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Teil 1   Schemata der Vergangenheit

  

2 - Die sexuellen Schwingungen

  1 Spontaneität - Kontrolle  2 Maternismus - Paternismus   3 maternistisches Zeitalter   
 4 Weitere Aspekte    5 Mittelpositionen    6 Gründe für die Schwingungen    7 Die Umkehrung des Trends 

 

   1  Spontaneität — Kontrolle   

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In der langen Perspektive der Geschichte kann man sehen, wie viele Gesellschaften sanft zwischen zwei Extremen hin- und herschwingen. Es ist keine regelmäßige Bewegung: manchmal wird eine Gesellschaft jahr­hunderte­lang ohne Veränderung in einer besonderen Position verharren — dann kann sie sich sehr schnell zum anderen Extrem bewegen. Dort mag sie eine Weile bleiben oder auch fast sofort wieder zurückschwingen. Ferner erreichen diese Gesellschaften ihre höchsten Leistungen, wenn sie sich nahe dem Mittelpunkt zwischen den beiden Extremen befinden. Niemand hat jedoch bisher den Trick gelernt, an diesem produktiven Punkt der Aus­ge­glichen­heit zu verharren.

Das eine Extrem wird durch Spontaneität charakterisiert, man denkt nicht an das Morgen und <macht seine eigenen Sachen>. Das andere Extrem wird charakterisiert durch Zurückhaltung, Selbstbeherrschung, Übereinstimmung mit der Sitte. Wie wir sehen werden, gibt es noch andere Unterschiede, die sehr wichtig sind. Doch flüchtig gesehen sind Spontaneität und Selbstbeherrschung die auffälligen Züge der Dichotomie.

Die Bedeutung dieser Tatsachen für unsere eigene Gesellschaft ist offensichtlich: vor etwa einem Jahrhundert waren wir an dem <Selbstbeherrschungs>-Ende der Skala — heute nähern wir uns dem <Laß-dich-gehen>-Ende.

Ein großer Teil der gesellschaftlichen Phänomene, die die Menschen verwirrend finden, können durch eine Beziehung zu dieser Tatsache erklärt werden. Die duldsame Gesellschaft ist nur ein Name für die <Tu' deine eigene Sache / Mach' deinen eigenen Kram>-Philosophie, die wieder nur ein anderer Ausdruck für <Gehorche deinen Impulsen! Handle spontan!> ist.

Und wenn wir genauer hinsehen, werden wir feststellen, daß viele andere Aspekte — vom langen Haar bis zur Befreiung der Frau — auf den gleichen psychologischen Mechanismus zurückverfolgt werden können, der für die Schwingung in der sexuellen Moral verantwortlich ist. Werden wir endlos lange auf dem Spontaneitäts-Ende der Skala bleiben? Viele junge Leute stellen sich vor, daß die neue Moral für dauernd gekommen ist: daß die westliche Welt aus der uralten Zwangsjacke ausgebrochen ist und sich nie mehr in sie bringen lassen wird.

Wenn wir aber nur um anderthalb Jahrhunderte zurückschauen, können wir in England ein weiteres <duldsames> Zeitalter erkennen. Die Tagebücher von Männern wie Horace Walpole und die Berichte ausländischer Besucher wie LeBlanc [1747] aus Frankreich oder Zetzner [1700] aus Deutschland schildern eine Gesellschaft, die kaum weniger duldsam war als unsere eigene. Obwohl Zetzner von den Engländerinnen sehr beeindruckt war, schrieb er, «daß die Frauen dieses Landes stark zur Sinnlichkeit, zu fleischlichen Gelüsten, zum Spiel, zum Trinken und zum Müßiggang neigen«.*

* Wegen vieler weiterer Einzelheiten über die Moral im achtzehnten Jahrhundert siehe Im Garten der Lüste (Sex in History) (1954) Kap. 9 und für die weibliche Seite die Geschichte The Angel Makers (1958) Kap.14.   

LeBlanc notiert, daß sie nicht unter falscher Bescheidenheit litten: »Wenn ein Mädchen einen Mann gern mag und ihn nicht kennenlernen kann, schickt sie ihm eine Botschaft mit ihrem Antrag oder gibt ein Inserat auf.« In seinem Buch gibt er eines der Zeitungsinserate wieder. Walpole beschreibt, daß er eine halbe Stunde warten mußte, während seine Freundin »ihr Gesicht zurechtmachte«Es gab sogar eine Frauenbefreiungs­bewegung, geführt von Mary Wollstonecraft, deren <Vindication of the Rights of Woman> (Verteidigung der Frauenrechte) 1792 ein Bestseller war.

 wikipedia  Horace_Walpole,_4._Earl_of_Orford  1717-1797      wikipedia  Dichotomie  Zweiteilung    wikipedia  Victoria_- Vereinigtes_Königreich 

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Aber schon nach wenig mehr als einer Generation, noch lange ehe Viktoria den Thron bestieg, hatte eine Periode strikter Moral eingesetzt. Das Make-up war tabu, Frauen gingen nicht mehr mit Männern spazieren, die ihren Gatten unbekannt waren; weit davon entfernt, daß man ihnen fleischliche Neigungen zugestand, wurden sie <unterhalb der Taille als kaum existent> angesehen.

Solche Veränderungen sind in der Geschichte häufig eingetreten, die frühere römische Tapferkeit verfiel in zwei Jahrhunderten zu dem wollüstigen Sich-Gehen-Lassen eines Petronius oder Nero. Sparta blieb in starrer Selbstbeherrschung verschlossen — jeder Schüler kennt die Geschichte des Jungen, der stumm blieb, als ein Fuchs an seinen Eingeweiden nagte —, während sich das nahe Athen in dem produktiven Mittelstadium befand. 

Die Duldsamkeit der frühsemitischen Völker verwandelte sich in die Strenge des klassischen Judentums. Die vorchristlichen Kelten schätzten die Jungfräulichkeit keineswegs hoch. So prahlte die Königin Nedb vor ihrem Gatten, daß sie, ehe sie heiratete, neben ihrem offiziellen Liebhaber stets auch einen geheimen gehabt habe. (Derartige Geschichten sind in großer Zahl überliefert. Die Prinzessin Findabeir erwähnte beispielsweise ihrer Mutter gegenüber, daß sie an dem Boten Gefallen finde, der aus dem feindlichen Lager geschickt worden war, und die Königin antwortete ihr: »Wenn du ihn liebst, dann schlafe heute Nacht mit ihm.« Wie stark unterscheidet sich das vom Familienleben unserer eigenen lieben Königin!) 

Im Mittelalter hatte sich natürlich eine strenge Moral durchgesetzt mit einschneidenden Verboten aller Arten sexuellen Verkehrs, der sogar, wie ich in <Im Garten der Lüste> geschildert habe, innerhalb der Ehe streng geregelt war. Wer weiß daher, ob nicht die westliche Welt vielleicht innerhalb einer Generation in einen neuen Viktorianismus zurückgetrieben wird? Der Gedanke ist faszinierend, er wird aber von den Futurologen und den Planern für die Zukunft, die in ihrer eigenartigen Umwelt keinen Platz für Krinolinen lassen, kaum beachtet.


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   2  Maternismus und Paternismus   

 

Die ersten Schritte zum Verständnis dieses sehr wirkungsvollen gesellschaftlichen Prozesses wurden vor über einem halben Jahrhundert getan, als Anthro­pologen, die sich zur damaligen Zeit sehr stark mit primitiven Religionen befaßten, feststellten, daß viele Gesellschaften an eine Vatergestalt glaubten, die als höchste Gottheit im Himmel thront, während andere in Begriffen einer Muttergottheit dachten, die als die Erde identifiziert wurde. Die Identifizierung war nahezu buchstäblich. 

So berichtet ein Anthropologe des neunzehnten Jahrhunderts, wie ein Indianer, Smohalla, sagte: »Es ist eine Sünde, die Mutter von uns allen zu verwunden, zu schneiden oder zu zerreißen ... Soll ich ein Messer nehmen und es in die Brust meiner Mutter stoßen? Du sagst mir, ich soll graben und die Steine entfernen. Soll ich ihr Fleisch verstümmeln, um ihre Knochen herauszuholen? Du sagst mir, ich soll das Gras schneiden, das Heu verkaufen und reich werden wie ein weißer Mann? Aber wie könnte ich es wagen, die Haarflechten meiner Mutter abzuschneiden?« 

In der mediterranen Welt gab es zur Zeit Christi überall Erdmütter: Kybele, Astarte, Ceres, Demeter, Ishtar, Magna Mater ... sie hatten viele Namen, aber sie wurden alle als weiblich und als Hüterinnen der Fruchtbarkeit der Erde aufgefaßt. Was die Himmelsväter anlangt, brauchen wir nur an die christliche Religion oder an die der Ägypter zu denken.

Einige Gesellschaften (zum Beispiel die Griechen) hatten sowohl Himmelsväter wie Erdmütter und glaubten, daß der eine die andere befruchte, so wie der Regen vom Himmel die Erde befruchtet.

Was die Anthropologen weiter bemerkten, war, daß eine Gesellschaft, wenn sie ausschließlich oder in erster Linie an einen Himmelsvater glaubte, zur Zurückhaltung in sexuellen Dingen neigte, den Frauen einen niedrigen Status zuteilte und eine autoritäre politische Struktur aufwies; während sie, wenn sie eine Erdmutter verehrt, in sexuellen Dingen wahrscheinlich duldsam war, den Frauen einen hohen Status zuteilte und ein egalitäres oder (wie wir heute sagen würden) demokratisches politisches System besaß. So wurde die Verehrung der Erdmutter von orgiastischem Verhalten begleitet, während die Verdammung des Sex durch die frühen christlichen Kirchenväter wohl bekannt ist.


