1.3 Die Geschichte einer Bewegung 1.4 Optimisten
Als Ökologiebewegung bezeichnen wir zum einen die Gesamtheit der Proteste, deren Ziel eine Verbesserung des Umweltschutzes ist, und zwar aus der Perspektive der Akteure der Bewegung. ... Zur Ökologiebewegung gehören sowohl Proteste organisierter Gruppen als auch Proteste nicht organisierter Einzelpersonen, etwa in der Form der Teilnahme an einer von Gruppen organisierten Demonstration. (Opp. 1996, S. 351)
Die Geschichte der Ökologiebewegung erzählt Durrell (1987) unter dem Titel "Noahs Gefolgschaft". Nach Ansicht des Autors fordert diese Gruppe
"die etablierte Gesellschaft zum Abschied von einer langgehegten Vorstellung auf, zum Abschied von dem Glauben, es stünden unbegrenzt Ressourcen zur Verfügung, in deren Besitz wir jederzeit entweder durch neue Erfindungen oder durch ein noch tieferes Vordringen in die Natur gelangen können; folgerichtig wird eine grundlegende Änderung unseres Lebensstils und der staatlichen Politik verlangt" (Durrell 1987, S.185).
Interessant ist der Tenor der Beschreibung, der die Umweltbewegung als eine "Bewegung von unten" charakterisiert. Ob dies dem gegenwärtigen Zustand entspricht, kann bezweifelt werden, allerdings scheint eine historische Betrachtungsweise darauf hinzudeuten. Durrell weist darauf hin, daß die frühesten Aufzeichnungen über bewußte Bemühungen von Menschen zum Schutz der Umwelt schon mehrere Jahrtausende zurückdatieren.
Landesweite Bewegungen unter Einbeziehung breiter Bevölkerungskreise sind jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beobachten. Durrell sieht in der Gründung des ersten Nationalparks Amerikas ("Yellowstone") ein Geburtsdatum der Umweltschutzbewegung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Umweltbewegung in "Gandhis Geist, vereint mit dem Geist Martin Luther Kings" (Bittorf 1995, S.138), wobei die historischen Wurzeln des zivilen Ungehorsams bis zur Französischen Revolution und Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zurückverfolgt werden können. Als ein bedeutender Vordenker gilt auch Henry David Thoreau.
Wichtige "Meilensteine der Umweltschutzbewegung" sind Abb. 2 zu entnehmen. Die Zusammenstellung hat einen eigentümlichen Charakter: Sie enthält einerseits Ereignisse "von oben", wie z.B. Konferenzen (Stockholm 1972 etc.) oder Organisationsgründungen (u.a. Gründung des WWF 1961), andererseits aber auch Ereignisse "von unten", wie z.B. aufsehenerregende Publikationen (zuletzt Thea Colborn 1996) oder kulturelle Festivals ("Band Aid" 1985), die ebenfalls im Medienzeitalter für Furore sorgten.
Die Konzentration richtet sich dagegen weniger auf konkrete Umweltschutzmaßnahmen (einzig das Washingtoner Artenschutzabkommen im Jahre 1973 ist hier zu nennen). Dies impliziert nicht, daß es keine derartigen Erfolge zu verzeichnen gäbe. Doch sucht man nach entsprechenden globalen ökologischen Gewinnen in den vergangenen Jahrzehnten, dann scheint der größte Erfolg in einer allgemeinen Bewußtseinserweiterung zu bestehen. Vermeintliche Erfolge erweisen sich dagegen allzuoft als "Pyrrhus-Siege". Beispielsweise enthält der Mitte der 90er Jahre beschlossene internationale Ausstieg aus der FCKW-Produktion für einige sog. Entwicklungsländer (u.a. China und Indien) die Ausnahmeregelung, Fluorchlorkohlenwasserstoffe noch bis Mitte des nächsten Jahrhunderts weiter produzieren zu dürfen, so daß Zweifel aufkommen, ob der Ernst des Problems erfaßt wurde.
