unserer Jugend nicht entbehren.

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Jugend ist Zeit des Werdens, des äusseren und inneren Kampfes. Es erwachen die Leidenschaften, es ist ein Gären und Ringen im Menschen, ein stürmisches Drängen und Wachsen. In dieser Jugendnot muss ein Ideal vor der Jugend stehen, stark und machtvoll, ein lichtes, helles Ideal, das selbst nicht berührt wird von dem Drängen und Gären, sondern das die wankenden Herzen emporreissen kann, das durch seinen Glanz das Unendle und Gemeine überstrahlt und den schwankenden Sinn nach oben zieht. Dieses Ideal soll dem jungen Menschen Maria sein, in der sich eine alles überstrahlende Reinheit und Schönheit verkörpert.

"Man sagt, es gibt Frauen, die durch ihre Gegenwart erziehen, da ihr Benehmen schon niedrige Gedanken verscheucht, kein zu freies Wort über die Lippen lässt. So eine edle Frau ist vor allem Maria. Ein junger Ritter, der sich ihrem Dienst geweiht, der überzeugt ist, dass ihr Blick auf ihm ruht, ist zu einer Gemeinheit nicht fähig. Sollte er aber doch, ihrer Gegenwart vergessend, fallen, so wird die Erinnerung an sie brennenden Seelenschmerz bewirken und dem Edelsinn wieder zur Herrschaft verhelfen." (P. Schilgen S. J.)

Maria steht vor dem Jungmann als unerreichte Anmut, Hoheit und Würde, wie sie in Natur, Kunst und Menschenwelt nicht zu finden ist. Warum haben die Künstler und Maler immer wieder der Madonna ihr Können und Schaffen geweiht? Weil sie in ihr die erhabenste Schönheit und Würde erblickten. Das ist eine Würde und Schönheit, die nie enttäuschen wird. Da steht eine Herrin und Königin vor dem Jungmann, "der zu dienen, vor der zu bestehen höchste Ehre sein muss. Da ist die hehre Frau und Seelenbraut, der du dich hingeben kannst mit der ganzen aufquellenden Liebeskraft deines jugendlichen Herzens, ohne Entwürdigung und Entweihung zu fürchten."

Das Marienideal soll den jungen Menschen begeistern; zumal in einer Zeit, die es liebt, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Kot zu ziehen, soll das Marienideal vor ihm aufleuchten als Rettung und Kraft. In ihm soll der junge Mann begreifen, dass es doch etwas Grosses und Erhabenes ist um seelische Schönheit und Keuschheit. In ihm soll er die Kraft finden, den Weg aufwärts zu gehen, auch wenn alle anderen in den Niederungen ihr Bestes verlieren. 

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Das Marienideal soll den Schwankenden zur Besinnung rufen, den Strauchelnden wieder aufrichten und stark machen, ja es soll gar den Gefallenen ergreifen, damit er mit neuein Mut sich aufrafft. Maria ist der Meeresstern, der in der dunklen Nacht der Leidenschaft dem jungen Menschen aufleuchten will; der dann, wenn alles in ihm erschüttert zu sein scheint, doch wieder das Edle in ihm wachruft. Durchschweif' ich Berg' und Auen. - In unverstand'ner Qual. - Von Unserer Lieben Frauen. - Das Kirchlein steht im Tal. - Berührt mein fuss die Schwelle, - So sänftigt sich mein Blut: - Und denk ich dein, Maria, - So ist schon alles gut." (Fr. W. Weber.)

Ihr Jungmänner, die ihr idealen Sinn habt und um heilige Tugend einen Ringkampf führet, schauet auf zu eurer Herrin und Königin. Wie kann ein junger Mann zu ihr aufschauen, ohne mit heiligem Idealismus erfüllt zu sein? Wie kann er sie im Ave Maria grüssen, ohne Sehnsucht nach starker Keuschheit in sich zu tragen? Wie kann er die herrlichen Marienlieder singen, ohne den Mut zum Kampfe in sich zu fühlen? 

Wie könnte ein Jungmann, der das Marienideal erfasst hat, hingehen und an Frauenunschuld zum Räuber werden? Wie kann er sie Mutter und Königin nennen und dann an weiblicher Würdelosigkeit Geschmack gewinnen? Ja, das Marienideal ist, wenn es nur ernst genommen wird, für den jungen Mann ein starker Antrieb und ein mächtiger Aufruf zur Keuschheit und Männlichkeit. "Auf sie schauend, ihr Bild im Herzen tragend, musst du nicht rein werden, so schwer du auch zu ringen hast?"