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Nun ist es etwas Neues, wenn man drei augenscheinlich völlig verschiedene Einzelzüge der Gesellschaft — Religion, Politik und die Stellung der Frauen — in ein einziges Schema verknüpft sieht: das deutet darauf hin, daß das, was in der Gesellschaft vor sich geht, nicht so zufällig ist, wie das gewöhnlich der Fall zu sein scheint.

Als ich, kurz nach dem letzten Krieg, über die Beschaffenheit der Gesellschaft nachdachte, fand ich, daß diese beiden so kontrastierenden Haltungen sehr wohl in Freudschen Begriffen erklärt werden können. Freud beschreibt, wie das Kind das Verhalten, das es bei seinen Eltern sieht, seinem eigenen Charakter einverleibt und wie es sich mit ihnen identifiziert. Normalerweise identifiziert sich das Kind mit dem Elternteil des gleichen Geschlechts: also Söhne mit Vätern und Töchter mit Müttern. Die Identifizierung beginnt, wenn sich das Kind zum erstenmal der Tatsache bewußt wird, daß es die Zuneigung seiner Mutter nicht als Monopol besitzt, sondern sie mit seinem Vater teilt — die berühmte Ödipus-Situation. Wie Anthony Storr es ausdrückt, dachte es sich praktisch: »Ich muß wie sie sein, oder sie werden zornig.«

Wenn das Kind sich entwickelt, reduziert es normalerweise seine Identifizierung und fühlt sich frei, >es selbst< zu werden. Wenn aber nun die Eltern nicht gleich liebevoll sind? In solchen Fällen kann sich das Kind mit einem Elternteil identifizieren, um sich so die Liebe des andern zu sichern, wenn also der Vater wenig liebevoll scheint, wird sich das Kind wahrscheinlich mit der Mutter identifizieren — indem es sozusagen die Mutter wird, macht es sich zum Liebesobjekt seines Vaters und löst so das ödipusproblem mit seinen begleitenden Schuldgefühlen. Sich mit einer Person zu identifizieren, heißt in einem gewissen Ausmaß sie zu zerstören oder aufzuschlucken oder wenigstens in ihre Schuhe zu schlüpfen. Wenn die Mutter liebevoll ist, hat das Kind das obskure Empfinden, daß es diesen aggressiven Akt (denn ein solcher ist er auf der unbewußten psychologischen Ebene) riskieren kann, ohne eine Vergeltung der Mutter befürchten zu müssen. Kurz gesagt, die Kombination eines lieblosen oder angeblich lieblosen Vaters mit einer liebevollen Mutter ist die Grandsituation, die zu einer Mutter-Identifizierung führt.*


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Diese Freudschen Ideen sind Gemeinplätze der individuellen Psychologie. Der Gedanke, der mich beschäftigte, war jedoch folgender: wo der Vater introjiziert wird, stellt man sich die Gottheit als Vater vor, wo die Mutter introjiziert wird, als Mutter. Plötzlich erhielt die Anthropologie eine Verbindung zur Psychologie, und der Rest wurde klar. Wo die Väter höher eingestuft werden, werden die Frauen abgewertet. Da die Väter Autoritätsfiguren sind, wird auf diese Weise die Gesellschaft zu einer Kultur der Vateridentifizierung. Und da die Ödipussituation (wie Freud sehr ausführlich erklärt) zu Schuldgefühlen führt, wird die Liebe des Kindes zu seiner Mutter (die, wie Freud ebenfalls erklärt, von Natur aus sexuell betont ist) als böse erscheinen. 

So wird der Sex böse: es ist die Furcht vor dem Zorn des Vaters auf die Rivalität des Kindes (in dem primitiven, nicht-rationellen Denken des sehr kleinen Kindes), die den Sex zu einem gefährlichen oder verbotenen Akt macht. Wo umgekehrt die Mutterfigur introjiziert wird, wird die Gottheit als Mutter erscheinen, man sieht sie eher hilfreich und nährend denn als disziplinierend. In der Folge besitzen die Frauen hier einen hohen Status. Autorität ist nicht gefragt, und, wie in einer Familie von Kindern, werden die Männer in ihren Augen alle gleich wichtig sein, wieviel sie auch untereinander streiten mögen.

Es schien nötig, für die beiden Schemata eine Bezeichnung zu finden, und ich schlug vor, sie paternistisch und maternistisch zu nennen.

Der Paternismus vereinigt zwei Ideen: Hierarchie und Disziplin. Das Individuum fügt sich in diese Organisations­struktur ein, in der die Befehle von oben kommen und für fast jede Art von Situation Regeln bestehen. Die Armee ist das klassische Beispiel für eine paternistische Struktur, die römisch-katholische Kirche ist ein weiteres.

* Hierbei denke ich an das männliche Kind: im Fall von Mädchen liegt die Sache etwas anders, da ihr erstes Liebesobjekt — ihre Mutter — von ihrem eigenen Geschlecht ist. Um jedoch den maternistischen Trend in der Gesellschaft zu verstehen, brauchen wir uns nicht mit dieser Variante zu beschäftigen.


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Beide sind in Reihen oder Schichten organisiert, die Individuen auf der einen Ebene haben den Befehl über die unmittelbar unter ihnen Stehenden und sind demjenigen gegenüber verantwortlich, der unmittelbar über ihnen steht. Im Gegensatz dazu sieht der Maternismus das Individuum als frei von allem äußeren Zwang und daher offensichtlich allen anderen Individuen gleich — in dem Sinn, daß sie keine Autorität haben noch eine anerkennen. Der Paternist kann die Regeln, die er lernt, seiner Persönlichkeit einverleiben, wo sie als Gewissen (oder Über-Ich) bekannt werden, und die Disziplin wird zur Selbstdisziplin. Der Maternist reagiert im Gegensatz dazu nur auf innere Impulse, die eher vom Es als vom Über-Ich kommen.

Eine zweite Konsequenz ist die, daß der Paternist zu dem Wunsch tendiert, die Vergangenheit als das Werk seiner Vorväter zu erhalten. Es gilt nicht als weise, an etwas herumzubasteln, das unsere Väter eingerichtet haben. So ist der Paternist ein Konservativer — jemand, der wünscht, die Vergangenheit unverändert zu bewahren. Er hegt den Verdacht, daß jede Veränderung zum Schlechten führt. Daher ist seine Haltung von Natur aus pessimistisch.

Wir können feststellen, daß sich aus dem Zwang und der Disziplin des Paternismus auch eine Gezwungen­heit in Bewegung, Geste und Stimme ergibt, während der Maternist typisch frei und leicht, voll schneller unbehinderter Bewegung ist. Die ernste Gangart des Puritaners, der über Laufen und Lachen die Stirn runzelt, steht in scharfem Kontrast zu den tänzerischen Bewegungen und den heiteren Liedern des Maternisten. Tatsächlich sind Tanz, improvisierte Musik oder Lieder spezifisch maternistische Betätigungen, während das Marschieren (oder besser noch das Stillsitzen) und solide, starkorganisierte Leistungen wie etwa in der Architektur nach dem Geschmack der Paternisten sind.

Eine Eigenheit paternistischer Perioden, die sich aus der Ödipus-Situation ergibt, ist das Vorhandensein von Eifersuchtsgefühlen, die von der Gesellschaft sanktioniert werden. In solchen Zeiten wird von einem Gatten, dessen Frau Ehebruch beging, erwartet, daß er sowohl sie wie ihren Verführer tötet; normalerweise wird das auch entschuldigt. 


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Selbst heute noch behandelt das französische Strafrecht den Täter bei einem crime passionel leichter als einen gewöhnlichen Mörder. Die Theaterstücke solcher Perioden beschäftigen sich, besonders in Ländern wie Italien, mit Eifersuchtssituationen. Es ist daher kein Zufall, daß die paternistische Religion die Gottheit als <eifersüchtigen Gott> beschreibt — das war die erwartete Haltung einer Vatergestalt.

In maternistischen Perioden scheint eine solche Eifersucht zu verschwinden. Der betrogene Gatte mag eine Gereiztheit empfinden, sogar eine starke Enttäuschung und ein Gefühl der Ablehnung, aber nicht Eifersucht. Vereinfachte Scheidungen ermöglichen es einem Mann (oder einer Frau), eine Reihe von Ehegefährten zu haben, eine Situation, die als >Serien-Polygamie< bezeichnet wurde. Das scheint ein Zwischenstadium bei der Entwicklung zur wahllosen Geschlechtsbeziehung zu sein. Wenn wir weitergehen, finden wir Frauentausch, Gruppensex und so weiter, ein Hinweis auf das völlige Fehlen von Besitzgefühlen in der sexuellen Sphäre. Während der Frauentausch der Ausweg der Verheirateten ist, genügt für die unverheirateten Jungen der wahllose Geschlechtsverkehr; die zunehmende Zahl unehelicher Schwangerschaften sowie die steigende Abtreibungsquote sind ein hinreichender Beweis dafür.

