Teil 5  Praktische Probleme     Start      Weiter 

12 - Den Gürtel enger schnallen 

    1 Wenn alles knapp wird    2  In den Kern des Problems       3  Metalle - Vitamine der Wirtschaft        4  Bergwerk Ozean?    5  Zweierlei Inflation   6 Planen fürs Überleben    

"Mittelpunkt unserer Konzeption dieser Studie über die Zukunftsaussichten der Menschheit ist die Annahme, 
daß genug Rohstoffe für alle vorhanden sind und daß es nach Maßgabe der entsprech­enden Entscheidungen und Verfahrensweisen
auch keine katastrophalen Umwelt­probleme geben wird ... Die erste Annahme ist eine Tatsache."  
(--A. Wiener, 1973, Hudson-Institute--) 
 hudson.org/experts/919-anthony-j-wiener (1930-2012)  

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   1  Wenn alles knapp wird   

Während ich beim Schreiben dieses Kapitels bin, erfahre ich durch meinen Schreibwarenhändler am Ort, daß ihm die Stenogrammblöcke ausgegangen seien und mit einer Nachlieferung erst wieder in sechs Monaten zu rechnen sei. Mein Verleger vermochte nicht genau zu sagen, wann dieses Buch erscheinen könne; in der ganzen Welt war Druckpapier knapp geworden. 

Natürlich ist Druckpapier nicht die einzige Ware, die knapp geworden ist. Gegen Ende des Jahres 1973 brachte die <National Association of Manufacturers> in den USA ein Plakat heraus, auf dem stand: «Jawohl, wir haben nicht Bananen, Steaks, Eier, Bluejeans, Kerzen, Benzin, Tennisbälle, Kühlschränke, Weizen, Leder, Klimaanlagen, Motoröl, Schlafanzüge, Bodenbeläge, Sardinen, Hühnchen, Papier, Warmhalteflaschen ...» In Europa zeigten sich erstmals Verknappungen in einigen Produktionsbereichen, die auf der Verarbeitung von Holzzellulose aufbauen — vor allem bei Kunststoffen.

In welchem Maße sind diese zeitweiligen Verknappungen nun abhängig von der Ölkrise oder nur von ungenügender Bedarfsabschätzung? In einer Reihe von Fällen sicher auch von letzterer. Wie bereits dargelegt, sind die Preisanstiege bei den Konsumgütern jedoch größtenteils darauf zurückzuführen, daß so viele Volks­wirt­schaften gleichzeitig in einen Boom geraten sind. Es dauert einige Zeit, bis Bergbau und Landwirtschaft so weit expandieren können, daß sie den stark gestiegenen Bedarf zu decken imstande sind. Setzt später dann plötzlich überall gleichzeitig ein wirtschaftlicher Abschwung ein, so sinken die bereits nachgebenden Rohstoffpreise immer mehr, wodurch in den unterentwickelten Ländern ernste Probleme entstehen können.

Andere gegenwärtige Verknappungen sind zumindest teilweise der Energiekrise zuzuschreiben. Da aber das Erdöl gleichzeitig der Rohstoff für zahlreiche Kunststoffe ist, hat die Ölkrise ihre zwei Schneiden. So mußten in der amerikanischen holzverarbeitenden Industrie Arbeiter entlassen werden, weil die Firmen nicht mehr in der Lage waren, das zum Trocknen des Holzes benötigte Naturgas oder Propan sowie den erforderlichen Leim zu beschaffen — denn beides war infolge der Ölknappheit plötzlich nicht mehr erhältlich. Einen ähnlich bedingten Engpaß fanden wir bei Verpackungsmaterialien. 

Lippenstifte waren nicht mehr auf Lager, da es keine Plastikhüllen mehr gab. Plötzlich geht hier und da die Zahnpasta aus, weil das Blei für die Tuben fehlt, gibt es kein Coca-Cola mehr, weil das Flaschenglas knapp wird, werden Zinnsachen sehr teuer, weil die Zinnförderung nachläßt. Andererseits war das Kupfer nur deshalb so knapp geworden, weil man versäumt hat, rechtzeitig für größere Kapazitäten zu sorgen, denn 1971 waren die Kupferpreise unter die Rentabilitätsgrenze gesunken — etwa 500 Pfund Sterling pro Tonne. Fünf Jahre zuvor allerdings hatte der Tonnenpreis noch bei 250 Pfund gestanden. Nachdem er vor einiger Zeit eine Rekordhöhe von 1350 Pfund für die Tonne erreicht hat, ist er nunmehr wieder unter die Hälfte dieses Betrags gesunken.

Aber sind die gegenwärtigen Verknappungen wirklich nur eine vorübergehende Erscheinung? Es ist ja nicht nur das Kupfer teurer geworden — auch andere Rohstoffe stiegen im Preis. Der Zinkpreis stieg in einem Jahr von 160 auf 490 Pfund pro Tonne. Zinn erbrachte in der Jahresmitte 1973 einen Tonnenpreis von 2000 Pfund. Der vom <Economist> veröffentlichte Lebenshaltungskostenindex, der ein Niveau von 120 Punkten für das Jahr 1860 ansetzt, bewegte sich während der 1950er und 1960er Jahre zwischen 350 und 500 Punkten, stieg dann plötzlich auf 900 an und pendelt noch immer im Bereich zwischen 800 und 900. Seit dem Beginn der Industrialisierung sind derartige Anstiege nur in der Endphase großer Kriege beobachtet worden. Ein Teil des Preisanstiegs geht freilich auf wirkliche Verknappungen zurück.

Die Experten sehen die Lage düster. «Je mehr wir uns dem letzten Viertel unseres Jahrhunderts nähern, desto deutlicher wird die globale Verknappung vieler wichtiger Rohstoffe. Die Energiekrise kam in die Schlagzeilen, aber der Mangel an anderen Grundstoffen ist jetzt ebenfalls offensichtlich», schrieb Lester R. Brown, ehemaliges Mitglied des Overseas Development Council, Verfasser von «Seeds of Change». Tatsächlich herrscht in den Industrienationen nicht nur Durst nach Öl, sondern auch Hunger nach Kupfer, Zink und Phosphaten. John Morgan vom amerikanischen Bergbaubüro stieß auf Ungläubigkeit, als er die Mineralstoffkrise der Vereinigten Staaten «bereits vor uns» liegen sah, wobei er hinzufügte, daß die kumulierende Wirkung der gegenwärtigen Entwicklungstendenzen «von den Industriemächten mit größerer Aufmerksamkeit als bisher verfolgt werden sollte».

