Christian-Dietrich Schönwiese
Schönwiese hatte Meteorologie studiert und promovierte 1974 in München. 1981 nahm er eine Professur an der Goethe-Universität an und leitete die dortige Arbeitsgruppe Klimaforschung. Zwei Mal, 1984/85 und 2000/01, war er Direktor des universitären „Instituts für Atmosphäre und Umwelt“, das bis 2004 noch Institut für Meteorologie und Geophysik genannt worden war.
Naturgesetze gelten auch für Ideologen Artikel 1997 |
|
wikipedia.Autor *1940 in Breslau DNB.nummer (45)
detopia: Klimabuch Hasselmann-1997 in Zeit |
|
Schriften 1979 Klimaschwankungen. Verständliche Wissenschaft. 181 Seiten. Springer-Verlag 1987 Der Treibhauseffekt. Der Mensch ändert das Klima. Inhalt.pdf
1991
Das Problem menschlicher Eingriffe in das Globalklima
("Treibhauseffekt") in aktueller Übersicht
1992
Klima im Wandel. Tatsachen, Irrtümer, Risiken. Mit einer aktuellen
Dokumentation. DVA. 222 Seiten. 1994 Klimatologie. 27 Tabellen / Christian-Dietrich Schönwiese. 436 Seiten. 5. Auflage 2020, 500 Seiten, Inhalt.pdf 1994 Klima. Grundlagen, Änderungen, menschliche Eingriffe. 128 Seiten 1995 Klimaänderungen. Daten, Analysen, Prognosen. 224 Seiten. DNB.Buch 1997 Naturgesetze gelten auch für Ideologen. Artikel 1997 in Frankfurter Rundschau |
|
1997 - Frankfurter Rundschau vom 05.08.1997 Naturgesetze gelten auch für Ideologen. Neue Irrungen und Wirrungen in der Klimadebatte. Der Treibhauseffekt ist kein "Märchen".
Der Treibhauseffekt erhitzt die Gemüter: Steht uns eine katastrophale Erwärmung der Erde bevor? Wird das Meer ganze Inseln und Flußdelta-Gebiete verschlingen?Werden sich Überschwemmungen, Dürren, Stürme und andere Extremereignisse häufen? Spielt das Klima verrückt? Ist angesichts solcher Hiobsbotschaften nicht ein gehörig Maß Abkühlung gefällig? Kostprobe:
Wissenschaftlern, die gewohnt sind, ihre Forschungsergebnisse nüchtern und ideologiefrei zu diskutieren, die sich mit der anonymen und daher so wirkungsvollen Begutachtung durch Fachzeitschriften auseinanderzusetzen haben und die in aller Regel erst danach – eventuell – mit ihren Ansichten an die Öffentlichkeit gehen, stehen angesichts dieser Art von Klimadebatte die Haare zu Berge. "Klimakatastrophe", "Killergase", Poleis-Schmelze" – das sind Vokabeln, die in der wissenschaftlichen Debatte gar nicht vorkommen, auch wenn sie den Klimatologen von manchen Zeitgenossen gerne und hämisch untergeschoben werden. Ebenso wenig findet man dort jedoch auch das andere Extrem des "Klimamärchens" oder gar "Klimaschwindels", denn Verharmlosungskampagnen, wie sie zur Zeit in beunruhigendem Ausmaß in Szene gesetzt werden, sind mindestens genauso unangebracht. Warum? Nun, zunächst einmal gibt es eine ganze Reihe von Fakten: Im Industriezeitalter, ab etwa 1800, hat der Mensch ständig mehr und mehr zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gebracht und sich bis heute auf fast 30 Milliarden Tonnen pro Jahr gesteigert. Ursachen sind im wesentlichen die Nutzung fossiler Energien, einschließlich Verkehr, sowie die Waldrodungen. Etwa die Hälfte davon nimmt der Ozean auf (wie lange noch?), die andere Hälfte reichert sich in der Atmosphäre an, so daß hier die CO2-Konzentration von rund 280 auf heute 360 ppm (Millionstel Volumenanteile) angewachsen ist. Dieses Faktum ist übrigens durch ein ganzes Meßnetz, das von der Arktis bis zum Südpol reicht, sowie unterschiedliche Rekonstruktionsmethoden unzweifelhaft belegt. Hinzu kommen noch die Gase Methan, Distickstoffoxid, bodennahes Ozon, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe und etliche andere. Wie eigentlich sattsam bekannt und in Lehr- wie allgemeinverständlichen Büchern nachzulesen, handelt es sich dabei um klimawirksame Spurengase, sogenannte Treibhausgase, die in der unteren Atmosphäre zur Erwärmung führen. Dies aber bedeutet: Nimmt die Konzentration solcher Gase zu, nimmt auch die Temperatur (zumindest im weltweiten Mittel) zu; und jeder Klimatologe weiß, daß