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Die Prinzipien der Ökopsychologie

Epilog

 

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Unsere Wissenschaftler suchen nach einer Großen Vereinheitlichten Theorie, die alle Phänomene, alle Kräfte, die gesamte Zeit und die gesamte Materie umfassen soll. In der Vergangenheit fanden sie in dieser Einheit für sich selbst keinen Platz. Aber ihre gewissenhafte Erforschung der Natur über Generationen hinweg — eine aus intellektueller Leidenschaft geborene, ernsthafte Anstrengung — führte schließlich dahin, daß der suchende Geist innerhalb des Universums einen bedeutsamen Stellenwert erhielt.

Einheit fordert letztendlich Geschlossenheit. Der Zyklus der wissenschaftlichen Theorie muß sich runden, wie die alchimistische Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Was ist, muß schließlich erkannt werden. Vielleicht liegt das der zielstrebigen Entfaltung der natürlichen Hierarchie vom Urknall bis zum menschlichen Grenzbereich zugrunde: Stoff, der mit großer Intensität nach Beseeltheit strebt.

Es scheint, als wären die vorwissenschaftlichen Menschen, die mit Mythen, Symbolen und Ritualen arbeiteten, mit dieser Vorstellung sehr viel vertrauter gewesen. Der wesentliche Beitrag der Ökologie zum großen sokratischen Projekt der Selbsterkenntnis liegt vermutlich darin, uns an etwas zu erinnern, das unsere Vorfahren für allgemein bekannt hielten: daß es mehr über das Selbst zu erfahren gibt, oder vielmehr, daß mehr Selbst zu erfahren ist, als unsere persönliche Geschichte uns enthüllt.

Eine Persönlichkeit zu voller Entfaltung zu bringen — die Aufgabe, die Jung »Individuation« nannte —, kann das Abenteuer eines ganzen Lebens sein. Aber die Persönlichkeit ist in einer größeren, universelleren Identität verankert. Salzige Überreste archaischer Ozeane fließen durch unsere Adern, die Asche erloschener Sterne erwacht in unserer genetischen Chemie zu neuem Leben.

Das älteste Atom, Wasserstoff, der wegen seiner Vorrangstellung unter den Elementen einen poetischeren Namen verdient hätte, ist ein kosmisches Leitmotiv; auf mysteriöse Weise milliardenfach transformiert, schuf er aus dem Nichts das Alles, das uns einschließt. Wenn wir zum Nachthimmel aufblicken, sind wir von der Anzahl und den Dimensionen der Sterne, die wir in der zurückweichenden, kühlen Ferne sehen, vielleicht überwältigt. Aber die expandierende Leere, die sie umfängt, ist eben aufgrund ihrer Dimension die physische Matrix, die intelligentes Leben möglich macht. Jene, die glaubten, wir seien in der Hand Gottes geborgen, hatten vielleicht so unrecht nicht.

Das alles gehört zu den Prinzipien der Ökopsychologie, aber nicht in irgendeiner doktrinären oder rein wissenschaftlichen Weise. Psychotherapie ist vor allem eine Sache des Hörens. Es geht schließlich darum, der ganzen Person zuzuhören, alles eingeschlossen, was verdrängt, ungeboren, verborgen ist: das Kind, der Schatten, das Wilde.

Die Auflistung der Grundzüge, mit der wir hier abschließen, ist nur ein Leitfaden, der darauf hinweisen soll, wie tief dieses Lauschen gehen muß, damit wir die Stimme des großen Selbst hören, die durch das individuelle Selbst spricht.

1. Der Kern des Bewußtseins ist das ökologische Unbewußte. Für die Ökopsychologie ist die Unterdrückung des ökologischen Unbewußten die tiefste Wurzel des kollusiven Wahnsinns in der Industriegesellschaft; offener Zugang zum ökologischen Unbewußten ist der Weg zur Heilung.

2. Die Inhalte des ökologischen Unbewußten repräsentieren bis zu einem gewissen Grad und auf einer gewissen Ebene die lebendigen Erinnerungen der kosmischen Evolution, die bis zu den Initialbedingungen in der Geschichte der Zeit zurückgehen. Aus den neuesten wissenschaftlichen Studien über geordnete Komplexität in der Natur können wir schließen, daß Leben und Bewußtsein aus dieser evolutionären Geschichte als Kulminationspunkt der natürlichen Systeme, die wir »das Universum« nennen, hervorgingen. Die Ökopsychologie beruft sich auf diese Erkenntnisse der neuen Kosmologie und strebt danach, sie für die Erfahrung real zu machen.

