Ines Weber

Sozialismus
in der DDR

 

Alternative Gesellschaftskonzepte
von Robert Havemann
und Rudolf Bahro

 

 

 

2015 im Verlag Ch.Links

2015   344 Seiten

DNB.person *1983

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detopia:

Bahrobuch 

Utopiebuch 

W.htm 

Amberger-2014

 

  Inhalt 

 

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Zur Person

politik.uni-kiel.de   dr.-ines-weber 

 

 

 

 

 

1. Einleitung: Alternative Gesellschaftskonzeptionen von DDR.
   Oppositionellen und ihre politikwissenschaftliche Erforschung (9)
  
1.1 Forschungsstand 12    1.2 Aufbau der Arbeit 18

 

Teil A: Analytische und theoretische Grundlagen

2. Analytische Überlegungen zu den Begriffen Sozialismus/Kommunismus und Freiheit  (24)

2.1 Zur Rezeption der Begriffe Sozialismus und Kommunismus in der wissenschaftlichen Literatur 24

2.2 Zur analytischen Differenzierung des Freiheitsbegriffs 35

3. Sozialistische Grundlagen bei Karl Marx und Friedrich Engels (47)

3.1 Ausgangslage: Kritische Analyse der kapitalistischen Gesellschaft 49

3.2 Die Bedingungen der Revolution und ihre Umsetzung 53
    Wirtschaftliche, soziale, politische und »innere« Voraussetzungen 54 
    Das Wie der Vorbereitung 56 
    Die Revolutions- und Übergangsphase 61

3.3 Das Ideal der kommunistischen Gesellschaft 68

3.4 Zusammenfassung 71

 

4. Weiterentwicklung der sozialistischen Grundlagen durch Lenin  (73)

4.1 Ausgangslage: Die imperialistische Phase der kapitalistischen Gesellschaft (75)

4.2 Die Bedingungen der Revolution und ihre Umsetzung (77)

4.2.1 Das Wie der Vorbereitung (78)

4.2.2 Die Revolutions- und Übergangsphase (84)

4.2.3 Theoretische Modifikationen (88)

4.3 Das Ideal der kommunistischen Gesellschaft 93

4.4 Zusammenfassung (94)

 

Teil B: Sozialistische Praxis

5. Sozialistisches Theorieverständnis in der DDR-Praxis . 96
5.1 Ausgangslage: Das Ende des Zweiten Weltkrieges 99
5.2 Die Bedingungen der sozialistischen Gesellschaft und ihre Umsetzung 102
   5.2.1 Das Wie der Vorbereitung 103 5.2.2 Die staatlichen Institutionen und die Funktion des Rechts (117)
   5.2.3 Theoretische Modifikationen (134)
5.3 Das Ideal der kommunistischen Gesellschaft 146
5.4 Zusammenfassung 148

 

Teil C: Sozialistische Alternativen

6. Robert Havemann 152
6.1 Biografischer Überblick und Werkübersicht 153
6.2 Ausgangslage: Philosophische Betrachtungen.... 171
6.3 Kritische Analyse des real existierenden Sozialismus in der DDR .... 187
6.4 Die Bedingungen einer sozialistischen DDR 193
6.4.1 Die zwei Revolutionsphasen (193)  6.4.2 Das Wie der zweiten Phase (195)
6.5 Die Entwicklungen in den kapitalistischen Ländern 211
6.6 Die sozialistische Gesellschaft und das kommunistische Ideal (215)

7. Rudolf Bahro  (229)

7.1 Biografischer Überblick und Werkübersicht 231
7.2 Ausgangslage: Der Protosozialismus 248
7.3 Die Bedingungen der Kulturrevolution und ihre Umsetzung 266
7.3.1 Die »inneren« Voraussetzungen und ihre Organisation 266  7.3.2 Das Wie der Umsetzung 283
7.4 Die Abkehr von der sozialistischen Idee 291

 

Teil D: Tatsächliche Alternativen?