Als "Mutter" der modernen Ökologiebewegung gilt die Biologin Rachel Carson, die 1962 mit ihrem Buch <Silent Spring> erstmalig die Gefahren des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft ins Bewußtsein rief. Carson verglich den Krieg gegen die Natur mit dem Krieg der Nazis gegen die Juden — in beiden Fällen würden dieselben Chemikalien verwendet (Cramer 1990). Das Buch galt damals als "Bibel" der sich gerade entwickelnden Bewegung.
Anfang der 70er Jahre erlebte die Ökologiebewegung ihren Durchbruch mit der Gründung von Greenpeace, der ersten Veröffentlichung des "Club of Rome" und der Stockholmer Umweltkonferenz der Vereinten Nationen. In den 80er Jahren wurden viele der heute anerkannten Umweltprobleme überhaupt erst entdeckt und einem breiteren Publikum bekannt gemacht. Zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen entstanden, als "Vater" dieser "NGO's" gilt der deutsch-schwedische Publizist Jakob von Uexküll, der jährlich einen alternativen Nobelpreis an Graswurzel-Bewegungen in aller Welt vergibt. Anfang der 90er Jahre richteten sich viele Hoffnungen auf die Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro, doch diese wie auch einige Nachfolge-Konferenzen (u.a. Berlin 1995, auch Gegenstand der empirischen Untersuchung) kamen über bloße Absichtserklärungen nicht weit hinaus. Es entstand die "Idee der nachhaltigen Entwicklung", die auf den ersten Blick nicht gerade originell anmutet, bedenkt man, daß bereits vor über 20 Jahren die "Grenzen des Wachstums" erkannt wurden.
Zu den bemerkenswertesten Veröffentlichungen der letzten Jahre gehören das Buch "Earth in the Balance" des US-amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore (1992), der einen "Ökologischen Marshallplan" fordert, und das Buch "Our stolen future" der Biologin Thea Colborn (1996), die auf die Gefahr der wachsenden menschlichen Unfruchtbarkeit aufmerksam macht, die sie auf die Zunahme von Umweltgiften zurückführt.
Soziologisch wird die Ökologiebewegung in westlichen Demokratien als Teil einer umfassenden Kategorie oder "Familie neuer sozialer Bewegungen" verstanden (Kriesi und Giugni 1996). Zu den weiteren Bewegungen zählen u.a. die Studentenbewegung, die Frauenbewegung, die Friedensbewegung, die Solidaritätsbewegung mit der "Dritten Welt", Menschenrechtsbewegungen, Hausbesetzer, städtische Autonome sowie eine Vielzahl von Bewegungen diskriminierter Minderheiten. Innerhalb der neuen sozialen Bewegungen deckt die Ökologiebewegung ein relativ heterogenes Feld von Akteuren, Aktionen, Diskursen und Organisationen ab, deren gemeinsamer Nenner als Versuch bezeichnet werden kann, das Gleichgewicht zwischen dem Menschen und seiner natürlichen Umwelt zu bewahren.
In der westlichen Ökologiebewegung lassen sich grundsätzlich drei Strömungen unterscheiden (vgl. Diani 1988): eine Naturschutz-Bewegung mit überwiegend defensivem Charakter; eine stärker auf unkonventionelle, direkte Aktionen und Massendemonstrationen setzende Bewegung der politischen Ökologie (als prototypisches Beispiel ist die Anti-Atomkraftbewegung zu nennen) und eine Umweltschutz-Bewegung im engeren Sinne, einer eher pragmatischen Strömung. In den 80er Jahren kam schließlich mit der globalen Ökologie (Finger 1992) noch eine vierte Strömung auf, die durch transnationale Umweltschutzorganisationen vertreten wird, allen voran durch Greenpeace.
