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17  Psychotische und andere Störungsformen 

 

 

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Sehr starke Ängste können manchmal mit Körpergefühls- oder Wahrnehmungs­störungen oder einem Gefühl von Unwirklichkeit einhergehen. Die Frauen sehen, hören oder fühlen alles wie durch Watte oder sie haben den Eindruck, plötzlich gelähmt zu sein und sich nicht mehr bewegen zu können. Andere haben Empfindungen, als ob bestimmte Körperteile gar nicht mehr zu ihnen gehören, weil sie sie nicht mehr richtig spüren können und Taubheitsgefühle haben. Wieder andere sind geistig wie weggetreten, haben eine Denkblockade und reagieren nicht, wenn man sie anspricht. Diese Reaktionen können ihre Wurzeln im sexuellen Mißbrauch haben.

Während der sexuellen Übergriffe sind manche Kinder vor Angst wie erstarrt. Andere stellen sich schlafend oder tot in der Hoffnung, daß der Mann dann wieder geht. Einige Kinder versuchen sich während des sexuellen Mißbrauchs innerlich abzulenken, indem sie sich ganz auf das Farbmuster der Tapete oder der Vorhänge konzentrieren oder innerlich alle Gedichte aufsagen, die sie kennen, um nicht so genau erleben zu müssen, was mit ihnen gerade geschieht. Andere fallen, von ihren Panikgefühlen überschwemmt, von selbst in eine Art Trancezustand, bei dem ihr Bewußtsein teilweise abgeschaltet ist.

Diese tranceartigen Zustände sind vielleicht vergleichbar mit dem Schock nach einem Unfall, wenn Menschen orientierungslos herumirren, ohne zu merken, daß sie bluten oder sich verletzt haben. Man kann sie auch mit dem >Blackout< bei einer Prüfung vergleichen, wo Menschen vor lauter Aufregung nichts mehr wissen, obwohl sie sich gut vorbereitet haben. Die Psyche scheint sich durch solche geistigen Ausnahmezustände vor einer Überlastung durch zu heftige Empfindungen zu schützen. Manchmal geht das Abstellen der Gefühle und Körperempfindungen so weit, daß es zu unerklärlichen Lähmungen, apathischen Zuständen oder Ohnmächten kommt.

MONIKA, 15 Jahre, wird wiederholt wegen Ohnmachts- und Lähmungs­erscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert. Trotz sorgfältiger Unter­suchungen kann man keine körperliche Ursache für diese Beschwerden finden. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Immer wieder wird Monika von den ratlosen Eltern in die Klinik gebracht. Man versucht den Ursachen in einer Psychotherapie auf die Spur zu kommen. Schließlich erzählt Monika, daß sie von ihrem Vater sexuell mißbraucht wird und am liebsten von zu Hause weg will, daß ihr Vater dies aber nicht zulasse. Ihrer Mutter möchte sie davon nichts erzählen, weil sie herzleidend ist und keine Aufregung verträgt. Aus diesen Erzählungen wird bald klar, daß Monikas einzige Chance, sich vor ihrem Vater zu schützen, darin besteht, möglichst oft ins Krankenhaus zu kommen. Als sie schließlich eine Berufs­ausbildung beginnt, bei der sie nicht mehr bei ihren Eltern wohnen kann, treten ihre Lähmungs- und Ohnmachtsanfälle nicht mehr auf.

Viele Frauen, die sexuell mißbraucht wurden, haben als Erwachsene Momente, wo sie geistesabwesend und wie in Trance sind. Es scheint, wie wenn sie durch ihren jahrelangen sexuellen Mißbrauch sehr viel Übung darin haben, in Angst- und Belastungssituationen ihr Wahrnehmen, Denken und Fühlen automatisch abzuschalten. Manche Frauen fühlen sich dann benommen oder schwindelig, andere können sich nicht mehr konzentrieren und scheinen geistes­abwesend in Tagträumen versunken zu sein.

