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   4. Atropos - Die Schicksalsgöttin         wikipedia  Atropos  

Wir haben ein Fatum erschaffen: eine Atropos
das sich nie wieder abwenden läßt. 
(So soll der Name eurer Maschine sein.) 
Henry Thoreau

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Nahe dem Gipfel des Mauna Loa können wir beobachten, daß Kohlendioxid in einem langen, titanischen Ausstoß in die Atmosphäre geblasen wird. Aber wir können nicht erkennen, woher das Gas kommt. Welche der sieben Sphären atmet es aus? Gewiß nicht die Sonne und nicht das Eis. Entströmt es dann der Lithosphäre, der Sphäre des Gesteins? Der Hydrosphäre, der Sphäre des Wasser? Der Biosphäre, der Sphäre des Lebens? Oder der Sphäre menschlicher Verrichtungen?

Nachdem Keeling dem Ansteigen seiner Kurve etwa zehn Jahre lang zugesehen hatte, tat er das Naheliegende. Er ging in die Bibliothek und las die Berichte des Statistischen Amtes der Vereinten Nationen, das über die ökonomischen Fortschritte in allen Nationen Buch führt. Dort fand Keeling detaillierte Produktions­berichte über Rohöl, Naturgas, Steinkohle, Braunkohle, Koks, Holz und Torf vor, Jahr für Jahr für jedes Land der Erde kompiliert, von Afghanistan bis zu der Insel, die damals Sansibar hieß.

Roger Revelle und andere Experten hatten die Berichte des Statistischen Amtes schon vor Keeling gelesen, aber keiner von ihnen hatte je soviel Zeit mit dem verbracht, was Keeling »über den Daten brüten« nannte. Er rechnete aus, wieviel Kohlenstoff pro Tonne in jeder Art Brennmaterial vorhanden ist. (Bei der Steinkohle macht der Kohlenstoff ungefähr siebzig Prozent ihres Gewichts aus, während Methan — ein natürliches Gas — weniger als fünfzig Prozent aufweist.) 

Er ermittelte, wieviel dieses Kohlenstoffs in Form von Kohlendioxid in die Luft gelangt, wenn der Brennstoff verbrannt wird. Er berechnete, welcher Teil des alljährlich produzierten Brennstoffs in dem betreffenden Jahr verbrannt wird (der größte Teil) und wieviel als Asphalt und Schmiermittel endet, ohne verbrannt zu werden, oder zu Wachsen, Farblosem und Flüssigkeiten für die chemische Reinigung verarbeitet wird, die nur gelegentlich verbrannt werden. Er addierte die Tonnen an Kohlendioxid dazu, die freigesetzt werden, wenn Wagen gefahren, Flugzeuge geflogen werden oder Kalk zur Zementherstellung erhitzt wird.

Keeling kontrollierte außerdem die Genauigkeit der Zahlen, die den Vereinten Nationen genannt worden waren, in manchen Fällen mehrmals. Er entdeckte, daß einige Länder und Verwaltungsbehörden bessere Berichte als andere verfassen. In den Statistiken der Volksrepublik China zum Beispiel waren die Daten der Jahre 1958 bis 1960 mit dem Großen Sprung nach vorn assoziiert worden, während die Daten aus den Jahren 1967 bis 1970 mit der Kulturrevolution in Verbindung gebracht wurden. Wie Keeling feststellte, war man zur Zeit des Großen Sprungs nach vorn so sehr an Beweisen für große Sprünge nach vorn interessiert, daß die Chinesen über die Produktion ganzer Berge von Kohle berichteten, die höchstwahrscheinlich gar nicht existierten.

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Nach Aussortieren aller dieser Fehler berichtigte Keeling seine Zahlen für das Jahr 1958, in dem er zum erstenmal auf die Zunahme des Kohlendioxidgehalts aufmerksam geworden war. Allein in jenem Jahr, so schätzte er, hatten die Länder der Erde etwa 2.294.000.000 metrische Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre geblasen. Im folgenden Jahr hatte die Welt ein paar Prozent mehr freigesetzt, und im Jahr darauf war wieder eine Steigerung zu registrieren. Tatsächlich hatte die Welt von 1959 bis 1972, dem Jahr seines Reports, alljährlich mehr Kohlenstoff als im Vorjahr freigesetzt, und die Zuwachsrate betrug jedesmal annähernd vier Prozent. (Diese extreme Entwicklung hatte sich während der Ölkrise der siebziger und frühen achtziger Jahre verlangsamt; aber gegen Ende der achtziger Jahre nahm die Verbrennungsrate wieder zu. Die Menschen blasen heute mehr als fünf Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Jahr in die Luft.)

* (d-2010:)  Thoreau bei detopia     Fatum: Schicksal, Verhängnis, siehe unten      Atropos: griechische Göttin, die uns den Lebensfaden abschneidet.

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Keeling berücksichtigte auch die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts, die Tage seiner Urgroßeltern. Es war das Jahrzehnt des ersten brauchbaren Verbrennungs­motors, der ersten motorbetriebenen Gefrieranlage, des ersten Siemens-Martin-Stahl-Ofens gewesen. Diese Jahre waren Zeugen der ersten Revolverkanone, des Transatlantik-Kabels, der Pasteurisierung, der Öl-Pipelines, des Dynamits, der Torpedos, des Zelluloids, der Radrennen, der Geburt der <National Academy of Sciences>, des <Massachusetts Institute of Technology> und eines Kindes namens Henry Ford. 

Ökonomische Daten der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts sind nicht so ausführlich wie die der neuesten Zeit, doch hatte es damals auch nicht soviel zu berücksichtigende Industrie gegeben. 1860 sorgte die industrielle Revolution dafür, daß rund 93.000.000 Tonnen Kohlenstoff in die Luft geblasen wurden. Zwischen 1860 und 1958 verbrannte die Industrie fossile Brennstoffe in einer sich etwa alle zwei Jahrzehnte verdoppelnden Rate und belastete die Luft mit insgesamt mehr als sechsundsiebzig Milliarden Tonnen Kohlenstoff.