So tendiert, wie Anthropologen nachgewiesen haben, die maternistische Gesellschaft dazu, Vergehen gegen die Nahrungsversorgung ernster zu nehmen als solche gegen das Eigentum, während die paternistischen Gesellschaften den gegenteiligen Standpunkt einnehmen. Wieder ist es bemerkenswert, daß paternistische Gesellschaften durch Homosexualität stark schockiert werden, während maternistische Gesellschaften gegenüber Homosexualität tolerant sind, aber durch Blutschande alarmiert werden. Auch das ergibt sich aus der psychoanalytischen Theorie. (Die leichtlebigen Trobriander, die Malinowski studiert hat, machten sich beispielsweise große Sorgen wegen der Blutschande und hatten ausführliche außereheliche Verhaltensregeln.)

Des weiteren habe ich argumentiert, daß Gesellschaften nicht notwendigerweise auf unbestimmte Zeit paternistisch oder maternistisch bleiben, sondern sich von der einen Position zur anderen bewegen oder für beträchtliche Zeitspannen in einer Mittelposition verharren: das ist tatsächlich die am häufigsten anzutreffende Situation.


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Ehe wir damit beginnen, die zeitgenössische Situation zu bewerten, wollen wir die bisherigen Feststellungen in Tabellenform zusammenfassen:

 

Paternismus

restriktiv, bes. Sex

autoritär

hierarchisch

Frauen niedriger Status

konservativ

Blick in die Vergangenheit gerichtet

pessimistisch, depressiv

Selbstbeherrschung geschätzt 

Homosexualität tabu 

düstere Farben, formelle Tracht 

sexuelle Eifersucht 

Himmelvater-Religion 

Maternismus

duldsam., bes. Sex

demokratisch

egalitär

Frauen hoher Status

anpassungsfähig

Blick in Gegenwart und Zukunft gerichtet

optimistisch, euphorisch

Spontaneität geschätzt

Blutschande tabu

helle Farben, zwanglose Kleidung

Fehlen von Eifersucht

Erdmutter- oder pantheistische Religion 

Wie wir später sehen werden, sind noch andere Unterscheidungsmerkmale zu finden, für unseren augenblicklichen Zweck genügt jedoch diese Liste.

 

  

   3  Unser maternistisches Zeitalter    

 

Wenn wir uns die zeitgenössische Szene ansehen, können wir sehr leicht feststellen, daß all diese Kriterien ohne Ausnahme auf eine bezeichnende Wendung zum Maternismus hindeuten; am auffälligsten ist das natürlich bei den Jungen, unserer kommenden Generation.

Es ist kaum nötig, detaillierte Beweise dafür vorzubringen, daß die Haltung gegenüber dem Sex und dem Verhalten im allgemeinen viel duldsamer geworden ist. Genauso offensichtlich ist, daß die Kleidung hellfarbig und zwanglos ist. Die steigende Toleranz gegenüber Homosexualität (aber nicht gegenüber der Blutschande) wird durch Änderungen in den Gesetzen bezeugt.


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Man braucht nicht durch die Existenz von Frauenbewegungen den steigenden Status der Frauen zu beweisen, der mehr im Sinn ihrer Identität mit Männern als in bloßer Bewunderung ihrer Eigenschaften zu verstehen ist; die Bewegung begann im letzten Jahrhundert mit Amelia Bloomer und ihren Suffragetten. Vor allem ist die Forderung nach Gleichberechtigung und die völlige Ablehnung von Klassen- oder Hierarchieunterschieden weitverbreitet: die Jungen führen das einfach noch weiter, wenn sie das Recht ihrer Lehrer zu unterrichten ablehnen und ihre eigene Unterrichtung selbst organisieren wollen. Den Wunsch nach Euphorie kann man in dem Verlangen nach Rockmusik sehen, welche die intellektuelle Aktivität blockiert und den Geist für Impulse und euphorische Empfindungen aufschließt.

Auch Drogen bewirken das, obwohl hier noch andere Faktoren, einschließlich des Wunsches, der Autorität zu trotzen, beteiligt sind. (Den Autoritäten, wie sie sich selber beschreiben, scheint der Gedanke noch nicht gekommen zu sein, daß ein Verbot in einem maternistischen Zeitalter die beste Garantie ist, daß die Menschen es tun.)

Wir sorgen uns jetzt allgemein mehr über Not und Ernährung, als das vor einem Jahrhundert der Fall war, während Verbrechen gegen das Eigentum, die früher mit Deportation und in einigen Fällen sogar mit der Todesstrafe belegt wurden, heute in der Regel nur leicht geahndet werden*.

Der einzige noch bezweifelbare Punkt ist der Austausch einer strengen Himmelsvater-Religion gegen eine hilfreiche Erdmutter-Religion. Es trifft sicher zu, daß der Himmelvater in Verruf ist. Der <eifersüchtige Gott> des Alten Testaments ist zu einer hilfreichen Form verwässert worden, man hat die Hölle beiseite gelegt, und der <sanfte Jesus> bildet das Zentrum einer Religion für jene, die noch den alten Formen folgen. 

* Ein Mann aus Brisbane, 20, wurde in Australien zum 96. Mal überführt und in 20 Punkten zu 140 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anklagen umfaßten Diebstahl und Einbruch. Der Richter empfahl, daß der Mann nach 3 1/2 Jahren auf Bewährung freigelassen wird. (Manchester Guardian, 18. Januar 1972)


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Viele Menschen haben jedoch das traditionelle Christentum für einen vagen Humanismus oder Atheismus aufgegeben. Andere glauben an eine schlecht­definierte Kraft des Guten. Am Ende der Skala finden wir aber eine orgiastische Haltung, die an eine Fruchtbarkeitsreligion erinnert.

Die Erdmutterreligionen der mediterranen Welt, auf die ich mich bezogen habe, waren natürlich Fruchtbarkeits­religionen, die durch gelegentliche Orgien gekennzeichnet wurden — aber diese Orgien waren nicht bloße Sinnlichkeit. In dem Sexualakt sah man eine Manifestation des Lebens und der Gottheit, die mit dem Leben identifiziert wurde: ihn rituell zu vollziehen, war ein Sakrament und gleichzeitig ein magischer Akt, der die Fruchtbarkeit im allgemeinen gewährleistete. Der Gott wurde durch den Mann fruchtbar, während der Mann als Ergebnis im gewissen Maß zum Teil der Gottheit wurde. Das war nicht sehr weit vom Pantheismus entfernt. Gleichzeitig wurde die Frau, die fruchtbar gemacht wurde, mit der Erde assimiliert. Wie Shakespeare sagte: »Und wenn sie kärgerer Boden wäre als sie ist, ich will sie pflügen.« 

Das ekstatische Element im Sex wird sicherlich von einigen der extremeren Verfechtern der neuen Doktrin betont. So erklärt Timothy Leary in <The Politics of Ecstase> (Politik der Ekstase): »Die drei unausweichlichen Ziele einer LSD-Sitzung sind es, Gott zu entdecken und zu lieben, sich selbst zu entdecken und zu lieben, und eine Frau zu entdecken und zu lieben... Einer der wichtigsten Zwecke einer LSD-Sitzung ist die sexuelle Vereinigung.« Und: »Vergiß nicht, dein Körper ist das Königreich des Himmels«

Es gibt keinen Zweifel, wir leben sicherlich in einem Zeitalter des wachsenden Maternismus. 

Oberflächlich ausgedrückt, kann man sagen, daß ein Jahrhundert zu gegebener Zeit etwas paternistisch oder etwas maternistisch ist. Wenn wir uns natürlich ein spezifisches Land, besonders wenn es groß ist, genau ansehen, werden wir feststellen, daß es aus Gruppen besteht, die in ihrer Position auf der paternistisch-maternistischen Skala beträchtlich voneinander differieren können. Das ist in bemerkenswerter Weise in den USA von heute der Fall. 


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Einige der Jungen befinden sich am äußersten Ende der maternistischen Skala, andere dagegen sehr viel weniger, und einige sind ziemlich konservativ, besonders in Staaten wie Utah und Idaho, wo der mormonische Einfluß stark ist. An dem paternistischen Ende der Skala finden wir die John-Birch-Gesellschaft und den Ku-Klux-Klan genauso wie die <Arbeiter mit dem steifen Hut> und viele Reiche, besonders an der Westküste. Andere wieder haben die sexuelle und verbale Duldsamkeit und die Vernachlässigung der Konvention übernommen, besonders in den halbreichen Vororten der Großstädte — allerdings ohne das Element des Protests und der aktiven Ablehnung der Autorität.

Trotz dieser Varianten können wir aber immer noch wahrheitsgemäß sagen, daß sich der Durchschnitt oder die Norm in den USA und Europa zum Maternismus hin verschoben hat. Das ist nicht bloß eine Frage des privaten Verhaltens. Vor einem halben Jahrhundert wurden Fabriken und Firmen auf eine bezeichnend autoritäre Art geleitet. Der Angestellte tat einfach, was man ihm sagte, oder er <flog hinaus>. Heute werden die Angestellten ausführlich konsultiert, die Gründe für Anordnungen werden in allen Einzelheiten erklärt, in einigen Fällen wird die gesamte Arbeit gemeinsam geplant. Wenn der Trend jedoch noch weiter geht und die Angestellten in erster Linie über ihre persönliche Bequemlichkeit anstelle der Bedürfnisse der Gruppe beraten, wird sich die Lage für alle verschlechtern. 

Wir sehen die Warnsignale darin, daß man sich ohne Vorankündigung frei nimmt, das stößt den Produktionsplan um und vergeudet die Zeit derer, die gekommen sind, als Folge aber nicht arbeiten können. (Wenn der Mann, der den Förderkorb oder Schachtlift in einer Kohlenzeche bedient, nicht zur Arbeit erscheint, wird das ganze Bergwerk oder der betreffende Teil stillgelegt.) Streiks von Schlüsselarbeitern oder Gruppen von Arbeitern haben eine ähnliche Auswirkung. Ähnliches herrscht in Schulen, die, früher auf einer völlig autoritären Basis geleitet, jetzt eine viel duldsamere und demokratischere Atmosphäre haben; die Schüler werden nach ihren Wünschen gefragt.

