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7. Goliath und David

detopia-2019:  Zur Auffrischung:   wikipedia  David_und_Goliath_(Film)

Italo-Sandalen-Film 1960 mit O. Welles auf deutsch:   youtube.com/watch?v=jWFd0Hwircw 

Kampfszenen:  youtube.com/results?search_query=david+goliath 

 

113-130

Die Saga vom Zweikampf zwischen David und Goliath veranschaulicht ein Entwicklungs­gesetz der mensch­lichen Kriegs­geschichte, das schon in der Biologie gilt; hier wäre vergleichsweise auf den Sieg des kleinen Säugetiers mit seinem weichen Fell über das massige, gepanzerte Reptil hinzuweisen. Nehmen wir also den legendären syrischen Kampf als Ausgangs­punkt unserer Betrachtung; wir werden dann sehen, daß sich dieses Schauspiel in einer fortlaufenden Reihe von Wettkämpfen zwischen einer neuen und einer veralteten Kriegstechnik wiederholt.

Bis zu dem verhängnisvollen Tage, an dem Goliath die Heere Israels herausfordert, hat er mit seinem Speer, dessen Schaft so lang und so stark wie ein Weberbaum ist, und dessen Spitze sechshundert Eisensekel wiegt, einen triumphalen Sieg nach dem andern gewonnen und sich in seiner aus Helm, Panzer, Beinschienen und Schild bestehenden Rüstung vollkommen sicher allen feindlichen Waffen gegenüber gefühlt. 

So ist ihm der Gedanke völlig fremd geworden, daß es noch bessere Waffen geben könnte als seine; und er glaubt, daß er mit seiner Bewaffnung unüber­windlich ist. Deshalb fordert er den Feind des Tages auf, einen tapferen Krieger für einen Einzelkampf mit ihm auszuwählen. Denn er nimmt als selbstverständlich an, daß, wenn sich überhaupt ein Kämpfer stellt, dieser wie er ein von Kopf bis Fuß gepanzerter Speerkämpfer sein müsse, und ist sich dessen ganz sicher, daß jeder Israelit, der die Kühnheit haben sollte, mit gleichen Waffen gegen ihn anzutreten, eine leichte Beute für ihn sein würde.

Da tritt nun David vor. Er trägt nicht ein Stück von einer Rüstung am Leibe und hat auch in der Hand außer einem Stabe nichts Auffälliges. Und Goliath ist so befangen in seinen Vorstellungen, daß ihm das nicht im geringsten verdächtig vorkommt. Im Gegenteil, er wird ärgerlich, als ihm der anscheinend gänzlich waffenlose David gegenübertritt, und ruft aus: »Bin ich denn ein Hund, daß du mit Stecken zu mir kommst?« Goliath argwöhnt nicht, daß die Dreistigkeit des Jünglings kein Dummerjungenstreich ist, sondern im Gegenteil eine wohlüberlegte List.

Freilich hat auch Saul diesem eine vollständige Rüstung aufdrängen wollen. Aber David hat sie nach kurzer Anprobe wieder zurückgewiesen; denn er hat genau wie Goliath selbst eingesehen, daß er diesem in der gleichen Ausrüstung nicht gewachsen ist.

Aber Goliath bemerkt auch nicht die Schleuder, die David in der anderen Hand hat, und macht sich ebenfalls keine Gedanken darüber, ob in der Hirtentasche irgendein Unheil verborgen sein könnte. So schreitet denn der unglückliche Philisterrecke stattlich dem Feinde entgegen und bietet seine durch kein Visier geschützte Stirn dem Schleuderstein als Ziel dar; und dieser trifft ihn, noch ehe der verächtliche Gegner in die Reichweite seines bisher stets todbringenden Speeres gekommen ist.

Goliath von Gath war nicht der erste Schwerbewaffnete in der Geschichte des Lebens auf der Erde, der das Schicksal heraus­forderte und fassungslos das Verhängnis über sich hereinbrechen sah. Denn weit schwerere Panzer als seiner waren schon von Reptilien und Säugetieren getragen worden, lange bevor die ersten Menschen auf dem irdischen Schauplatz erschienen.

»Ein verführerischer und letzten Endes stets verhängnisvoller Weg [der Entwicklung] ist die Heranbildung eines Schutzpanzers gewesen. Ein Lebewesen kann sich durch Verstecken, schnelle Flucht, wirksamen Gegenangriff, Vereinigung mit andern Individuen seiner Art zu Angriff und Verteidigung und auch dadurch schützen, daß es sich in knöcherne Platten und Dornen einkapselt. Den letzteren Weg schlugen die Schmelzschuppenfische des Devon mit ihrer schimmernden Rüstung ein. Einige der großen Eidechsen des späteren Mesozoikums waren sorgfältig eingekapselt. Verschiedene tertiäre Säugetiere, besonders in Südamerika, waren wunderliche Geschöpfe; und man fragt sich, wie lang die Periode ihrer Entwicklungs­geschichte war, die sie nötig hatten, um sich so zu bewaffnen.

Das Experiment der Panzerung ist stets gescheitert. Lebewesen, die einen Panzer entwickelten, wurden meist ungeschlacht und mußten sich verhältnis­mäßig langsam bewegen. Deshalb waren sie hauptsächlich auf pflanzliche Nahrung angewiesen und so im allgemeinen im Nachteil gegenüber Feinden, die von schneller verwertbarer tierischer Nahrung lebten. Das wiederholte Versagen der Schutzpanzerung zeigt, daß selbst auf einer verhältnismäßig niedrigen Stufe der Entwicklung der Geist über die bloße Materie triumphierte. Und diese Art des Triumphes hat ihren höchsten Ausdruck im Menschen gefunden.«*

* E. W. Barnes, Scientific Theory and Religion, S. 474 f.         (d-2016:) wikipedia  Goliat  

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Und das veranschaulicht in idealer Weise die Sage von David und Goliath. Diese klassische Geschichte bringt damit in einer für alle Zeiten gültigen Weise eine philosophische Wahrheit zum Ausdruck, für die die gesamte Geschichte der sich in allmählichem Wettbewerb entwickelnden menschlichen Waffen ein weiterer Beleg ist. Geschichtliche Tatsache ist es dagegen, daß der schwer­bewaffnete Einzelkämpfer des nachminoischen Interregnums — ein Goliath von Gath oder ein Hektor von Troja — nicht der Schleuder Davids oder dem Bogen Philoktets, sondern der Phalanx der Myrmidonen unterlag: einem Leviathan, in dem eine Vielzahl von Schwerbewaffneten Schulter an Schulter, Helm an Helm und Schild an Schild sich reihte.

