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2.6  Der umwelt-psychologische Ansatz von Theodore Roszak 

 Roszak - detopia

 

Interdisziplinäre Diskurse über die ökologische Krise enden nicht selten nach Klärung technischer, wirt­schaft­licher und politischer Streit­punkte mit der Fest­stellung, daß die Beantwortung praktischer Fragen letztlich psychologischer Natur sei. 

Abgesehen davon, daß es sich hierbei um einen eleganten Weg handelt, keine eigenen Vorschläge zu diesen entscheid­enden Fragen vertreten zu müssen, glänzen die gerufenen Fachvertreter meist durch Abstinenz. Dies mag auch nicht zufällig so sein, gibt es doch bis heute kaum überzeugende psychologische Konzepte zur Bewältigung der ökologischen Krise. Einige der wenigen Ansätze, die die akademische Psychologie bisher hervorgebracht hat, werden an späterer Stelle ausführlich vorgestellt (Kap. 5 und 6).

Im Rahmen unserer interdisziplinären Zusammenschau wollen wir uns einem außergewöhnlichen Beitrag aus dem amerikanischen Raum zuwenden. Unter dem Titel Ökopsychologie hat Roszak (1994) von der California State University in Berkeley den Versuch unternommen, Geistes- und Naturwissenschaften zu verbinden und eine Brücke zwischen dem Psychologischen und Ökologischen unter Einbeziehung moderner Befunde der sog. Kosmologie zu schlagen. Dies ist umso erstaunlicher, als Roszak selbst kein Psychologe ist, sondern einen Lehrstuhl für Geschichte und 'General Studies' innehat.

Der erste Teil der "Ökopyschologie" ist der Psychologie gewidmet. Roszak setzt sich zum einen mit der Psychologie der Umweltbewegung, zum anderen mit den Schulen der modernen Psychologie kritisch auseinander. Seit dem Aufkommen der Ökologiebewegung in den siebziger Jahren seien Umweltschützer in der Öffentlichkeit vorwiegend als heldenhaft wahrgenommen worden.

Man sah sie als Naturliebhaber und verantwortungsbewußte Bürger, die für saubere Flüsse und gesunde Wälder kämpften. Selbst jene Kritiker in Politik und Wirtschaft, die den Zielen der Bewegung ablehnend gegenüberstanden, mußten zugeben, daß die ökologisch-orientierten Frauen und Männer mit hohen Prinzipien und einer grundlegend idealistischen Motivation waren. Roszak konstatiert (zumindest für den amerikanischen Raum), daß solche Zugeständnisse mehr und mehr zurückgehen. Nach Ende des Kalten Krieges würden stattdessen konservative Kräfte in den USA der Umweltbewegung in immer aggressiverer Weise gegen­übertreten und ihnen die Rolle des Bösewichts zuteilen, die früher von der marxistischen Opposition ausgefüllt wurde.

Roszak berichtet z.B. von einer in den achtziger Jahren von der Ölgesellschaft 'Mobil Oil' durchgeführten Werbekampagne, die den Charakter einer unverhüllten Kampfansage an die Ökologiebewegung hatte. In einem Werbespot, der unter dem Titel "Lügen, die unsere Kinder ängstigen" lief, wurden die Warnungen ökologischer Gruppen wie 'Friends of the Earth' als "Horrormärchen" disqualifiziert und den Umweltschützern eine Rolle zugewiesen, die den Kommunisten in den fünfziger Jahren zukam: die Rolle diabolisch-subversiver Kräfte, die es darauf anlegten, die Jugend der Nation einer Gehirnwäsche zu unterziehen. 

Aufmerksame Beobachter gehen davon aus, daß die ökologische Bewegung daher in den USA analog zur 'roten Gefahr' vergangener Tage zukünftig zu einer 'grünen Gefahr' hochstilisiert werden könnte.