Als auslösende Faktoren für die heutigen Ökologiebewegungen sieht Rucht (1994) die Expansion des Wissens, Umweltkatastrophen und Skandale sowie umweltpolitische Regierungsinitiativen an. Umfragen in Europa und in den USA zeigen, daß das Mobilisierungspotential der Ökologiebewegung heute erstaunliche Ausmaße erreicht (Dunlap 1992, Mitchell 1984). So sympathisieren Bevölkerungsmehrheiten mit den Zielen der Umweltbewegung. Insbesondere konzentriert sich die Mobilisierung nach Kriesi (1993) in den neuen Bildungsschichten und in der Gruppe der sozial-kulturellen Professionellen, d.h. in dem Teil der Mittelschicht, der im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie in der sozialen Wohlfahrt beschäftigt ist. Dieses Segment teilt am ehesten die Werte, welche von den neuen Bewegungen im allgemeinen und von der Ökologiebewegung im besonderen artikuliert werden und die als postmaterialistisch (Inglehart 1977), bzw. als links-libertär (Kitschelt 1990) oder als antiautoritär und emanzipatorisch (Kriesi 1993) beschrieben werden.
Die Ergebnisse diverser Studien zur Organisationsstruktur der Ökologiebewegung lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß die Bewegung in den 90er Jahren einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht hat. Verglichen mit den Organisationen anderer sozialer Bewegungen ist die Ökologiebewegung stark institutionalisiert und verfügt nicht selten über einen privilegierten Zugang zu den politischen Entscheidungsarenen. Als Kehrseite ihrer Integration in politische Netzwerke verliert die Ökologiebewegung allmählich ihren ursprünglichen Charakter, so daß die unkonventionelle Art des sozialen Protests immer seltener anzutreffen ist. Hierzu tragen sicherlich auch die Grünen Parteien bei, die eine Integration der Ökologiebewegung in das politische System beschleunigen. Anstatt die Problemlösefähigkeit des Staates in Frage zu stellen, versucht die Ökologiebewegung mit ihrer Sensibilität für Umweltprobleme, ihrem Wissen und ihrer Legitimität in der Öffentlichkeit heute zunehmend zur Lösung dieser Probleme beizutragen (vgl. Kriesi und Giugni 1996).
Neben der Verlagerung der außerparlamentarischen in die administrativen Arenen und dem Wandel von Konflikt- zu Kooperationsstrategien konstituiert sich mit der öffentlichen Kommunikation zusätzlich eine eigenständige dritte Arena, die in modernen Gesellschaften für die Austragung gesellschaftlicher Konflikte zunehmend an Bedeutung gewinnt. Musterbeispiel hierfür ist wiederum Greenpeace, eine Organisation, die Konflikte mit Vorliebe "in aller Öffentlichkeit" austrägt. Greenpeace hat eine Strategie entwickelt, die sich dadurch auszeichnet, bei der die Mehrheit der Mitglieder sich auf finanzielle Beiträge beschränkt und kleinen professionellen Teams die Ausführung radikaler Aktionen überläßt. Dieses Phänomen der Delegation von Militanz, von Kriesi und Giugni auch als "stellvertretende Radikalität" (1996, S.337) bezeichnet, trägt ebenfalls zu einer Mäßigung der Ökologiebewegung bei.
Das zahlenmäßig nach wie vor relativ ausgeprägte Potential der Ökologiebewegung in Deutschland ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, daß durch die öffentliche Resonanz "Fakten" zu "sozialen Problemen" werden und als solche wahrgenommen werden. Demgegenüber fristet die Ökologiebewegung in Frankreich nur ein Schattendasein (vgl. Duyvendak und Koopmans 1995). Dennoch ist auch in Deutschland ein Rückgang der Aktivitäten zu verzeichnen.
Opp (1996) konstatiert zur Zeit zwei gegenläufige Entwicklungen, die sich möglicherweise ergänzen: Während die Umweltorganisationen immer mächtiger (d.h. vor allem finanzkräftiger) werden, gehen die Anzahl der Umweltproteste und die Teilnehmerzahlen "eindeutig" zurück. Dies könnte in Zukunft dazu führen, daß der Druck auf die entsprechenden Organisationen wächst (vgl. dazu den Beitrag "Die Öko-Schnorrer", Simon 1996).