Während sich die Masse der Bevölkerung in dem letzten halben Jahrhundert sichtlich in die maternistische Richtung bewegt hat, stellt in den USA die Existenz von verstockten paternistischen und entschlossenen maternistischen Gruppen, die beide mehrere Millionen zählen, eine soziale Trennung dar, die potentiell sehr gefährlich werden kann.


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Ich glaube, daß in Europa noch mehr Homogenität herrscht. Vielleicht ist das am wenigsten in Frankreich der Fall, wo die gesamte Verwaltungs- und Erziehungs­maschine in ihrer ganzen Konzeption um ein Jahrhundert veraltet ist. (Obwohl das für einen Amerikaner oder Briten schwer glaublich ist, schlägt in jeder französischen Schule an einem gegebenen Tag zu einer gegebenen Stunde in einer gegebenen Klasse jeder Schüler das gleiche Lehrbuch an der gleichen Seite auf.) Auch Holland mit seiner starken protestantischen Tradition scheint scharf geteilt zu sein. In Großbritannien hat es andererseits (mit Ausnahme der Justiz, die extrem paternistisch geblieben ist) beträchtliche Modifikationen der Haltung sogar in der Armee und bei der Polizei — und noch mehr im Erziehungswesen — gegeben. 

Großbritannien hat eine alte Tradition darin, neue Elemente in die herrschende Klasse zu absorbieren: das wurde durch seine pragmatische Tendenz zum common sense, dem gesunden Menschenverstand, und dem Widerwillen ermöglicht, sich durch abstrakte Prinzipien regieren zu lassen. Sicher, Großbritannien hat auch seinen Mosley und seinen Powell und eine kleine Gruppe Konservativer der extremen Rechten — interessanterweise werden sie übrigens zum großen Teil von Frauen unterstützt. Und während die Gewerkschaften im wesentlichen paternistisch bleiben, sind sie weniger militant als die >harten Hüte< Amerikas. (Natürlich sind sie in Fragen der Löhne militant, aber nicht allgemein hinsichtlich der Haltung und der Sitten.)

Es wäre interessant, mehr über die Situation in der Sowjetunion zu erfahren, wo eine paternistische Regierung im Konflikt mit einer maternistischen Jugend liegt. Wo ihnen aber nackte Gewalt frei zur Verfügung steht, können organisierte Paternisten unorganisierte Maternisten immer zerschmettern, da die Maternisten von Natur aus der Ordnung unfähig sind (vergleiche die Zerschlagung der mittelalterlichen Bewegung in der europäischen Geschichte).


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Den heutigen Trend zur Freiheit als bekanntes historisches Phänomen zu identifizieren, ist bereits ein kleiner Schritt nach vorn; er bietet die Möglichkeit, ihn besser bewerten zu können. Mehr noch ermöglicht er uns, die wahrscheinliche Zukunft zu sehen, denn die Geschichte deutet an, daß automatisch ein Gegenausschlag des Pendels erfolgt, wenn die Gesellschaft zu anarchistisch wird. Erschreckt wenden sich die Menschen dann einem starken Herrscher oder einem Diktator zu, der der Gesellschaft Ordnung und Zielsetzung wiedergibt. Die Gesellschaft kommt so aus dem Feuer, nur um sich in der Bratpfanne wiederzufinden. Das ist heute eine echte Gefahr.

Die kritische Frage lautet: wird sich der Trend zum Maternismus fortsetzen, oder wird ein plötzlicher Rückschlag erfolgen? Um das zu beantworten, müssen wir die Ursachen untersuchen, die Bewegungen dieser Art entstehen lassen. Die vorangehende Analyse erklärt auch überzeugend eine Anzahl anderer Einzelzüge der zeitgenössischen Szene, die die Menschen oft verwirrend finden.

   

   4  Weitere Aspekte   

 

Eine Untersuchung der paternistischen und maternistischen Phasen in der Geschichte ergibt die ziemlich unerwartete Tatsache, daß es in paternistischen Phasen einen starken Unterschied in der Kleidung und der Erscheinung von Männern und Frauen gibt, während sich in maternistischen Perioden das Aussehen der beiden Geschlechter sehr ähnelt. Selbst wenn man sie nur als Silhouette gegen den Horizont sah, konnte man die Umrisse eines viktorianischen Mannes nie mit denen seiner Frau verwechseln. In dem maternistischen Zeitalter Karls II. wurde die Kleidung der Geschlechter (wenn auch nicht die der paternistischen Puritanergruppe) erstaunlich ähnlich. 

Männer und Frauen trugen kunstvolle Spitzenkragen, breitkrempige Hüte mit Federn und Schnallenschuhe. Sicher, die Hose des Mannes unterschied sich, wenn sie auch gebauscht war, von den Röcken seiner Frau, aber das Material und die Farben waren die gleichen. Heute ist die Anpassung im Erscheinungs­bild der beiden Geschlechter, wie jedermann weiß, besonders augenfällig. In Kleidung wie in Haartracht sind die beiden oft nicht zu unterscheiden. So seltsam einige Menschen das finden mögen, es war durchaus voraussagbar, und tatsächlich habe ich es auch schon 1954 in meinem Buch <Im Garten der Lüste> prophezeit.


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Die paternistische Kleidung ist wegen der Furcht vor Spontaneität im Aussehen formell und in den Farben zurückhaltend. Die maternistische Kleidung ist extravagant in Farbe und Schnitt, höchst persönlich gehalten, der Stil wechselt häufig. Wir müssen nur an die Puritaner mit ihrem Grau und Braun oder die düstere Tracht der Mönche und Klosterbrüder (das Wort <düster> ist hier bezeichnend) denken, um den Gegensatz zu den Formen und Farben einer maternistischen Periode wie der unseren zu begreifen. Der Paternist legt auch gern die Kleidung fest und schreibt genau vor, was getragen werden soll; die Armee und Kirche verhalten sich ebenso. Die Viktorianer legten die Männerkleidung so sehr fest, daß ein Unterschied in der Zahl der Knöpfe am Ärmelaufschlag oder die Art, wie man einen Schuh befestigte, genau beachtet und getadelt wurde.

Obwohl sich 1954 die Frauenkleidung der der Männer anglich, zeigten die Männer überraschenderweise keine Parallelbewegung zur Weiblichkeit hin. Jetzt ist diese Bewegung eingetreten, die psychologische Erklärung ist ziemlich offenkundig. Die Männer wünschen die weiblichen Maßstäbe zu erfüllen, wenn sie sich ein feminines Modell aneignen, während diejenigen, die sich mit einer männlichen Figur identifiziert haben, fürchten, für unmännlich gehalten zu werden.

Kleider sind jedoch nur das äußere und sichtbare Zeichen für den Wunsch der beiden Geschlechter, sich einander zu nähern: bezeichnender ist der Verhaltenstrend, das Leben auf die gleiche Art zu erfassen, Arbeitsplätze für beide Geschlechter zu öffnen (während unter dem Paternismus gewisse Arbeitsplätze entschieden für Männer und andere ausschließlich für Frauen bestimmt sind) und ganz allgemein der Wunsch, eine Gleichheit zwischen den Generationen zu erreichen, oder genauer vielleicht eine Identität — wie es das Wort <Unisex> so gut ausdrückt.

Ein kleiner, aber bezeichnender Unterschied zwischen Maternisten und Paternisten besteht in der Vorliebe der Maternisten für <Zottigkeit> und der paternistischen Vorliebe für Glätte, Vorlieben, die sich nicht nur im Hinblick auf das Haar, sondern auf Ordentlichkeit und Formalität im allgemeinen zeigen. 


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Mary Douglas, die diesen Kontrast bemerkte, interpretiert ihn einfach als Ablehnung einer Norm: Maternisten sind zottig, sagt sie, weil sie die paternistische Form ablehnen. Aber in der Sache steckt mehr. Wir stellen zum Beispiel fest, daß der Paternist eine friedliche ordentliche Landschaft und der Maternist wilde Romantik, Rauhheit, strahlende Farben, ja sogar Ruinen und Verfall bewundert. Die ragende Klippe, gekrönt von einer wildzerzausten Fichte über einem donnernden Wasserfall, zieht sie mehr an als eine friedliche Wiese oder Schiffe vor Anker. So sehen wir, wie die formalen Blumenbeete und die hübschen, zurechtgeschnittenen Gärten des siebzehnten Jahrhunderts dem natürlichen asymetrischen Landschaftsbegriff im achtzehnten Platz machen. 

Schon 1712, argumentierte Addison für die »schöne Wildheit der Natur« gegen die »hübschere Eleganz der Kunst«. Er liebte »Bäume und Büsche, die frei wuchsen«, und einen Bach, der so fließt, »wie er es auf einem offenen Feld tun würde«. Zum Ende des Jahrhunderts bewunderte Uvedale Price in seiner klassischen Aussage <On the Picturesque> die »Belebung windzerzauster Bäume«, er zog tote und verfallende Bäume lebenden vor, »da sie die Vielheit von Färbungen, von milden und strahlenden Lichtern zeigen, mit tiefen und eigenartigen Schatten, die gesunde Bäume nicht aufweisen können«. Die Paternisten graben natürlich mit Blick auf die Funktion die toten und verfaulenden Bäume aus und pflanzen neue.