Um dies alles sichtbar zu machen, zeichnete Keeling eine lange Kurve, die den Zuwachs des Gases seit 1850 aufzeigt. Dieses Wandgemälde schmückt heute den Korridor vor seinem Büro (auf dem er auch das für den Mauna Loa bestimmte Gasanalysegerät zusammengeschraubt hatte). Es ist ein Panorama der Marschgeschwindigkeit des Fortschritts, dargestellt anhand des fundamentalsten Nebenprodukts dieses Fortschritts, eben des Kohlendioxids. Die Linie stellt eine exponentielle Kurve dar und verläuft parallel zur Kurve der Bevölkerungszunahme. 

In hundert Jahren hat es nur drei Verzögerungen in diesen beiden Entwicklungen gegeben. Diese Verzögerungen fanden um die Jahre 1915, 1930 und 1940 statt: eine weltweite Depression und zwei Weltkriege. Während der Depression hatten Millionen von Menschen keine Arbeit; in den Kriegen starben Millionen von Menschen. Der Impuls der ansteigenden Kurve ist so stark, daß sich sogar diese Ereignisse nur als leichtes Absacken manifestieren. Das ist Geschichte ohne Führer und deren Nachfolger, ohne Heilige und Meuchelmörder, eine gänzlich unsentimentale Sicht des 20. Jahrhunderts. Hier ist unsere Spezies nur eine planetare Sphäre, die eine andere beeinflußt, mit einer Geschwindigkeit, die für einen Astronomen auf dem Mars sichtbar wäre.

All dies hat die Ausmaße eines erstaunlichen geologischen Ereignisses. Wir sprechen von der industriellen Revolution; hier zeigt sich, daß es sich um eine industrielle Eruption handelt. Die größte einzelne Eruption der Lithosphäre in neuerer Zeit war die des Vulkans Tambora in Südostasien im Jahr 1815. Ein Drittel des etwa viertausend Meter hohen Berges wurde in die Luft geblasen; Steine »fielen sehr dicht« bei Saugar, einer etwa vierzig Kilometer weit entfernten Stadt, hunderttausend Menschen wurden getötet, und der ganze Planet war so dicht von Wolken schwefliger Tröpfchen verhüllt, daß Yankee-Farmer auf der anderen Seite der Erde unter einem »Jahr ohne Sommer« litten.

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Nach Schätzung des Vulkanologen Haraldur Sigurdsson blies der Tambora etwas weniger als hundert Millionen Tonnen Kohlenstoff in die Luft. Die Menschensphäre bläst jedes Jahr durch Verbrennung fossiler Brennstoffe so viel Kohlenstoff wie hundert Tamboras in die Luft. Tatsächlich belasten Menschen die Atmosphäre alljährlich mit mindestens hundertmal mehr Kohlendioxid als alle Vulkane der Welt, auf dem Festland und im Meer.

Die beeindruckende Gesamtsumme aller fossilen Brennstoffe: Fast achtzig Milliarden Tonnen Kohlenstoff gingen zwischen 1860 und 1960 in die Atmosphäre. Seit 1960 waren es weitere achtzig Milliarden Tonnen, Tendenz zunehmend. Das ist ebenfalls eine der seltsamen Tatsachen, die aus den detaillierten tabellarischen Aufstellungen hervorgehen. Es dauerte hundert Jahre, bis die erste Hälfte des fossilen Kohlenstoffs freigesetzt wurde.* Es dauerte weniger als dreißig Jahre, bis noch einmal die gleiche Menge freigesetzt wurde. So groß ist die Kraft eines exponentiellen Wachstums, das sich immer rascher verdoppelt. 

Obwohl Keeling mit seinen Beobachtungen auf dem Mauna Loa erst 1959 anfing, fast zwei Jahrhunderte nach dem Beginn der industriellen Revolution, war er Zeuge der Verbrennung von über der Hälfte des fossilen Brennstoffs, der bisher in der ganzen Geschichte der Menschheit verbrannt worden war. Oder anders ausgedrückt, jeder, der in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg — während des Babybooms — geboren wurde, hat mehr als die Hälfte der industriellen Eruption erlebt.

 

In gewisser Hinsicht fing alles im Jahr 1754 mit dem Medizinstudenten Joseph Black an. Seine Wiederentdeckung des Kohlendioxids brachte ihm Berühmtheit, mehrere Professuren und Assistenten ein. Einer seiner ersten Assistenten war ein junger Mann aus Greenock namens James Watt. Watt arbeitete sich, nachdem er Blacks Vorstellungen über Gase und Wärme übernommen hatte, bis zum Master Engineer hoch (was ursprünglich Maschinenbauer hieß). 

* Die Verbrennung der ersten fossilen Brennstoffe liegt aber sehr viel weiter zurück. Die Chinesen förderten und verbrannten schon vor zweitausend Jahren Kohle. Die Burmesen bohrten vor tausend Jahren Ölquellen an. Vor fünfhundert Jahren bettelten die Armen vor den Türen schottischer Kirchen um Kohlestückchen für ihre Öfen. (Ja, Menschen haben schon seit mehr als einer Million Jahre Holz in Höhlen und auf Lagerplätzen verbrannt. Wie Loren Eiseley sagt: »Der Mensch selbst ist eine Flamme.«) Trotzdem blieb die Verbrennungsrate fossiler Brennstoffe nach modernem Maßstab unerheblich und wurde erst um das Jahr 1860 eine Größe, die unsere globale Umwelt verändern konnte.

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Er baute Maschinen, die Kohlen verbrennen, Wasser zum Kochen bringen und dadurch Dampf zur Arbeit gewinnen konnten. Es waren nicht die ersten Dampfmaschinen der Welt (die allererste war ein Spielzeug im alten Griechenland), aber Watt ließ als erster eine Maschine, die den Dampf wieder zurückzuführen vermochte, patentieren; danach entwickelte er eine Maschine mit doppelter Wirkung und dann einen Fliehkraftregler, dank dessen sich die Maschine selbst regulieren konnte; und schließlich eine Dampflokomotive.

