Peter Strasser, Univ.-Prof. Dr. phil.
Des Teufels Party. Geht die Epoche des Menschen zu Ende? 2020 im Verlag Sonderzahl, Wien, 136 Seiten, DNB.Buch Audio Lesebericht 6min dlf 2020
Umdrehen und Weggehen. Eine Ethik der Abwendung DNB.Buch 144 Seiten 2020 Audio Umdrehen dlf 2020 6min |
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DNB person (69+) DNB nummer (75) Wikipedia.Autor *1950 in Graz Bing.Autor Goog.Autor
detopia: Spengler |
2020, 144 Seiten:
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zu Teufels Party Verlagstext Zum Menschen gehört die Sehnsucht. Die Erde ist seine Heimat und sein Exil. Nie ist der Mensch hier vollends zu Hause, deshalb ist er umtriebig; immer noch höher, noch schneller, noch mehr von dem, was er schon hat! Doch das Paradies ist verloren, als irdisches unerreichbar, und so verwildert die Sehnsucht. Sie schlägt um in eine „Wut“, darauf ausgerichtet, alle natürlichen Widerstände durch titanische Technologien niederzuringen. Der Mensch ist willens, sich an die Stelle der Götter zu setzen: Homo Deus, das utopische Geschöpf des Anthropozän. Und nun, mit einem Schlag, ist aus der „Epoche des Menschen“ eine Epoche des Virus geworden. Im Internet kursieren apokalyptische Fantasien. Geheimdienste, Geheimlabors und geheime politische Mächte rücken zusammen, Dämonisches flackert. Ist des Teufels Party bereits in vollem Gange? Da wir nicht mehr an den Teufel glauben, ist uns zumute, als ob wir in einen Spiegel blickten: Sind die Teufel – wir? Und ist die Party ein Totentanz? Aber vielleicht handelt es sich um die katastrophische Schwelle zu einem neuen Humanismus, gespeist aus der alten Sehnsucht nach dem, „was allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“ (Ernst Bloch). Werden wir, nach der „Epoche des Menschen“, endlich zu uns selbst unterwegs sein, statt dem transhumanistischen Wahn zu verfallen: der Unsterblichkeit des Cyborg?
Lesebericht Von Ernst Rommeney dlf peter-strasser-des-teufels-party-der-untergang 2020 Für den Rechtsphilosophen Peter Strasser steht fest: Wenn die Menschheit weiterhin ihre irre Kollapsstrategie fährt und maßlosen Raubbau an allem betreibt, ist es in absehbarer Zeit mit ihr zu Ende. Wird das Coronavirus dabei zum Brandbeschleuniger? Am Größenwahn sieht der österreichische Philosoph Peter Strasser das Anthropozän scheitern: Der Mensch zerstört seine Lebensgrundlagen. Retten könnte uns nur der Humanismus – wäre er nicht wider die menschliche Natur. Er hat ein apokalyptisches Bild vor Augen: „Die Hölle“ aus dem Gemäldezyklus von Hieronymus Bosch „Der Garten der Lüste“. Ein Ausschnitt daraus illustriert auf dem Buchdeckel seine Frage: Geht die Epoche des Menschen zu Ende? Er weiß es nicht, rechnet aber damit und fände es nicht einmal schade, sollte dessen teuflische Party ungebremst weitergehen. Nicht verwunderlich vielleicht, weil Peter Strasser sich auf Ethik, Metaphysik, Religion und Recht spezialisiert hat. Er lehrt, mittlerweile emeritiert, am Institut für Rechtsphilosophie der Karl-Franzens-Universität Graz, schreibt Bücher und Zeitungskolumnen. Die Idee eines friedlichen Kollektivs Auch nennt er sich einen Liberalen, der sich auf konservative Werte besinnt. Kühl gelte es, im Sinne der Aufklärung gegen Demagogie und Aberglauben, Dummheit und Machtmissbrauch zu argumentieren. Doch kaltes Philosophieren – da setzt er den Unterschied – befremdet ihn. Ohne menschliche