Kurzum, das maternistische Gefühl für Zottigkeit geht auf die Grundvorliebe der Maternisten für Spontaneität und Bewegung als Gegensatz zu Disziplin und Planung zurück. Die wilde, ungezähmte Szenerie spiegelt seine eigenen uneingeschränkten Impulse wider. Tatsächlich gelangt er dazu, den Impuls als etwas positiv Gutes anzusehen und in sich nach neuen Erfahrungen zu suchen — von daher rührt auch die Lockung der den Geist verdrängenden Drogen. Der wilde, wütende Akt gewinnt allmählich eine gewisse eigene Schönheit, praktisch aus dem gleichen Grund, aus dem sie eine wilde wütende Landschaft besitzt: sie beweist die Kraft und die Freiheit vom Zwang seiner persönlichen Impulse.


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Eine weitere Unterscheidung verdanke ich Piers und Singer, deren bedeutendes kleines Buch <Shame and Guilt> (Scham und Schuld) leider zu wenig bekannt ist. Diese Schriftsteller, der eine Soziologe, der andere Psychologe, stellten fest, daß Gesellschaften dazu tendieren, sich entweder durch Scham oder durch Schuld regulieren zu lassen. 

Scham kann als eine Reaktion auf den Verlust an gesellschaftlicher Billigung definiert werden, Schuld dagegen aus dem Versagen, einen innerlich festgesetzten Maßstab, das heißt die Forderung des Gewissens zu erfüllen. Während die nur von einem Gefühl der Scham motivierte Person darauf vorbereitet ist, jede von der Gesellschaft gebilligte Handlung auszuführen, ist die schuldbeladene Person bereit, der öffentlichen Meinung zu trotzen, um ihren privaten Begriff von dem, was recht ist, zu wahren. Wir können diese Unterschiede klar in der Geschichte sehen: die von Schuld gequälten Puritaner trotzten den sozialen Kodizes und griffen sie an, während im achtzehnten Jahrhundert der Begriff der <Ehre> eine Beschäftigung mit den Meinungen anderer widerspiegelt.

Heute hören wir oft, wie ein leichtes Fehlverhalten durch das Argument verteidigt wird: »Nun, das machen doch alle!« Diebstahl im kleinen Ausmaß, Bestechung, Täuschung, Mangel an Rücksichtnahme und so weiter, die ein gewissenhafter Mensch vermeiden würde, sind allzu allgemein geworden. Wir befinden uns in einer Scham- und nicht in einer Schuld-Gesellschaft. Wenn die Anhänger der Neuen Linie prahlen, daß wir die Schuld losgeworden seien, erkennen sie nicht, daß sie die Erlangung der Guten Gesellschaft erschwert und nicht erleichtert haben. Wieder liegt die Erklärung in Begriffen der Verinnerlichung einer strengen Vater-Figur.*

Mein dritter Punkt führt zwei Gebiete der menschlichen Tätigkeit zusammen, die stets und heute mehr denn je in Konflikt liegen: Kunst und Moral.

* Genau genommen lagert das Schuldgefühl direkt über dem Schamgefühl, so daß der Paternist auf die öffentliche Meinung reagiert, wenn Schuldgefühle nicht einbezogen sind oder wenn die öffentliche Meinung bekräftigt wird. »Was wird Mrs. Grundy sagen« (aus Speed the Plough, 1796) wurde im neunzehnten Jahrhundert zur stereotypen Wendung, weil es dieses Bewußtsein der öffentlichen Zensur ausdrückte.


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Der Konflikt wird verständlich, wenn wir zu der Erkenntnis gelangen, daß der Paternist die Kunst nach moralischen und der Maternist das menschliche Verhalten nach ästhetischen Maßstäben beurteilt. Als ein französischer Schüler und eine Lehrerin mittleren Alters in eine verrückte Leidenschaft zueinander verfielen und ein gemeinsames Leben begannen, obwohl das verhängnisvolle Folgen für die Erziehung des einen und die Karriere der anderen hat, hielten viele junge Leute das für <schon>, und die Verfilmung lockte große Besuchermengen an. Umgekehrt werden Phrasen wie <Das ist nicht sehr hübsch> oft verwendet, um ein unmoralisches Verhalten zu beschreiben. Wie der Paternist buchstäblich moralische Maßstäbe auf die Kunst anwendet, bezeugt auf amüsante Art Dr. Johnsons Einwand gegen Serpentinenwege, die, wie er glaubte, die Entfernung zwischen zwei Punkten länger zu machen suchte, als sie es wirklich ist. »Eine Lüge, Sir, ist eine Lüge«, sagte er, »ob es nun eine Lüge für das Auge ist oder eine für das Ohr.«

Weil die Hauptbeschäftigung des Paternisten die Moral ist, gibt er Kunstprodukten einen moralischen Zweck. So müssen Bücher und Bilder <den Geist verbessern>. Paternisten brauchen keine Bilder zu malen, aber sie brauchen Gebäude, so daß die These in der Architektur besonders klar bewiesen wird. Die frühen christlichen Kirchen wurden gebaut, um gewisse Bedürfnisse zu erfüllen — sie waren funktionell — und benützten gleichzeitig den Symbolismus, um eine Botschaft zu predigen. Sie waren wie ein Kreuz geformt, und sie wiesen in die Richtung von Jerusalem. Die Gemälde und die Schnitzereien versuchten keinen Naturalismus, sie waren einfach Piktographen oder Cartoons, die eine moralische Botschaft vermittelten. Als sich das große Zeitalter der gotischen Kathedralen entwickelte, wurden Dekorationen um der Dekorationen willen allgemein. Im achtzehnten Jahrhundert schließlich waren Kirchen nur noch selten kreuzförmig und schauten oft in die Richtung, die die Ästhetik ihrer Lage erforderte.

Im Gegensatz dazu opfert der Maternist die Moral und sogar die funktionelle Wirksamkeit ästhetischen Maßstäben. In Vanbrughs großem Palast von Blenheim ist die Küche vierhundert Meter vom Speisesaal entfernt.


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Wenn wir diese Unterscheidung würdigen, werden viele Dinge klar: wir können beispielsweise sehen, warum die funktionelle Architektur der Bauhaus-Schule in dem paternistischen Deutschland als Reaktion auf die maternistischen Exzesse der französischen Surrealisten entstand. So gerne ich diese künstlerischen Hinweise noch weiter untersuchen möchte, ist es hier vor allem meine Absicht, Licht auf unsere eigene Gesellschaft zu werfen. Ich brauche also nur festzustellen, daß die moderne Neigung, das Verhalten nach ästhetischen Maßstäben zu bewerten, genauso gefährlich ist wie die Gewohnheit, Kunst nach moralischen Maßstäben zu beurteilen.

Das ist um so mehr der Fall, wenn es zu den motivlosen Morden eines Manson oder dem <Mord des Erschauerns> von Leopold und Loeb führt. Die Wahrheit ist, daß wir immer beide Aspekte im Auge behalten müssen, Gebäude und Maschinen sollten zugleich funktionell und ästhetisch sein. Ein Film mag moralisch verderblich, aber doch schön sein, das eine entschuldigt das andere nicht.

Aus der paternistisch-maternistischen Theorie kann man noch eine Anzahl weiterer Schlußfolgerungen ziehen, ich will mich aber nur auf eine einzige weitere beschränken, da sie mir für meinen Hauptzweck, der Planung einer besseren Gesellschaft, relevant erscheint. Ich will sie ziemlich pathetisch die >Doktrin vom Fall und dem Glauben an ein Goldenes Zeitalter< nennen.

Der Paternist, wenigstens der in der westlichen Gesellschaft, glaubt, daß es einst ein Goldenes Zeitalter gab, ein Paradies, in dem alles vollkommen war: Pflanzen wuchsen ohne alle Mühe, es gab keinerlei Aggression, das Klima war mild und so weiter. Er hat das Gefühl, daß die Dinge <nicht mehr sind, was sie waren>, daß das Land vor die Hunde geht. Dieser depressiven Haltung kann teilweise bis zur sexuellen Frustration nachgespürt werden, die er durch seine restriktive Moral schafft. Freud lehrte uns, daß Repression Depression verursacht. Und Psychoanalytiker würden sagen, daß die Vision eines friedlichen, mühelosen Zeitalters eine Erinnerung an die Kindheit oder sogar an das Leben im Mutterschoß ist.


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Im Gegensatz dazu hat der Maternist wenig Respekt vor der Vergangenheit: Zeugen dafür mögen unsere Studenten sein mit ihrer Ablehnung der Geschichte als <irrelevant> und ihrer Überzeugung, daß ihnen selbst die unmittelbar vorausgehende Generation nur wenig zu lehren hat. Der Maternist lebt für die Gegenwart und neigt zum Optimismus hinsichtlich der Zukunft. So ist die Orientierung der zwei Gruppen gegenüber der Zeit ganz verschieden. 

Der Paternist schaut nicht nur in die Vergangenheit zurück — kraft seiner Selbstbeherrschung ist er in der Lage, die Befriedigung aufzuschieben. Daher vermag er große Arbeiten in Angriff zu nehmen, deren Vollendung viele Jahre erfordern oder, wie im Fall der mittelalterlichen Kathedralen, sogar viele Lebensspannen, so daß die, die das Werk begannen, die Früchte ihrer Arbeit nie zu Gesicht bekamen. Ich erinnere mich an den großartigen Garten in Inverewe an der sturmgepeitschten Nordwestküste von Schottland, dessen Errichtung drei Generationen umfaßte. Der Gründer, Osgood Mackenzie, pflanzte nur Schutzgürtel aus Blumen, ohne die kein Garten möglich war. Sein Sohn pflanzte die Sträucher und Zierbäume, sein Enkel vervollständigte die Aufgabe. (Wen gibt es in unserem maternistischen Zeitalter, der ein solches Projekt in Angriff nehmen würde?)