Wenn auch jeder einzelne Soldat der Phalanx, was seine Ausrüstung betrifft, eine Wiederholung Hektors oder Goliaths war, so war doch sein Geist von dem des homerischen Hopliten völlig verschieden; ja, er war ihm geradezu entgegengesetzt. Denn das Wesen der Phalanx bestand nicht in der Ausrüstung der einzelnen Krieger, aus denen sie sich zusammensetzte, sondern in der Disziplin. Diese hatte einen barbarischen Haufen einzelner Krieger in eine militärische Formation umgewandelt, deren geordnete taktische Bewegungen zehnmal mehr ausrichten konnten als die ungeordneten Anstrengungen einer gleichen Anzahl gleich gut bewaffneter Einzel­kämpfer.

Dieser neuen Kriegstechnik begegnen wir andeutungsweise bereits in der Ilias. Im hellen Licht der Geschichte sehen wir sie dann unzweifelhaft in Sparta. In der Formation der Phalanx und nach den Versen des Tyrtäus marschierten die Spartaner in den Zweiten Messenischen Krieg und zu ihrem in sozialer Hinsicht so verhängnisvollen Sieg. Aber auch der Triumph der spartanischen Phalanx war nichts Endgültiges. Nachdem sie eine Zeitlang alles aus dem Felde geschlagen hatte, unterlag auch sie wieder neuen Techniken.

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Noch schien der Sieg Spartas im Peloponnesischen Kriege von 431-404 v. Chr., den es mit derselben Taktik errang wie mehr als zweihundert Jahre früher den über die Messenier, seine militärische Überlegenheit in Hellas zu vollenden und jenen früheren Sieg zu krönen. Aber es ist bezeichnend, daß die endgültige Niederlage seiner Phalanx bald danach erfolgte, und zwar deshalb, weil es der Versuchung unterlag, auf den »Lorbeeren« seines Sieges »auszuruhen«.

Innerhalb von 33 Jahren nach dem Zusammenbruch Athens im Jahre 404 wurde die bis dahin triumphierende spartanische Phalanx schmählich aus dem Felde geschlagen: zuerst von athenischen Peltastenschwarm — einem ganzen Heer von Daviden, mit denen es die Goliathe der Phalanx durchaus nicht aufnehmen konnten — und dann durch die thebanische Heeressäule, eine taktische Neuerung, die der Phalanx gegenüber einen entscheidenden Fortschritt bedeutete. In ihr waren nämlich Tiefe, Stärke und Stoßkraft ungleich verteilt, so daß zu dem Vorteil, den die Disziplin gebracht hatte, noch das Moment der Überraschung hinzukam. Aber der athenischen und der thebanischen Kriegstechnik wurden ihre Triumphe ebenso schnell und sicher zum Verderben wie der spartanischen.

Der athenische Sieg von 390 und der thebanische von 371 über die spartanische Phalanx wurden 338 mit einem Schlage durch eine mazedonische Formation aufgehoben, in der scharf unterschiedene Plänkler und Phalangiten mit einer schweren Reiterei geschickt zu einer Kampfeinheit zusammen­gefaßt waren.

Wenn die mazedonische Phalanx mit den sie umgebenden Leichtbewaffneten und dem Reiterflügel die spartanische im gleichen Maße als Kriegs­instrument übertraf, wie die Eroberungen Mazedoniens über die Spartas an Umfang hinausgehen, dann war der Unterschied in den Techniken in der Tat groß. Denn die spartanische Phalanx eroberte nur Hellas, das mazedonische Heer dagegen sowohl Hellas als auch das Achämenidenreich.

Die Mazedonier konnten völlig frei vom Cephisus und vom Eurotas bis zum Jaxartes und zum Besas marschieren, ohne auf einen Gegner zu stoßen, der ihnen standzuhalten vermocht hätte. Aber die lange Liste der Mächte, die nacheinander von Philipp II. und Alexander dem Großen besiegt wurden, ist nicht die eindrucks­vollste Bestätigung ihrer Brauchbarkeit, die die mazedonische Kriegs­maschine gefunden hat.

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Das ist vielmehr das nachträgliche Zugeständnis, das der siegreiche Befehlshaber des feindlichen Heeres nach einer Entscheidungsschlacht machte, die 170 Jahre nach Philipps überwältigendem Siege bei Chäronea stattfand.

 

»Der Konsul Lucius [Aemilius Paullus] hatte nie in seinem Leben eine Phalanx gesehen, als er im Kriege zwischen Rom und Perseus zum erstenmal in feindliche Berührung mit einer solchen kam. Und als alles vorüber war, bekannte er zu Hause seinen Freunden gegenüber ganz offen, daß die mazedonische Phalanx der furchtbarste und schreckenerregendste Anblick gewesen sei, den er je gehabt habe. Das sagte ein Soldat, der nicht nur Augenzeuge war, sondern der an mehr Kämpfen teilgenommen hatte, als irgendein anderer Befehlshaber seiner Zeit.«*

 

Allerdings siegte 168 v. Chr. nicht Perseus' Phalanx, sondern die Legionen des Paullus. So ist das eben zitierte Lob der mazedonischen Formation zugleich eine Grabrede, die der überlegene Führer der römischen Formation, die der Phalanx den Todesstoß versetzte, über ihrer Leiche hielt. Das mazedonische Heer des 2. Jahrhunderts v. Chr. war ebensowenig imstande, es mit den Römern aufzunehmen, wie die athenischen, thebanischen oder persischen Streitkräfte des 4. Jahrhunderts sich mit dem mazedonischen Heer Philipps II. und Alexanders des Großen hatten messen können.

