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  Vorbemerkung des Autors  

 

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Es ist konsequent, nach der Beschreibung des Verbrauchs dieser Welt durch Konsum, die Quelle des Konsums selbst zu untersuchen: die menschliche Arbeit.  

detopia-2022:  Artikelserie im Tagesspiegel 1986/87, Konzept für die Berlin-Ausstellung-1987, Sachbuch-Verbrauchte-Welt-1988

Viele Autoren messen der Arbeit eine fast magische oder mythische Bedeutung zu. Karl Marx definiert den Menschen nur über die Arbeit, für Martin Luther ist die Arbeit die Lebensbestimmung des Menschen, Benjamin Franklin und Henry Ford sehen in der Arbeit die eigentliche Kulturleistung des Menschen, und der biblische Gott vertreibt den Menschen aus seinem Paradies und erlegt ihm die Arbeit auf.

Die Karriere des Arbeiters beginnt aber erst im Zeitalter der industriellen Revolution. Der Arbeiter wird zum Proletarier verklärt, zur eigentlichen Machtgestalt der menschlichen Gesellschaft, und soll die Führungs­position übernehmen. Gleichzeitig aber schafft die industrielle Revolution zunächst schleichend, dann immer offenkundiger die Bedingungen, die zur Arbeits­losigkeit führen. Es ist nicht allein die Untätigkeit der Regierungen in Europa, in Amerika und künftig auch in den noch sozialistischen Ländern, die dazu führt, daß immer größere Teile der Bevölkerung keine Arbeit mehr haben.

Schon heute gibt es eine verdeckte Arbeits­losigkeit, die darin besteht, immer mehr Menschen mehr oder weniger sinnlose Positionen in Verwaltungen zu geben, Bürokratien im Staat und in der Wirtschaft zu entwickeln und auszubauen und immer mehr Menschen auf Beobachtungs-, Wartungs- und Aufsichts­positionen zu stellen, Tätigkeiten also, die mit Arbeit nichts mehr zu tun haben, die aber Arbeit vortäuschen.

Die Vorstellung, daß das Recht auf Arbeit noch realisiert werden könnte, ist ein Hohn angesichts von Rationalisierung, Automatisierung und Computer­isierung. Auf der anderen Seite steigt die Masse der produzierten Güter und trägt immer stärker zur Umwelt­zerstörung bei. Wo gearbeitet und produziert wird, geschieht dies heute mit einem wachsenden Maß an Umwelt­zerstörung durch den Einsatz von Energie, von chemischen Produkten und durch die schlichte Masse von Gütern. Allein die Menge der Filzstifte, die auf dieser Welt verbraucht werden, entspricht der Höhe des normalen Müllbergs einer Millionen­stadt.

Es kommen aber noch ganz andere Anforderungen auf die Arbeitnehmer in vielen industriellen Bereichen zu. In wenigen Jahren wird die Erkenntnis unaus­weichlich sein, daß wir keine Kohle, kein Erdöl und kein Erdgas mehr auf Dauer verbrauchen können. Die Dichte der Motorisierung auf dieser Erde wird dazu führen, daß wir das Auto abschaffen müssen, und die mangelnden Möglichkeiten, noch Sondermüll, d.h. Chemiemüll, zu deponieren, werden dazu führen, daß wir weite Teile der Petrochemie und der Chlorchemie abschaffen müssen. 

Neben die Jobkiller Automatisierung und Computerisierung treten die Jobkiller ökologische Notwendigkeit und Überlebens­chancen der Menschheit.

Die Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung zur Schaffung von Arbeitsplätzen, die Oskar Lafontaine angefacht hat, ist eine Vordiskussion für eine viel härtere Auseinander­setzung um Arbeitsplätze überhaupt.

Die Abschaffung der Arbeit ist aber angesichts einer übertrainierten Menschheit der Industrieländer einer Katastrophe gleichzusetzen. Menschen, die es verlernt haben, in Muße zu leben, die seit 10.000 Jahren trainiert werden, fleißig zu sein, können keine fünf Minuten ruhig sein. Sie müssen etwas tun.

Als Ausweg bietet sich scheinbar die Freizeit an.

Auch die neue Medienwelt schafft nur partiell Ruhe, denn in den Pausen, in den medialen Überdrußphasen braucht der Mensch dann doch irgendetwas, um das, was er im Fernsehen gesehen hat, selbst auszuprobieren. Ob er sich nun auf sein motorisiertes Zweirad schwingt, Squash spielt oder sich sonstwie abarbeitet, er wird das multimediale Szenarium der schönen neuen Medienwelt stofflich anfaßbar haben wollen.

Und selbst die entstehenden Freizeitparks landauf und landab bedeuten keine Entlastung für die Umwelt, sondern eine noch größere Belastung. Disneyland als unmittelbare Auswirkung des Fernsehens kanalisiert nicht das Problem, sondern führt ebenfalls zu exponentiellen Zerstörungs­raten in der Landschaft und bei den Ressourcen Luft, Boden und Wasser.

Daraus ergeben sich zwei harte Konsequenzen:  Die Industrieländer müssen aus der Arbeits- und Konsum­gesellschaft aussteigen, wenn sie sich Überlebens­ressourcen auf diesem Planeten erhalten wollen, und sie müssen die Menschen zum Arbeits-, zum Konsum- und zum Freizeit­verzicht bringen. 

Der Ausweg kann nur in einer nichttätigen Muße liegen. Auch hier sind die Wege, die Bloch und neuerdings auch wieder Jonas anpeilen, für eine Menschen­masse von fünf bis zehn Milliarden auf diesem Planeten verstellt. Um die entscheidenden Fragen aber werden wir uns nicht länger herumdrücken können, denn die Entwicklung steuert scheinbar unaufhaltsam auf die große Krise des nächsten Jahrhunderts zu: 

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Rieseberg-1992-Arbeit