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Natürlich gibt es auch andere Experten, die sich optimistisch geben. Das American Institute for Resources of the Future will in der Zukunft keine Krisengefahren erkennen, mit der möglichen Ausnahme einer Verknappung der Wasservorräte, und es weist darauf hin, daß durch sparsameres Wirtschaften und durch Ersatzmaterialien alle Probleme zu lösen seien. (Wie indes Lester R. Brown gezeigt hat, führt heutzutage der Versuch, Ersatzmaterialien zu finden, oft nur zu den Versorgungslücken von morgen — die Krankheit Mangel greift auf andere Gebiete über.)

Einen Gipfelpunkt erreichte der beschwingte Optimismus in einer Nummer des <Economist> im Sommer 1974. «Selbst wenn wir nicht mit Verbesserungen in der bestehenden Technik rechnen könnten», stand da zu lesen, «besteht doch keine Gefahr, daß eine naturbedingte Verknappung an Rohstoffen vor dem Jahr 100.000.000 auftreten wird.» Die muntere Zukunftslaune, die aus diesen Worten spricht, wird kaum durch die drohende Ankündigung getrübt, daß dazu die gesamte Erdoberfläche bis zu einer Tiefe von 1500 Metern abzutragen und zu verarbeiten wäre — was zweifellos eine ganz neue Technik zur Voraussetzung hätte, selbst wenn es nur darum gehen sollte, Nahrungs­pflanzen auf Granitgrus zu züchten. 

Wir können diese fernab aller Realität stattfindenden journalistischen Ballonflüge sich selbst überlassen. Unsere Aufmerksamkeit gilt im folgenden den nächsten zwei Jahrzehnten. Um was es dabei geht, ist dies: Werden wir tatsächlich in der Lage sein, die Metalle, die wir brauchen, zu fördern und sie so zu veredeln, wie unsere Technik dies verlangt? Werden die Wälder das Holz liefern können, das wir benötigen? Und ist dies zu erwarten angesichts der technischen, wirtschaftlichen und politischen Hindernisse, die vor uns liegen?

 

   2  In den Kern des Problems   

 

Die Optimisten berufen sich darauf, daß es immer noch viele unbekannte Möglichkeiten zu entdecken gibt. So winkt der Wirtschaftsfachmann Professor Beckerman leichthin ab, wenn von der Kupferknappheit die Rede ist. Er verweist darauf, daß vor dreißig Jahren die Weltvorräte an Kupfer auf 100 Millionen Tonnen geschätzt wurden, die Förderung seither aber 80 Millionen Tonnen betragen habe und man heute mit Reserven von 300 Millionen Tonnen rechne.

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«Bekannte Reserven» können natürlich keine verläßlichen Rahmen für Zukunftsprognosen geben, weil es ja immer auch noch unbekannte Reserven gibt — aber wie wir schon im nächsten Abschnitt sehen werden, wurden für zahlreiche Minerale diese unbekannten Reserven bis heute nicht gefunden. Und in einem Punkt haben die Optimisten nun wirklich unrecht: In der Annahme, daß Länder, die noch über Reserven verfügen, diese auch mit anderen Ländern zu teilen bereit seien. Jene gute alte Zeit, als Bergbaugesellschaften einfach in fremden Ländern einzogen, dort eine Konzession erhandelten und alsbald mit billigen einheimischen Arbeitskräften zu schürfen begannen (und auch noch Dank für Arbeitsbeschaffung entgegennehmen konnten), sind ja nun wirklich vorbei. Wer noch über ungenutzte Bodenschätze verfügt, so etwa Kanada, geht mit sich selbst sorgfältig zu Rate, in welchem Umfang ein Abbau vernünftig sei. Andere Länder, etwa die Ölstaaten, sehen eine Gelegenheit, durch absichtliche Zurückhaltung in der Förderung die Preise hochzutreiben und gleichzeitig die Reserven zu schonen.

Schon haben sich auch die Produzenten von Bauxit — dem Ausgangsmineral für die Gewinnung von Aluminium — auf gegenseitige Absprache besonnen. Auf einer zu Anfang des Jahres 1974 in der guineischen Hauptstadt Conakry zusammengetretenen Konferenz befürwortete der Präsident des Landes, Ahmed Sekou Toure, einen internationalen Zusammenschluß aller Bauxitproduzenten, «um zu einer Neuordnung der Preisgestaltung bei unseren Rohstoffen zu gelangen». Zudem sollte nach seiner Auffassung das Aluminium in den Förderländern selbst hergestellt und als Fertigprodukt verkauft werden. Die vier kupferproduzierenden Länder sind bereits dem arabischen Beispiel gefolgt, und es heißt, Chile, Peru, Zaire und Sambia seien an die Araberstaaten mit der Bitte herangetreten, Kupfer für die Zukunft zu horten, um die Preise auf ihrer exorbitanten Höhe zu halten — Modellfall für eine weitere Form von Zusammenarbeit in der Dritten Welt.

Bereits ist davon die Rede, auch möglicherweise Phosphate sowie Kautschuk und erst recht Genußmittel wie Kaffee, Kakao oder Zucker durch kartellartige Absprachen auf dem Weltmarkt besser zur Geltung zu bringen. Die Phosphatproduzenten Nordafrikas haben sich gerade zusammengetan, um die Exporte dieses für die Kunstdüngerproduktion unentbehrlichen Ausgangsstoffs in Grenzen zu halten. Die Kaffeeländer handeln nur noch in gegenseitiger Abstimmung, während Brasilien seine Kaffeeproduktion in einem Maße gedrosselt hat, das es nun selbst zu Einfuhren nötigt.

Im Januar 1974 griff Zaires Präsident Mobutu den ganzen Fragenkomplex auf, indem er unumwunden die Solidarität der Afrikaner forderte, wenn es darum gehe, auf dem Weltmarkt die Rohstoffpreise hochzutreiben. Unter Hinweis auf den arabischen Erfolg bei der Festsetzung höherer Ölpreise erklärte General Mobutu: «Wir haben unser Kupfer, haben Kali, unsere Diamanten, Gold und unseren Kakao. Wären wir uns alle einig, daß die Weltmarktpreise für diese Produkte auf einen fairen Stand kommen, dann ließe sich unsere Auffassung auch durchsetzen.»