Der Maternist zieht es vor, sich in spontanen Formen auszudrücken, die ein Minimum an Vorbereitung erfordern, wie bei einem zwanglosen Tanz, bei dem es keine feststehenden Tanzfiguren gibt, oder bei improvisierter Musik. In der Malkunst würde er lieber eine nackte, mit Druckerschwärze beschmierte Frau über einen Bogen Papier walzen, als kunstvoll wie Leonardo eine Perspektive zu planen oder wie Michelangelo mit unendlicher Sorgfalt einen Marmorblock zu bearbeiten. Die kurzfristige Zeitperspektive des Maternisten macht es ihm unmöglich, Utopias zu errichten. Er mag sie sich vorstellen und sie fordern, aber Paternisten übernehmen die Revolution und stehen sie durch — bis zu einem paternistischen Abschluß.

Man könnte daher sagen, daß sich der Maternist auf das Sein, der Paternist aber auf das Tun konzentriert; erst in jüngster Zeit sind sich viele Anhänger der Neuen Linie dieses Unterschieds bewußt geworden und behaupten mit Befriedigung, daß sie <Sein-Menschen> und keine <Tun-Menschen> sind. Wir werden jedoch noch feststellen, daß das kein Grund zum Stolz ist, denn es gibt eine dritte Möglichkeit, die viel konstruktiver ist.


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  5  Die Mittelpositionen   

  

In der ersten Begeisterung darüber, daß sie sich von den starren und wahrscheinlich veralteten paternistischen Kontrollen befreit haben, verfallen viele Menschen in den Irrtum, den Maternismus als Ideal anzusehen, als einen Zustand, den man anstreben sollte. Die Freiheit ist berauschend, und wir haben das Gefühl, daß wir von ihr nicht genug bekommen können. Die Lektion der Geschichte — und die Geschichte hat für uns Lektionen, wenn wir sie nur richtig betrachten — lautet, daß die Gesellschaft am besten und am schöpferischsten funktioniert, wenn es einen Ausgleich von Vater- und Mutter-Introjektionen gibt. Die Positionen in der Mitte sind die besten.

Als sich Europa von den paternistischen Beschränkungen des Mittelalters losriß, war das ein schöpferischer Ausbruch. Besonders stark war er in England, das die Herrschaft der katholischen Kirche ablehnte, ohne in das Feuer des calvinistischen Puritanismus zu fallen. Das >elisabethanische Zeitalter< ist zum Synonym für eine Periode kühnen Strebens geworden. Und es steht völlig im Einklang mit meiner Theorie, daß der schöpferische Ausbruch zuerst in Italien in Erscheinung trat und dort seine höchsten künstlerischen Gipfel erreichte, in einem Land also, das seit langem dazu tendiert hatte, ein maternistisches Element zu entfalten, wie wir das aus der Entwicklung des Kults der Jungfrau Maria vom elften Jahrhundert an ableiten können. Im Denken des Volkes warf sie, wie Robert Briffault nachgewiesen hat, ihre spezifisch christlichen Attribute ab und wurde zu einer hilfreichen Mutterfigur, deren Hilfe angeblich sogar so weit ging, daß sie den Platz im Bett einer ungetreuen Frau einnahm, damit der Gatte nicht bemerkte, daß diese in Wirklichkeit bei ihrem Liebhaber war! Sie genoß die gleiche Verehrung wie Ceres, ihr wurden Kuchen als Fruchtbarkeitssymbole präsentiert, und sie stand in dem Ruf, Impotenz kurieren zu können.

Ähnlich wie beim Zusammenbruch der viktorianischen Beschränkungen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts finden wir mit dem Zusammenbruch des römischen Paternismus im ersten Jahrhundert eine Periode neuer Entwicklungen, kühner Projekte und künstlerischer Leistungen.


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Der Grund ist nicht schwer zu entdecken. Der extreme Paternismus hemmt den kreativen Drang; sowohl auf der individuellen wie auf der gesellschaftlichen Ebene sind Neuerungen unerwünscht und werden entmutigt. Der extreme Maternismus andererseits entwickelt schöpferische Impulse, ihm fehlt aber die Selbstdisziplin, sie bis zur Erfüllung durchzuführen. Wenn Menschen immer den Impulsen des Augenblicks nachgeben, wird niemand das Korn für das nächste Jahr pflanzen oder die Techniken erlernen, die die Gesellschaft zivilisiert machen. 

Wenn man das Auto zum Service bringt, ist es wünschenswert, daß der Mechaniker das Öl und die Brems­flüssigkeit mit der puritanischen Aufmerksamkeit für das Detail prüft. (Vielleicht ist das der Grund, warum die Ingenieure britischer Dampfer so oft Schotten waren!) Auf der anderen Seite wird eine Gesellschaft, in der alles Verhalten vorgeschrieben ist, starr: wenn die Umstände sich ändern, sind ihre Gewohnheiten der neuen Situation unangemessen, doch lassen sie sich nicht anpassen. Diese Gesellschaft wird wahrscheinlich an Versteinerung zugrunde gehen, genauso wie die spontane Gesellschaft zugrunde gehen wird, weil sie sich ihren Problemen gegenüber allzu gleichgültig verhält.

Väter und Mütter haben beide etwas für die Psyche des Kindes beizutragen, und erst aus der Integration beider Beiträge entsteht Größe. Das Genie basiert auf einer derartigen Synthese, wie wir es bei einem Mann wie Johann Wolfgang von Goethe sehen. Wie der Psychoanalytiker Eduard Hitschmann im Detail nachgewiesen hat, vereinigte Goethes Persönlichkeit Elemente von seinem strengen, ernsten und fleißigen Vater und seiner heiteren und liebevollen Mutter. Sein äußerstes Selbstvertrauen basierte auf der nie wankenden Unterstützung und Bewunderung seiner Mutter, sein innerer Schwung und seine vielseitigen Interessen waren jedoch direkt von seinem Vater Kaspar abzuleiten. Diesem fehlten trotz seines Fleißes und seiner Neugier die Energie und die Spontaneität, um schöpferische Resultate zu erzielen, er war gezwungen, sich in seinem begabten Sohn zu erfüllen.*

*  Psychoanalytisches zur Persönlichkeit Goethes (1932), in: Neurose und Genialität, hrsg. v. Johannes Cremerius, S. Fischer Verlag, 1971.


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Wenn Mittelpositionen die besten sind, müssen wir schließen, daß die gegenwärtige Verehrung der Spontaneität in gewissen Sektoren der Gesellschaft stark übertrieben ist und eine Drohung für diese Gesellschaft darstellt. Ich schicke mich in die Tatsache, daß jeder, der sich dem Evangelium, <seine eigene Sache zu tun>, widersetzt, als Reaktionär bezeichnet und beschuldigt werden wird, zum strikten Puritanismus zurückkehren zu wollen. Zweifellos trifft aber auch zu, daß viele, die am unverblümtesten über maternistisches Verhalten sprechen, Paternisten sind und gern einen viel strengeren Maßstab sehen würden, als ich ihn vertrete. Das ist eben die Schwierigkeit: die Gemäßigten finden sich in einer unbehaglichen Allianz mit den Extremisten und sehen, daß das Pendel, wenn sie nicht vorsichtig sind, allzuweit ausschlagen wird. Daher möchte ich betonen, daß ich, indem ich die gegenwärtigen Extreme der Spontaneität kritisiere, nur für eine ausgeglichene Mittelposition plädiere.

Es ist ein deprimierender Zug der menschlichen Natur, daß Extremisten ihre Auffassung, wie man leben soll, denen aufzwingen, die anders empfinden. Die Geschichte der christlichen Kirche ist eine lange Reihe paternistischer Versuche, ein strenges, gehemmtes und schuldbeladenes Verhalten dem Rest der Gesellschaft aufzuzwingen. Da die Maternisten sich mehr mit dem Sein als mit dem Tun befassen, tendieren sie dazu, andere Menschen ihre eigenen Wege gehen zu lassen. Normalerweise bestehen sie nicht darauf, daß Puritaner ihre inneren Hemmungen abwerfen und Orgien feiern. Sie mögen sie verspotten, ja sogar versuchen, sie etwas in Verlegenheit zu bringen — aber sie stellen keineswegs eine Kontrollmaschine auf. Vielleicht ist diese Ansicht aber etwas zu schmeichelhaft, denn in letzter Zeit haben wir Anzeichen gesehen, daß Maternisten bewußt darauf hinarbeiten, die <bourgeoise Moral> zu stürzen. 

(Als die jungen Herausgeber von <Oz>* in Großbritannien wegen des Versuchs vor Gericht standen, Schulkinder subversiv unterwandert zu haben, erklärten sie, dies als Teil einer sozialen Mission, die Gesellschaft zu verändern, getan zu haben. In den USA hat Timothy Leary bewußt Propaganda für seine orgastischen Ansichten gemacht. Zweifellos ist es der Wunsch, bis zu den Extremen zu gehen, der das Pendel in Bewegung setzt und verhindert, Mittel­positionen beizubehalten.)