3. Wenn es das Ziel früherer Psychotherapien war, dem Bewußtsein die verdrängten Inhalte des Unbewußten wieder zugänglich zu machen, so ist es das Ziel der Ökopsychologie, den latenten Sinn für ökologische Interdependenz, der im ökologischen Unbewußten verankert ist, wieder zum Leben zu erwecken. Andere Therapien versuchen die Entfremdung zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Familie, Mensch und Gesellschaft zu heilen. Die Ökopsychologie versucht die fundamentalere Entfremdung zwischen dem Menschen und seiner natürlichen Umwelt zu heilen.

4. Ebenso wie für andere Therapien ist auch für die Ökopsychologie die Kindheit das ausschlaggebende Entwicklungsalter. Mit dem magischen Weltgefühl des Neugeborenen wird das ökologische Unbewußte wiedergeboren; jedem neuen Leben wird es beim Eintritt in die Welt als Geschenk mitgegeben. Die Ökopsychologie versucht, die dem Kind angeborene animistische Qualität der Erfahrung im funktionell »gesunden« Erwachsenen wiederzubeleben. Um das zu erreichen, wendet sie sich vielen Quellen zu, unter anderem den traditionellen Heilungstechniken traditioneller Gesellschaften, der Naturmystik, wie sie sich in der Kunst und in den Religionen ausdrückt, der unmittelbaren Erfahrung der Wildnis und den Einsichten der Tiefenökologie. Sie assimiliert das aus diesen Quellen stammende Wissen mit dem Ziel, das ökologische Ich zu schaffen.

5. Das ökologische Ich bildet in seinem Reifungsprozeß einen Sinn für ethische Verantwortung dem Planeten gegenüber aus, die genauso lebhaft empfunden wird wie unsere ethische Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Das ökologische Ich versucht, diese Verantwortung mit dem Netz der sozialen Beziehungen und politischen Entscheidungen zu verweben.

6. Zu den wichtigsten therapeutischen Zielsetzungen der Ökopsychologie gehört die Überprüfung und Neu­bewertung gewisser zwanghafter, männlicher Charakterzüge, die unsere politischen Machtstrukturen durchdringen und uns dazu treiben, die Natur zu unterwerfen und zu dominieren, als wäre sie ein fremder, rechtloser Bereich. Hier greift die Ökopsychologie auf einige zentrale Einsichten des Ökofeminismus und der feministischen Spiritualität zurück, vor allem in bezug auf die Entmystifizierung und Auflösung der tradition­ellen Geschlechter­stereotypen.

7. Alles, was zur Etablierung überschaubarer sozialer Formen und zur Stärkung der Persönlichkeit beiträgt, nährt das ökologische Ich. Alles, was nach großangelegter Dominanz und der Unterdrückung der Persönlichkeit strebt, unterminiert das ökologische Ich. Daher stellt die Ökopsychologie die Vernunft unserer alles verschlingenden urban-industriellen Kultur grundsätzlich in Frage, unabhängig davon, ob sie kapitalistisch oder kollektivistisch organisiert ist. Dabei lehnt sie jedoch die technologische Erfindungsgabe unserer Spezies oder einige lebenfördernde Aspekte der industriellen Macht, die wir akkumuliert haben, nicht grundsätzlich ab. Die Ökopsychologie ist post-industriell in ihrer sozialen Orientierung, nicht anti-industriell.

8. Die Ökopsychologie geht davon aus, daß es zwischen dem Wohlbefinden des Planeten und dem der Person eine synergetische Wechselbeziehung gibt. Der Begriff »Synergie« ist absichtlich gewählt wegen seiner traditionellen theologischen Konnotation, die einmal besagte, daß das Menschliche und das Göttliche beim Streben nach Erlösung in kooperativer Weise verbunden sind. Die gegenwärtige ökologische Definition des Begriffs könnte lauten: Die Bedürfnisse des Planeten sind die Bedürfnisse der Person; die Rechte der Person sind die Rechte des Planeten.

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Von Theo Roszak 1992