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Ein Institut für Warenmakler umreißt die Lage wie folgt: Vier Länder besitzen 80% der Kupfervorräte der Welt, zwei Länder verfügen über 70% des Zinns, vier Länder produzieren über 50% des Kautschuks, und vier Länder sind Eigner von über 50% der Bauxitvorkommen.

In asiatischen Staaten gibt es genügend Zinn, das in den USA nur spärlich vorhanden ist. Andererseits verfügen asiatische Länder nicht über hinreichende Mengen an Molybdän, das wiederum in Amerika reichlich gefördert wird. Rußland besitzt Nickel, Mangan und Blei, muß aber Bauxit importieren und verfügt nicht über natürlichen Kautschuk. Ähnlich sporadisch sind die Hauptvorkommen des Quecksilbers auf Spanien, Italien und einige Gebiete der kommunistischen Welt verteilt. Industriediamanten werden zumeist aus Zaire bezogen, über die Hälfte der abbauwürdigen Weltreserven an Zinn liegen in Indonesien, Thailand, Malaysia — die andere Hälfte entfällt größtenteils auf die Produzentenländer Bolivien und Zaire. Ein weiteres Metall, das sich für zähes Feilschen auf dem Weltmarkt eignet, ist Nickel, das mit der Hälfte seiner Weltvorräte auf Kuba und Neukaledonien lagert. Eines Tages werden die Vereinigten Staaten nicht umhinkönnen, auch wieder mit Kuba ins Gespräch zu kommen — allein das Nickel wird sie dazu zwingen.

In Gegensatz zur starken Position vieler Entwicklungsländer auf dem Rohstoffsektor steht die schwache Position der führenden Industriestaaten auf diesem Gebiet. In der schwächsten Position ist hierbei sicherlich Japan. Wenn die Japaner auch nur 3% der Weltbevölkerung bilden, so kauft Japan doch etwa ein Viertel der auf den Weltmarkt gelangenden Produktion an Rohstoffen. Dieser Anteil hat sich pro Jahr um 20% vermehrt, was bedeutet, daß bei einer Beibehaltung dieses Trends im Jahr 1980 Japan die Hälfte der Weltrohstofferzeugung verbrauchen wird, und das gilt auch für das Öl. 

«Das ist ein Ding der Unmöglichkeit», stellt dazu eine japanische Studiengruppe für internationale Planung fest, und sie fordert angesichts dieser Fakten sowie unter Berücksichtigung der Umweltsituation eine völlige Neuorientierung der japanischen Wirtschaftsstruktur. Da wird bereits von der Abschaffung ganzer Industriezweige gesprochen, darunter der Ölraffination, der Kunstdüngerherstellung auf Erdölbasis, der Rohstahlerzeugung, der Autoindustrie (sofern nicht für den Export arbeitend), der Zellulose- und Papierindustrie sowie aller chemischen Herstellungsprozesse, die Quecksilber, Arsen oder andere Gifte als Nebenprodukte anfallen lassen. Dies bedeutet nichts anderes als eine völlige Umkrempelung der japanischen Wirtschaftspolitik. Der Dachverband der japanischen Wirtschaftsverbände hat, durch diese Forderung alarmiert, einen Ausschuß gebildet, der diese Fragen untersuchen soll.

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Die Lage der USA stellt sich für die Zukunft kaum weniger kritisch dar als jene Japans. Die Vereinigten Staaten importieren heute alle oder doch nahezu alle Bedarfsmengen an Platin, Glimmer, Chrom, Strontium, Kobalt, Tantal, Bauxit und Manganerz. Sie importieren ferner über die Hälfte der Mengen an Fluorit, Titan, Asbest, Zinn, Wismut, Nickel, Columbium und Antimon und über ein Drittel des Eisenerzes (während es 1950 nur 8 % waren). Zweifellos wird diese von Carroll Kilpatrick in der (Washington Post) zusammengestellte Liste bis zum Jahr 1980 um noch höhere Importmengen zu ergänzen sein. Die Notwendigkeit, mineralische Erzeugnisse zu importieren, wird zunehmend eine Rolle in der Handelsbilanz spielen. Sherman Clark, am Stanford Research Institute Leiter der Abteilung für Energie- und Rohstoffwirtschaft, erwartet «zwischen 1969 und 1980 fast eine Vervierfachung der jährlichen Mineralimporte, wobei ein Importkostenanstieg von 8 Milliarden Dollar im Jahr 1969 auf 30 Milliarden Dollar im Jahr 1980 zu erwarten ist (der Dollar nach dem Stand von 1969 gerechnet)». Diese Summe reicht in ihrer Größenordnung schon fast an den Gegenwert aller US-Exporte von heute heran.

Nach der Aussage von Maurice Strong, dem Leitenden Direktor des Umweltprogramms der UNO, haben die Vereinigten Staaten «in den zehn Jahren von 1959 bis 1968 mehr Rohstoffe verbraucht als alle Menschen der Erde in den vorangegangenen Jahren. Die gesamte Produktion der Menschheit von ihren Urtagen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs liegt unter der Menge, die in den kommenden drei Jahren bei fortschreitender Industrialisierung erzeugt wird.»

Die Optimisten sprechen immer von Ersatzmaterialien und verweisen auf die Kunststoffe als Nachfolger traditioneller Werkstoffe. Leider besteht aber bereits ein Versorgungsengpaß in Kunststoffen, wie Altmaterialsammler schon zu spüren bekommen haben, denn sehr viele Kunststoffe werden aus Erdölderivaten hergestellt. Die gegenwärtige Verknappung ist darauf zurückzuführen, daß rechtzeitige Kapazitätserweiterungen versäumt wurden, doch aus einem von Martin Sherwood unter dem Titel «Chemicals and the Oil Crisis» publizierten Beitrag erfahren wir: «Es kann auch keinen Zweifel geben, daß künftig organische Kunststoffe und alles, was aus ihnen hergestellt wird, erheblich mehr kosten werden als früher.» 