 

Die Ursache dieser auffälligen Vertauschung der Rollen im Kriegsglück der Mazedonier war das greisenhaft starre Festhalten an einer Technik, die fünf Generationen lang alles beherrscht hatte. Ihrem schwer errungenen Sieg über die kleinen Stadtstaaten Athen und Theben war die mühelose Eroberung des riesigen Achämenidenreiches gefolgt. Und dann hatten die mazedonischen Soldaten als die unbestrittenen Herren der Ökumene — von den Randgebieten abgesehen — »auf ihren Lorbeeren ausgeruht«.

Indessen hatten aber jenseits ihres Horizontes im Westen die Römer auf Grund der Erfahrungen, die sie in ihrem fürchterlichen Kampf mit Hannibal gewonnen hatten, die Kriegskunst revolutioniert. Die ungeheure Überlegenheit der nachhannibalischen römischen über die nachalexandrinische mazedonische Kriegsmaschine wurde gleich bei ihrem ersten Zusammenstoß überzeugend dargelegt. Und was sich zuerst bei dem Reitergefecht in Illyrien im Jahre 200 gezeigt hatte, wurde 197 bei Kynoskephalä bewiesen und 168 bei Pydna bestätigt.

* Polybius, Buch 29, Kap. 17.

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Die römische Legion triumphierte über die mazedonische Phalanx, weil sie die Vereinigung des leicht­bewaff­neten Fußsoldaten mit dem Phalangiten, die die Mazedonier begonnen hatten, ein gutes Stück weiterführte. In der mazedonischen Technik hing die Verbindung von dem peinlich genauen Zusammen­wirken zweier Waffengattungen ab, die die größtmöglichen Gegensätze in Ausrüstung und Ausbildung darstellten und auch durch Aufgliederung in verschiedene Einheiten voneinander getrennt waren.

Wenn es geschah, daß die lebenswichtige Verbindung von Phalanx und leichter Fußtruppe auf dem Schlacht­feld zerriß, dann war jeder der beiden Flügel, gerade wegen seiner auf die Spitze getriebenen Spezialisierung, in Gefahr, sich einem wendigeren Gegner auf Gnade und Ungnade ausgeliefert zu sehen. Dementsprechend hing alles von der Genauigkeit der taktischen Bewegungen im Kampfe ab; und es liegt auf der Hand, daß es unmöglich war, diese zu verbürgen. Natürliche Hindernisse wie der Nebel bei Kynoskephalä und der unebene Boden bei Pydna genügten, um die Formation eines mazedonischen Heeres auseinanderzureißen; und die Folgen waren verhängnisvoll, wenn der Feind eine Streitkraft von der Leistungs­fähigkeit des nachhannibalischen römischen Heeres war.

Diese Leistungsfähigkeit des römischen Heeres war noch etwas ganz Neues. Denn im mittelitalischen Halbschatten der hellenischen Welt war noch am Tage von Kannä eine altmodische Phalanx vom vormazedonischen, ja, vorthebanischen Typ auf dem Schlachtfeld zu sehen gewesen. Und bei dieser Gelegenheit waren die zur alten spartanischen Phalanx aufgestellten schwer­bewaffneten römischen Fußtruppen von Hannibals spanischer und gallischer schwerer Reiterei von hinten zusammen­getrieben und auf beiden Flanken von seinen afrikanischen schweren Fußtruppen wie Vieh hingeschlachtet worden.

Aber in der harten Schule ihrer wiederholten Niederlagen im Zweiten Punischen Krieg hatten die Römer viel gelernt und eine Verbesserung in der Technik des Fußkampfes eingeführt, die das römische Heer mit einem Schlage von einer völlig veralteten zur leistungsfähigsten Streitkraft in der hellenischen Welt machte.

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Es war ihnen nämlich gelungen, die schwache Stelle des vorherrschenden mazedonischen Systems zu beseitigen. In jenen schöpferischen Jahren hatten sie eine neue Art der Bewaffnung und einen neuen Formationstyp erfunden, die es jedem einzelnen Soldaten und jeder beliebigen Einheit möglich machten, entweder die Rolle des leichten Fußsoldaten oder die des Hopliten zu spielen und vor dem Feinde ohne Zeitverlust von der einen Taktik zur andern überzugehen.

Die Überlegenheit der nachhannibalischen römischen über die mazedonische Kriegstechnik, die beim Ausbruch des Zweiten Mazedonischen Krieges im Jahre 200 v. Chr. über hundert Jahre die gleiche geblieben war, wird von dem zeitgenössischen arkadischen Beobachter Polybius genau erklärt:

 

»Die Phalanx mit ihrer einzigartigen und durchschlagenden Technik gibt, wie unschwer nachzu­weisen ist, die Gewähr, daß sie jede andere Formation, die es wagt, ihr feindlich gegenüber­zutreten, aus dem Felde schlägt. Ihrem Angriff kann nichts widerstehen ... Aber wie ist dann der Triumph der Römer zu erklären? Und woran liegt es, daß die Anwendung der Phalanx zur Niederlage führt?