So destruktiv marktwirtschaftliche Systeme in ihrem Umgang mit der Umwelt auch sein mögen, sei es heute kein Geheimnis mehr, daß die sozialistischen Systeme ein noch schlimmeres Erbe hinterlassen haben (S.39): "Glasnost gab den Weg auf eine verwüstete Landschaft frei". Die diktatorischen Methoden sozialistischer Führungseliten ließen Andersdenkenden in der Regel nicht die Freiheit, sich der Umweltproblematik anzunehmen. Im Unterschied dazu bot der kapitalistische Westen immerhin so viel pluralistischen Spielraum, daß eine wahrnehmbare Ökologiebewegung überhaupt entstehen und Widerstand aufbauen konnte.

Nach Roszak trage die Umweltbewegung allerdings selbst ein gewisses Maß an Verantwortung für ihre Angreifbarkeit. Ihre hartnäckige Gewohnheit, düstere Prophezeiungen abzugeben, apokalyptische Panik zu verbreiten und Schuldgefühle einzuflößen, stelle das Vertrauen der Öffentlichkeit auf eine harte Probe. Solange 'ökologische Weisheit' an Attraktivität nicht mit der materiellen Befriedigung, die das industrielle Wachstum biete, wetteifern könne, werde sie bei allen Menschen, die auf starke Emotionen ansprechen, immer auf der Strecke bleiben. Umweltschützer hätten wie die meisten politischen Aktivisten oft wenig Einsicht in die menschliche Motivationsstruktur, sie rechneten nicht mit der Unvernunft, der Perversität, den krankhaften Begierden, die in der Tiefe der Psyche verborgen liegen.

Roszak rät der ökologischen Bewegung daher, andere psychologische Wege zu gehen, die nicht so sehr Angst und Verzweiflung, sondern positivere Gefühle im Menschen ansprechen. Als eine Alternative zu Panikmache und Schuld-Trips nennt Roszak schließlich ein intensives Interesse, das aus einer gemeinsamen Identität entstehe, und das er schlicht mit "Liebe" (S.46) bezeichnet. Die Umweltbewegung stelle dabei einen Teil unserer Kultur dar, die sowohl Auslöser der ökologischen Krise als auch der Weg sei, um aus der Krise herauszuführen: "Was wir brauchen, ist (...) eine psychologische Transformation. Was die Erde braucht, muß in uns fühlbar werden; wir müssen es so spüren, als seien es unsere persönlichsten Bedürfnisse" (S.58).

Will eine moderne 'Wissenschaft von der Seele' ihrer Aufgabe gerecht werden, dürfe sie nicht die größere ökologische Realität ignorieren, die die individuelle Psyche umgebe, so als könne die Seele gerettet werden, während die Biosphäre zusammenbreche. Als ein Musterbild dieses Status Quo nennt Roszak die "abgekapselte Privatheit" psychotherapeutischer Sitzungen, die Ähnlichkeit mit der Privatheit katholischer Beichten habe (S.115). Nicht nur die äußere Situation, auch die Kernbotschaften der unterschiedlichen Richtungen der gegenwärtigen Psychotherapie analysiert Roszak unter dem Postulat einer ökopsychologischen Perspektive als unzureichend: Für Freud wie für die Behavioristen sei die Psyche ein natürliches Objekt. Auch Jung, der sein Leben lang in ländlicher Abgeschiedenheit verbrachte, nahm wie alle Post-Freudianer die Entfremdung des modernen westlichen Menschen von der Natur als etwas Gegebenes und Irreversibles hin. 

Auch die Wendung nach innen der Humanisten und Existentialisten gehe mit einer Abwendung der Umwelt einher. Die Rebellion der letztgenannten Richtungen gegen den Reduktionismus der Psychoanalyse und den Biologismus der Behavioraner ende meist mit der Abkapselung in einem existentiellen Vakuum. Angesichts der mangelnden Wahrnehmung der ökologischen Krise, die gerade am Beispiel der Psychologie und Psychotherapie besonders deutlich werde, stellt Roszak die Frage, wie wir einen Mann einschätzen würden, der sich nicht entschließen könne, aus einem lichterloh brennenden Gebäude zu flüchten, weil er noch auf der Suche nach seiner Kreditkarte sei. Sicherlich würden wir an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Aber nach Roszak verhalten wir uns genau so in der Konfrontation mit der globalen Krise, indem wir uns mit ähnlichen Ablenkungen verzettelten. Es scheint so zu sein, als wenn unsere Überlebensinstinkte nur auf offensichtliche und unmittelbar überschaubare Gefahren eingestellt seien. Allerdings müsse man psychologische Theorien, die zu irrationalem Verhalten von solchen Ausmaßen nichts zu sagen haben, als mangelhaft bezeichnen.