Während in den USA hauptsächlich Erdgas als Ausgangsbasis für die Kunststoffproduktion dient, tritt in Europa an dessen Stelle Naphta oder Rohöl, und zwar in immer größeren Quantitäten. Großbritannien, das heute noch 45 Millionen Tonnen jährlich verbraucht, wird seinen Bedarf 1980 auf 80 Millionen Tonnen erhöht haben — und dies allein für Zwecke der petrochemischen Industrie, während die Naphtamenge für die Treibstofferzeugung bei 184 Millionen Tonnen liegen wird, im Falle der Einführung bleifreien Benzins aber bei 196 Millionen Tonnen.

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Schließlich müssen wir uns dessen bewußt werden, daß es für bestimmte Materialien einfach keinen Ersatz geben kann. Das gilt für Quecksilber ebenso wie für Helium, für Thorium ebenso wie für Uran. Auch für Platin gibt es keinen wirklichen Ersatz. Bis zu einem gewissen Maß kann Aluminium das Kupfer in normalen Stromkabeln ersetzen, aber schon nicht mehr für alle Zwecke in Elektromotoren und schon gar nicht bei Rohrleitungen. Vor allem hat es den entscheidenden Nachteil, daß es nicht geschmiedet, gewalzt oder gelötet werden kann. Wir müssen uns also wohl über die Tatsache klarwerden, daß viele der wichtigsten Rohstoffe knapp oder teuer und meistens beides zugleich werden.

 

   3  Metalle — Vitamine der Wirtschaft   

 

Das Argument, es werde sich für jedes Material schon ein Ersatz finden lassen, wenn dieses nicht mehr zur Verfügung stünde, ist vielfach nicht stichhaltig, schon gar nicht dort, wo es sich um bestimmte Metalle handelt, die nur in geringen Mengen verwendet werden, um Legierungen mit erwünschten Eigenschaften herzustellen. Als Beispiele seien genannt Chrom, Vanadium und Molybdän, die für Spezialstähle Verwendung finden — «Vitaminmetalle» sind sie genannt worden. Die USA sind bereits derart knapp an Chrom, daß sie dieses Metall aus der Sowjetunion beziehen mußten, die über reichliche Vorkommen verfügt, und es hat einen seltsamen Beigeschmack, wenn man bedenkt, daß einige der über Vietnam abgeworfenen Bomben auch russisches Chrom enthalten haben.

Nicht zu ersetzen ist auch das Quecksilber, das einzige Metall, das gleichzeitig eine Flüssigkeit ist und dafür für verschiedene Arten von Schaltern und bestimmte Herstellungsprozesse Anwendung findet und ebenso dort gebraucht wird, wo sein hoher Ausdehnungskoeffizient von Bedeutung ist, etwa bei der Herstellung von Thermometern. Die meisten der wirklich ergiebigen Quecksilberminen der Welt sind mittlerweile erschöpft, größere Lagerstätten befinden sich nur noch in Spanien und Italien. Bei einem wie bisher fortschreitenden Quecksilberverbrauch dürften die Weltreserven — die Flasche zu 200 Dollar gerechnet — nur noch bis zum Jahr 1980 vorhalten. Aber in den USA steigt der Quecksilberverbrauch jährlich um 3 %. Selbst wenn die Flasche zu dem erhöhten Preis von 1000 Dollar verkauft würde, wäre damit das Ausgehen der Reserven auch nur auf etwa fünfzig Jahre hinauszuzögern.

Ein weiterer unersetzlicher Rohstoff ist das Helium, das beim Lichtbogenschweißen, bei der Druckerzeugung in den Treibstofftanks der Raketen sowie für das Helium-Sauerstoff-Gemisch Anwendung findet, das den Tiefseetauchern zur Atmung dient. Noch weitaus wichtiger aber wird es künftig werden: für die Kühlung von Kernkraftwerken und für die fast energieverlustfreie Leitung von Elektrizität in Supraleitern. 

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Ferner benutzt es die forschende Wissenschaft, so bei der Darstellung von I Kristallen in einer reaktionsfreien Atmosphäre. Helium ist ein so wichtiger Stoff, daß das Innenministerium der USA ein Programm ausarbeiten ließ, um das als Beiprodukt der Naturgaserzeugung anfallende Helium zu speichern. Indes wurde 1974 die unglaublich kurzsichtige Entscheidung gefällt, dieses Programm aus Kostengründen einzustellen, und die unersetzliche Substanz verflüchtigt sich nun in der Luft.

Am Helium läßt sich die Unwahrheit der Behauptung nachweisen, daß ein Ansteigen der Preise zur Erschließung weiterer Vorkommen führe. Helium ist in Naturgas enthalten —unter bestimmten Bedingungen. So finden wir in den USA ein Feld, Pinta Dome, in dem das Erdgas Helium zu 8,2 % enthält. Kleinere Felder wie die von Mesa und Hogback in New Mexico enthalten bis zu 5,5 % Helium. Werden diese erschöpft sein, so existieren noch die von Hugoton und im sogenannten Pfannenstiel von Texas — aber hier enthält das Erdgas nur noch 0,3 bis 1 %. Andere Erdgasfelder enthalten weniger als 0,05 % bis gar kein Helium. Schließlich bliebe noch die Möglichkeit, die normale Luft auszuquetschen, in der Helium zu 0,0005 % enthalten ist — aber niemand wird im Ernst glauben, es könnte sich eine wirtschaftliche Methode für diese Gewinnungsweise entwickeln lassen.

Abgesehen von winzigen Heliummengen, die in Kernreaktoren anfallen, wird gegen Ende des Jahrhunderts wohl die Heliumgewinnung aus Wasserstoff durch atomare Prozesse versucht werden — ein Prozeß, dessen Realisierung nach Professor Preston Clouds trockener Bemerkung «erst noch zu erweisen sein wird».

Die Haltlosigkeit jener Theorie von der neue Vorräte erschließenden Wirkung eines Preisanstiegs wird auch am Beispiel des Quecksilbers augenfällig. In den USA hat sich der Verbrauch in den letzten 23 Jahren verdoppelt, aber der Preisanstieg infolge der Nachfrage betrug 500 %. So. wurde 1965, als die Preise auf 800 Dollar pro Flasche kletterten (Durchschnittspreis des Jahres: 500 Dollar), sogar etwas weniger Quecksilber produziert als 1947 — damals stand aber der Preis bei ärmlichen 83 Dollar.