Die Schwierigkeit liegt in der mangelnden Anpassungsfähigkeit der Phalanx. Der Krieg als eine Sache der Praxis hat seinem Wesen nach etwas Unberechenbares an sich. In Hinsicht sowohl auf die Lage als auch auf das Gelände. Die Phalanx aber setzt für ihre erfolgreiche Anwendung eine besondere Lage und ein bestimmtes Gelände voraus. Allerdings, wenn es möglich ist, den Feind zu einer Entscheidungsschlacht in der Lage und in dem Gelände zu stellen, die gerade für die Anwendung der Phalanx geeignet sind, dann führt diese unfehlbar zum Siege, Wenn es dagegen dem Feinde gelingt — wie das immer und leicht der Fall sein kann —, einer Schlacht unter diesen Bedingungen auszuweichen, dann verliert die Phalanxformation ihre Schrecken.

Ferner steht fest, daß die Phalanx ebenes und undurchschnittenes Gelände erfordert. Hindernisse wie Gräben, Verwerfungen, Schluchten, Felsspitzen und Wasserläufe genügen vollkommen, um sie durcheinander­zubringen und auseinanderzureißen. Es wird auch jeder zugeben, daß die Art des Geländes, welches die Phalanx erfordert — es muß in einer Ausdehnung von mindestens zwei Kilometern völlig frei von Hindernissen sein —, fast gar nicht zu finden oder zumindest äußerst selten ist.

Aber selbst vorausgesetzt, daß sich ein solches Gelände gefunden hat, so ist es, wie wir bereits gezeigt haben, dem Feinde immer möglich, einer Schlacht auszuweichen ... [Ferner hat der Feind noch die Möglichkeit, wenn er sich auf eine Schlacht mit der Phalanx auf ebenem Boden einläßt, den Sieg dadurch zu erringen, daß er einen Teil seiner Kräfte zurückhält, mit den übrigen die Phalanx gerade so weit in den Kampf verwickelt, daß sie sich auflösen und ihre Flanken gegen einen Angriff ungeschützt lassen muß, und dann seine Reserven gegen die Flanken und die Rückfront der Phalanx wirft, wenn diese nicht mehr von den leichten Fußtruppen und der Reiterei gedeckt sind.]* 

Kurzum, die für die Phalanx günstigen Situationen können vom Feinde leicht umgangen werden, während sie den für sie ungünstigen nicht ausweichen kann. Und wenn sich die Dinge wirklich so verhalten, wie ich sie auseinandergesetzt habe, so bedeutet das ganz offensichtlich eine starke Behinderung für die Phalanx.

Ferner muß auch sie wie jede andere Streitkraft durch die verschiedenartigsten Länder marschieren, muß lagern, dem Feind beim Beziehen von Schlüsselstellungen zuvorkommen, Belagerungen durchführen und sich ihnen unterziehen und unvorhergesehene widrige Umstände gewärtigen. Alle diese Operationen, die auch zum Kriege gehören, können den Ausgang — manchmal entscheidend — beeinflussen. Und für alle solche Operationen ist die mazedonische Kriegstechnik zu unbeholfen, ja, manchmal taugt sie sogar überhaupt nicht dafür, denn sie erlaubt dem Phalangiten nicht, sich frei zu entfalten, weder in Reih' und Glied, noch für sich allein.

Auf der anderen Seite ist die römische Kriegstechnik bei allen diesen Operationen gleich wirkungsvoll, da jeder römische Soldat, der sich unter Waffen und im Dienst befindet, imstande ist, sich jedem Gelände, jeder Lage und jedem Umstande gleich gut anzupassen. 

Und nicht nur das; er ist auch in gleicher Weise in seinem Element und gleichermaßen Herr der Lage, einerlei ob er in einer allgemeinen Schlacht oder in einem Teilgefecht zum Einsatz kommt, ob er in Hundertschaften oder allein in den Kampf gehen muß. Man wird sehen, daß die römische Kriegsmaschine an Wirksamkeit im einzelnen ihren Mitbewerberinnen gewaltig überlegen ist; und deshalb ist es nur natürlich, daß die Römer mit so viel größerem Erfolg als ihre Gegner ihre militärischen Ziele erreichen.«

 

* Der Abschnitt in eckigen Klammern ist eine Zusammenfassung der entsprechenden Stelle des Originals. - Anm. d. Verf.

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Diese Wendigkeit, die der charakteristische Zug des voll erwachten militärischen Genies der Römer war, machte die Verbindung des Plänklers mit dem Hopliten vollständig. Denn die Beweglichkeit des einen und die Widerstandskraft des anderen wurden jetzt in der Person jedes einzelnen Legionssoldaten vereinigt. Und als die Legion, zu deren Schaffung Hannibal die Veranlassung gegeben hatte, und die mit so vernichtender Wirkung gegen die veraltete mazedonische Ordnung eingesetzt worden war, in den Kriegen gegen die Barbaren und in den Bürgerkriegen durch eine Reihe großer Feldherren, von Marius angefangen bis zu Cäsar, vervollkommnet worden war, hatte sie die höchste Leistungsfähigkeit erreicht, die der Infanterie vor der Erfindung der Feuerwaffen überhaupt möglich war. 

Aber gerade in dem Augenblick, als der Legionssoldat auf seine Weise etwas Vollkommenes wurde, erlitt er die erste seiner langen Reihe von Niederlagen, und zwar durch ein Paar berittener Krieger, die im übrigen in technischer Hinsicht völlig verschieden voneinander waren: den leichten Bogenschützen zu Pferd und den schuppengepanzerten Lanzenreiter oder Katapbrakten. 

Diese sollten ihn schließlich gemeinsam gänzlich aus dem Felde schlagen. Der Sieg des berittenen Bogen­schützen über den Legionssoldaten bei Karrhä im Jahre 53 v.Chr. ging dem klassischen Kampf des einen Legionssoldaten gegen den andern bei Pharsalus im Jahre 48 v.Chr., der Schlacht, in der die römische Infanterietechnik wahrscheinlich auf ihrem Höhepunkt war, um fünf Jahre voraus. Was bei Karrhä angedeutet worden war, wurde dann 400 Jahre später bei Adrianopel bestätigt, wo der Kataphrakt dem Legionssoldaten den Gnadenstoß versetzte (378 n.Chr.).