Watts Maschinen waren die Urheber der industriellen Revolution. Sie halfen, die Entwicklung der Menschensphäre zu beschleunigen. Die Menschen begannen, größere Mengen Steinkohle und Holzkohle zu verbrennen, um die Maschinen anzutreiben, und Eisen zu verhütten, um mehr Maschinen zu bauen. In Brennöfen gewannen sie aus Muschelschalen und Kreidefelsen Kalk für die Herstellung von Zement, und sie bauten mehr und mehr Fabriken, Städte und Straßen zwischen den Städten, bessere Maschinen, die mehr Arbeit verrichten konnten, und verfütterten an sie mehr Kohle, Öl und Erdgas, in einem Crescendo von Kohlendioxid, das noch immer ansteigt.

 

Im Durchschnitt schickt heute jeder Mensch auf dem Planeten Jahr für Jahr eine Tonne Kohlenstoff in die Luft. Die Amerikaner jedoch befördern jährlich etwa fünf Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre, also fünfmal so viel wie der globale Durchschnitt. Die Schweizer verbrennen nur ein Viertel davon. Der Vergleich ist jedoch nicht ganz fair, da der nationale Durchschnitt der Vereinigten Staaten auch Kohle einschließt, die zu anderen als Heizzwecken verbrannt wird. Zum Beispiel verbrennen die Vereinigten Staaten einen großen Teil ihrer Kohle bei der Stahlerzeugung, während in der Schweiz die Leichtindustrie, Uhren und Pharmazeutika, überwiegt. Immerhin stellen in Europa lebende Amerikaner bald fest, daß sie mit einem Viertel des Brennstoffs auskommen können, den sie zu Hause in den Vereinigten Staaten verbraucht haben. Es ist nicht leicht, in Europa eine Hundertwattbirne in einem Privathaushalt zu finden, und es gibt relativ viele Fünfzehnwattbirnen.* 

Amerikaner, die Fragen über Wein stellen, erfahren zu ihrer Verblüffung, daß Rotwein beim Servieren Zimmertemperatur haben sollte, wobei Zimmer­temperatur in Europa ungefähr 18 Grad Celsius bedeutet. Als Keeling im Jahr 1961 Stockholm besuchte, um mit den Betreibern eines skandinavischen Kohlendioxidnetzes zusammenzuarbeiten, erkundigte er sich nach einer Raumheizung für sein Büro. Am folgenden Tag lachten die Nordländer draußen vor der Tür, als sie Keeling bei der Arbeit sahen; in Hemdsärmeln, das Jackett über die Stuhllehne gehängt, die Heizung angestellt. »Schaut euch diesen Yankee an!«

* Ein Watt ist eine zu James Watts Ehren benannte Energieeinheit.

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Die Unterschiede sind sogar noch auffallender zwischen der nördlichen und der südlichen Hemisphäre. Fast neunzig Prozent aller fossilen Brennstoffe werden im Norden verbrannt. Da es ungefähr ein Jahr dauert, bis sich die Luft der beiden Hemisphären über dem Äquator vermischt hat, ist die Luft der nördlichen Hemisphäre immer kohlenstoffreicher als die der südlichen Halbkugel. Die Luft über dem Nordpol enthält ein paar Prozent mehr Kohlendioxid als die Luft über dem Südpol.

Die Zahlen der Vereinten Nationen und die Werte vom Mauna Loa sind Beweise dieses Ineinandergreifens. Die Menschensphäre setzt genügend Kohlendioxid frei, um die Veränderung in unserer Atmosphäre zu erklären.* Die Weltökonomie hat die Weltökologie so gründlich beeinflußt, daß wir den industriellen Ausstoß ebensogut in der Bibliothek der Vereinten Nationen, mitten in Manhattan, wie in einem Observatorium auf dem Gipfel eines Vulkans mitten im Pazifik messen können.

Ohne diese Veränderung durch die Menschensphäre wäre das Muster in Keelings Kurve mehr oder weniger eine Gerade. Das Atmen der Erde, der Puls des Planeten, würde ein Zickzackmuster ähnlich dem eines Elektrokardiogramms ergeben, dessen Linie um die Grundlinie bei Null oszilliert.

 

Aber wir führen dem System ständig zusätzliches Kohlendioxid zu. Also sehen wir einen der Zickzacklinie superponierten allmählichen Anstieg, der sie höher und höher treibt, wie auf der Mauna-Loa-Tabelle.

* Tatsächlich ist es mehr als genug, nämlich doppelt so viel, wie zur Erklärung der zunehmenden Werte nötig ist. Wissenschaftler nehmen an, daß der Rest von Meeren und Wäldern aufgenommen wird, und sie debattieren noch darüber, wieviel wohin geht.

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Vor nicht allzu langer Zeit sprach ein Lyriker auf einer Buchmesse in Turin die Verlage der Welt an. Alljährlich wird eine Unzahl von Büchern veröffentlicht, und dieser Lyriker, Joseph Brodsky, Literatur­nobel­preisträger 1987, wies mit von europäischer Weltmüdigkeit geprägter Geste auf die langen Reihen büchergepflasterter Stände. »Da wir alle sterblich sind«, sagte er, »und da Bücherlesen zeitraubend ist, müssen wir ein System ersinnen, das uns eine Ökonomie ermöglicht.« Er sprach von unserem Bedarf an »Bündigkeit, Verdichtung und Zusammenfassung — an Werken, in denen die Äußerungen der Menschen in all ihrer Vielfalt auf den kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner gebracht sind; mit anderen Worten, von der Notwendigkeit eines Extraktes«. Als Extrakt bezeichnete er die Lektüre von Gedichten.*

Die Mauna-Loa-Aufzeichnung ist ein kosmischer Extrakt. Die erste Linie zeigt das Gleichgewicht der Natur, die zweite unsere Spezies, wie sie die Natur aus dem Gleichgewicht bringt. Außerdem wird gezeigt, was — bis vor kurzem ohne Ironie — der Marsch des Fortschritts genannt wurde. Hier die Summe des Lebens auf der Erde; dort die Summe unseres Drucks auf das Leben der Erde. Diese beiden Linien bringen die Äußerungen der Menschen in all ihrer Vielfalt auf den kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner.