Oft wird geglaubt, Erze geringerer Anreicherung seien in weitaus größeren Lagern vorhanden als Erze von hohem Gehalt, weshalb zur Gewinnung größerer Metallmengen einfach nur die Förderung zu erhöhen sei. Auch hier hat das Quecksilber gezeigt, daß dem nicht unbedingt so ist. Als während des Zweiten Weltkriegs der Geological Survey der USA Untersuchungen über die Quecksilbervorräte anstellte, berichtete er von 370000 Tonnen Gestein mit einem Quecksilbergehalt von etwa 3000 Tonnen. Außerdem gab es noch 1220 000 Tonnen Matrix mit 1500 Tonnen Quecksilber; das bedeutet: bloß 2,5 Pfund pro Tonne gegenüber dem reicheren Gestein mit 16,2 Pfund pro Tonne. Schließlich — und hier liegt der Hund begraben — gab es noch 285.000 Tonnen Gestein, die bloße 228 Tonnen Quecksilber enthielten, also weniger als 1 Tonne in jeweils 1000 Tonnen Muttergestein.

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Wir wollen hier versuchen, einige dieser Rohstoffknappheiten auf Zahlenwerte zu bringen. Nach dem US-Bergbaubüro ist der Zeitpunkt der Erschöpfung bei «eindeutig ausbeutbaren Reserven», gemessen nach den gegenwärtigen Abbauzeiten und Verbrauchsmengen, für eine Anzahl der gewöhnlichsten Metalle wie

 

USA 

Welt

Blei

1976

1986

Platin

1970

1987

Silber

1974

1987

Gold

1975

1987

Zink

1982

1988

Kupfer

1990

2001

Wolfram

1979

2002

Man beachte dabei, daß sich diese Voraussagen auf die gegenwärtigen Abbauzeiten und Verbrauchsmengen beziehen, was bedeutet, daß der Zeitpunkt der Erschöpfung durch Abbau geringwertiger Erze hinausgezögert werden kann. Aber diese sind dann schwieriger und teurer bei der Aufbereitung. Die Schätzung spricht von bekannten Lagerstätten, was nicht ausschließt, daß neue Vorkommen in abgelegenen Teilen der Welt entdeckt werden, so etwa in Australien, China und der Sowjetunion. 

Andererseits wird hier von dem heute gegebenen Verbrauch ausgegangen, der aber zweifellos schnell überschritten sein dürfte, da sich die Dritte Welt industrialisiert und die Produktion der reichen Länder weiter wächst. Mögen also die beiden ersten Faktoren die Zeitpunkte der totalen Erschöpfung hinauszögern, so wirkt andererseits der dritte Faktor beschleunigend. Allerdings gibt es große Mengen von Blei, Zink und Kupfer in nach heutigen Maßstäben nicht abbauwürdigen Vorkommen. So veranschlagt der Geological Survey Vorräte von 1,275 Millionen Tonnen Zink, falls Abbaukosten keine Rolle spielen — ließe man einen Preisanstieg um 25 % zu, so würden sich damit die Vorräte um 30 % vergrößern.

Aufgeführt seien auch die Erschöpfungszeitpunkte einiger Minerale, die in den USA wie in anderen Industriestaaten heute extrem knapp geworden sind, wiewohl sie auf der Welt noch in hinreichender Menge vorhanden sind.

Es liegt auf der Hand, daß jene Staaten, die ihre eigenen Rohstoffquellen fast erschöpft haben, bald vom Wohlwollen der Nachzügler im industriellen Wettlauf abhängen werden, die über die gewünschten Rohstoffe verfügen.

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USA 

Welt

Zinn

1970

1990

Nickel

1972

2085

Mangan

1970

2100

Kobalt

1989

2120

Aluminium

1974

2140

Chrom

1970

2500

Wenn auch niemand wissen kann, in welchem Ausmaß noch neue Erzlagerstätten erschlossen werden, so ist doch sicher, daß der Bedarf steil ansteigen wird. Übrigens sind auch alle früheren Schätzungen dem Aspekt der Bedarfssteigerung nicht hinreichend gerecht geworden. So sagt etwa der 1952 veröffentlichte «Paley Report» aus, daß der Bleibedarf in der nichtkommunistischen Welt sich bis zum Jahr 1975 von 0,8 Millionen Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen erhöhen werde. Die reale Zahl für 1969 liegt aber bereits bei über 2 Millionen. 

In vergleichbarer Weise schätzte man für den genannten Zeitraum bei Zink einen Anstieg von 1,0 auf 1,5 Millionen Tonnen — aber 2,8 Millionen war die reale Zahl. Die Spanne bei Stahl, mit einem Sprung von 63 Millionen auf 127 Millionen Tonnen veranschlagt, erreichte ihre oberste Grenze real bei 289 Millionen Tonnen. Nach der Meinung von A. G. Charles von der British Metal Corporation wird gegen Ende des Jahrhunderts der jährliche Kupferbedarf, gegen Ende der 1960er Jahre noch bei 5 Millionen Tonnen, nicht unter 20 Millionen Tonnen liegen, während der Aluminiumbedarf, Ende der 1960er Jahre noch bei 8 Millionen Tonnen, dann die phantastische Zahl von 70 Millionen Tonnen erreicht haben soll.

Es geht nicht nur darum, daß steigende Pro-Kopf-Einkommen höheren Verbrauch bedingen — das Bevölkerungswachstum spielt ebenfalls eine Rolle. Für Indien wird für das Jahr 2000 eine Verdoppelung der Bevölkerung erwartet, und dem entspricht eine vergleichbare Zunahme der Weltbevölkerung. Selbst wenn die Pro-Kopf-Einkommen sich bloß verdoppeln, bedeutet dies eine Vervierfachung des Rohstoffbedarfs.

Dieser rapide ansteigende Bedarf macht das Argument mit den noch unentdeckten Lagerstätten so fadenscheinig. Denn wir hätten ja in den nächsten zwanzig Jahren mehr mineralische Vorkommen zu erschließen, als bis heute jemals erschlossen werden konnten — und daß die ergiebigsten Lager schon abgebaut sind, ist selbstverständlich. Aber selbst wenn man überall auf neue Erzlager stieße, müßten die Mittel zum Abbau unverzüglich bereitgestellt werden — Fachleute der Mineralwirtschaft rechnen mit Investitionen von 6 Milliarden Dollar pro Jahr. Sind diese neuen Vorkommen nämlich abgelegen, so müssen Eisenbahnen, Frachthäfen mit Schiffen und andere Transportmittel gebaut werden. Es liegt also auf der Hand, daß Verknappungen und Preisanstiege in naher Zukunft unvermeidbar sind, wie immer auch diese Zukunft im übrigen aussehen mag und selbst dann, wenn Staaten mit neuen Rohstoffquellen bereitwillig von ihrem Reichtum mitteilen wollen.