*(d-2016:)  wikipedia  Schlacht_bei_Carrhae  

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Die Katastrophe von Adrianopel, das tragische Ende der Herrschaft, die der Legionssoldat — wenn auch mit immer größerer Mühe — fast 600 Jahre lang ausgeübt hatte, ist von einem zeitgenössischen römischen Offizier und lateinischen Geschichtsschreiber anschaulich beschrieben worden*.

Noch am Vorabend der Katastrophe hatte die höchste Befehlsstelle volles Vertrauen in die überlieferte römische Kriegstechnik. So war der Kaiser Valens, dem es gerade gelungen war, mit dem gotischen Heer, das damals die Provinz Thrazien verwüstete, Fühlung aufzunehmen, so anmaßend, daß er auf einer unverzüglichen Bestrafung der widerspenstigen Barbaren bestand. Er wollte nicht einmal auf die Verstärkungen warten, die sein Neffe und Mitkaiser Gratian in Eilmärschen aus dem Westen schickte, obwohl er bereits Depeschen erhalten hatte, die besagten, daß das Heer Gratians im Begriff sei, sich mit dem seinen zu vereinigen. Sogar auf die Vorschläge, die die Goten, durch die unerwarteten starken militärischen Gegenmaßnahmen der Römer beunruhigt, ihrem ungehaltenen kaiserlichen Gegner jetzt noch zu machen versuchten, wollte er nicht eingehen. So gab er seinen Legionen den Befehl, sich unverzüglich in Richtung auf das Lager der Goten in Marsch zu setzen. Und wirklich schien es zunächst so, als solle der Erfolg seiner unnachgiebigen Politik recht geben.

 

»Auch die Barbaren waren nicht in voller Stärke. Denn ein Teil ihres Heeres operierte unter dem Befehl des Alatheus und des Saphrax in einer gewissen Entfernung und hatte nicht genügend Zeit um zurückzukehren, wenn auch ein diesbezüglicher Befehl an sie unterwegs war. So wurden sie durch das schreckliche Getöse der aufeinanderprallenden Waffen [der Legionssoldaten] und das herausfordernde Zusammenschlagen ihrer Schilde in solche Furcht versetzt, daß sie Unterhändler schickten, die um Frieden bitten sollten.«

 

Es sah so aus, als ob die Legionen ohne einen Schwertstreich den Sieg davongetragen hätten. Aber in Wirklichkeit hatte Valens' Unnachgiebigkeit den Geist der Goten nicht gebrochen, sondern sie mit dem Mut der Verzweiflung erfüllt. Und die Unterhandlung war nur eine Kriegslist.

Die Absicht des gotischen Befehlshabers Fritigern war einfach die, Zeit zu gewinnen, bis er den angreifenden Römern mit seiner ganzen Streitmacht, einschließlich des noch abwesenden Teiles, der aus der schweren Reiterei bestand, gegenübertreten konnte.

* Ammianus Marcellinus, Res Gestae, Buch 31, Kap. 11-13.

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Und seine List gelang. Denn er konnte — während die Römer die ganze Zeit über in der Tageshitze ohne Speise und Trank gefechtsbereit dastanden — die Verhandlungen so weit in die Länge ziehen, bis 

»die gotische Reiterei, von Alatheus und Saphrax geführt und durch ein alanisches Kontingent verstärkt, wieder auf dem Schauplatz erschien, wie ein Donnerschlag gegen eine Gebirgskette auf das römische Heer losbrach, mit Blitzesschnelle angriff und in einem fürchterlichen Gemetzel, das niemand zur Besinnung kommen ließ, alle Römer dahinraffte, deren sie aus nächster Nähe habhaft werden konnte«. 

 

Die Legionssoldaten wurden aus dem Zusammenhang ihrer Formation gerissen und zu einem so dichten Haufen zusammen­getrieben, daß sie nicht einmal Platz genug hatten, ihr Schwert zu ziehen, geschweige denn zu handhaben. Und in dieser hilflosen Lage erlitten sie das Schicksal, das einst ihre Vorfahren über die mazedonischen Phalangiten verhängt hatten. Nachdem die Schwerbewaffneten die Legionssoldaten so in einen nicht wieder aufzuholenden Nachteil gebracht hatten, setzten sie ihren pausenlosen Angriff auf den völlig aus der Fassung geratenen Gegner, ohne ihm eine Gelegenheit zur Erholung zu geben, so lange fort, bis »die römische Linie unter der Schwere und Gewalt des Angriffs der Barbaren schließlich nachgab, und die Legionssoldaten in ihrer verzweifelten Lage den letzten Ausweg in einem chaotischen Rette-sich-wer-kann suchten«. 

Der Geschichtsschreiber bürgt für die Angabe, daß »die Verluste der Römer etwa zwei Drittel der zum Einsatz gekommenen Kampfkräfte betrugen« (der Kaiser Valens selbst war unter den Vermißten). Und er gibt der Meinung Ausdruck, daß, »von der Schlacht bei Kannä abgesehen, die Annalen der römischen Kriegsgeschichte von keiner andern Schlacht zu berichten« wüßten, »bei der ein so großes Blutbad angerichtet wurde wie bei dieser«.

Daß Ammian Adrianoapel mit Kannä vergleicht, zeugt von seinem geschichtlichen Verständnis. Denn das Gemetzel von Kannä, bei dem die römischen Fußsoldaten Hannibals schwerer Reiterei hilflos ausgeliefert waren, hatte das militärische Genie der Römer dazu angespornt, ihre schwerfällige Phalanx nach dem veralteten spartanischen Muster in die bewegliche Legion umzuwandeln, die dann zuerst bei Zama und später bei Kynoskephalä und Pydna siegreich gewesen war.