* englische Underground-Zeitung


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   6  Gründe für die Schwingungen  

  

Da wir wissen, daß sich die Gesellschaft insgesamt von der Vater- zur Mutteridentifizierung bewegt hat, können wir erwarten, Beweise von Vätern zu finden, die lieblos erscheinen. Man braucht wohl kaum zu sagen, daß der Vater, der am lieblosesten erscheint, der abwesende Vater ist. Und selbst wenn man seiner Liebe sicher wäre, wäre es doch schwierig, seine Haltungen und seine Persönlichkeit zu introjizieren, sich nach ihm zu formen.

Kinder ahmen mehr das Verhalten und weniger die Ansichten der Eltern nach: einen Elternteil, den wir nie sehen, können wir nicht nachahmen. Die Krankengeschichten von Psychiatern sind voll von Fällen mutter­identifizierender Erwachsener, die etwa berichten: »Vater ging weg, als ich fünf war.«

In der modernen Gesellschaft ist es nun ziemlich allgemein üblich, daß Väter erst von der Arbeit zurückkommen, wenn das Kind schon zu Bett gegangen ist. Wenn das Kind noch sehr klein ist und vielleicht um 18 Uhr zu Bett geht, kommen viele Väter, die zur Arbeit fahren müssen, erst nach Hause, wenn das Kind schon schläft. In anderen Fällen verreist der Vater während der Woche oder ist manchmal monatelang abwesend: er kann Ölgeologe, Seemann, Handlungsreisender oder Anthropologe sein. Die modernen Reisemöglichkeiten machen es Menschen, die noch vor einem Jahrhundert vielleicht nie ihre Heimatstadt verlassen hätten — etwa Universitätsdozenten — leicht, zu Konferenzen ins Ausland zu fahren, in ausländischen Laboratorien zu arbeiten und so weiter. So weit ich weiß, wurden bisher keine Untersuchungen über die Zahl der Stunden durchgeführt, die Kinder im verschiedenen Alter und in verschiedenen Gruppen und Sektionen der Gesellschaft wöchentlich den Vater entbehren; diese Untersuchung wäre dringend nötig. 


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Es gibt Geschäftsleute, die sich, wenn sie nach Hause kommen, mit Akten in ihr Arbeitszimmer zurückziehen und nur wenig mit ihrer Familie zusammen sind; es gibt Männer, die die Sonntage beim Angeln oder in einer Gruppe erwachsener Freunde verbringen und nur wenig von ihren Kindern sehen. Später macht es dem Vater vielleicht Spaß, seinen Sohn mit zum Golf, zum Angeln oder Weiß-Gott-wohin mitzunehmen. Wenn das Kind aber zwei oder drei fahre alt ist, hängt der Kontakt davon ab, ob der Vater das Wochenende der Familie widmet.

Die moderne Gesellschaft hat die Mutter in einem viel weniger dramatischen Ausmaß von ihren Kindern getrennt, teilweise deshalb, weil die Kinder sie ganz offensichtlich brauchen. Wo die Gesellschaft beide Elternteile von dem Kind trennt, sind im Erwachsenenalter im allgemeinen ein totaler Fehlschlag in seiner Liebesfähigkeit, Straffälligkeit oder ernste emotionelle Schwierigkeiten die Folge — aber das ist eine andere Geschichte.

Natürlich ist es nicht nur der abwesende Vater, der nicht introjiziert wird. Es ist schwer, einen Vater zu introjizieren, der barsch, gewalttätig, trunksüchtig, psychotisch oder höchst unlogisch ist; und wenn er schizoid und unfähig ist, Liebe zu entfalten, ist es offenkundig, daß keine liebevolle Beziehung entwickelt werden kann. In allen diesen Fällen kann es zu keiner Identifizierung kommen.

So läßt die Entwicklung der sozialen Pathologie in der Form der Trunkenheit, der Schizophrenie und so weiter eine Begünstigung der Mutteridentifizierung erwarten. Später werden wir noch sehen, warum eine derartige soziale Pathologie heute so schwerwiegend ist und wahrscheinlich noch zunimmt.

So logisch auch die Vorstellung einer Identifizierung mit der Mutter vorgetragen wird, wird sie einigen doch seltsam erscheinen. Die Tatsachen sprechen aber für sich. Dr. Anthony Storr sagt: »Im Erwachsenenalter stößt man nicht selten auf Neurotiker, die immer noch nicht zwischen dem unterscheiden können, was sie fühlen, und dem, was ihre Mutter fühlt, und die ihren Müttern Gedanken und sogar körperliche Empfindungen zuschreiben, die für einen außenstehenden Beobachter nichts mit einem anderen zu tun haben.« 


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Und er geht noch weiter: »Ich habe den Eindruck, daß es sich bei den Kindern, die sich am meisten mit ihren Eltern identifizieren, um diejenigen handelt, deren Erziehung am stärksten mit Angst beladen war; wenn sie im Erwachsenenalter Eltern geworden sind, kann man beobachten, mit welcher irrationalen Furcht selbst die kleinste Abweichung von den elterlichen Maßstäben beachtet wird.« 

Die Geschichte kennt viele Beispiele von autoritären Vätern, denen autoritäre Söhne folgten, genauso wie von Söhnen, die in das andere Extrem verfielen. Das deutet darauf hin, daß Strenge (die sich von sadistischer Barschheit, Tyrannei, Vernachlässigung und so weiter unterscheidet) an sich nicht verhindert, daß eine Introjektion eintritt. Das Kind besitzt eine große Bereitschaft, das, was es vorfindet, als normal hinzunehmen; es kann auch Barschheit als normal hinnehmen, vorausgesetzt, daß es eine darunterliegende Zuneigung und Hilfsbereitschaft fühlt. Ein Vater, der keine Aggression zeigt, versetzt seine Kinder sogar in eine gewisse Unsicherheit, weil sie keinen Beweis dafür haben, daß er sie wirksam gegen Angriffe von außen verteidigen würde. 

Von einem Vater wird eine gewisse Härte erwartet. Ein Kind, dem mit Strafe gedroht wurde, wenn es bestimmte Dinge tun würde, und sie dann doch tut, bleibt unsicher, wenn die angedrohte Strafe nicht eintritt. Kinder suchen, wie Madame Montessori vor siebzig Jahren erklärte, die Grenzen festzustellen, die die Gesellschaft ihren Tätigkeiten setzt. Sie akzeptieren es, daß etwas Drastisches geschehen wird, wenn diese Grenzen überschritten werden, genauso wie sie es akzeptieren, daß sie sich verbrennen, wenn sie Feuer berühren. Sie empfinden keinen Groll, wenn die Strafe gerecht ist. (Wie Kiplings Schuljungen von ihrem Internatsaufseher sagten: »Er ist ein Biest, aber ein gerechtes Biest.«) Falls andererseits die erwartete Bestrafung nicht eintritt, fühlen sie sich verunsichert.

Heute zögern viele Eltern mit der Bestrafung, selbst wenn sie sie angekündigt haben. Durch ein Mißverstehen der Lehre Freuds glauben sie, daß ein Kind so wenig wie möglich frustriert werden sollte. Sie setzen daher kaum Grenzen, neigen aber dazu, dem Kind die Entscheidung zu überlassen, wie es sich verhalten soll, lange bevor es in der Lage ist, diese Verantwortung zu tragen. 


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So wird heutzutage sogar der Junge, der seinen Vater introjiziert, einen sehr schwachen und nachsichtigen Vater introjizieren, ohne die autoritären und konservativen Attribute, die wir im Prinzip mit Vätern assoziieren. Das trägt zu dem maternistischen Trend bei, denn es schwächt die Vaterfigur in einer Zeit, in der die Mutterfigur gestärkt wird. Wenn die Identifizierung mit der Mutter extrem durchexerziert wird, kann das zur Homosexualität führen. Der Versuch, die Frau eines Vaters zu werden, wird buchstäblich ausgeführt. Es gibt jedoch auch andere, völlig verschiedene Mechanismen, die zur Homosexualität führen, einer davon ist die Furcht vor der Mutter, die vernichtet werden muß. Doch ist es an dieser Stelle unwichtig, dieses komplizierte Thema weiter zu verfolgen. Ich erwähne es nur, um klarzumachen, warum die Homosexualität in maternistischen Perioden, wenn überhaupt, viel weniger verdammt wird als in paternistischen. Gleichzeitig erweckt die Blutschande zwischen einer Mutter und einem Sohn weiterhin Abscheu.

 

Der Bericht, den ich hier gegeben habe, ist höchst vereinfacht. Im Leben ist aber nichts einfach und am allerwenigsten die menschliche Persönlichkeit und das menschliche Verhalten. Doch genügt es für den augenblicklichen Zweck, allerdings möchte ich noch ein, zwei Punkte hinzufügen.

Der abgedankte Vater liefert augenscheinlich wenig Material für eine klassische Vaterintrojektion. Die offensichtlichste Folge davon ist, wie wir in Kapitel 10 noch sehen werden, das Versagen, ein angemessenes <Über-Ich> zu formen; dieser Tatsache können wir in Verbindung mit anderen unterstützenden Faktoren die Vermehrung der Unehrlichkeit, der kleinen Diebstähle, der Hochstapeleien und so weiter zuschreiben, die in dem Leben von heute so deprimierend häufig sind.

Wir haben nur den einfachen Fall eines liebevollen und eines lieblosen Elternteils betrachtet: im wirklichen Leben können sich aber viel kompliziertere Situationen entwickeln, wenn beispielsweise erst der eine und dann der andere Elternteil abwesend ist. Beide Eltern könnten sehr liebevoll sein, aber frühzeitig sterben. Und so weiter.