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Professor W. Alexander, der Leiter des Departments für Metallurgie an der britischen Universität Aston, entwickelt eine abgewogene Zukunftsprognose: Die wichtigen Metalle wie auch Beton und Holz werden mindestens bis zum Jahr 2000 in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen, vorausgesetzt, die armen Völker machen nicht plötzlich große Sprünge nach vorn. Doch auch er sagt voraus, daß «Kupfer dann zu den kostbaren Metallen zählen wird und in der Elektroindustrie an seine Stelle nach und nach Aluminium, Natrium und wohl auch Eisen treten werden». Und wenn Stahl auch immer noch dort zur Verwendung kommen dürfte, wo große Mengen von Metall gebraucht werden, so müßten Baustähle doch bereits durch Spezialbetone Ersatz finden. In der zweiten Hälfte des kommenden Jahrhunderts aber dürften für Bauzwecke «Holz und Beton als alleinige Materialien übriggeblieben sein».

 

   4  Bergwerk Ozean?   

 

Ein bei Lockheed in Kalifornien hinter verschlossenen Türen gebautes, mit Taucheinrichtungen versehenes Begleitboot kreuzte 1973 zusammen mit seinem Mutterschiff, der «Glomar Challenger», vor der Küste Nicaraguas auf. Als modernstes bergmännisches Förderfahrzeug zur See bot die «Glomar Challenger» die technischen Mittel für den Versuch des amerikanischen Millionärs Howard Hughes, die auf dem Meeresgrund reichlich verstreuten Erzknollen aufzusammeln. Über die Möglichkeiten einer solchen Erzknollenlese auf dem Meeresgrund waren mancherlei in glühenden Farben gehaltene Berichte zu lesen.

«Genug wichtige Minerale, soviel wir absehen können, um die Bedürfnisse der Menschheit in aller Zukunft zu decken», schwärmte Charles Foley, Korrespondent des <Observer>, «und dies zum Bruchteil der heutigen Kosten... die Knollen... bedecken den Ozean in Mengen von bis zu 60.000 Tonnen pro Quadratmeile.» Mittlerweile bauen Konkurrenzunternehmen ähnliche Schiffe, mit denen sie auf Suchfahrt in Pazifik, Atlantik und Indik gehen, wo bereits die Russen am Werk sind. Die <Los Angeles Times> spricht von «einem neuen Goldrausch», bei dem sich über Nacht ein Vermögen machen ließe.

Lord Ritchie Calder befürchtet das Auftauchen von Marinestreitkräften in privater Hand, ausgerüstet von riesigen Konzernen, die ihre Mutungen nachdrücklich vertreten wollen, also eine Art Feudalismus auf dem Tiefseeboden, solange nicht allgemeinverbindliche Rechtsnormen ausgearbeitet sind. Er bemerkt: «Es fällt nicht schwer, sich da auch bewaffnete Konflikte zwischen den Staaten auszumalen. Chile, Sambia und Peru haben sich bereits in dieser Richtung erklärt.»

 4   221


Schwere Umweltprobleme werden dazukommen. Calder: «Diese industriellen Freibeuter bedienen sich einer Abbaumethode, die dem Tagebau an Land ähnelt. Einige werden die primären Aufbereitungsprozesse noch auf hoher See vornehmen, wobei der Abfall an Säuren und basischen Substanzen einfach ins Meer gespült wird. Was das für eine Wirkung auf das natürliche Gleichgewicht des Meeres hat, weiß kein Mensch.»

Zweifellos wird in diesen Bergwerken auf dem Meeresboden zur Atomenergie gegriffen werden, und schon bestehen Pläne für die Errichtung ganzer Unterwasserstädte — aber Städte produzieren Abfall in Menge. «Wir können nur auf die Ausarbeitung von Gesetzen durch eine Weltmeer-Konferenz hoffen», fügt Calder hinzu.

Wahrheit ist jedoch, daß der Meeresboden keine so üppige Fundgrube darstellt, wie die Optimisten gern glauben. So äußert sich Preston Cloud: «... ein <mineralisches Füllhorn> unter dem Meer existiert nur in übertriebenem Wunschdenken. ...die mineralischen Vorkommen auf dem Meeresgrund können nicht mit jenen verglichen werden, die auf dem Festland zum Abbau gelangen.»  

Nach der Schätzung von John Mero, Präsident der Ocean Resources Inc. und Fachmann für Fragen des Tiefseebergbaues, würden rund 100 Millionen Tonnen Erzknollen nach ihrer Verarbeitung etwa je 1,5 Millionen Tonnen Kupfer und Nickel erbringen (also dringend benötigte Metalle), dazu 240.000 Tonnen Kobalt. Damit wäre ein Drittel des Kupferbedarfs der nichtkommunistischen Welt gedeckt, mehr Nickel als benötigt gewonnen, und der Markt würde von Kobalt und Mangan überschwemmt. Indes — es wird noch viele Jahre dauern, bis der ozeanische Bergbau 100 Millionen Tonnen im Jahr zu fördern vermag. Die meisten der bekannten Vorkommen mit mehr als 1 % Kupfer- oder Nickelgehalt befinden sich in 4000 bis 5000 Meter Tiefe, viel zu tief also, um hier noch mit herkömmlichen Abbautechniken zu arbeiten. Zudem enthalten sehr viele Knollen einen derart hohen Anteil an Quarz, daß auch hier die üblichen Aufbereitungsmethoden nicht anwendbar wären. Hätten wir übrigens solche Methoden, so verfügten wir auch auf dem Festland über gewaltige Mengen manganhaltigen Quarzgesteins als Rohstoff.

Es ist auch gesagt worden, daß die Erzknollen zu Millionen Tonnen stets neu gebildet werden, doch zeigen neuere Untersuchungen, daß die Ansetzung mineralischer Substanz in einer Million Jahre oft nur 1 Millimeter betragen dürfte.