Diese Trancezustände ähneln denen der indischen Fakire, bevor sie sich scheinbar schmerzlos auf ihr Nagelbett legen oder sich ein Schwert durch die Haut bohren. Auch sie sind dann geistig abwesend und während dieser Zeit von unangenehmen Empfindungen befreit. Während die Fakire durch ein langes Training gelernt haben, diesen Trancezustand willentlich herbeizuführen, geschieht dies bei den Frauen, die sexuell mißbraucht wurden, meist automatisch und ohne ihr besonderes Zutun. Auf diese Weise werden sie vor einer gefühlsmäßigen Überlastung geschützt, so daß sie ihr psychisches Gleichgewicht bewahren können. 

Dieser Trancezustand taucht auch während der Psychotherapie häufig auf, wenn die Frauen über ihren sexuellen Mißbrauch oder andere traumatische Erlebnisse ihrer Kindheit berichten. Leider treten diese Trancezustände meist auch in Situationen auf, wo sie die Frauen behindern und handlungsunfähig machen, wie z.B. in Prüfungen oder bei wichtigen Verhandlungen oder Gesprächen, die psychisch belastend sind. Wenn die Frauen sehr viele Alltagssituationen als anstrengend und bedrohlich erleben und daher häufige Trancezustände erleben, kann dies im Extremfall zu psychotischen Störungsformen führen.

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Psychotische Episoden

 

Wir haben gesehen, daß der sexuelle Mißbrauch bei manchen Frauen nur der Anfang einer langen Kette von Gewalt- und Ohnmachtserfahrungen ist, die das Vertrauen der Frauen in sich und die Welt zerstört. Das Bild, das sie durch ihre extremen Erfahrungen von der Wirklichkeit bekommen, unterscheidet sich zunehmend von dem Bild ihrer Mitmenschen. Aus dem Eindruck, anders als die anderen Menschen zu sein, entwickelt sich schnell die Befürchtung, verrückt zu werden. Alltags­belastungen können starke Ängste und Verwirrtheit auslösen und zu psychotischen Zuständen führen. Unter Psychosen versteht man im allgemeinen Bewußtseins­störungen, die sich z. B. in Wahrnehmungs­verzerrungen, Halluzinationen und Wahn­phänomenen bemerkbar machen. Menschen in psychotischen Zuständen sind in ihrer Einsicht und in ihrer Fähigkeit, die Wirklichkeit wahrzunehmen und den üblichen Lebensanforderungen zu entsprechen, auffallend gestört.

SILVIA wird als Kind von verschiedenen Familienangehörigen und Verwandten sexuell mißbraucht. Ihrer Mutter kann sie dies nicht erzählen, da diese sie zusätzlich aufs schwerste mißhandelt, so daß Silvia oft von zu Hause wegläuft und schließlich in einem Kinderheim untergebracht wird. Trotz dieser belastenden Lebensgeschichte ist es Silvia möglich, eine solide Berufsausbildung zu machen und ihrer Arbeit zuverlässig nachzukommen, selbst wenn es ihr oft psychisch sehr schlecht geht. Nachdem sie auch als Erwachsene viele Enttäuschungen mit Partnern und Freunden erlebt hat, zieht sie sich von Menschen mehr und mehr zurück. Immer wieder ohnmächtig den Kränkungen anderer Menschen ausgesetzt, entwickelt sie starke Angst- und Erregungszustände, die immer öfter auftreten und manchmal von körperlichen Lähmungs­erscheinungen und Selbstverletzungen begleitet sind.

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Als sie dann eines Tages einen neuen Chef bekommt, durch den sie sich in ähnlicher Weise schikaniert und gegenüber ihren Kolleginnen benachteiligt fühlt, wie sie das als Kind durch ihre Mutter erlebt hat, dreht sie durch. Da sie sich ohnmächtig den erneuten Angriffen ihres Chefs ausgesetzt fühlt und keine Möglichkeit sieht, dies zu verändern, begeht sie in einer Phase tiefster Depression einen Selbstmordversuch. Durch Zufall wird sie noch rechtzeitig in ihrer Wohnung entdeckt. Da dies nicht ihr erster Selbstmordversuch ist, wird ihr der Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik nahegelegt. Silvia ist fest entschlossen, dort ihren sexuellen Mißbrauch aufzuarbeiten, um so endlich ihre psychischen Probleme in den Griff zu bekommen, die sie schon seit Jahren begleiten. 