Für die sittliche Haltung des jungen Mannes entscheidend ist seine Stellung zum Mädchen, zur Frau. "Beim Ritterschlage musste einst der Ritter geloben, die wehrlosen Frauen zu beschützen. Das war die Zeit. die die Dome baute zu Ehren der Himmelskönigin." (P. Gemmel S. J.) Es besteht ein innerer Zusammenhang zwischen Marienminne und wahrer Ritterlichkeit gegenüber dem Frauengeschlecht. Der Mann, der vom Marienideal ergriffen ist, trägt naturnotwendig jenen ritterlichen Schlag in sich, der hervorgeht aus ehrfurchtsvoller Hochachtung vor weiblicher Würde und Hoheit. Darum verpflichtete der Ritterschlag des Mittelalters den jungen Mann wie zum heiligen Minne-

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dienst so auch zum Schütze der Frauenehre. Die Symbole dieses Rittertums sind nicht mehr; aber schlimmer ist, dass in der männlichen Jugend mehr und mehr die scheue Ehrfurcht vor der Frau erstirbt und einem frivolen, niedrigen Raubrittertum gewichen ist. Schützte und schirmte einst der Ritter in Panzer und Waffenrüstung schwache Weiblichkeit und Unschuld, so soll und muss der echte Mann heute sich innerlich der Frauenehre und Unschuld als Schuldner fühlen. Solide Männlichkeit und wahrer Herzensadel werden sich am ehesten und schönsten dem weiblichen Geschlecht gegenüber offenbaren. Wohl dem jungen Manne, der seine Leidenschaft mit diesem Panzer umgeben hat! Wohl dem Mädchen, das die Liebe eines solchen jungen Mannes gefunden hat! "Tue keinem Mädchen ein Leid an und bedenke, dass auch deine Mutter ein Mädchen gewesen ist!"

Der Jungmann von heute ist der Mann und Gatte von morgen. Wie wird der Gatte und Mann Frauentum und Frauenehre schützen können, wenn der Jungmann und Bräutigam Liebe und Brautzeit entweiht hat! Brautzeit soll sein Zeit heiliger unentweihter Liebe. Wieviel Menschenschicksale würden glücklicher sein, wenn das Marienideal in unserer Jungmännerwelt lebendig wäre. Wieviel Leid und Weh brauchte nicht zu sein, wenn nicht junge Männer ein freventliches Spiel trieben mit der Liebe einer Mädchenseele. O, ihr jungen Menschen, lasst das helle Licht des Marienideals in eure Liebe hineinleuchten, damit ihr nicht strauchelt und fallt.

Das Marienideal kann unserer männlichen Jugend viel bedeuten. Gerade darum haben wir in unseren Jugendvereinen und Kongregationen das Marienbanner entfaltet. O, dass ich unsere katholische männliche Jugend um dieses Banner scharen wollte! 

(Kath. Kirchenblatt, Nr. 18, 3.-5.-1931).

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Der Marienkultus wird zur Durchsetzung der Keuschheit herangezogen, und — das muss klar erkannt werden — mit grossem Erfolg. Wir müssen wieder nach dem psychologischen Mechanismus fragen, der diesen Absichten der Kir-

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che die Erfolge sichert. Es ist wieder nicht so sehr ein Problem der objektiven, soziologischen Rolle der Religion, als ein Problem der Psychologie der dieser Rolle unterworfenen Massen von Jugendlichen. Es geht dabei wieder um die Niederringung der genitalen Triebkräfte. Mobilisiert der Jesuskult die passivhomosexuellen Kräfte gegen die Genitalität, so der Marienkult wieder sexuelle Kräfte, diesmal aus der genitalen heterosexuellen Sphäre selbst. "Tue keinem Mädchen ein Leid an und bedenke, dass auch deine Mutter ein Mädchen war."

Die Mutter Gottes übernimmt also im Gefühlsleben des christlichen Jugendlichen die Rolle seiner eigenen Mutter, und er wendet ihr automatisch, nur noch bestärkt durch derartige Einflüsse der Kirche die ganze Liebe zu, die er seinerzeit für seine Mutter hatte, die ganze starke Liebe seiner ersten genitalen Wünsche. Das Inzestverbot, das durch die Kastrationsdrohung sanktioniert wurde, spaltete nun seine Genitalität in genitale Sinnlichkeit und Zärtlichkeit der gleichen sexuellen Sphäre. Die Sinnlichkeit musste verdrängt werden und ihre Energie verschärfte die zärtliche Strebung, gestaltete sie zu einer schwer lösbaren Bindungs­fähigkeit, die einhergeht mit einer heftigen Abwehr nicht nur des Inzestwunsches, sondern jeder genitalen sinnlichen Beziehung zu einer Frau. Die ganze lebendige Kraft und grosse Liebe, die der gesunde, areligiöse junge Mann im genitalen Erleben mit der Geliebten aufbringt, stützt beim Religiösen nach der Verdrängung der genitalen Sinnlichkeit (die, wie wir früher zeigten, auch noch anders gebunden wird) den religiösen Marienkult. Aus diesen Quellen bezieht die Religion weitere Kräfte, die deshalb nicht zu unterschätzen sind, weil es unbefriedigte und genitale Kräfte sind. Sie erklären uns auch die jahrtausendealte Macht der Kirche über die Menschen und damit zugleich die Hemmungen, die der Kulturbildung in den Massen entgegenwirkten.