Gelöst kommen Metalle schließlich im Seewasser selbst vor, aber die Kosten verbieten ihre Gewinnung — selbst im Falle von Gold. Die einzige Ausnahme wäre hier das Magnesium. Mag sein, daß auch einige seltene Metalle eine rentable Gewinnung aus dem Meerwasser erlauben (Natrium, Jod usw.), aber gerade die von uns am dringendsten benötigten Metalle wie Molybdän, Nickel, Wolfram und Quecksilber bieten keine Aussicht auf erschwingliche Gewinnung. Bei Zink etwa müßte man 9 Kubikmeilen verarbeiten (den Inhalt eines Wassertanks von 2000 Meter Höhe, 1000 Meter Breite und 12 Kilometer Länge!), um bloße 400 Tonnen dieses Metalls zu gewinnen. Dazu Cloud: «Die Durchführbarkeit eines solchen Verfahrens ist zu bezweifeln.»

4   222


   5  Zweierlei Inflation   

 

So ernst wie die Verzögerungen und Verknappungen werden die monetären und finanziellen Auswirkungen dieser Tatsachen für jedes Land sein, das seine Rohstoffe zu einem großen Teil einzuführen gezwungen ist. Das gilt vor allem für Japan, kaum minder aber auch für England, die USA, Frankreich, die Bundesrepublik und viele andere Länder.

Wenn die Preise für Rohstoffe steigen, ziehen die Preise für Fertigwaren nach. Bereits im Oktober 1973 waren in Großbritannien folgende Preisanstiege für Rohstoffe (im Vergleich zum Vorjahr) zu verzeichnen: in der Elektroindustrie 26,2 %, in der Maschinenbauindustrie 14 %, in der Textilindustrie 32 %, in der holzverarbeitenden Industrie 54,5 %, in der chemischen Industrie 24,5 %. Selbst Stahl der Inlandproduktion stieg um 11 % im Preis. Teils lag dies an Lohnanstiegen, teurer gewordener Energie und wohl auch an der kürzeren Arbeitswoche. Rechnen wir zu diesen Entwicklungen die explosiven Kostensteigerungen bei Rohstoffimporten, die auch mit erhöhten Kosten infolge der durch Lieferverzögerungen nicht ausgelasteten Produktionskapazität sich überschneiden, so liegt auf der Hand, daß die Preise noch um mehrere hundert Prozent steigen werden müssen, ehe sich die Preissituation wieder stabilisiert.

Hinter diesen Kostensteigerungen liegen dann letztlich die Preissteigerungen der Rohstoffe selbst: Blei um 53%, Barrenzinn um 45%, Zink um 288%, Naturkautschuk um 73%, Rohbaumwolle um 188%, Rohwolle um 207% — alles im Vergleich zum Stand von 1970.

Es führt in die Irre, daß wir für zwei ganz unterschiedliche Vorgänge das Wort «Inflation» gebrauchen. Einerseits haben wir die Lohninflation — zuviel Kaufkraft für zuwenig Waren. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn die Kosten für die Einkäufe im Ausland ansteigen. Zum Ausgleich für diese Einkäufe müssen größere Exporte getätigt werden. In anderen Worten: Die Bürger des exportierenden Landes bekommen von dem, was sie produzieren, weniger in die Hand. Das Warenaustauschgefälle verändert sich zu ihren Ungunsten. Wenn jetzt nicht die Kaufkraft für den Binnenmarkt irgendwie abgeschöpft wird, kommt es zu inflationären Entwicklungen. Wir haben aber gesehen, wie schwer es ist, das Lohnniveau herunterzuschrauben, vor allem dann, wenn man es an den Preisstandards festmacht. Erlaubt man den Preisen aber, nach oben wegzuziehen, dann verteuern sich die Exporte mit Nachteil gegenüber der Konkurrenz.

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Kurz gesagt: Knappheit an Rohstoffen bewirkt eine Inflation auf dem Inlandmarkt und eine rückläufige Handelsbilanz, was stets zu verzweifelten Versuchen führt, ein neues Ausgleichsniveau zu finden. Da eine Anzahl von Ländern gleichzeitig in diese Bemühungen hineingerissen werden, werden ihre Maßnahmen sich in Wechselwirkung negativ verstärken. Nur reale Sparmaßnahmen gegenüber den Rohstoffen aus dem Ausland werden jedoch dauerhaft wirksam sein können — die beste Sparmaßnahme ist, die Produktion zu drosseln. Wie auch immer aber: Der Lebensstandard nach gängiger materieller Definition wird sinken.

 

    6  Planen fürs Überleben    

 

Dennoch wird mit dem weiteren Anstieg der Rohstoffpreise und mit zunehmender Inflation Sparsamkeit zur Parole. Die Wegwerfgesellschaft wird wieder ihren Stolz in vorsichtigem Wirtschaften und solidem Produzieren finden müssen. Die Produkte modisch kurzfristiger Verfügbarkeit werden durch auf Dauer zu brauchende Erzeugnisse ersetzt werden. Zur Zeit unserer Großeltern wurde selbst ein krummgeschlagener Nagel wieder sorgsam geradegeklopft für weitere Verwendung. (Ich hab's in meiner Jugend noch selbst gesehen.) 

Künstliche Veränderungen an Erzeugnissen, darauf angelegt, Vorjahrsprodukte als überholt erscheinen zu lassen, werden aufgegeben werden müssen. Wie vielfach nachgewiesen wurde — vor allem durch Vance Packard in seinem eindrucksvollen Buch <Die große Verschwendung> —, haben die Hersteller viele Methoden gefunden, mittels deren Erzeugnisse früher als eigentlich notwendig unbrauchbar gemacht werden oder veralten, so etwa durch die Einstellung von Ersatzteil­fertigungen oder durch neues Zubehör, das nur für die jüngsten Modelle brauchbar ist. Daß derart schäbige Methoden unnötig sind, zeigen die Hersteller der Polaroidkamera, die immer noch ihr originales 95er-Modell produzieren, wenn auch mit manchen zusätzlichen Verbesserungen — aber alles neue Zubehör paßt selbst noch für das älteste Modell.