Es wird schlimmer. In den siebziger Jahren, als sich die meisten Klimaexperten wegen des Kohlendioxids sorgten, warfen ein paar Forscher auch einen näheren Blick auf die anderen Gase in der Atmosphäre. Sie erkannten, daß sogar seltenere Gase, die in einigen Fällen in Teilen pro Billion gemessen werden, Treibhauseffekte hervorrufen können. 

* Dieser Trend besteht bereits seit langer Zeit. »Da es immer mehr Schriftsteller gibt, ist es nur natürlich, daß die Leser immer gleichgültiger werden«, beobachtete ein anderer Dichter, Oliver Goldsmith, 1759.   #   wikipedia / Oliver_Goldsmith  1728-1774, 56

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Heute werden auch diese Gase von den Stationen des Kohlendioxidnetzes aufgezeichnet. Ihre Zunahme wird vom hohen Norden bis in den tiefsten Süden genau beobachtet — vom Point Barrow in Alaska über den Mauna Loa auf Hawaii bis zum Südpol.

Die bekanntesten dieser Spurengase sind die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs). Anders als Kohlendioxid stellen sie künstliche Verbindungen dar, die Chemiker erzeugen, indem sie Fluor- und Chloratome an Kohlenwasserstoffatome anhängen. Schon die Namen dieser Verbindungen deuten an, daß sie im Labor zusammengesetzt werden. Zu den wichtigsten Fluorchlorkohlenwasserstoffen gehören Fluorchlorkohlenwasserstoff-11 und Fluorchlorkohlenwasserstoff-12. Einer der größten Hersteller der Welt, die E. I. DuPont de Nemours & Company, handelt sie unter den Namen Freone. Sie geben außerordentlich wirksame Kühlmittel, Treibgase für Spraydosen und schäumende Zusätze ab. Und sie verbleiben lange in der Luft: siebzig beziehungsweise hundertzehn Jahre lang.

FCKW-11 und FCKW-12 wurden 1930 durch Thomas Midgley jr. von den General Motors Research Laboratories entwickelt. Midgley, einer der großen Erfinder in der Chemie des 20. Jahrhunderts, war der Sohn eines ebenfalls produktiven Erfinders (viele Patente auf Autoreifen) und der Enkel von James Emerson, des Erfinders der Säge mit eingesetzten Zähnen. Als er dreiunddreißig Jahre alt war, entwickelte Midgley (ein quirliger Mann, der von seinen Freunden Midge genannt wurde) das Antiklopfmittel Bleitetraäthyl, das eine enorme Verbesserung der Leistung des Benzinmotors brachte. Diese Erfindung machte Midgley für General Motors unbezahlbar, und der Chefingenieur der Frigidaire Division bat ihn, ein neues ungiftiges und nicht entflammbares Kühlmittel zu entwickeln. Kühlschränke arbeiteten damals mit giftigem Schwefeldioxyd. Die Konkurrenz benutzte Ammoniak, aber ein Ammoniakspritzer hatte gerade mehrere Menschen in einem Krankenhaus in Cleveland getötet.

Midgley vergrub sich — wie er später erzählte — unter »Rechenschiebern und Millimeterpapier, Radierstaub und Bleistiftspänen und all dem übrigen Zubehör, das die Stellen von Teeblättern und Kristallkugeln im Leben eines wissenschaftlichen Hellsehers einnimmt«. Bald stand er mit einer Glasglocke, die mit einem brandneuen Gas gefüllt war, und einer Kerze auf dem Podest vor »einem distinguierten und würdigen Publikum«. Er füllte seine Lungen mit dem Gas, blies die Kerzenflamme aus und demonstrierte der Welt auf diese Art durch einen einzigen Atemzug die vollständige Ungefährlichkeit des Freons.

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Die Mischung Midgleys erwies sich so rasch als nützlich, daß sich das Klimaanlagengeschäft in den Vereinigten Staaten von 1930 bis 1935 auf das Sechsfache vergrößerte. Die Fluorchlorkohlenwasserstoff-Industrie wuchs entsprechend. In den sechziger Jahren steigerten sich die Produktionsraten um etwa zwanzig Prozent im Jahr.

Einige wenige Chemiker erkannten in den frühen siebziger Jahren die von den FCKWs ausgehenden Gefahren. FCKWs sind ungiftig und nicht entflammbar, weil sie extrem stabil sind und nur sehr schwer mit irgend etwas reagieren, und eben diese Eigenschaft erwies sich paradoxerweise als gefährlich. Die FCKWs verbleiben in der Luft. Außer ultraviolettem Licht kann sie nichts auseinanderbrechen, und hier auf dem Planeten trifft nur wenig ultraviolettes Licht auf, da es (zum Glück für die Biosphäre, deren Verbindungen ebenfalls durch ultraviolettes Licht auseinandergebrochen werden) durch die Stratosphäre abgeblockt wird.

Im Verlauf von Jahrzehnten treiben diese fast unvergänglichen Gase von der Troposphäre empor und sammeln sich in der Stratosphäre an. Dort trifft ultra­violette Strahlung von der Sonne auf sie und zerlegt sie in ihre Bestandteile. Intakt sind die Moleküle reaktionsträge, aber in ihre Bestandteile zerlegt, sind sie hoch reaktiv. In einer Serie chemischer Reaktionen greifen die Fragmente das Ozon an und vernichten es. Je dünner die Ozonschicht wird, desto mehr ultraviolettes Licht erreicht den Boden. Trotz der Warnungen einiger weniger Chemiker nahm die globale Fluorchlorkohlenwasserstoff-Erzeugung weiterhin zu, und Ende der achtziger Jahre hatten sich die frühen Warnungen als berechtigt erwiesen. Tatsächlich hatten sogar die Schwarzseher die Kraft der Fluorchlorkohlenwasserstoff-Fragmente, Ozon zu vernichten, unterschätzt. Ozonlöcher von der Größe ganzer Kontinente entstanden in der Stratosphäre über dem Südpol. Die Ozonschicht um den Globus wurde meßbar dünner.