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    02 Gesundes und neurotisches Selbstgefühl   

 

Für den sexuell vollwertigen, sexualökonomisch organisierten jungen Menschen bedeutet das sinnliche Erleben mit einer Frau erfüllende Bindung, Erhöhung des Partners, Austilgung jeder Art irgendwie angelegter Erniedrigungstendenzen gegenüber der sich sexuell gebenden Frau. Nach der Verdrängung der genitalen Sinnlichkeit können sich nur mehr die psychischen Abwehrkräfte auswirken, Ekel und Abscheu vor der genitalen Sinnlichkeit; diese Abwehrkräfte beziehen ihre Energie aus mehreren Quellen. Zunächst ist die abwehrende Kraft zumindest ebenso stark wie die abgewehrte, durch die Verdrängung und Unbefriedigtheit gesteigerte genitale Begehrlichkeit, an der durch die Unbewusstheit des Verlangens nicht im geringsten gerüttelt wird. Dazu kommt die Rechtfertigung des Abscheus vor dem Geschlechtsverkehr durch die tatsächliche Verrohung des Liebeslebens beim bürgerlichen Menschen. Dieses verrohte Liebesleben gilt dann als Vorbild des Liebeslebens überhaupt. Die Moral schafft also zuerst das, worauf sie sich dann zur Rechtfertigung ihres Bestandes ("das Sexuelle ist asozial") beruft.

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Als dritte affektive Quelle wirkt die sadistische Auffassung des Geschlechts­lebens mit, die die Kinder aller patriarchalischen Kulturkreise in der frühen Kindheit erwerben. Da jede Hemmung der genitalen Befriedigung die sadistischen Impulse hochtreibt, infolgedessen die gesamte Sexualstruktur sadistisch wird; da ferner ein teilweiser oder vollständiger Ersatz der genitalen Ansprüche durch anale in den meisten Fällen statthat, klingt die kirchliche Parole von der Erniedrigung und Brutalisierung der Frau durch den Geschlechtsverkehr an die Struktur der Jugendlichen an und gewinnt erst auf diese Weise ihre grosse Bedeutung. Der Jugendliche hat ja, noch ehe er auf kirchliche Parolen stiess, aus eigenem Erleben die sadistisch-anale Auffassung des Geschlechts­verkehrs ausgebildet.

Auch hier bestätigt sich also aufs neue, dass die moralischen Abwehrmächte der Menschen die Macht und Gewalt der Instanzen der politischen Reaktion begründen. Der Zusammenhang des religiösen Empfindens mit der sexuellen »Sittlichkeit" beginnt nun klarer zu werden. Welche Inhalte immer religiöses Erleben haben mag, es ist im wesentlichen das Negativ des sexuellen Strebens, im wesentlichen Sexualabwehr, aber mithilfe nichtgenitaler sexueller Erregungen. Der Unterschied des sexuellen zum religiösen Empfinden ist, dass dieses die Wahrnehmung der Erregung als sexueller nicht zulässt und dass die Entspannung ausfällt, auch dort, wo es sich um die sogenannte religiöse Exstase handelt.

In der Wahrnehmung der sexuellen Lust und der Endlust selbst gesperrt, muss die religiöse Erregung eine dauernde Veränderung der psychischen Apparatur herbeiführen. Nicht nur dass das reale Sexualerleben selbst als erniedrigend erlebt wird, es kann auch nie zu einem Vollerleben kommen. Die Abwehr des sinnlichen Begehrens muss im Ich-Ideal gefühlsbetonte Vorstellungen von ethischer Reinheit und Vollkommenheit einbauen. Was die gesunde Sinnlichkeit und Befriedigungs­fähigkeit an Selbstgefühl vermittelt, ergibt sich beim religiösen und mystischen Menschen aus diesen Abwehr­formationen.

Wie beim nationalistischen Empfinden wird auch beim religiösen das Selbstgefühl aus diesen Abwehr­haltungen geschöpft. Es unterscheidet sich jedoch vom genital basierten Selbstgefühl schon äusserlich durch seinen zur Schau getragenen Charakter, durch den Mangel an Natürlichkeit im Auftreten, durch die tiefenpsychologisch leicht feststellbare Unterbauung durch ein sexuelles Minderwertigkeitsgefühl, das zur Kompensation mithilfe entlehnter tugendvoller Eigenschaften drängt. Das erklärt, warum der christlich oder national "sittlich" erzogene Mensch den Phrasen der politischen Reaktion wie "Ehre", "Reinheit" etc. so leicht zugänglich ist.

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