Bilanzierend ist die Rolle der Ökologiebewegung, insbesondere auch der Antiatomkraft-Bewegung zu würdigen; innerhalb der Demokratie nimmt sie eine wesentliche Funktion ein. Wie Rucht bemerkt, ist es wohl "historisch einmalig, daß es oppositionelle Bewegungen vermochten, eine Forschungs-, Technologie- und Industriepolitik, die zunächst von einem allseitigen Konsens getragen war und bei der es um gigantische Investitionssummen ging, nachhaltig zu beeinflussen und einen tiefgreifenden Prozeß des Umdenkens einzuleiten. Dies ist um so erstaunlicher, als die Bewegungen über keinerlei der im üblichen politischen Prozeß eingesetzten Machtmittel verfügen" (Rucht 1994, S.472).
Nach diesen scheinbaren Erfolgen stellt sich die Frage, ob die Ökologiebewegung überhaupt noch gebraucht wird bzw. ob das Thema Umweltschutz nicht bereits genügend Resonanz in der Gesellschaft gefunden hat.
1.4 Optimisten ^^^^
<Arbeitsplätze statt Öko-Wahn> — diese Worte waren auf einem Transparent zu lesen, das protestierende Fischer an der Nordseeküste im Jahr 1996 von ihrem Schiff aus entrollten. Möglicherweise werden in Zukunft derartige Meinungsäußerungen häufiger in der Öffentlichkeit zu vernehmen sein. Einen Trend "vom Umweltschutz zum Öko-Wahn" konstatiert <Der Spiegel> Mitte der 90er Jahre in einer Titelgeschichte mit der Überschrift <Feldzug der Moralisten> (39/95).
Hendrik Broder diagnostiziert in Deutschland eine Krankheit namens "Ökochondrie" als Vorboten einer viel breiteren Volksbewegung. Umweltängste und Öko-Hysterien hätten sich in den letzten Jahrzehnten in Analogie zu den Aktivitäten der Umweltbewegung zu einem nationalen "Öko-Fieber" entwickelt:
Edel sei der Deutsche, hilfreich und allzeit bestürzt, daß sie nicht so ist, wie sie sein sollte: friedlich, solidarisch und FCKW-frei. Soll an deutschen Wesen wieder einmal die Welt genesen? (Spiegel 1995, S.35).
Im Zuge derartiger Diskussionen ist in jüngerer Zeit häufig von "political correctness" die Rede. Ist damit etwa eine Anpassung an den "Zeitgeist" gemeint? Wenn dies der Fall sein sollte, so drängt sich jedoch der Eindruck auf, daß es gegenwärtig politisch korrekt ist, politische Korrektheit in Zweifel zu ziehen. Hierfür gibt es einige Indizien, die Gegenstand des folgenden Abschnitts sind.
Geht man davon aus, daß bestimmte gesellschaftliche Strömungen in Zyklen kommen und gehen, ist der Status quo wenig überraschend. Vielmehr ist anzunehmen, daß spätestens mit der nächsten großen Katastrophe die Grundstimmung wieder umschlagen könnte. Zur Zeit scheint allerdings eher Optimismus angesagt zu sein, der manchmal in eine "grenzenlose Zuversicht" mündet (Preuß 1996, S.27).
Besonders auffällig in diesem Zusammenhang ist die "schöne grüne Welt der Werbesprüche" (Finck 1993, S. 31). Die Public Relations-Abteilungen in den Industrien und in den Planungsabteilungen der großen politischen Parteien tragen den ökologischen Entwicklungen auf ihre Weise Rechnung, wie Cramer bemerkt hat:
In Wasch- und Spülmaschinen wurden <Öko-Tasten> installiert. Die Farbe <grün> erfuhr in der Werbung zunehmende Beliebtheit. Mit einem grünen Touch ausstaffierte Produkte werden seitdem <der Natur zuliebe> angeboten. Ähnlich reagierten die politischen Parteien, indem sie psychologisierende Umweltrhetoriken aufbauten und ihre Symbolik, etwa auf Wahlplakaten, auf Naturliebe und Umweltfreundlichkeit umstellen. (1993, S.38)
Doch die Konsumenten sind keineswegs immer so umweltbewußt, wie es neuerdings vorausgesetzt wird. Selbst prominente Umweltschützer lieben einen hedonistischen Lebensstil und schrecken auch nicht mehr davor zurück, ihn in der Zeitschrift "natur" öffentlich zu proklamieren: "Ich bin ein Öko-Schwein!" ("Umweltschützer outen sich", natur 1/96).