Als sie aber einem Therapeuten zugeteilt wird, der sie an einen ihrer Mißbraucher erinnert, ist es ihr unmöglich, sich ihm anzuvertrauen. Ihr Wunsch, den Therapeuten aus diesem Grund zu wechseln, wird abgelehnt. Da sie sich auch In der Gruppentherapie nicht öffnen kann, werfen ihr ihre Therapeuten vor, die Therapie zu boykottleren. Nachdem Sllvia verschiedentlich erlebt, daß Ihre Bitten und wichtigen Hinwelse für die medizinische und psychotherapeutische Behandlung von Ärzten und Pflegern ignoriert werden, führen diese Ohnmachtserfahrungen schließlich zu derart extremen Erregungsund Angstzuständen, daß sie psychotisch wird. Sie hört Männerstimmen, die ihr befehlen die Therapie abzubrechen und versprechen, für sie zu sorgen.

Silvia wehrt sich gegen diese Stimmen, denn wie soll sie allein ihre psychischen Probleme in den Griff bekommen? Die Stimmen aber werden immer drängender: »Du verrätst uns. Wenn Du nicht gehst, machen wir Dich fertig.« Als ihr Versuch, die Klinik heimlich zu verlassen, scheitert und durch Kritik und Vorwürfe der Ärzte beantwortet wird, werden diese Stimmen in ihr immer bedrohlicher und aggressiver, so daß Sllvia furchtbare Erregungszustände und Wahnphantasien erlebt, in denen sie sich ständig verfolgt fühlt. Sllvias innere Unruhe ist auch äußerlich nicht zu übersehen. Sie muß ständig hin- und herlaufen, kann vor lauter Angst nicht schlafen, obwohl sie nach mehreren durchwachten Nächten völlig erschöpft ist.

Erregungsdämpfende Medikamente schlagen bei ihr kaum an. Schließlich nimmt einer der leitenden Ärzte sie aus dem Therapieprogramm heraus und in seine Obhut. Er stellt keine Anforderungen mehr an sie und erfüllt ihre Wünsche. Die Erfahrung, Kontrolle zu haben über das, was mit ihr passiert, macht sie ruhiger und gibt ihr ihre verlorengegangene Würde zurück. In der zuverlässigen und vertrauensvollen Beziehung zu diesem Arzt findet sie den nötigen Halt, um aus ihrer Psychose herauszukommen.

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Ein halbes Jahr später verläßt sie die psychiatische Klinik und beginnt sofort wieder voll zu arbeiten, da sie Angst hat, bei einer teilweisen Krankschreibung ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Da dieser ihren wichtigsten Halt Im Leben darstellt, darf sie das nicht zulassen.

Als Silvia schließlich zur Psychotherapie kommt, wird schnell deutlich, daß die Gefahr, Selbstmord zu begehen oder psychotisch zu werden, immer dann besonders groß ist, wenn sie sich in wichtigen Alltags­situationen ohnmächtig und hilflos fühlt. Als Kind brachten ihr Widerspruch und selbstbewußtes Verhalten häufig Vorwürfe und Prügel ein. Daher kann sich Silvia auch als Erwachsene schwer wehren, wenn andere rücksichtslos über ihre Gefühle und Bedürfnisse hinweggehen oder sie bevormunden und kränken. Dies zu lernen war das zentrale Ziel in der Therapie.