 

Nach einem ausführlichen Mittelteil, in dem sich Roszak mit neueren Erkenntnissen der "Kosmologie", u.a. der Chaostheorie, beschäftigt und in diesem Zusammenhang von einem "Paradigmenwandel" in den Wissenschaften spricht (S.133), steht am Beginn des letzten Drittels der Trilogie - überschrieben mit dem Begriff der "Ökologie" - die Diagnose eines urbanen Karzinoms, das für den Zustand der Erde kennzeichnend sei. Für eine Ökopsychologie gebe es kein aufschlußreicheres Symptom für unseren kollektiven Seelenzustand als das städtische Habitat, von Mumford (1956) auch als "Megamaschine" beschrieben.

Angesichts dieses pathologischen Zustandes der Außenwelt hält es Roszak für äußerst fragwürdig, inwiefern individuelle Psychotherapie überhaupt heilend wirksam sein könnte. Unter Berücksichtigung einer im Mittelteil postulierten 'Renaissance des Animismus' plädiert Roszak im weiteren Verlauf seiner Argumentation für eine Neubewertung des sog. Primitiven, vor allem unter dem Aspekt ökologischer Weisheit.

Als einen Mitbegründer der modernen Ökologie verweist Roszak auf eine psychologische Theorie von Peter Kropotkin (1914), die ihn als einen der ersten Ökopsychologen qualifiziere. Aufgrund ausgedehnter Studien mit wildlebenden Tieren sowie Erfahrungen mit Stammesgesellschaften, u.a. in Sibirien, schloß Kropotkin, daß die menschliche Natur fundamental ethisch sei. Verwandtschaftsgefühl und moralische Verantwortung gehören demnach zum Menschen, wie die Fähigkeit zu fliegen den Vögeln eigen sei.

An der Basis des Unbewußten liege laut Kropotkin das angeborene Gewissen, die moralische Energie der Persönlichkeit (S.9):

"Es ist nicht Liebe, nicht einmal Zuneigung, auf der die menschliche Gesellschaft basiert. Es ist das Gewissen - und sei es auch nur in instinkthafter Form - als Ausdruck der menschlichen Solidarität. Es ist das unbewußte Gewahrsein der Kraft, die in jedem Menschen durch die Praxis der wechselseitigen Hilfe verliehen ist, das tiefe Wissen darum, daß das Glück jedes einzelnen vom Glück aller abhängig ist, und der Gerechtigkeits- und Gleichheitssinn, der das Individuum dazu bringt, die Rechte jedes anderen Individuums als den seinen gleichgeordnet zu betrachten. Auf dieser breiten und notwendigen Basis entwickeln sich die höheren ethischen Gefühle".

Diese auf den ersten Blick sehr optimistische Auffassung der menschlichen Natur veranlaßt zu der Frage, wozu dann zum Beispiel Hierarchien und Autoritäten in einer Gemeinschaft noch nötig seien, wenn die Mitglieder der Gemeinschaft mit dieser sozialen Kompetenz aufwachsen. Roszak gibt an dieser Stelle zu bedenken, daß wohl kein Aufwand an Polizeigewalt und Bürokratie genügen würde, wenn es das von Kropotkin konstatierte ethische Unbewußte nicht gäbe.