8. Vergleichende Diskussion der alternativen Gesellschaftskonzepte (302)

9. Schluss: Freiheit in sozialistischen Gesellschaftskonzepten (312)

 

Anhang

Abkürzungsverzeichnis 316     Literaturverzeichnis 317    Dank 343     Die Autorin 344

Lesebericht - Von Marko Ferst

Die Alternativen Havemanns und Bahros

Wie viel freiheitliche Momente tragen die sozialistischen Ideen in sich?

 

Bevor Ines Weber die beiden berühmtesten Oppositionellen der DDR auf ihre politiktheoretischen und ideengeschichtlichen Positionen hin untersucht und insbesondere nach ihren Freiheitsvorstellungen fragt, unternimmt sie eine Reise zurück zu Marx und Engels, deren theoretischen Grundlagen, läßt die leninschen Konzepte an uns vorübergleiten, um sodann die politische Architektur der DDR und ihres Regierungs­systems auszuloten.

Man würde sich wünschen, Marxens Äußerungen zur Pressezensur, die sie anführt, als ein "charakterloses Unwesen der Unfreiheit" hätte einst auch dem Politbüro zu neuen marxistischen Einsichten verholfen. Weber zeigt plausibel auf, wie unvollständig die konkrete Gestaltung einer sozialistischen Alternative in Lenins Werk aufscheint.

So schwer die Rahmenbedingungen durch das Ende des ersten Weltkrieges, die damit verbundene katastrophale soziale Lage und dem folgenden Bürgerkrieg mit ausländischen Interventionen waren: Hier identifiziert sie zu Recht, die demokratische Einbettung revolutionären Anspruchs, ließ von Anfang an stark zu wünschen übrig. Selbst unter der Annahme, nur die Interessen der Arbeiter und Bauern seien zu vertreten, trifft dies zu.

Man fragt sich überdies, ob einige Prämissen überhaupt angemessen waren, etwa dass der Sozialismus nur auf ein Land beschränkt, nicht umsetzbar sei, wenigstens das übrige Europa dazukommen müsste oder die Idee vom langfristigen Absterben des Staates im Kommunismus. Angesichts der millionenfachen unschuldigen Opfer des stalinschen Terrors, drängt sich die Frage auf, welche Barrieren diesen Blutzoll hätten verhindern können. Lenin wird Anlass gehabt haben, Stalin als Generalsekretär ablösen zu wollen, weil er nicht tolerant, loyal und höflich genug sei, zu launisch und für diese Funktion zu grob agiere. Es sei nicht günstig soviel Macht in seiner Hand zu konzentrieren. Bei der sowjetischen Entwicklung sollte man zudem auf die tiefenkulturellen Mentalitäten achten, die Rudolf Bahro zu recht im Blick hat, welche das Zarenzeitalter hinterlassen hatte. Die äußere Bedrohung der Sowjetunion und diese Muster macht er mitverantwortlich für den, so wörtlich, „Staatsterrorismus“.

Weber lobt an Robert Havemann, das er Überlegungen zu einer demokratischen Wahl der Volkskammer unternimmt. Es könnten zumindest verschiedene Personen zur Auswahl stehen. Neben einer Reform der SED, will er in der DDR Oppositionsgruppen und -parteien zulassen, ebenso alternative Zeitungen, Meinungsfreiheit müsse gewährleistet sein, kontroverser wissenschaftlicher Meinungsstreit ermöglicht. Gleiches gilt für die Reisefreiheit.

Bahro denkt an ein Bündnis aller Kräfte und Strömungen, die den Menschen aus der Gefangenschaft der selbst geschaffenen Sachzwänge herausführen möchte, will Zensurbehörden abschaffen. Es sei der Geschichte nicht vorzuschreiben, ob eine Veränderung durch den inneren Wandel in der SED oder durch einen neuen Bund der Kommunisten geschehen könne. Später wird er auch andere Oppositionsgruppen in der DDR begrüßen. Er gibt sich allerdings nicht der Illusion hin, nur eine Oppositionspartei müsse die Macht erringen. Er sieht, unfreie psychologische Ver-haltensmuster in der Gesellschaft müssen überwunden werden. Selbstverwaltung sollte von unten in die Institutionen hineinwachsen. Die Erkenntnis- und Entscheidungsprozesse der Gesellschaft müssen demokratisiert werden. Das ist Weber zu wenig. Ohne parlamentarisches Wahlrecht, sei dies nicht freiheitlich genug.