Offenkundige Umweltkrisen, über die in den Zeitungen oft separat berichtet wird, sind in Wahrheit ebenso miteinander verknüpft wie die sieben Sphären. Die Ozonlöcher und der Treibhauseffekt stellen zwei Gesichter derselben Krise dar. Denn Fluorchlorkohlen­wasserstoffe sind nicht nur Ozonvernichter, sondern zudem Treibhausgase. Selbst in der Konzentration von Teilen pro Milliarden fangen sie eine signifikante Wärmemenge ein und halten sie fest.

Tatsächlich besitzen die FCKWs aufgrund einer Laune der Natur eine außergewöhnliche Kraft als Treibhausgase. Der erste Atmosphärenchemiker, der dies erkannte, war Veerabhadran Ramanathan von der Universität von Chicago. Das vom sonnenerwärmten Boden abstrahlende Infrarotlicht hat eine bestimmte Wellenlänge, und die Kohlendioxidmoleküle absorbieren die meisten, aber nicht alle dieser Wellenlängen. Es gibt ein kleines Fenster, wie Ramanathan es nennt, durch das Infrarotlicht immer noch entweichen kann.

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Im gegenwärtigen gestörten Zustand unserer Atmosphäre hat dieses kleine Fenster die gleiche Bedeutung erlangt wie die winzige Lichtluke in einer Gefängniszelle. Denn wie es der Zufall will, absorbieren die FCKWs genau diese Wellenlängen. Sie schließen das Fenster.

Die beiden Erfindungen Midgleys, FCKW-11 und FCKW-12, haben 1985 nur 220 beziehungsweise 380 Teile pro Billion in der Luft ausgemacht. Aber aufgrund seiner erschreckenden Fähigkeit, das Fenster zu schließen, hält ein einziges heute der Atmosphäre hinzugefügtes Molekül FCKW-11 17.500mal mehr Wärme fest als ein zusätzliches Kohlendioxidmolekül. Ein FCKW-12-Molekül bindet 20.000mal mehr Wärme als ein Kohlendioxymolekül.

Im September 1987, bei einer internationalen Konferenz in Montreal, unterzeichneten Vertreter der größten Industrienationen der Welt einen Vertrag zur Verminderung der weltweiten Fluorchlorkohlen­wasser­stoff-Produktion. Trotzdem werden immer mehr dieser Verbindungen hergestellt. Auch nach der Unterzeichnung des Vertrags nahmen FCKW-11 und FCKW-12 weiter mit einer Rate von ungefähr fünf Prozent im Jahr zu. FCKW-113, das beste Lösungsmittel zur Reinigung von Computermikrochips, erfuhr eine Steigerung um elf Prozent jährlich. Diese FCKWs nehmen bei weitem am schnellsten von allen Treibhausgasen zu (Kohlendioxid vermehrt sich um etwas mehr als ein halbes Prozent im Jahr).

Und man kann nichts tun, um die Millionen von Tonnen, die sich seit 1930 schon angesammelt haben, aus der Atmosphäre zu entfernen — darunter auch das Freon in dem Atem, mit dem Midgley triumphierend die Kerze ausgeblasen hatte. Diese Chemikalien werden weiter in die Stratosphäre aufsteigen. Sie werden länger als ein Jahrhundert damit fortfahren, Ozon zu vernichten und den Treibhauseffekt zu verstärken.

Im Jahr 1989, zum hundersten Jahrestag seiner Geburt, waren dank Midgleys Erfindung mehr als sechzehn Millionen Tonnen FCKWs in die Atmosphäre geblasen worden. Seine andere große Erfindung, Bleitetraäthyl, hat den Bleigehalt der Atmosphäre so stark vermehrt, daß in grönländischem Neuschnee über zweihundertmal mehr Blei als normal gefunden wurde. Midgley selbst blieb jeder Einblick in die wahre Natur seiner Hinterlassenschaft erspart. Er erkrankte an Polio, bevor er das mittlere Lebensalter erreichte. Seine Beine wurden gelähmt, und er entwarf ein raffiniertes Zuggerät mit Rollen, das ihm half, morgens das Bett zu verlassen. Anfang November des Jahres 1944 verhedderte er sich in seinem Geschirr und strangulierte sich selbst. Er starb an seinem Genie für segensreiche Erfindungen.

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Methan ist ebenfalls ein Treibhausgas und trägt auch dazu bei, das lebenswichtige Fenster zu verschmutzen. Ein zusätzliches Molekül Methan in der Erdatmosphäre verstärkt den Treibhauseffekt im selben Maß wie zwanzig Moleküle Kohlendioxid. Besäße die Atmosphäre ebensoviel Methan wie Kohlendioxid, wäre der Planet unbewohnbar. Methan wird zuweilen als Sumpfgas bezeichnet, da es ein Nebenprodukt der Verrottung ist. Aber man nennt es auch Naturgas, weil es aus den Wänden der Kohlenminen strömt, wo es als fossiler Brennstoff gefördert werden kann.

Die Methankonzentration nimmt heute mit einer Rate von ungefähr einem Prozent jährlich zu — doppelt so rasch wie Kohlendioxid. Seine Konzentration nähert sich zwei Teilen pro Million; mehr als das Zweifache des vorindustriellen Niveaus.

Steigt Methan in die Stratosphäre, wird es in Kohlenstoff und Wasserstoff aufgespalten. Die freien Kohlenstoffatome verbinden sich mit Sauerstoff und bilden Kohlendioxid. Die Wasserstoffatome verbinden sich mit Sauerstoff und bilden den normalerweise in der Stratosphäre sehr seltenen Wasserdampf. Zwei weitere Treibhausgase.