Als einen weiteren Beitrag zur ökologischen Politik der Gegenwart diskutiert Roszak die Tiefenökologie, die zum mystischen, spirituellen Flügel der Ökologiebewegung gehört. Vom Standpunkt der Tiefenökologie aus sei die Prämisse, daß die meisten ökologischen Probleme durch gesetzliche Regelungen und durch ein besseres globales Management gelöst werden könnten, zweifelhaft. Vielmehr sei die ökologische Krise in ihrer Sicht weitaus mehr als eine Ansammlung von Irrtümern, Fehlkalkulationen und Fehlentscheidungen, die durch etwas mehr Sachkenntnis ausgebügelt werden könnten. Notwendig sei ein radikal verändertes Bewußtsein, das auch die wissenschaftliche Rationalität und zentrale Grundsätze des industriellen Lebens in Frage stelle. Einer der Begründer der Tiefenökologie, der norwegische 'Ökosoph' Arne Naess postulierte bereits im Jahre 1973, zu einem Zeitpunkt also, als die ökologische Krise noch kaum im Bewußtsein vieler Menschen verankert war, eine biosphärische Gleichheit, die jede Spezies einbezieht:

"Der ökologische Feldforscher erwirbt einen tiefverankerten Respekt, ja, eine tiefe Ehrfurcht vor den Arten und Formen des Lebens. Er kommt zu einem Verständnis von innen her, einer Art Empathie, die andere nur für ihre menschlichen Mitgeschöpfe reservieren. (...) Für den ökologischen Forscher ist das gleiche Recht für alle Wesen, zu leben und sich zu entfalten, ein intuitiv klarer und eindeutiger ethischer Wert. Die Beschränkung dieses Rechts auf Menschen ist Anthropozentrismus, mit schädlichen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen selbst."

Die Auffassung von Naess spiegelt ein biozentrisches Weltbild wider, nach dem die natürlichen Lebensrechte sich nicht nur auf den Menschen beschränken, sondern auf die gesamte Natur ausgedehnt werden.

Schließlich wendet sich Roszak noch einer weiteren ökopsychologischen Bewegung zu, dem sog. Ökofeminismus, der aus einem richtungsweisenden Kongreß hervorging, der an der University of California in Berkeley 1973 abgehalten wurde. Als die zweite Welle der Frauenbewegung Mitte der sechziger Jahre begann, hätte niemand voraussagen können, daß sie im Laufe eines Jahrzehnts zu einer einflußreichen Kraft in der Umweltpolitik werden könnte.

Das ursprüngliche Anliegen der Feministinnen war der klassische demokratische Anspruch auf politische und soziale Gleichheit, für den auch die erste Frauenbewegung um die Jahrhundertwende gekämpft hatte. Die Gestalttherapeutin Dorothy Dinnerstein war unter den feministischen Psychologinnen eine der ersten, die einen neuen Stil der Elternschaft postulierte und davon ausging, daß die Einbeziehung der in der Regel distanzierten Väter in die Kinderbetreuung den Kindern die Entwicklung einer ausgewogenen Geschlechtsidentität ermöglichen würde. Nach Dinnerstein sollten Männer weltweit fünfzig Prozent der Aufgaben in der Kinderpflege und -erziehung übernehmen (1976).

In den meisten Kulturen der Welt stamme die Geschlechtsrollenidentität von der Annahme her, daß Frauen dem Reich der Natur zugeordnet sind, während Männer dem Bereich der Kultur angehören. Nicht nur in sozialen Mechanismen und politischen Strukturen, sondern auch in Mythen, Metaphern und Symbolen zeige sich, wie tief das Schicksal der Frauen mit dem Schicksal des Erdkörpers verbunden war und ist. Roszak steht Geschlechts­rollen­zuschreibungen generell skeptisch gegenüber und prophezeit (S.336): "Es wird weder Frieden im Kampf der Geschlechter geben noch ökologische Vernunft, wenn wir nicht endlich mit dem gefährlichen Unfug Schluß machen, menschliche Tugenden in 'männliche' und 'weibliche' Schubladen einzuordnen." Trotz der intensiven Bemühungen der Ökofeministinnen müsse nach Roszak die Verbindung zwischen Ökologie und Psycho-logie auf einer professionellen, psychologischen Ebene noch ausgearbeitet werden.