Es gibt einen weiteren Aspekt dieser verlockenden Ideenkonstellation, den der Leser bald erkennen wird. Man könnte ihn die <Vater-Ablehnung> nennen. Der <Vater-Ablehner> ist mehr als ein Rebell, er will den Vater und seine Autorität völlig zerstören.


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Wenn sieh ein kleiner Junge mit seiner Mutter identifiziert, mag er, wenn die Beziehung befriedigend genug ist, hinsichtlich seines Vaters und seiner Autorität einfach gleichgültig sein. Oft ist er aber über ihn und seine Vernachlässigung verbittert, zornig und empört. 

Der Dichter Shelley ist ein klassisches Beispiel für den <Vater-Ablehner>. In Oxford geriet er beispiels­weise in Schwierigkeiten, weil er folgenden Toast ausbrachte: »Auf den Untergang meines Vaters und des Königs!« Die Mutteridentifizierung erklärt seinen Mangel an sexueller Eifersucht — er lud seinen besten Freund ein, die Gunst seiner Frau Harriet zu einer Zeit mit ihm zu teilen, als er mit ihr glücklich verheiratet war; später, als er mit Mary Godwin in die Schweiz durchbrannte, schrieb er Harriet und schlug vor, sie solle zu ihnen kommen. Blake ist eine weitere maternistische Figur mit gemischten Gefühlen hinsichtlich der Väter. Sein Gedicht <To Nobo-daddy> (etwa <Für Niepapa>) gleicht einem Versuch, seinen Vater zu vernichten.

Der Vater-Ablehner widersetzt sich nicht nur aller Autorität, er findet auch Freude daran, die Konventionen und das Verhalten zu verhöhnen, die von der Autorität gebilligt werden. Zahlreiche Beispiele lassen sich heute hierfür finden. Die Studenten, die in das Zimmer des Dekans oder Rektors eindringen, sich auf seinen Stuhl setzen und seine Zigarren rauchen, bringen damit offensichtlich mehr als einen Protest vor. Die armen unreifen Burschen versuchen, den Platz von <Daddy> einzunehmen!

Ich neige zu der Ansicht, daß der Vater-Ablehner ein Mensch ist, dem es nicht gelang, von seiner Mutter die Art von Hilfe zu bekommen, die den Verlust seines Vaters kompensiert hätte. So etwas kann passieren, selbst wenn die Mutter ganz normal liebevoll ist, wenn sie beispielsweise einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf ein jüngeres oder kränkelndes Kind übertragen muß. Auch wenn die Mutter ihren Mann vor dem Kind schlecht macht, scheint das eine schädigende Wirkung auszuüben.


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Kurz gesagt, Vater-Ablehnung und Mutter-Identifizierung scheinen Hand in Hand zu gehen, manchmal fällt der Akzent aber stärker auf das eine Element als auf das andere. Daraus folgt, daß dem Vater-Ablehner, der nicht stark mutter-identifiziert ist, viele der spezifisch maternistischen Haltungen fehlen werden, die ich beschrieben habe — das Interesse an den Künsten und so weiter. Seine Motive sind anderer Art. Wenn er beispielsweise für die Frauenemanzipation eintritt, dann mehr deshalb, um die Männer zu ärgern, als um den Frauen zu gefallen. Alles in allem ist der Vater-Ablehner eine viel antisozialere Gestalt als der, der sich unkompliziert mit der Mutter identifiziert. Und heute wimmelt es von ihnen. Ich habe den Eindruck, daß der Vater-Ablehner später im Leben oft zum Paternismus zurückkehrt, ganz besonders, wenn sein Vater gestorben ist. Rache wird zu einer leeren Phrase, er fühlt sich jetzt frei, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten: er kann dann sogar genauso unerträglich konservativ werden, wie er früher radikal war.

   

  7  Die Umkehrung des Trends   

 

Aus dem gleichen Grund würde eine umfassende Politik zur Umkehrung des Trends Faktoren einbeziehen müssen, die wir noch nicht in Betracht gezogen haben; und doch mag es in diesem frühen Stadium schon interessant sein, auf die Art von Maßnahmen hinzuweisen, die für ein Zurückschwingen zur Mitte erforderlich sind, soweit sie die maternistisch-paternistischen Elemente betreffen. 

Deutlich beinhalten diese Maßnahmen eine festere Haltung der Eltern gegenüber den Kindern und insbesondere die Wiederherstellung des Vaters als mild autoritäre Figur, beides im Sinn eines Vaters, der die Autorität der Mutter bei der Bestrafung ernsten Mißverhaltens stärkt und, allgemeiner gesehen, als die eines Mannes, der Ziele und Maßstäbe aufstellt und die vernünftigen Konventionen des zivilisierten Lebens unterstützt. Spezieller gesprochen sollten die Eltern nicht in dem extremen Ausmaß, das jetzt üblich ist, die Wünsche und Vorlieben des Kindes berücksichtigen. Es ist schwierig, solche Vorschläge niederzuschreiben, ohne den Anschein zu erwecken, man wolle eine Rückkehr zum wirklichen Viktorianismus empfehlen, und ich muß betonen, daß ich nur ein mäßiges Anspannen der Zügel auf der Basis der bekannten Tatsachen vorschlage. 


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Augenscheinlich muß man einem Kind einige Vorlieben lassen, und sie müssen auch respektiert werden — aber es gibt einen Unterschied zwischen Vorlieben und Launen. So haben die Kinder oft eine tiefverwurzelte Abneigung gegen gewisse Speisen — Abneigungen, die später verschwinden können —, und diese Abneigungen haben reale physiologische oder psychologische Gründe. Es wäre grausam und unnötig, ein Kind zu zwingen, diese Speisen zu essen. Es ist eine ganz andere Sache, wenn ein Kind eine durchaus akzeptable Speise aus reiner Laune verweigert, aus dem Wunsch nach etwas Luxuriöserem oder dem, Schwierigkeiten zu bereiten.

Der Vater muß nicht nur seine natürliche Rolle wieder einnehmen — er muß auch oft genug anwesend sein, um sie ausüben zu können. Abgesehen von dem Bedürfnis einer Introjektion brauchen kleine Kinder die emotionelle Verbindung mit beiden Eltern, und eine Abwesenheit von mehr als einigen Stunden ist in den ersten Lebensjahren schädlich; eine Abwesenheit von ein oder zwei Wochen ist im Alter von sechs oder sieben Jahren und von einem Monat etwas später akzeptabel.

Das extreme Selbstvertrauen, das die meisten jungen Leute heute zeigen, deutet an, daß die Verbindung zu der Mutter stark genug ist, obwohl es natürlich viele individuelle Ausnahmen gibt.

Schließlich werden auch andere Figuren, Lehrer oder bewunderte Helden in Sport und Abenteuer, zu Vorbildern, ihnen fällt daher eine gewisse Verpflichtung zu, Verhaltensmaßstäbe aufzustellen.*

Es ist in meiner Geschichte aber noch zu früh, die Frage der Kinderaufzucht und -erziehung in allen Einzel­heiten zu erörtern. Hier will ich in erster Linie die Natur und den Ursprung der zwei entgegen­gesetzten <Lebensstile> zeigen, die abwechselnd in der westlichen Kultur die Führung zu haben scheinen. Gleichzeitig möchte ich meine Leser davon überzeugen, daß die Entscheidungen, die wir treffen, und die Werte, auf die wir sie gründen und die uns so natürlich scheinen, daß sie sich fast der Diskussion entziehen, tatsächlich ziemlich willkürlich sind. 

Solange man nicht erkennt, daß die Gesellschaft eine psychologische Maschine ist, die den Menschen formt, ohne daß er sich dessen bewußt wird, trägt man Scheuklappen, die es einem unmöglich machen, zu bewerten, wo die Gesellschaft steht und wohin sie auf vernünftige Art gehen sollte. 

Maternismus und Paternismus sind aber nicht die einzigen möglichen Lebensstile: es gibt wenigstens noch eine zweifache Wahlmöglichkeit, die kontrastierende Wertsysteme und Verhaltensweisen anbietet. Man hat ihr viele Namen gegeben, und ihre Ursprünge in der Psyche sind weniger erkannt als die von Maternismus und Paternismus. Sie hat mit Sympathie und Rücksichtslosigkeit zu tun, mit Individualität und Gruppenbindung, mit Pantheismus und vergeltenden Gottheiten. Aber damit befinden wir uns bereits im nächsten Kapitel...

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* An diesem Punkt stoßen wir auf die viel diskutierte Frage des Einflusses von Film und Fernsehen. Die Tatsache, das sich die Öffentlichkeit trotz der häufigen Gegen­erklärungen darüber noch Sorgen macht, deutet darauf hin, daß sie den starken intuitiven Verdacht hegt, daß die Medien tatsächlich sehr einflußreich sind. Wenn sie das Verhalten nicht beeinflussen würden, bestünde kein Grund, daß Auftraggeber große Summen für Reklame ausgeben, die dazu bestimmt ist, das Verhalten durch die Massenmedien zu beeinflussen. Vom soziologischen Standpunkt aus glaube ich, mit gutem Gewissen sagen zu können, daß die Medien im Unrecht sind, wenn sie überwiegend ein unkorrektes Bild von dem bieten, was Leben ist und was Verhalten akzeptabel macht. Es ist nicht so, daß schlechtes Verhalten nicht gebracht werden sollte, es sollte aber nicht im falschen Verhältnis zu gutem Verhalten gezeigt werden.

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   Entwürfe zu einer Neuordnung der Gesellschaft  Rethink: Radical Proposals to Save a Disintegrating World