Wärme, ohne die Ängste der Menschen ernst zu nehmen, ließe sich nicht über eine überhitzte Moderne reden. Für Strasser ging aus einem „dialektischen Zusammenspiel von Aufklärung, Humanismus und Christentum“ die Idee eines friedlichen Kollektivs hervor, in dem sich der Einzelne frei bewegen und entfalten kann, weil ihm Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität sicher sind, bis hin zu unverbrüchlichen Menschenrechten und sozialem Schutz, zudem Bildung und Wahrheit. Abwärtsspirale bis zum Kollaps Diese Werte sind nicht nur ideologisch umstritten. Vielmehr sieht er sie ernsthaft gefährdet. Und weil sie für ein kulturelles Erbe stehen, das es zu bewahren gelte, bezeichnet er sie als konservativ. Kurzgefasst: Der Markt ist wahrlich nicht alles. Zugleich hält er dadurch jene Konservativen auf Distanz, die immer schon antiliberal, antidemokratisch und antiegalitär waren, mit der Zeit aber von der Neuen Rechten beerbt worden sind. Um die Abwärtsspirale nach zwei Weltkriegen, das hysterische Treiben im gegenwärtigen „Garten der Lüste“ drastisch zu beschreiben, hat er eine Reihe von Zeitungsessays aufbereitet, die zwischen 2016 und 2019 erschienen sind. Maßloser Ressourcenverbrauch und ein enormer Schadstoffausstoß treibe die Erde zum Kollaps. Quer über den Globus gehe die wirtschaftliche wie die soziale Schere weit auseinander. Gleichzeitig begrabe Big Data die Ideale vom autonomen Leben in einer freien Gesellschaft, bevor sich Mensch und Maschine in der Epoche der Cyborgs unauflösbar verschmelzen. Pandemie als Denkzettel für Überheblichkeit Unerwartet trete eine Naturgewalt als böser Feind dazwischen, diesmal eine Pandemie, die alles durcheinanderbringt und der Überheblichkeit einen Denkzettel verpasst. In einer kollektiv hochgestressten Umgebung, so befürchtet Peter Strasser, würden jedoch andere Menschen als Bedrohung empfunden, gegen die man sich zur Wehr setzt. Weswegen er sich fragt, wie belastbar zivilisatorische Vernunft ist? Wären privilegierte Bewohner der Konsumoasen im Ernstfall bereit, Einschränkungen hinzunehmen? Wie lange halten Gesunde es aus, solidarisch mit Gefährdeten zu sein? Wird das Virus am Ende zum Brandbeschleuniger? Gerade in den freien, prosperierenden Staaten des Westens drücke sich Unzufriedenheit in militantem Ideengut aus. Es gelinge dann nicht mehr, Hass im Parteienstreit demokratisch zu bändigen. Vielmehr richte dieser sich umgekehrt gegen alles Demokratische, verstärkt durch anonyme Resonanz aus dem Internet. Dem populistischen Wettlauf um die Wutbürger attestiert der österreichische Philosoph systemsprengende Schubkraft. „Vorwärts nach hinten“ ist keine Lösung Mit der erzreaktionären Parole „Vorwärts nach hinten“ bekämpfe ein neuer Nationalismus den europäischen Gedanken, weil er Grenzen und Abgrenzung, innere und äußere Feinde braucht, um Gemeinschaftsgefühle zu erzeugen. Vielen dauere der Frieden wohl schon zu lange, argwöhnt Peter Strasser. Kultur dagegen setze nicht nur eigene Identität voraus, sondern benötige ungehinderten Austausch. Für einen Angriff auf die Vernunft hält er den Wahrheitsrelativismus, der Gesinnungskampagnen aller Art zu eigen sei. Dieser kennt viele, zuweilen „alternative“ Wahrheiten, auch jene aus dem Bauch – oder schlichte Lügen. Die eine Wahrheit anzustreben, erscheint dem Wahrheitsleugner wahlweise intolerant, typisch westlich oder autoritär. So bleibt der Humanist nach Peter Strasser ein ewig Unzeitgemäßer. Er dient der Aufklärung, nicht der Vision des Übermenschen – und beherzigt, dass Zivilisation stets nur eine dünne Schicht auf der Haut des Menschen bildet. |