Noch schlimmer aber ist, daß Wasserdampf in den kältesten Teilen der Stratosphäre dazu tendiert, winzige Eiskristalle zu bilden. Während diese Eiskristalle durch die Stratosphäre treiben, sammeln sie die umherirrenden Chloratome ein, die von der Spaltung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe herrühren. Viele chemische Reaktionen werden durch die Anwesenheit fester Oberflächen stark gefördert, und ein Chloratom auf der Oberfläche dieses Eises kann viele Tausende Male mehr Ozon vernichten als ein frei treibendes Chloratom.

Methan entströmt der Biosphäre in Mengen von mehr als fünfhundert Millionen Tonnen pro Jahr; und bis in die allerjüngste Zeit wurde es ebenso rasch von der Atmosphäre eliminiert, so daß seine Konzentration dort gleich blieb. Niemand weiß, weshalb es jetzt so schnell zunimmt. Das Gas scheint vom obersten und untersten Glied der Nahrungskette zu entweichen. Es wird durch Menschen im obersten und durch anaerobische Bakterien im untersten Glied freigesetzt. Wir setzen es hauptsächlich frei, indem wir Einschlüsse natürlichen Gases anbohren und Petroleum verbrennen; durch die Bakterien geschieht es, indem sie verfaulendes Laub und andere organische Abfälle in Sümpfen, Mooren und Reisfeldern zersetzen.

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Diese Bakterien brauchen Wasser als Schutz vor dem Sauerstoff in der Atmosphäre, der für sie tödliches Gift ist. Ralph Cicerone, Direktor der Atmospheric Chemistry Division des National Center for Atmospheric Research, war der Initiator einer speziellen Studie über Reisfelder, deren Zahl entsprechend der Zunahme der Bevölkerung ansteigt. Cicerone sagt, eine Reispflanze sei eigentlich eine hohle Röhre, die aus feuchtem Boden in die Höhe strebt, und jede dieser Röhren schicke wie ein Fabrikschlot unsichtbare Methanwolken in die Luft.

Anaerobische Bakterien schützen sich auch im Inneren von Tieren vor Sauerstoff. Sie existieren in gewaltigen Mengen in den Pansen der Rinder, Schafe und Ziegen und in den Eingeweiden der Termiten. Dort verdauen sie Zellulose — wozu das Vieh selbst nicht in der Lage ist — und setzen Methan als überflüssiges Produkt frei.

Kühe stoßen etwa zweimal pro Minute auf und fügen der Luft dabei wöchentlich ein paar Pfund Methan zu. So setzt ein Regenwald, der zur Anlage von großen Rinderweiden gelichtet wird, gleich zweimal Methan frei. Erstens entsteht das Gas durch die holzfressenden Termiten und zweitens durch die grasfressenden und gasbildenden Herden.

Bis vor kurzem schienen die Lebensgemeinschaften von Rindern und ihren Bakterien, eines der klassischen Beispiele für Symbiosen in der Natur, vollkommen harmlos. Jetzt aber bedeutet die jährlich steigende Zahl der Menschen auf dem Planeten jährlich mehr grasende Herden und somit mehr Methan.

 

Der Zuwachs an Methan vollzieht sich derart unerklärlich rasant (es nimmt um ungefähr fünfzig Millionen Tonnen pro Jahr zu), daß es sehr gut andere, bisher unentdeckte Quellen geben mag. Zum Teil könnte das damit zusammenhängen, daß wir nicht nur die Quellen des Methans vermehren, sondern zudem ihre Senken vernichten — die Orte, an denen Methan zerstört wird. Da alljährlich soviel Methan produziert wird, würde es nur eines kleinen Absinkens der Rate bedürfen, in der es aus der Luft entfernt wird, um seine Zunahme zu verursachen. Eine unsichtbare Überwachung oder Balance in einer der sieben Sphären ist vielleicht außer Kontrolle oder aus dem Gleichgewicht geraten.

Ein anderer Teil des Problems könnte das Kohlenmonoxyd sein. Auch dieses Gas hat sich seit vorindustrieller Zeit verdoppelt und vermehrt sich im globalen Durchschnitt um, grob geschätzt, ein Prozent im Jahr. Mehr als die Hälfte des Kohlenmonoxyds in der Luft rührt von Menschen her: von den Auspuffrohren und Fabrikschloten in der nördlichen Hemisphäre bis zu den rauchigen Feuern in den dampfenden Wäldern der Tropen.

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In hoher Konzentration ist Kohlenmonoxyd giftig. Es stellt im 20. Jahrhundert ein Mittel zum Selbstmord dar, nämlich durch Autoabgase, die ungefähr ein Prozent Kohlenmonoxyd enthalten. Eine vor kurzem durchgeführte Untersuchung in New York City ergab, daß Männer, die zehn Jahre oder länger unter dem Hudson River im Holland Tunnel arbeiten, mit um fast neunzig Prozent höherer Wahrscheinlichkeit an Herzschäden sterben als Vergleichspersonen der Durchschnittsbevölkerung — vermutlich, weil sie stärker dem Kohlenmonoxyd ausgesetzt sind.

Der Metabolismus, der Stoffwechsel des Planeten könnte in bezug auf dieses Gas sogar noch empfindlicher reagieren als der eines Menschen. Kohlenmonoxyd hindert die Luft daran, sich selbst zu reinigen, und dadurch könnte es einen außerordentlich wichtigen Weg zur Stabilität der atmosphärischen Chemie verstopfen.