Silvia befand sich in der Klinik in einem furchtbaren Zwiespalt. Einerseits erhoffte sie sich dort die nötige Hilfe und Fürsorge; andererseits fühlte sie sich in der Klinik nicht ernstgenommen, unverstanden und mißachtet. Daß sie Männerstimmen halluziniert, die sie erst freundlich und später drohend zum Therapieabbruch auffordern, macht diesen unauflösbaren Konflikt deutlich, in dem Silvia sich befindet und aus dem sie sich nicht befreien kann, weil sie keine annehmbare Lösung herbeiführen kann. Einerseits ist sie zu diesem Zeitpunkt ohne Klinik nicht überlebensfähig, denn sie würde Selbstmord begehen, sobald sie allein wäre. Andererseits aber kann sie nicht in der Klinik bleiben, weil sie dort durch das Klinikpersonal den gleichen Mißachtungen ausgesetzt ist wie in ihrem Beruf, so daß sich ihre psychische Situation täglich verschlechtert. Erst als sie an einen Arzt gerät, der den richtigen Umgang mit ihr findet, indem er ihr menschliche Wärme und Respekt entgegenbringt, gewinnt Silvia wieder Halt.

Psychotische Episoden sind bei Frauen, die neben ihrem sexuellen Mißbrauch viel Lieblosigkeit, Ohnmacht und Gewalt erfahren haben, keine Seltenheit. Immer wieder scheinen die psychotischen Phasen dann auszubrechen, wenn die Frauen in einer ausweglosen psychischen Situation gefangen sind.

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INGE leidet aufgrund massiver Beziehungsprobleme unter einem extremen Mangel an Zuwendung. Weil sie seelisch am <Verhungern> ist, läßt sie sich mit dem nächstbesten Mann ein, der ihr über den Weg läuft, in der Hoffnung, von ihm die notwendige Nestwärme zu erfahren. Sie bleibt jahrelang bei ihm, obwohl sie von ihm ausgenutzt und mißhandelt wird, so daß es ihr aufgrund dieser unbefriedigenden Partnerbeziehung mit der Zeit immer schlechter geht. Schließlich erreicht sie einen Punkt, an dem sie es nicht mehr aushält. Sie denkt daran, sich von dem Mann zu trennen.

Dies aber ruft derart starke psychische Belastungen hervor, daß sie psychotisch wird. Sie befindet sich in einer Falle, aus der sie sich nicht befreien kann: Sie kann ihren Mann nicht verlassen, weil er ihre einzige spärliche Quelle für Zuwendung darstellt; sie kann aber auch nicht bei ihm bleiben, well die Kränkungen, die von ihm ausgehen, sie allmählich seelisch zugrunde richten. Naheliegende Auswege aus diesem Dilemma sind in dieser Lebenssituation die Psychose oder der Freitod. Eine andere Möglichkeit, diese belastenden Lebensumstände zu verändern, besteht darin, daß Inge einen Menschen findet, der ihr durch seine Zuwendung die nötige Kraft für die Trennung von ihrem Partner gibt. Sich einem anderen Menschen anzuvertrauen und bei ihm Geborgenheit zu suchen, fällt Inge aber gerade wegen ihrer vielen schlechten Erfahrungen mit Menschen so schwer. Die Psychotherapie hilft Inge verstehen, daß ihr nicht alle Menschen schmerzhafte Enttäuschungen zufügen.

Zentrales Merkmal der Psychose ist, daß die Betroffenen den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Nun ist gerade der sexuelle Mißbrauch oft mit ähnlichen Erfahrungen verbunden. Viele Kinder, die über ihren sexuellen Mißbrauch sprechen, bekommen von den Erwachsenen eingeredet, sie hätten das alles nur geträumt, phantasiert, erfunden oder seien selbst schuld. Je kleiner die Kinder sind, desto mehr werden sie an ihren eigenen Wahrnehmungen und Erinnerungen zweifeln. Dadurch findet eine regelrechte Gehirnwäsche statt. Die Kinder lernen, daß sie ihren eigenen Empfindungen nicht trauen dürfen und daß ihre Wirklichkeit und die der anderen unvereinbar sind. So wird es für sie oft auch schwierig, Phantasie und Wirklichkeit auseinanderzuhalten.

Um den sexuellen Mißbrauch psychisch zu überleben, lenken sich manche Kinder während der Übergriffe in Gedanken ab. Andere lernen, schmerzhafte Gefühle und Erinnerungen nicht nur an den sexuellen Mißbrauch, sondern auch an andere Kränkungen derart gut zu verdrängen und abzustellen, daß sie so den Bezug zu einem Teil der Wirklichkeit verlieren.