Wie eine solche Veränderung langfristig geplanter Marktstrategien erfolgen soll, ist eine noch ungelöste Frage. Eine Möglichkeit läge wohl darin, die Produzenten zu zwingen, wirksame Garantien für die Lebensdauer ihrer Produkte abzugeben, mit Strafen von wirksamem Gewicht bei Nichtbefolgung. Die ständige Verschwendung der Einwegflaschen sollte unterbunden werden. In England wurden im letzten Jahr 25 Millionen Flaschen in wiederverwendbarem Zustand einfach weggeworfen. Wie ließe sich dies unterbinden? Durch höhere Flaschenpfänder. 

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Es wurde vorgeschlagen, daß durch Einlegieren einer gewissen Goldmenge in Autobleche die Besitzer abgefahrener Wagen veranlaßt werden könnten, sie nicht einfach auf die nächste Mülldeponie zu kutschieren, sondern sie zum Eintausch zu bringen. Die längere Lebensdauer der Produkte könnte auch Energie sparen helfen. Die Herstellung eines Autos kostet etwa 5000 Kilowatt Energie. Würde ein Auto hergestellt, das bei 6000 Kilowatt Produktions­energie­verbrauch die dreifache Lebensdauer hätte, dann ließen sich über diesen Zeitraum 9000 Kilowatt einsparen. Durch ein Recycling des Materials könnten jedoch bloß 10 Kostenprozente eingespart werden.

Die Abfallverwertung, die heute noch etwas abschätzig betrachtet wird, muß als ein lebenswichtiger Wirtschaftszweig verstanden werden, so wie damals im Krieg. England ist in dieser Beziehung den meisten Staaten aller­dings voraus, denn über die Hälfte des hierzulande verarbeiteten Stahls stammt aus Wiedergewinnungsprozessen, und einen ähnlichen Anteil finden wir beim Blei, 40 % beim Kupfer. Obwohl in den USA die Eisenbahnen für Eisenerze vorteilhaftere Frachtkosten als für Eisenschrott festgesetzt haben, gelangen von den 35 Millionen Tonnen jährlich fortgeworfenen Schrottmaterials etwa 16 Millionen wieder in den Kreislauf — also 46 %. Zwar beschränken technische Gegebenheiten die Mengen von Schrott, die ein Hochofen aufzunehmen vermag, doch wären technische Verbesserungen möglich, die höhere Schrottzusätze erlauben.

Zur Hauptsache besteht der Müll aus einer problematischen Mischung von Glas, Stahl, Nichteisenmetallen und Plastik. Heute lassen sich durch magnetische Trennvorrichtungen die eisenhaltigen Anteile herausholen. Gegenwärtig haben aber bloß 20 Städte in den USA eine solche Vorrichtung in Betrieb, und von den 48 Milliarden Eisenblech-Konservenbüchsen, die jährlich im Müll landen, werden nur 8 % als Schrott verwendet. Zinn ist nur schwer der Wiederverarbeitung zugänglich, so daß bloß 10 % des Zinns in den USA aus der Müllquelle stammen.

Eisenerz gibt es allerdings immer noch ziemlich reichlich, und so sind es denn auch mehr die anderen metallischen Beimengungen im Eisen, derentwegen die Aufarbeitung von Schrott lohnt. Die Regierungen müssen aber die lokalen Behörden dahin bringen, derartige Wiederverwertungsanlagen zu schaffen, und gleichzeitig das dringlicher werdende Problem der Abfalldeponierung zu lösen versuchen. Weitere Pluspunkte ließen sich hier durch Energieeinsparungen sammeln. Die Herstellung eines Kilos Aluminium aus dem natürlichen Ausgangsmaterial verlangt das Fünfundzwanzig- bis Fünfunddreißigfache an Energie, als beim Recycling nötig wäre. Beim Kupfer ist das Achtzehnfache, beim Stahl das Fünffache zu rechnen.

Auch Zeitungsaltpapier kann wieder in die Produktion zurückgeführt werden. In den USA stammen 400.000 Tonnen Zeitungspapier völlig aus wieder­auf­gearbeiteten Zeitungen, eine Zahl mit steigender Tendenz.

Auch durch die Verhinderung von Materialverlusten durch Rost oder sonstige Formen der Korrosion könnte enorm gespart werden. Eine durch das britische Ministerium für Technologie 1969 beauftragte Kommission berichtete zwei Jahre später, daß die jährlichen Kosten für «industrielle Korrision» im Vereinigten Königreich bei 1635 Millionen Pfund Sterling lagen. Nach ihren Berechnungen ließen sich davon Verluste in Höhe von 300 Millionen Pfund vermeiden, wenn gegebenes Wissen nur entsprechend zur Anwendung käme — etwa durch Verwendung von Korrosionsschutzmitteln und Vermeidung korrosionsfördernder Bedingungen.

Gewisse Grundstoffe wie Eisen, Steine und Holz werden uns noch in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, aber zahlreiche sehr wichtige andere Substanzen werden zweifellos rar werden, entweder weil sie überhaupt nicht mehr vorhanden sind oder weil Länder mit einem Monopol ihr Privileg ausnutzen werden. Japan, hier in einer besonders schwachen Position, hat bereits langfristige Belieferungsverträge für Erze abgeschlossen und liefert dafür Kapital, Geräte und Know-how. So baut es in der Türkei eine Anlage zur Chromstahlerzeugung mit einer Jahreskapazität von 50.000 Tonnen gegen eine Lieferungsgarantie über 1 Million Tonnen Chromerz für elf Jahre. Wir werden noch mehr solche Verträge erleben. 

Andererseits bestehen die armen Länder immer häufiger darauf, daß die Aufbereitung der Erze und deren Weiterverarbeitung im Förderland selbst erfolgen, weil dadurch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können, als der Export von Roherzen allein zuläßt. Bei solchen Rohstoffen werden die Preise hoch bleiben oder noch weiter steigen. Es gibt keine armen Länder mehr, die froh sind, daß ihnen jemand ihre Rohstoffe abnimmt. Diese Einsicht muß bei den westlichen Regierungen jetzt kommen, und sie müssen wirklich etwas tun — ein paar Gesten genügen nicht —, um die Wirtschaft ihrer Länder in der hier skizzierten Weise voranzubringen.

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Gordon Rattray Taylor   Zukunftsbewältigung   How to Avoid the Future   Wie diese Zukunft zu vermeiden ist