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Umdrehen und Weggehen dlf: Umdrehen und Weggehen - Ist es Zeit für eine "Ethik der Abwendung"? Peter Strasser: „Umdrehen und Weggehen. Eine Ethik der Abwendung“ dlf lesebericht - umdrehen-und-weggehen-eine-ethik 2020 dlf DNB.Buch 2020, 144 Seiten Die Moral der Abwendung sollte Teil unserer Lebenskunst sein. Doch Abwendung ist keineswegs immer möglich oder statthaft. Die Menschen sind oft Gefangene ihrer Situation, in Gefühle verstrickt, durch Verträge gebunden, umgeben von Grenzen und Mauern, denen kaum jemand entkommt. Gerade deshalb sollten unsere Beziehungen derart gestaltet sein, dass wir uns notfalls umdrehen und weggehen können sowohl innerlich als äußerlich, individuell und sozial. Der Grazer Philosoph Peter Strasser plädiert für eine Lebenskunst des Loslassens. Müssen wir uns wirklich immer einander zuwenden und uns gegenseitig versuchen zu verstehen? Oder ist es nicht manchmal besser, sich einfach abzuwenden und wegzugehen? Das fragt der Grazer Philosoph Peter Strasser in seinem neuen Buch. Ein ungeschriebenes Gesetz der Höflichkeit gebietet, dass wir, wenn angesprochen, reagieren. „Aber es gibt auch eine Beschwernis, wonach wir in unseren engmaschigen, hoch vernetzten Gesellschaften unter dem Druck mannigfacher Toleranzgebote und einer ebenso tiefdringenden wie umfassenden Psychologisierung permanent aufeinander zu- und eingehen sollen.“ Dieser Druck führe allerdings auch „zu krisenhaften Beziehungen, persönlich und sozial“, so der Grazer Philosophieprofessor Peter Strasser in seinem neusten Buch. Strasser beschwört eine Art – individuell wie sozial – gefühlten Belagerungszustand, den er mit einer „Ethik der Abwendung“ durchbrechen und wohl auch therapeutisch heilen will. Mit seinem Plädoyer für eine Lebenskunst des Loslassens will er die gestörten menschlichen Beziehungen wieder in ein gesundes Gleichgewicht aus „Nähe und Distanz“ überführen. Gefahren allgegenwärtiger Verdichtung Der Teufel liegt natürlich im Detail beziehungsweise in der Konkretion. Viele unserer Engagements oder Verstrickungen sind uns gar nicht als Ketten bewusst, weiß Strasser, sie sind scheinbar ganz natürliche Verhaltensweisen: „Die Zelle, in der wir zuhause sind“. Grundübel sei die stetig wachsende „Verdichtung“ des modernen Lebens. Explizit bezieht sich der Autor hier auf den Soziologen Norbert Elias, der 1939 in seinem klassischen Werk „Über der Prozeß der Zivilisation“ beschrieb, wie Menschen die soziale Verhaltenskontrolle zunehmend verinnerlichten, also in Selbstkontrolle überführten. Die Kultur habe so das Austragen der Konflikte entschärft, also für eine soziale „Entdichtung“ gesorgt, so denkt Strasser die Thesen von Norbert Elias weiter. Eine der absurden Folgen sei nunmehr freilich zum Beispiel jene Political Correctness, die die inneren Konflikte per Triggerwarnung wieder an die soziale Oberfläche drängt – wo man sich dann von Bildern und Worten so bedrängt fühlen könne wie von einer handfesten Bedrohung: „Übervorsicht und Misstrauen mit all den damit verbundenen Störungen des Zusammenlebens“ seien somit doch wieder beinah unvermeidlich. Erfrischende lebenspraktische Vernunft Beschleunigung – nicht