Nicht das ganze ultraviolette Licht der Sonne wird von der Ozonschicht in der Stratosphäre abgeblockt. Ein Teil dringt hindurch, trifft auf Wasserdampf- und Methanmoleküle und spaltet sie auf. Eines der Fragmente ist ein hoch reaktives Molekül mit dem Namen Hydroxyl, zusammengesetzt aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom. Hydroxyl ist für die Atmosphäre, was Antikörper für das Immunsystem bedeuten. Es greift nicht die größeren, stabilen Komponenten der Atmosphäre, wie etwa Stickstoff, Sauerstoff und Kohlendioxid, an, aber Methan und Kohlenmonoxyd. Hydroxyl ist an der Zerlegung dieser Spurengase in stabile Bestandteile wie Kohlendioxid und Wasser maßgebend beteiligt. Ohne Hydroxyl wäre die Atmosphäre innerhalb weniger Jahrtausende durch Methan und Kohlenmonoxyd vergiftet worden. Hydroxyl reinigt die Luft.

Indem wir mehr und mehr Kohlenmonoxyd in die Luft ausstoßen, überschwemmen wir das Immunsystem und überfordern die Antikörper der Atmosphäre. Immer mehr Hydroxyl wird bei Angriff und Abbau von Kohlenmonoxyd aufgebraucht. Da aber nur eine bestimmte Menge Hydroxyl vorhanden ist, steht der Zunahme des Methans nichts mehr im Weg. Je mehr Methan in der Luft ist, desto weniger Hydroxyl — also kann auch das Kohlenmonoxyd rascher zunehmen. All das wurde schon vor einem Jahrzehnt säuberlich von Atmosphärenchemikern ausgearbeitet, aber nach Cicerones Worten verworfen. »Zu jener Zeit«, sagte er, »wußte niemand, daß das Methan zunahm, und wir hätten uns nicht träumen lassen, daß es so rasch wie jetzt zunehmen würde.«

Auch hier sind die Geschicke von Gasen in der Atmosphäre miteinander verflochten. Kohlenmonoxyd hat keinen direkten Treibhauseffekt (es besitzt nur zwei Atome; ein Treibhausgas muß mindestens drei Atome aufweisen). Beim Kohlenmonoxyd ist der Treibhauseffekt ein Nebeneffekt.

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Stickstoffoxydul, allgemein als Lachgas bekannt, sammelt sich ebenfalls in der Atmosphäre an. Die Konzentration dieses Gases liegt heute bei etwa dreihundert Teilen pro Milliarde, und es nimmt um zwei Prozent pro Jahrzehnt zu. »Diese Rate mag geringfügig klingen«, sagt Cicerone, »aber tatsächlich signalisiert sie eine große globale Störung, und zwar eine Störung, die zumindest seit den frühen sechziger Jahren besteht und sich steigert.« Das bedeutet fünf Millionen Tonnen zusätzliches Stickstoffoxydul, rund ein Viertel der Menge, die natürlicherweise von der Biosphäre produziert wird.

Stickstoffmoleküle sind der Hauptbestandteil unserer Atemluft, und sie sind äußerst stabil. Es ist sehr mühsam, sie zu zerlegen und in lebenden Molekülen nutzbar zu machen; eine Arbeit, für die unsere Lungen nicht eingerichtet sind. Aus diesem Grund ist Stickstoff oft knapp in der Biosphäre; Pflanzen und Tiere verkümmern häufig, wenn es ihnen daran mangelt.

Nur einige wenige spezialisierte Bodenbakterien sind fähig, den Stickstoff aus der Luft zu gewinnen. Alle Pflanzen beziehen ihren Stickstoff von diesen Arten symbiotischer Bakterien, und sowohl Tiere als auch Menschen erhalten ihren Stickstoff von Pflanzen. Schließlich erstattet wieder eine andere Bakterienart der Luft den geborgten Stickstoff zurück.

Es kommt selten vor, daß ein Verbindungsglied zwischen den Sphären so dünn und spezialisiert ist. Hier ist ein Element, das die ganze Atmosphäre erfüllt und verzweifelt von der ganzen Biosphäre benötigt wird, und buchstäblich die einzige Verbindung zwischen den beiden Sphären ist ein mikroskopisch kleines Bakterium.

Jetzt sind Menschen dabei, den Stickstoffzyklus großzügig zu »verbessern«, indem sie globale Veränderungen anbringen, die zumindest so dramatisch wie beim Kohlenstoffzyklus sind. 1950 wurden zum Beispiel etwa drei Millionen Tonnen künstlicher Stickstoffdünger produziert und über die Felder gesprüht. Heute beträgt die jährlich produzierte Gesamtmenge mehr als fünfzig Millionen Tonnen. Dieser und andere sprungartige »Fortschritte« in der Landwirtschaft ändern den Stickstoffzyklus in einem Umfang, den niemand einzuschätzen auch nur begonnen hat.

Zudem produziert die Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht nur Kohlenmonoxyd und Kohlendioxid, sondern auch Verbindungen aus Stickstoff und Sauerstoff. Stickstoffoxyd (NO) hat ein Atom Stickstoff und ein Atom Sauerstoff; Stickstoffoxydul (N2O) besitzt zwei Atome Stickstoff und ein Atom Sauerstoff.

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Stickstoffoxyd ist an vielen Umweltproblemen einschließlich Smog, saurem Regen und Wasserverschmutzung beteiligt. Stickstoffoxydul (mit drei Atomen) hat einen Treibhauseffekt. Ein Molekül dieses Gases entspricht etwa zweihundertfünfzig Molekülen Kohlendioxid. (Auch dieses Gas ist äußerst beständig. Das durchschnittliche Stickstoffoxydulmolekül verbleibt rund hundertfünfundzwanzig Jahre in der Atmosphäre.)

Es ist erstaunlich, daß Chemikalien, die in Teilen pro Million oder Milliarde oder Billion gemessen werden, für einen Planeten eine Rolle spielen. Und dennoch werden diese Spurengase die nächsten hundert Jahre der Erde gestalten. Wir stellen den Thermostaten des Planeten jedes Jahr ein wenig höher ein und erzeugen immer höhere Temperaturen. Und in diesem Jahr wird fast die Hälfte der Drehung des Reglers von anderen Gasen als Kohlendioxid herrühren.