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Im Jahre der Schlacht bei Adrianopel indessen war die Lehre von Kannä nahezu 600 Jahre alt. Und während dieser sechs Jahrhunderte hatten die römischen Legionssoldaten wie vor ihnen die mazedonischen Phalangiten »auf ihren Lorbeeren ausgeruht«. So wurden sie schließlich von einer orientalischen schweren Reiterei überrascht und niedergetrampelt, die eine furchtbarere Kriegsmaschine war als Hannibals europäische Schwadronen, und der man nur mit einer weiteren Neuerung in der Infanterietechnik erfolgreich entgegentreten konnte. 

 

Zu dieser wirksamen Neuerung kam es schließlich auch; aber erst tausend Jahre später, und nicht durch römische Findigkeit. Obwohl den Römern wiederholt — 53 v.Chr. bei der Katastrophe des Crassus, 260 n.Chr. bei der Valerians und 363 n.Chr. bei der Julians — vor Augen geführt worden war, daß der Legionssoldat dem orientalischen Reiter unterlegen war, waren sie doch zu keiner schöpferischen Erneuerung der Infanterietechnik angeregt worden. Sie hatten die Legion unverändert ihrem Schicksal überlassen. Und als die Zeit gekommen und 378 n.Chr. bei Adrianopel der Todesstreich geführt worden war, war es zu spät, um noch durch etwas Neuartiges Abhilfe zu schaffen. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den besiegten Legions­soldaten einfach abzuschaffen und den siegreichen Schwerbewaffneten aus zweiter Hand zu übernehmen.  

Gratians Mitkaiser und Nachfolger Theodosius warb die barbarischen Reiter zum Lohn dafür, daß sie die römischen Fußtruppen vernichtet hatten, an, um den leeren Platz auszufüllen. Aber die kaiserliche Regierung konnte mit ihrer kurzsichtigen Politik nur einen kleinen Aufschub erreichen und mußte auch hierfür noch einen hohen Preis zahlen. Denn die berittenen Söldner teilten alle westlichen Provinzen des Reiches unter sich auf und machten barbarische »Nachfolgestaaten« daraus. Und das neue aus Landeskindern gebildete Heer, das die griechischen und orientalischen Provinzen in letzter Minute davor bewahrt hatte, denselben Weg zu gehen, war nach dem Muster der Barbaren bewaffnet und beritten.

Das Ende des Legionssoldaten war durch einen merkwürdigen Umstand noch schmählicher: der schwer­bewaffnete Reiter, der ihn im Jahre 378 n. Chr. auf den Ebenen Thraziens zermalmte, war selbst eine Verfallserscheinung. Der parthische Reiter, der 53 v. Chr. die Legionen des Crassus bei Karrhä gezwungen hatte, sich zu ergeben, war wie sein nomadischer Vorfahre ein berittener Bogenschütze.

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Die sarmatischen und gotischen Schwerbewaffneten dagegen, die die Legionen des Valens bei Adrianopel vernichteten, waren bloße Lanzenreiter, die ihren Sieg durch die einfache und schwerfällige Taktik des Stürmens gewannen. Diese Panzerreiter hatten die verfeinerte Technik wieder aufgegeben, welche Surens Bogenschützen zu Pferd 53 v.Chr. bei Karrhä zur Anwendung gebracht hatten, und die darin bestand, daß der Feind durch pausenloses Abschießen von Pfeilen überwältigt wurde, die eine nie versagende Intendantur auf Kamelen bereithielt. Karrhä »hätte das Kriegswesen der Welt revolutionieren können. Aber tatsächlich war die Wirkung nur gering; denn Suren wurde im folgenden Jahr hingerichtet und seine Organisation zerschlagen«.

 

Die Zukunft lag nicht bei dem leichten Bogenschützen zu Pferd, sondern beim Panzerreiter, der bei Karrhä in den Reihen der Parther ebenfalls vertreten gewesen war, ohne jedoch einen nennenswerten Beitrag zum Siege seines ungepanzerten Kameraden zu liefern. Und sobald der Kataphrakt die Rüstung des assyrischen Fußsoldaten angelegt hatte, begann er auch, den Bogen des Nomaden durch die Lanze des Hopliten zu ersetzen. Der nur halbschwere assyrische Panzerreiter war Bogenschütze geblieben. Und von der Streitkraft von tausend Saken, die 331 v.Chr. bei Gaugamela für den letzten Achämeniden kämpften, wird berichtet, daß sie noch mit Bogen ausgerüstet waren, obgleich sowohl die Männer als auch die Pferde einen Panzer trugen. Allerdings schossen diese sakischen Halbkataphrakten im Kampf nicht, sondern stürmten. 

Und der parthische Vollkataphrakt, der im Sgraffito von Dura dargestellt ist, trägt nicht einmal zusätzlich zu seiner Lanze einen Bogen. Und obwohl die leichten Bogenschützen zu Pferde den Erfolg gegen Crassus bei Karrhä zu verzeichnen hatten, die stürmenden Panzerreiter dagegen beim nächsten Gang der römisch-parthischen Kraftprobe gegen Ventidius versagten, und die berittenen leichten Bogenschützen wiederum gegen Antonius erfolgreich waren, entschieden sich die Parther doch für den schwerbewaffneten Reiter. Dem Beispiel der Arsaziden folgten später ihre Nachfolger, die Sasaniden. Allerdings waren Belisars römische Schwerbewaffnete des 6. Jahrhunderts, so wie Prokop sie beschreibt, berittene Bogenschützen nach der Art der Assyrer.