Zur Illustration der These, daß es in erster Linie der Optimismus ist, der derzeitig Konjunktur zu haben scheint, sei nachfolgend auf drei "Bestseller" der 90er Jahre hingewiesen: "Der Menschen törichte Angst vor der Zukunft" (von Hassler 1990), "Wie man die Welt rettet und sich dabei amüsiert" (Schneider & Fasel 1995) und "Öko-Optimismus" (Maxeiner & Miersch 1996). Insbesondere auf die letztgenannte, programmatische Publikation ist etwas ausführlicher einzugehen. Alle Bücher stammen aus der Feder von Journalisten.
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Von Hassler verfolgt dabei einen Ansatz, der zunächst erstmal sehr pessimistisch anmutet. Nach der Durchsicht zahlreicher Studien zum Thema Umweltzerstörung kam der Autor schon in den 80er Jahren zu dem Ergebnis, daß die menschliche Zivilisation vor einer Reihe von ökologischen Katastrophen steht (<Wenn die Erde kippt>, von Haßler 1981). Dieser "Zusammenbruch" wird jedoch zehn Jahre später eher positiv bewertet, da er die Menschheit näher an das "Reich Gottes" führe. Dies sei Anlaß zu Optimismus und Freude, denn es gebe viele Möglichkeiten, die "apokalyptische Gegenwart" zu überwinden:
Was spricht dagegen, daß wir einer Zukunft entgegengehen, die uns nicht reich macht, aber heiter? ... Was spricht dagegen — außer den falschen Propheten irdischen Heils —, daß man sein Brot im Schweiße seines Angesichts essen und gleichzeitig unendlich fröhlich sein kann? (von Hassler 1990, S.160)
Im Gegensatz zu vielen sehr religiösen Menschen ist der Autor zwar bereit, sich realen Problemen zu stellen, trotzdem besteht die Tendenz zu einer Weltflucht, die absolut zynische Züge trägt, wie der Kommentar zum Ende des "Kalten Krieges" zeigt: "Eigentlich schade. Der totale Atomkrieg wäre eine zu schöne Bestätigung für die menschliche Hybris gewesen" (von Hassler 1990, S.31).
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Eine ganz andere Form des Öko-Optimismus vertreten Schneider und Fasel mit ihrem Buch "Wie man die Welt rettet und sich dabei amüsiert" (1995). Obwohl auch diese Autoren von einem drohenden ökologischen Ruin der Menschheit ausgehen, beruhen ihre Hoffnungen auf irdischen Auswegen. Plädiert wird für ein vollelektronisches Heim im Medienzeitalter. Mit dem französischen Philosophen Blaise Pascal wird die Einsicht geteilt, alles Unglück der Menschen sei eine Folge davon, daß sie nicht in Ruhe in einem Zimmer bleiben könnten. Im Zentrum des Buches findet sich folgender Beleg:
Als 1965 in der Region New York einen ganzen Abend und die ganze Nacht lang der Strom ausgefallen war, stieg neun Monate später die Zahl der Geburten drastisch an: Klar, wenn man den Leuten den Fernseher vorenthält, machen sie Kinder. Versorgt man dagegen die Menschen lückenlos mit Strom und Flimmerbildern, so entfernt man gleich beide Zünder aus der Kombi-Bombe: Sie produzieren weder Waren für die Raffgier noch Babys für die Bevölkerungsexplosion. Mit dem Konsumrausch zusammen erlischt der Zeugungswahn. (Schneider & Fasel 1995, S.48)
Das Buch kann als kulturoptimistische Antwort auf den Medienkritiker Neil Postman ("Wir amüsieren uns zu Tode", Neil Postman 1988) verstanden werden. Schneider dagegen geht es um die ökologische Verträglichkeit des passiven Medienkonsums: "Die Zukunft gehört dem Stubenhocker: ihm, der keinen Autofriedhof und keine Giftmüllhalde produziert, kein Ozonloch, keinen Ölteppich und keine Algenpest" (Schneider 1995, S.158).