 

Bei der Frage nach den Wegen der Umsetzung ökopsychologischer Einsichten kommt Roszak noch einmal auf die Ökologiebewegung zurück. Die Strategie, die die Umweltbewegung bisher zum Beispiel im Umgang mit dem verschwenderischen Konsum verfolgte, sei vor allem die der Repression gewesen. Engagierte Ökologen zeigten zu oft doktrinäre Intoleranz in ihrer scharfen und unnachsichtigen Kritik an menschlichen Schwächen. In der Umweltpolitik engagierter ökologischer Gruppen gebe es eine eisern asketische Unterströmung, die verhinderte, daß der Zusammenhang zwischen zügellosem Konsum und dem Streben nach persönlicher Erfüllung erkannt werde.

Roszak spricht sich für eine Strategie der kreativen Umlenkung des zügellosen Konsums aus, in dem er auf das alte Konzept der Muße verweist. Muße sei etwas anderes als Freizeit oder Konsum, aus dem Blickwinkel des Bruttosozialprodukts gesehen werde sie jedoch als Zeitverschwendung abgetan. Die Neubewertung der Muße zu einem wirtschaftlichen Gut höchster Ordnung könne nach Roszak aber ein erster Schritt sein, um ein moralisches Äqivalent dem Konsum- und Luxusbegehren gegenüberzustellen. Literarische Öko-Utopien im Sinne eines lustbetonten Lebens ohne Konsumzwänge finden sich u.a. in den Romanen "Island" (1962) von Aldous Huxley und "Ecotopia" (1977) von Ernest Callenbach.

Trotz seiner pessimistischen Einschätzungen gegenüber der Psychotherapie hinsichtlich des Ziels, dem ökologischen Ich näherzukommen, sieht Roszak dennoch Perspektiven für die Zukunft der Psychotherapie. Er verweist dabei auf Psychoanalytiker Harold Searles, der bereits 1960 befand:

"Während der letzten sechzig Jahre erweiterte sich der Blickwinkel der Psychotherapie; anfang eng auf intrapsychische Prozesse fixiert (...), ging sie allmählich dazu über, interpersonelle und allgemein soziologisch-anthropologische Faktoren einzubeziehen. Es erscheint also als der naheliegende Schritt, in der nächsten Phase unseren Horizont so weit auszudehnen, daß er die Erforschung der Beziehung des Menschen zu seiner nichtmenschlichen Umwelt ermöglicht."

Allerdings sei innerhalb des Kontextes einer urban-industriellen Kultur am intellektuellen Horizont der Psychotherapie die reale Natur so lange nicht zu sehen, wie die Umwelt weiter von der zivilisierten Gesellschaft manipuliert und mißhandelt werde. Die sog. Umwelt, um die es gehe, sei aber keine soziale Konstruktion, sondern durch die Natur in ihrer Gesamtheit vorgegeben. Diese ehrwürdige Umwelt erlaube es schließlich erst, uns in ihrer evolutionären Geschichte zu bewegen. Roszak weist darauf hin, daß Kinder sich von der Anmut der Natur noch verzaubern ließen, wie z.B. ihr Umgang mit Tieren zeige.

Auf der Suche nach dem ökologischen Ich wird Roszak innerhalb der vorherrschenden psychologischen Schulen schließlich am ehesten bei Jung (1958) fündig. Das Konzept des kollektiven Unbewußten erweise sich als brauchbare Ausgangsposition für den Entwurf einer Ökopsychologie. In seiner ursprünglichen Formulierung war das kollektive Unbewußte das Reservoir der komprimierten evolutionären Geschichte. So umfasse das kollektive Unbewußte auf seiner tiefsten Ebene die komprimierte ökologische Intelligenz unserer Spezies, aus deren Quelle sich die Kultur entfalten könne.

Mit dem Rekurs auf Jung bekennt sich Roszak zur "Bereitschaft, auf wissenschaftliche Strenge zu verzichten, wenn es um die Rettung spiritueller Werte geht" (S.421). Dies gehöre zu den Prinzipien <sanfter> Psychologien.