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Dadurch, daß sich viele Frauen nach ihrem sexuellen Mißbrauch mehr an den Meinungen und Bedürfnissen anderer Menschen orientieren als an ihren eigenen, zerfällt die Grenze immer mehr, die Menschen normalerweise zwischen sich und anderen aufrechterhalten. Dies kann in extremen Fällen so weit gehen, daß manche Frauen nicht mehr sicher sagen können, wer sie eigentlich selber sind. Sie haben dann das Gefühl, von fremden Mächten gesteuert und beeinflußt zu werden.

Über diese verschiedenen Wege können Frauen, die als Kind sexuell mißbraucht wurden, anfällig für psychotische Reaktionen werden. Manche Frauen, die neben ihrem sexuellen Mißbrauch auch einer Vielzahl anderer Mißhandlungen ausgesetzt waren, entwickeln bei einer entsprechend vererbten Anfälligkeit eine Borderline-Störung oder eine Schizophrenie. In sehr seltenen Fällen tritt eine Multiple Persönlichkeitsstörung auf, die aber mit psychotischen Störungsbildern nicht zu vergleichen ist.

 

Borderline-Persönlichkeitsstörung

 

Darunter versteht man, daß die Betroffenen in ihren Stimmungen, in ihren Beziehungen zu anderen Menschen und in ihrem Selbstbild auffallend wechselhaft sind. Ihre Kontakte zu Menschen sind oft recht intensiv, halten aber nicht lange, weil sie ihre Mitmenschen zunächst extrem idealisieren und dann bald verachten. Sie haben starke Stimmungsschwankungen in Richtung Depression, Reizbarkeit oder Angst. Manche der Betroffenen sind so aggressiv geladen, daß es häufig zu Wutausbrüchen oder gar Prügeleien kommt. Sie haben große Probleme, ihre Gefühle und Impulse in Schach zu halten. Das kann sich so äußern, daß sie zuviel Geld ausgeben, wiederholt Ladendiebstähle unternehmen, übertrieben viel Sex haben, rücksichtslos Auto fahren, mit Selbstmord drohen oder zur Selbstverstümmelung neigen. Die meisten haben panische Angst vor dem Alleinsein und versuchen es um jeden Preis zu vermeiden. Manche wechseln fortwährend ihre Berufsziele, die Art ihrer Freunde, ihre persönlichen Wertvorstellungen, und haben sexuelle Kontakte mit Männern und Frauen, ohne sich für eine Richtung festlegen zu können.

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Bei Menschen, die unter einer Borderline-Störung leiden, stellt der sexuelle Mißbrauch oft nur einen kleinen Teil ihrer traumatischen Kindheitserlebnisse dar. Einige haben durch den frühen Tod oder die starke psychische Gestörtheit ihrer Mutter eine schwerwiegende emotionale Vernachlässigung erfahren und leiden unter einer frühkindlichen Bindungsstörung. Sie fühlen sich auch als Erwachsene so anlehnungsbedürftig und verletzlich wie ein kleines Kind. 

Um sich weiterentwickeln zu können, müssen sie nachholen, was ihnen als Kind nicht möglich war: Sie brauchen eine stabile Vertrauensbeziehung zu einer zuverlässigen und fürsorglichen Person. Aufgrund ihres großen Nachholbedarfs nach Liebe und Geborgenheit suchen sie einerseits ständig Kontakt zu Menschen. Durch die vielen schmerzhaften Enttäuschungen mit Menschen aber macht ihnen der Kontakt gleichzeitig auch Angst. Um sich vor weiteren Kränkungen zu schützen, teilen viele ihre Mitmenschen in >Gute< und >Böse< ein. So haben sie eine Orientierung, zu wem sie Kontakt aufnehmen dürfen und mit wem sie ihn vermeiden müssen. Diese vereinfachte Sichtweise wird der Wirklichkeit nicht gerecht und führt auf Dauer zu immer neuen Beziehungsproblemen.