Sowohl Havemann als auch Bahro hatten jedoch nicht vor durch die grundlegende Reform der DDR, einen Brückenkopf für eine kapitalistische Wiedervereinigung mit dem Westteil des Landes zu schaffen. Ein nur marginal auf den Wirtschaftsprozess Einfluss nehmendes Parlament mit Lobbystrukturen durchsetzt, das im Grunde die Herrschaftsstrukturen der etablierten westlichen Plutokratie nicht in Frage stellt, schien beiden eine Farce von Demokratie zu sein.

Havemann zeichnet in einer Reise ins ökologische Utopia in seinem Buch „Morgen“ wie er sich die kommunistische Zukunft vorstellt. Das sein Naturverständnis dabei instrumentell sei, dem ist nicht zu widersprechen. Wenn er aber nur noch ein Zehntel des Energieverbauchs benötigt sieht, extrem langlebige Produkte anstrebt und die heutige Autogesellschaft als überwunden darstellt, bedeutet dies jedoch eine grundsätzlich bessere Naturverträglichkeit.

Die Freiheit des Einzelnen muß prinzipiell dort ihre Grenze finden, wo die Freiheit anderer oder der Gesellschaft gefährdet wird. Die Freiheit der jetzigen Generation muß begrenzt werden, wo die Freiheit künftiger Generationen aus den Angeln gehoben wird durch eine vier oder sechs Grad heißere Welt. Darauf orientiert Bahros „Logik der Rettung“, die sich an die westdeutsche Gesellschaft richtete und konservative bis grünalternative Schichten ansprechen sollte. Behandelt wird die Psychodynamik einer ökologischen Umkehrpolitik. Manche Termini irritieren, selbst wenn diese von Gramsci stammen. Die präzise Kapitalismuskritik läßt darauf schließen, auch der Vergleich zu seinem Buch „Die Alternative“ legt das nahe, die ursprüngliche Ideen sind völlig verwandelt, Teil eines viel universelleren Denkkosmos geworden.

Der Band ist geradezu gespickt damit wie eine ökologische Begrenzungsordnung emanzipatorisch angelegt werden kann, um damit ein neues totalitäres System zu verhindern.

An der Bruchlinie dieses Konfliktes, hätte die Autorin sich dem Problem stellen müssen, welche freiheitlichen Aspekte mit den Interessen der künftigen Generationen kollidieren. Völlig berechtigt bleibt dagegen Webers Kritik, bundesweite Volksabstimmungen können nicht das Privileg von Parlamentskammern sein. Ob aber im Kontext der kommenden ökologischen Krise ein freilich demokratisch verfaßtes Ökologisches Oberhaus, mit Richtlinienkompetenz für den Bundestag, wie Bahro das vorschwebt, ungünstiger wäre wie Havemanns Idee ohne staatliche Steuerung auszukommen in seiner Utopie, muss bezweifelt werden. Wie intelligente Zugangskriterien für kompetente Kandidaturen für diese Kammer ohne direkten Parteienzugriff aussehen, dürfte eine Debatte wert sein.

Während die Autorin bei der Bewertung der Schriften Havemanns in vielen Aspekten zugestimmt werden kann, gilt dies nur sehr eingeschränkt für Bahro. Die komplexen Ideenstrukturen des Sozialökologen lassen freilich viel Spielraum für Interpretation. Mein Rat ist, die Originalschriften der beiden Denker selbst zu lesen. Heute wäre Rudolf Bahro 80 Jahre alt geworden.

Neues Deutschland, 13.11.2015 (Original), Marko Ferst,  http://umweltdebatte.de

 

 

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