*(d-2016:)   wikipedia  Belisar 

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Aber im allgemeinen war es der gepanzerte Lanzenreiter, und nicht der gepanzerte Bogenschütze zu Pferd, der die zwölf Jahrhunderte beherrschte, welche auf den Sieg des leichten Bogenschützen zu Pferd bei Karrhä folgten. Und die Ausrüstung dieses Lanzenreiters ist in der ganzen Zeitspanne von mehr als einem Jahrtausend in ganz Europa und Asien außerordentlich gleichförmig. Er ist unverkennbar, einerlei ob er uns im 1. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung auf einem Grabfresko auf der Krim entgegentritt; oder im 3. bis 6. Jahrhundert auf den Bas-Reliefs der Sasanidenkönige in Fars; oder in den Tonfigurinen der fernöstlichen Krieger, welche die Streitmacht der Tang-Dynastie (618 bis 907) bildeten; oder im n. Jahrhundert auf dem Teppich von Bayeux, der die Niederlage darstellt, welche die damals nicht mehr auf der Höhe der Zeit befindlichen englischen Fußsoldaten durch die normannischen Ritter Wilhelms des Eroberers erlitten.

Diese Langlebigkeit und Allgegenwart des Kataphrakten ist erstaunlich; aber es ist jedenfalls bemerkens­wert, daß er nur in seiner Verfallsform eine so weite Verbreitung gefunden hat. Und wenn wir bedenken, daß eine bloße äußere Ausbreitung durchaus auch ein Verfallssymptom sein kann, werden wir nicht überrascht sein, wenn wir das nächste Kapitel der Geschichte des Panzerreiters lesen. Auch hier wollen wir wieder einen Zeitgenossen sprechen lassen, der in diesem Fall außerdem noch Augenzeuge war.

 

»Ich war im Heer des Unterstaatssekretärs, als er auszog, den Tataren westlich der Stadt des Friedens (Bagdad) zu begegnen, als diese im Jahre 656 nach der Hedschra (das am 8. Januar 1258 n. Chr. begann) ihrem größten Unglück entgegenging. Wir trafen bei Nahr Baschir, das zu Dudschail gehört, aufeinander. Da kam aus unserer Mitte ein Ritter vor und erbot sich zum Einzelkampf. Er war in voller Rüstung und ritt auf einem Araberpferd; zusammen mit seinem Streitroß war er wie ein großer Berg. 

Daraufhin ritt aus den Mongolen ein Reiter hervor, um ihm zu begegnen. Der saß auf einem Pferd, das einem Esel glich, hatte in der Hand einen Speer wie eine Spindel und trug weder ein langes Gewand, noch eine Rüstung, so daß alle, die ihn sahen, lachen mußten. Aber ehe der Tag vorüber war, war der Sieg ihrer. Und sie fügten uns eine schwere Niederlage zu; die war der Schlüssel zum Übel. Und danach kam über uns, was über uns kommen sollte.«*

 

* Falak-ad-Din Muhammad ben Aidimir, direkt zitiert von Ibn-at-Tiktaka im Kitab-al-Fakri. Die [englische] Übersetzung ist entnommen aus: E. G. Browne, A Literary History of Persia, Bd. II, S. 462.

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So wiederholt sich die legendäre Begegnung zwischen Goliath und David, die am Anfang der syrischen Geschichte stattgefunden haben soll, an deren Ende, vielleicht 2300 Jahre später, als bezeugte geschichtliche Tatsache. Und obwohl bei dieser Gelegenheit Riese und Zwerg ihre Rolle zu Pferde statt zu Fuß spielten, war der Ausgang der gleiche.

 

Im Jahre 1258 n. Chr. erhielt das Kalifat der Abbasiden, das eine Fortsetzung des Achämenidenreiches und eine Wieder­herstellung des syrischen Universalstaates war, den Gnadenstoß. Bagdad wurde geplündert, und der Kalif mußte in seinem Schatzhause verhungern. 

Der unbezwingliche tatarische Kasak, der den irakischen Kataphrakten überwand, war ein leichter Bogenschütze zu Pferd vom ursprünglichen und zählebigen nomadischen Typ, der sich in Vorderasien zum erstenmal durch den Einbruch der Kimmerier und Skythen um die Wende des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. bekannt und gefürchtet gemacht hatte.

Die alte nomadische Kriegstechnik hatte, während die nachahmenden seßhaften Völker im Verlauf von mehr als 2000 Jahren geringen Fortschrittes und langen Stillstandes zum Schuppenpanzer übergegangen waren, im Innern der Steppe fortgelebt. Und aus dieser brachen jetzt im 13. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung die Tataren hervor, um am Ende dieses Kapitels der Kriegsgeschichte die Überlegenheit der durch sie vertretenen älteren Technik geltend zu machen. 

Und wenn in diesem historischen Augenblick der berittene David den berittenen Goliath schlug, so war die Wiederholung der Geschichte dem Original durchaus getreu. Aber auch die Folgen der Begegnung entsprachen diesem. Wir haben gesehen, daß der gepanzerte Fußkämpfer, den Davids Schleuderstein niederstreckte, danach nicht von David selbst, sondern von einer Phalanx von Goliathen abgelöst wurde, in der jeder einzelne Phalangit mit Goliaths Ausrüstung versehen, aber darin ausgebildet war, einen besseren Gebrauch davon zu machen, und in einer disziplinierten Formation focht, statt sich dem primitiven Zeitvertreib des Einzelkampfes hinzugeben. 

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Und jetzt, im Zeitalter des Reiters, gewann die Disziplin ihren Sieg über den Individualismus noch einmal. Denn Hulagu Khans mongolische leichte Reiterei, die 1258 n.Chr. vor den Mauern von Bagdad die Ritter der Abbasidenkalifen überwältigt hatte, wurde nachher immer wieder — 1260, 1281, 1299-1300 und 1303 — besiegt, wenn sie durch den Euphrat schwamm und sich mit den Mamelucken maß, die Syrien und Ägypten beherrschten, und unter deren Schutz eine neue Folge abbasidischer Kalifen ein Schattendasein führte. 

Die Ausrüstung der Mamelucken war weder besser noch schlechter als die ihrer mosleminischen und ritterlichen Brüder, die nur wenige Jahre früher bei Nähr Baschir so schmählich besiegt worden waren. Aber in der Taktik blieben sie ihrem Namen und ihrem Stande treu und der Disziplin unterworfen; und diese Disziplin gab ihnen ihre Überlegenheit über die mongolischen Scharfschützen und die fahrenden Ritter der Franken.