Schizophrenie 

In einer amerikanischen Studie fand man, daß 60 Prozent der untersuchten und in einer Klinik untergebrachten schizophrenen Patienten als Kind sexuell mißbraucht worden waren. Zwar wird die Diagnose Schizophrenie in den USA weiter gefaßt und daher öfter vergeben als in Europa; die Häufigkeit sexuellen Mißbrauchs bei schizophrenen Patientinnen dürfte aber auch in Europa ähnlich liegen. Schizophrenie geht mit verschiedenen Auffälligkeiten im Denken, Wahrnehmen, Sprechen und Verhalten einher. Die Betroffenen benutzen zum Teil eine abschweifende, vage, verstiegene oder umständliche Sprache. Worte werden neu gebildet und unabhängig von ihrem Sinn benutzt. Viele Betroffene können Wichtiges nicht von Unwichtigem, die Wirklichkeit oft nicht von der eigenen Phantasie unterscheiden. 

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Einige sind der Überzeugung, andere Menschen könnten ihre Gedanken lesen, stehlen, beeinflussen oder sie zu Handlungen veranlassen, die sie selbst nicht wollten. Manche fühlen sich beobachtet, verfolgt oder bedroht und haben Angst, vergiftet zu werden. Andere berichten über ein verändertes Körpergefühl, haben Halluzinationen oder hören Stimmen, von denen sie sich beherrscht und kontrolliert fühlen. Einige fallen durch absonderliche Verhaltensweisen auf, sie führen z.B. Selbstgespräche in der Öffentlichkeit, sammeln Abfall oder horten Lebensmittel. Manchmal nehmen sie unsinnige Körperhaltungen ein, in denen sie stundenlang verharren. Andere sind in ihren Bewegungen verlangsamt.

Wieder andere machen Grimassen und bewegen sich wild und ziellos. Durch diese Schwierigkeiten sind sie bei der Arbeit, in den Begegnungen mit Menschen und in ihrer Selbständigkeit stark eingeschränkt. All diese Symptome lassen ahnen, wie gefährlich und unkontrollierbar ihnen die Welt erscheinen muß. Schizophrenie kann, bei entsprechend vererbter Anfälligkeit, nach einem gefühlsmäßig sehr schmerzhaften Erlebnis plötzlich auftreten oder aber schleichend beginnen, indem sich die Betroffenen schrittweise immer mehr von anderen Menschen zurückziehen und so den Bezug zur Wirklichkeit allmählich verlieren.

Multiple Persönlichkeitsstörung 

Diese Erkrankung tritt nur selten auf, aber 80-90 Prozent aller Menschen mit multiplen Persönlichkeiten wurden als Kind sexuell mißbraucht. Unter dieser Erkrankung versteht man, daß es in einem Menschen zwei oder mehrere unterschiedliche Persönlichkeiten gibt, die sich z.B. in der Handschrift, der Stimme, der Sprechweise, dem Dialekt, dem Gesichtsausdruck, den Körperbewegungen, ihrem Gesundheitszustand und vielen anderen Merkmalen und Reaktionsweisen unterscheiden. Der Übergang von einer Persönlichkeit zu einer anderen passiert oft plötzlich, ohne daß die Person dies selbst merkt. Multiple Persönlichkeits­störungen lassen sich durch Psychopharmaka nicht beeinflussen und sind mit psychotischen Störungen nicht zu vergleichen.

Wenn ein kleines Kind in eine Umgebung hineingeboren wird, wo es fortlaufend brutale körperliche, sexuelle und seelische Mißhandlungen erfährt, die es nicht verhindern kann, dann bleibt ihm unter Umständen nur noch, sich in verschiedene Persönlichkeitsanteile aufzuspalten, so daß nicht die ganze Person unter der Mißhandlung leiden muß, sondern nur ein Teil, während der andere innerlich <fortgehen> und sich ein Versteck suchen kann, wo er von allen diesen Dingen nicht mehr berührt wird. Während eine sehr selbstbewußte und kämpferische Seite nach außen hin dafür sorgt, daß der Alltag bewältigt wird, gibt es eine andere wehrlose und verletzliche Seite, die von dem sexuellen Mißbrauch weiß und ihn erträgt.

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