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Nach diesen beiden recht ungewöhnlichen Argumentationen für eine optimistisch zu beurteilende ökologische Zukunft folgt nun ein aus wissenschaftlicher Sicht etwas ernst zunehmenderer Ansatz. Nicht aufgrund religiöser oder technischer Heilserwartungen, sondern aufgrund der Erfolge der Umweltbewegung blicken Dirk Maxeiner und Michael Miersch (1996) ökologisch optimistisch in die Zukunft. Beide Autoren waren früher selbst in der Ökologiebewegung aktiv. <Öko-Optimismus> gilt als "das erste umfassende Werk bekennender Renegaten unter den Ökopaxen der achtziger Jahre" — die Botschaft lautet: "Revisionismus pur" (Mohr 1996, S. 228).
Die Autoren sind der Ansicht, daß "ökologische Untergangsszenarien immer weniger mit der Wirklichkeit übereinstimmen" und pflichten dem amerikanischen Umweltphilosophen Baird Callicott bei: "Da macht sich ein Gefühl breit, daß die Umweltschützer vielleicht doch etwas übertrieben haben. Die Welt ist ja noch nicht untergegangen. Das Geschrei nervt mittlerweile" (Maxeiner 1996, S.10).
Das Gebot der Stunde sei daher "Öko-Optimismus ..., das Umweltbewußtsein der Zukunft" (S.12), der "ökologische Anklagejournalismus" werde bald der Vergangenheit angehören: "In vier bis fünf Jahren werden junge Leute ohne 68er-Biographie die Tonlage wohltuend verändern" (S.30).
Angeklagt wegen "öffentlicher Panikmache" (S.63) wird in dem Buch von Maxeiner und Miersch dagegen die Ökologiebewegung, wobei den Titulierungen für Umweltengagierte keine Grenzen gesetzt sind, wie eine kleine Auswahl illustriert: "Grüne Gesinnungspolizisten" (S.70), "Ökopharisäer" (S.72), "Öko-Heilige" (S.75), "Umweltengel" (S.86), "Ökofundis" (S.133), "Ökoromantiker" (S.142), "Ökoapostel" (S.143), "Ökopäpste" (S.163), "Kassandra-Kartell" (S.174), "Ökopriester" (S.188), "Öko-Kampagneros" (S.202) und "Ökoimperialisten" (S.228).
In einem Kapitel über <Endzeitpropheten und Öko-Stalinisten> werden u.a. Erich Fromm, Herbert Gruhl, Hoimar von Ditfurth, Rudolf Bahro und Hans Jonas genannt. Diesen "wortgewaltigen Apokalyptikern" und "zornigen alten Männern" raten die Autoren: "Ein Mann sollte eigentlich auch wissen, daß sein eigener Lebensabend nicht unbedingt mit dem Weltuntergang identisch ist". (S. 118)
Am Ende ihres Buches fragen sich Maxeiner und Miersch schließlich, wie weit unsere Verantwortung für künftige Generationen eigentlich gehen soll. Die "Sorge um zukünftige Generationen" gehöre gegenwärtig einfach "zum guten Ton":
Künftige Generationen werden für sich selbst sorgen, wie wir auch, da sind wir ganz optimistisch. ... Wir machen uns deshalb ein bißchen viel Sorgen um künftige Generationen und ein bißchen wenig um die gegenwärtigen. Sehr salopp gesagt: Wir machen uns Sorgen um ungelegte Eier. (Maxeiner 1996, S. 312/3)
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Sohr 1997