Verdichtung – schien bislang der Fluch moderner Gesellschaften. Beschworen wir bisher Vereinsamung in großen Städten, so suggeriert Strasser genau das gegenteilige Problembewusstsein: Womöglich sind die Folgen wachsender sozialer Friktion durch die allgegenwärtige Verdichtung viel gefährlicher. Zwar ist Corona für ihn noch kein Thema, doch den Anstieg von Gewalt in den beengten, ausweglosen Soziotopen während der Kontaktsperre dieses Frühjahrs hätte er wohl sogleich als Beleg für seine These gewertet. Einen Seitenhieb auf die Advokaten des „zwanglosen Zwangs“ vernünftigen Argumentierens mag sich Strasser nicht verkneifen: Für ihn liegt darin ein „Abwendungsverbot“. Wir sollten „sensibel dafür bleiben, dass es im weiten Bereich menschlicher Vielfalt nicht nur eine Vernunft“ gebe. Bei aller erfrischenden lebenspraktischen Vernunft, die der Text auch ausstrahlt und vermittelt, hätte man, bei diesem spannenden Thema, vom Philosophen gern Genaueres erfahren. |
Buchkritik vom 27.08.2008
Peter Strasser: „Warum überhaupt Religion?“, Wilhelm Fink,Paderborn 2008, 112 Seiten
Plädoyer gegen einen Brachial-Atheismus
dlf plaedoyer-gegen-einen-brachial-atheismus 2008
Autor aus wikipedia-2020
Nach dem Studium der Germanistik und der Philosophie habilitierte sich Peter Strasser 1980 im Fach Philosophie. Er war Universitätsprofessor am Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seit Sommer 1999 unterrichtete er regelmäßig als Lektor und Gastprofessor an der Universität Klagenfurt. Seit Oktober 2015 ist Strasser offiziell im Ruhestand. Er ist weiterhin im Lehrbetrieb tätig. Strassers Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Philosophie, namentlich der Ethik, Metaphysik und Religionsphilosophie. In der Rechtsphilosophie befasst er sich besonders mit Fragen der theoretischen Kriminologie. Von 1990 bis 1995 war Strasser Beirat des Avantgardefestivals steirischer herbst. Er konzipierte die Nomadologie der Neunziger.[1] Von 2003 bis Mai 2013 verfasste er die wöchentliche Kolumne Die vorletzten Dinge für die österreichische Tageszeitung Die Presse. Von November 2015 bis Ende Oktober 2016 die zweitägliche Kolumne Morgengrauen für das elektronische Format nzz.at. Seither erschienen in der NZZ auch weitere Gastbeiträge Strassers.
Philosophie
Strassers Denken kreist um ein Phänomen, das er als ontologischen Überschuss bezeichnet. Laut Strasser äußert sich dieser einerseits in der erkenntnisleitenden Überzeugung, es müsse der Wissenschaft möglich sein, uns die Welt so zu zeigen, wie sie objektiv beschaffen ist. Zum anderen zeigt sich der Überschuss in der metaphysischen Sehnsucht, die Wahrheit als den Sinn zu realisieren, der dem Ganzen innewohnt.[3] Den dehumanisierenden Zug der Moderne erblickt Strasser in einer zunehmenden Immanenzverdichtung, welche das Immer-schon-über-uns-Hinaussein, das sich in Form eines ontologischen Überschusses in all unseren Erfahrungen manifestiert, ausblendet. Deshalb verteidigt Strasser einen Primat des Geistes gegen das naturalistische Weltbild, räumt aber ein, dass sich dieser Primat nicht positiv darstellen lässt, etwa in Form einer „alternativen“ wissenschaftlichen Theorie, sondern eine regulative Idee bleibt.[
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Schriften - aus wikipedia 2020
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Peter Strasser - Des Teufels Party - Geht die Epoche des Menschen zu Ende?