Roszak beendet sein Buch, in dem er acht "Prinzipien der Ökopsychologie" (S.441-444) zusammenfaßt. Er legt dabei Wert darauf, seine Prinzipien nicht in einem doktrinären Sinne als rein wissenschaftlich verstanden zu wissen, sondern eher als Leitfaden, der einige wesentliche Grundzüge einer Psychologie auflistet, die sich als Beitrag zur Überbrückung der Kluft zwischen dem Psychologischen und dem Ökologischen bzw. zwischen den Bedürfnissen des Individuums und des Planeten versteht:

 

  1. 1. Der Kern des Bewußtseins ist das ökologische Unbewußte. Für die Ökopsychologie ist die Unterdrückung des ökologischen Unbewußten die tiefste Wurzel des kollusiven Wahnsinns in der Industriegesellschaft; offener Zugang zum ökologischen Unbewußten ist der Weg zur Heilung.

  2. 2. Die Inhalte des ökologischen Unbewußten repräsentieren bis zu einem gewissen Grad und auf einer gewissen Ebene die lebendigen Erinnerungen der kosmischen Evolution, die bis zu den Initialbedingungen in der Geschichte der Zeit zurückgehen (...). Die Ökopsychologie beruft sich auf die Erkenntnisse der neuen Kosmologie und strebt danach, sie für die Erfahrung real zu machen.

  3. 3. Ziel der Ökopsychologie ist es, den latenten Sinn für ökologische Interdependenz, der im ökologischen Unbewußten verankert ist, wieder zum Leben zu erwecken. Die Ökopsychologie versucht die fundamentale Entfremdung zwischen dem Menschen und seiner natürlichen Umwelt zu heilen.

  4. 4. Wie für andere Therapien ist auch für die Ökopsychologie die Kindheit das ausschlaggebende Entwicklungsalter. Mit dem magischen Weltgefühl des Neugeborenen wird das ökologische Unbewußte wiedergeboren; jedem neuen Leben wird es beim Eintritt in die Welt als Geschenk mitgegeben. Die Ökopsychologie versucht, die dem Kind angeborene animistische Qualität der Erfahrung im funktionell 'gesunden' Erwachsenen wiederzugeben. Um das zu erreichen, wendet sie sich vielen Quellen zu, u.a. (...) den Einsichten der Tiefenökologie. Sie assimiliert das aus diesen Quellen stammende Wissen mit dem Ziel, das ökologische Ich zu schaffen.

  5. 5. Das ökologische Ich bildet in seinem Reifungsprozeß einen Sinn für ethische Verantwortung dem Planeten gegenüber aus, die genauso lebhaft empfunden wird wie unsere ethische Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Das ökologische Ich versucht, diese Verantwortung mit dem Netz der sozialen Beziehungen und politischen Entscheidungen zu verweben.

  6. 6. Zu den wichtigsten therapeutischen Zielsetzungen der Ökopsychologie gehört die Überprüfung und Neubewertung gewisser zwanghafter, männlicher Charakterzüge, die unsere politischen Machtstrukturen durchdringen und uns dazu treiben, die Natur zu unterwerfen und zu dominieren, als wäre sie ein fremder, rechtloser Bereich. Hier greift die Ökopsychologie auf einige zentrale Einsichten des Ökofeminismus und der feministischen Spiritualität zurück, vor allem in bezug auf die Entmystifizierung und Auflösung der traditionellen Geschlechterstereotypen.

  7. 7. Alles, was zur Etablierung überschaubarer sozialer Formen und zur Stärkung der Persönlichkeit beiträgt, nährt das ökologische Ich. Alles, was nach großangelegter Dominanz und der Unterdrückung der Persönlichkeit strebt, unterminiert das ökologische Ich. Daher stellt die Ökopsychologie die Vernunft unserer alles verschlingenden urban-industriellen Kultur grundsätzlich in Frage, unabhängig davon, ob sie kapitalistisch oder kollektivistisch organisiert ist (...).

  8. 8. Die Ökopsychologie geht davon aus, daß es zwischen dem Wohlbefinden des Planeten und dem der Person eine synergetische Wechselbeziehung gibt (...). Die Bedürfnisse des Planeten sind die Bedürfnisse der Person; die Rechte der Person sind die Rechte des Planeten.

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Sohr-1997/2000