Nachdem wir nun gesehen haben, wie Goliath und David zuerst zu Fuß und dann zu Pferde kämpften*, können wir das Amphitheater nicht verlassen, ehe wir auch noch gesehen haben, wie die Arena in eine Naumachie verwandelt wird, und unser Gladiatorenpaar seinen Zweikampf zu Schiff wiederholt. 

 

*  Als eine geschichtliche Kuriosität mag der nachfolgende, 1938 geschriebene Absatz, der im Originalwerk zum Text gehört, hier als Anmerkung wiedergegeben werden [A Study of History, Bd. IV, S. 463]:

Im Jahre 1938 stand schon wieder fest, daß die Technik, die den Krieg von 1914-1918 gewonnen hatte, nicht das letzte Glied in der Kette sein würde — vorausgesetzt, daß die Menschheit so unsinnig ist und fortfährt, Kriege zu führen, nachdem diese eine solche Zerstörungskraft entwickelt haben, daß ihre Fortsetzung wahrscheinlich die vollständige Vernichtung der Gesellschaft zur Folge haben würde. 

In einem künftigen abendländischen Kriege könnte es sich herausstellen, daß die britische »Nachkriegs«flotte und das französische »Nachkriegs«system halbunterirdischer Grenzbefestigungen nur Mühlsteine um den Hals der Gewinner des letzten Krieges sind. Und dieser würde dann nicht als der »Krieg gegen den Krieg« im Gedächtnis der Nachwelt weiterleben, sondern nur als das Ereignis von 1914-1918 in einem kriegerischen Wettstreit, bei dem die zerfleischten Teilnehmer es nicht verstanden haben, rechtzeitig ein Ende zu machen. 

In einem kommenden Kriege könnte eine feindliche Luftwaffe, die mit allen Mitteln der Vernichtung ausgerüstet ist, welche die abendländischen Chemiker des 20. Jahrhunderts erfunden haben, die französischen Befestigungen einfach überfliegen und die große britische Flotte im Hafen versenken. 

Wenn der nächste Krieg je kommen und die »große Gesellschaft« vernichten sollte, könnte er von einem Heer von Berufssoldaten gewonnen werden — sofern der Begriff »Sieg« dann überhaupt noch einen Sinn hat —, deren Stärke nicht in ihrer Zahl liegt, sondern in einer Disziplin und einer Ausbildung, die diese Janitscharen des 20. Jahrhunderts befähigen, ein ihnen zur Verfügung stehendes Arsenal unerreichter neuartiger Waffen voll auszunutzen. 

Eine solche Bande militarisierter Mechaniker könnte durch dieselben Tugenden und Fertigkeiten siegen wie die Grenadiere Friedrichs des Großen und die Musketiere Selims I. Und wenn die siegreiche Schar »bewaffneter Plankengänger« die deutsche Reichswehr sein sollte, dann würde das Rad der europäischen Kriegsgeschichte eine volle Umdrehung gemacht haben.

128/129


Es ist nicht unangebracht, wenn wir unsere Übersicht über Fälle, in denen die Vergötzung einer vergäng­lichen Technik zum Untergang geführt hat, mit der Betrachtung eines merkwürdigen Beispiels aus der Geschichte des Seekrieges beschließen.  

 

Als die Römer im Ersten Punischen Kriege (264-241 v.Chr.) ihre ersten Schiffe bauten, sahen sie sich der karthagischen Flotte gegenüber, die alle Verbesserungen mitgemacht hatte, welche seit der Zeit des Themistokles, also in zwei Jahrhunderten, im Seekriegswesen des Mittelmeergebietes eingeführt worden waren.

Der Geschichte nach — es ist gleichgültig, ob es sich dabei um eine authentische Tatsache oder um die »philosophische Wahrheit« einer Legende handelt — brachten die römischen Landratten die karthagischen Meister des Seekrieges dadurch in Verlegenheit, daß sie mit einem Schlage zwei Jahrhunderte des Fortschritts im Seekriege zunichte machten und diesen wieder auf seine Urform zurückbrachten, in der er eine Art Landkrieg zu Schiff gewesen war. 

Die Überlieferung geht dahin, daß die Römer, unfähig, den Karthagern zur See unter gleichen Bedingungen entgegenzutreten, und mit Bedauern über ihre offensichtliche Überlegenheit zu Lande nachsinnend, eine Laufplanke erfanden, die von einem Mast abgestoßen wurde und mit einem Enterhaken versehen war, und mit der sie die karthagischen Kriegsschiffe buchstäblich zu fassen kriegten. Mit dieser empörenden und unfachmännischen technischen Neuerung ergriffen sie in der Taktik die Initiative, hinderten ihre erstaunten und entrüsteten Gegner daran, ihre überlieferte Taktik des Manövrierens und Rammens anzuwenden, und ersetzten diese zwangsweise — mit entscheidender Wirkung auf den Ausgang des Krieges — durch eine Taktik des Enterns und An-Bord-Gehens.

Wenn etwas Wahres an dieser Geschichte ist, bringt sie den Zusammenhang zwischen Niedergang und Götzendienst klar zum Ausdruck. Denn in diesem Falle sehen wir, wie eine in ihrem Wesen höhere Technik, die von denen, welche sie anwenden können, zum Götzen gemacht worden ist, von einer ihrem Wesen nach niedriger stehenden Technik überwunden wird, für die weiter nichts spricht, als daß sie als etwas Neues noch keine Zeit gehabt hat, zum Götzen gemacht zu werden. 

Und dieses eigenartige Schauspiel zeigt uns mit zwingender Deutlichkeit, daß das Unheil in der Vergötzung als solcher liegt, und nicht in irgendeiner dem Gegenstande innewohnenden Eigenschaft.

129-130

 

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