in der Klimageschichte Erwärmungen niemals isoliert abgelaufen sind, sondern stets auch die Bewölkung, die Niederschläge, den Wind, die Meeresspiegelhöhe, kurz das gesamte Weltklima ändern. Jeder Eingriff in die Stoff- und Energieflüsse des Klimasystems, des Verbundsystems aus Atmosphäre, Ozean, Eisgebieten, Landoberfläche und Vegetation, ist klimarelevant, stellt also ein Experiment dar, das wir Menschen unserem Planeten zumuten. Tatsache ist auch, und das wird in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet, daß das Klima von vielen Faktoren, natürlichen wie menschengemachten (anthropogenen), gesteuert wird, und das in sehr komplizierter Art und Weise. Das beginnt schon beim "Treibhauseffekt". Bei dessen natürlicher Komponente dominiert mit einem Anteil von etwa 60 Prozent das Spurengas Wasserdampf, bei seiner anthropognenen Verstärkung – unserem eigentlichen Problem – hingegen mit zufällig dem gleichen Anteil das CO2. Freilich kommt dabei auf indirektem Weg auch wieder der Wasserdampf ins Spiel. Selbst bei Beschränkung auf großräumige Betrachtungen und einen Zeithorizont von einem Jahrhundert müssen wir darüber hinaus aber noch weitere Einflüsse ins Kalkül ziehen, darunter den anthropogenen "Kühlhauseffekt". Er beruht auf der Bildung von Sulfatpartikeln in der Atmosphäre, die die Sonneneinstrahlung teilweise abblocken und so kühlend wirken. Die Partikel stammen aus dem Schwefeldioxidausstoß der Kraftwerke, Heizungen und des Verkehrs. Hinzu kommen der Vulkanismus, die Sonnenaktivität und diverse Zirkulationsvorgänge zwischen Ozeanen und Atmosphäre wie beispielsweise das El-Niño-Phänomen im Pazifik. Der Hinweis, daß sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auch aufgrund von Klimaänderungen ändern kann, ist quantitativ nur dann bedeutsam, wenn sehr große Zeitskalen betrachtet werden, wie beispielsweise das Wechselspiel der Eis- und Warmzeiten im Verlauf von Jahrhunderttausenden oder die Frühzeit der Erdgeschichte mit ihrer - übrigens sehr heißen - Kohlendioxidatmosphäre, vergleichbar den heutigen Gegebenheiten auf der Venus. Der CO2-Düngeeffekt, das heißt das bei erhöhtem Kohlendioxid- und Temperaturniveau verstärkte Pflanzenwachstum, das der Atmosphäre entsprechend mehr Kohlendioxid entzieht, die in den Kohlenstoff-Flußmodellen durchaus enthalten, schlägt in der Bilanz aber nur sehr wenig zu Buche. Wie aber steht es beispielsweise um die Sonnenaktivität? Allein dazu gibt es Tausende von bis ins letzte Jahrhundert und weiter zurückreichenden Fachpublikationen. Eine erste Orientierungshilfe bieten die "Strahlungsantriebe"; sie geben an, wie stark das Klimasystem durch die jeweilige Änderung des Strahlungshaushalts der Atmosphäre gestört wird. Die Treibhausgase bringen es dabei seit Beginn des Industriezeitalters bis heute auf 2,1 bis 2,8 Watt pro Quadratmeter, im Fall einer Verdoppelung ihrer Konzentration gegenüber dem vorindustriellen Niveau wären es 4,4 Watt. Die Sonnenaktivität hingegen macht nur 0,1 bis 0,5 Watt aus. Im Vergleich zu allen oben genannten Klimafaktoren bildet der Einfluß der Sonnenaktivität sogar das Schlußlicht, was rasch verständlich wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die zur Zeit der "unruhigen Sonne" tatsächlich verstärkte Sonnenausstrahlung nur im Promillebereich der mittleren Solarstrahlung liegt. Diese Tatsache kann auch die Wochenzeitung <Die Zeit> nicht auf den Kopf stellen, die jüngst einen schon zur Zeit seiner Veröffentlichung (1991) alten Hut aufgesetzt hat, wonach nicht die Sonnenaktivität selbst, sondern die variierende Zykluslänge der Sonnenflecken das Klima steuere. Die Widerlegung ist nachzulesen im Forschungsbericht Nummer 92 des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Universität Frankfurt (1992); die Kurzform hiervon findet sich im Fachblatt <Climatic Change> (1994, Seiten 259 bis 281). Generell befindet sich jeder auf dem monokausalen Holzweg, der aus dem vielfältigen Klimageschehen einen Einzelfaktor als "wahre Ursache" hochjubeln möchte. Und so gehört es denn auch zu den wesentlichen Fortschritten der Klimaforschung der letzten Jahre, daß nun auch komplexe Simulationen und Interpretationen der Klimavariabilität vorliegen. So haben das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg (das übrigens auch Berechnungen zur Sonnenaktivität durchgeführt hat) und das Hadley Centre in Bracknell (Großbritannien) abgeschätzt, daß sich der seit 1850 beobachtete Anstieg der bodennahen Weltmitteltemperatur um rund 0,6 Grad aus einem Grad Temperaturanstieg wegen des anthropogenen Treibhauseffekts abzüglich 0,4 Grad wegen des Kühlhauseffekts zusammensetzt. Auf völlig anderem Weg, nämlich über ein statistisches Modell, das die Konzeption der neuronalen Netze benützt, von den Beobachtungsdaten ausgeht und zusätzlich den Vulkanismus, die Sonnenaktivität und das El-Niño-Phänomen einbezieht, hat eine Klimaforscher-Gruppe der Universität Frankfurt am Main dieses Ergebnis bestätigt und überdies gezeigt, daß die natürlichen Faktoren zum beobachteten Langfristtrend der Erwärmung kaum beigetragen haben, sondern nur zu den überlagerten Fluktuationen. Im übrigen wurden solche Berechnungen auch für frühere Jahrhunderte durchgeführt, in denen die Sonnenaktivität offenbar eine größere Rolle spielte als in den letzten 100 Jahren. Diese kürzere Zeitspanne wird deswegen oft betrachtet, weil sie allein das Weltklima durch direkt gewonnene Klimadaten auch regional aufgeschlüsselt abdeckt; ein Aspekt, der hier leider ausgespart werden muß, ganz zu schweigen von den so wichtigen, über die Temperatur hinausgehenden Klimaelementen (mit freilich auch viel größeren Unsicherheiten der Simulation und Interpretation). Wenn also der anthropogene Treibhauseffekt schon für die Vergangenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisbar ist, er sozusagen bereits rollt, müssen die Zukunftsrisiken sehr ernst genommen werden. Die UN-Klimaforscher des "Intergovernmental Panel for Climate Change" (IPCC) haben 1990 für den Fall einer Verdoppelung der Treibhausgaskonzentrationen (nicht des CO2 allein!), die bei Trendfortschreibung in etwa um das Jahr 2040 zu erwarten wäre, einen Anstieg der Weltmitteltemperatur in der sogenannten Gleichgewichtsreaktion um 1,9 bis 5,2 Grad vorhergesagt und 1996 in ihrem jüngsten Bericht 1996 diese Spanne auf 2,1 bis 4,6 Grad eingegrenzt. Damit dürfen nicht die "transienten" Simulationen, die die Zeitverzögerungen im Klimasystem berücksichtigen, verwechselt werden, die selbstverständlich geringere Werte liefern und sich im letzten IPCC-Bericht auf 1,3 bis 3,8 Grad belaufen - alles gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Eine Reduzierung die erst neuerdings hinzugekommen, sie macht 0,5 bis ein Grad für die nächsten 100 Jahre aus. Dies ändert aber nichts an der Größenordnung der Treibhausvorhersagen. Da die globale Mitteltemperatur in den vergangenen 10.000 Jahren, also nach der letzten Eiszeit, nur um etwa ein Grad nach oben und unten geschwankt hat, sind wir hinsichtlich der Einflußnahme des Menschen auf die Treibhausgase jetzt schon an der oberen Grenze der natürlichen Klimavariabilität angelangt. Auch wenn es manchen Zeitgenossen, aus welchen Gründen auch immer, nicht paßt und es noch viele quantitative und regionale Unsicherheiten gibt: Wir sollten unser Experiment mit der Atmosphäre der Erde schleunigst, effektiv und nachhaltig herunterfahren und wesentlich definitivere Klimaschutzmaßnahmen einleiten, als es die bisherige, 1992 in Rio de Janeiro beschlossene UN-Klimakonvention vorsieht. Die im Dezember dieses Jahres bevorstehende, nunmehr schon dritte Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto bietet dafür eine weitere Gelegenheit, trotz oder gerade wegen des Störfeuers der Über-Skeptiker und Anti-Klima-Ideologen. # |
(Ordner) www.detopia.de
^^^^
Prof.
Dr. Christian-Dietrich Schönwiese - Klimaforschung