Und nun wird es noch schlimmer. Unsere Beiträge zum Treibhauseffekt addieren sich zu früheren Beiträgen, die zumindest ebenso massiv und spektakulär waren. »Wir bauen Luftschlösser.« Es ist, als pfropften wir eine neue Stadt auf die Ruinen einer früheren, deren Existenz wir vergessen haben.

Die Bevölkerung Europas hat sich zwischen 1750 und 1850 dank der Fortschritte in Medizin, Industrie, intensiver und wissenschaftlich geplanter Landwirtschaft, Hygiene und dem Ende der großen Epidemien verdoppelt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte der Bevölkerungszuwachs zu enormem politischen und wirtschaftlichen Druck. Historiker diskutieren noch die Auswirkungen der verschiedenen internen Kämpfe der zahlreichen Mächte Europas, aber global gesehen explodierte die Bevölkerung des Kontinents einfach über die Oberfläche der Erde. 

Während der ersten drei Viertel des 19. Jahrhunderts nahmen die Kolonialmächte jährlich rund 200.000 Quadratkilometer neues Territorium in Beschlag. In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und den ersten beiden des 20. verlangten sie fast 650.000 Quadratkilometer im Jahr. Um 1914 »beanspruchten die Kolonialmächte, ihre Kolonien und ehemaligen Kolonien etwa fünfundachtzig Prozent der Erdoberfläche«, heißt es in der Encyclopedia Britannica.

Zig Millionen Menschen strömten aus Europa: englische Farmer und Anstreicher, Töpfer und Sträflinge, walisische Verzinner, schottische Bergleute, italienische Steinmetze und Straßengaukler, irische Arbeiter, bayerische Spinner, preußische Glaser und russisch-jüdische Schneider. Ganze Dörfer setzten über den Ozean und verpflanzten sich im Verlauf weniger Generationen vom schottischen Hochland nach Oberkanada, vom Rheinland nach Wisconsin, von Kalabrien nach Sao Paulo, von Kristiania nach Montana.

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Sie ließen sich nicht nur in Nord- und Südamerika, sondern auch in Australien, Neuseeland, im Industal, in Sibirien, der Inneren Mongolei und in Mandschukuo* nieder. Zwischen 1821 und 1924 kamen dreiunddreißig Millionen Immigranten in die USA.

Die meisten der Emigranten waren jung, und sie gründeten nicht nur Familien, sondern brachten auch die Fortschritte in Medizin, Industrie, intensiver Landwirt­schaft und Hygiene mit, die der europäischen Bevölkerungsexplosion Vorschub geleistet hatten. Folglich wuchs ihre Anzahl weiter, wo immer sie auftauchten — ein Wachstum, das noch heute in Gang ist, obwohl sich der Bevölkerungsanstieg in Europa selbst inzwischen eingependelt hat. Die Bevölkerung der Erde hat sich seit 1850 verdreifacht, wie Roger Revelle, der sowohl zum Experten des Bevölkerungswachstums als auch der Zunahme des Kohlendioxids geworden ist, notiert; und dieser Zuwachs war »wahrscheinlich von einer groben Entsprechung des Zuwachses an landwirtschaftlich genutztem Boden begleitet, zum Teil auf Kosten der bewaldeten Regionen«.

Mit anderen Worten, die Explosion Europas machte weltweit Wälder dem Erdboden gleich. Um 1820 waren mehr als tausend Schiffe rund um die Uhr damit beschäftigt, Nutzholz von Nordamerika zu den Britischen Inseln zu transportieren. Um 1840 waren es schon zweitausend Schiffe. (Die Besitzer dieser Schiffe trugen ihren Teil zur Emigrationswelle bei, indem sie an Ladung für ihre auf dem Rückweg leeren Schiffe interessiert waren. Menschliche Ladung füllte sie.)

Europa brauchte Holz zu Heizzwecken, für Holzkohle und Streben in den Minen der Bergwerke, für Häuser, Kalköfen und Schmelzhütten, für die Masten, Sparren und Balken neuer Schiffe. Holzarbeiter zogen 1850 von New York aus nach Westen, 1870 nach Michigan, 1880 nach Wisconsin und 1890 nach Minnesota. Oft fällten sie mehr als neunzig Prozent der Bäume eines Waldes: Kiefern, Gelbbirken, Hemlocktannen, Ahorn, Eichen. In den Kahlschlägen brachen große Feuer aus und hinterließen die riesigen verwüsteten »Barrens« von Michigan und Wisconsin.

* Ehemaliger, von den Japanern gegründeter unabhängiger Staat, bestehend aus der alten Mandschurei und Jehol. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er aufgelöst und von der Regierung in Peking in die Provinzen Heilungkiang, Kirin, Liaoning, Jehol und die innermongolische autonome Region aufgeteilt. Jehol wurde 1955 aufgelöst und von der Inneren Mongolei, Liaoning und Hopeh absorbiert. (A.d.Ü..)

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Sie schlugen Bäume, um Bohlen für die Schienen der Dampflokomotiven zu gewinnen, um Farmen für die Familien zu bauen, die in den Bäuchen der Dampf­lokomotiven den Kontinent überquerten. Henry David Thoreau bezweifelte 1845, daß es einen Ort in Massachusetts gäbe, an dem das Pfeifen der Loks nicht zu hören wäre. Er kaufte die Bretter für seine Hütte von einem irischen Eisenbahner auf der Fitchburg-Linie. Die Fitchburg-Züge fuhren in einer Entfernung von etwa fünfhundert Metern südlich an seiner Hütte vorbei.

Die Eisenbahn transportierte immer neue Immigranten westwärts und warb um weitere Fahrgäste. Der Historiker Maldwyn Allen Jones berichtet, daß in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, den goldenen Tagen der Eisenbahn, die Northern Pazific, Burlington and Missouri, Santa Fe und die Southern Pacific eigene Ländereien und Immigranten-Departments besaßen. Einige Eisenbahngesellschaften boten Siedlern an, ihnen zu zeigen, wie man das ebene Land bewirtschaftet. Andere verschenkten »Land-exploring«-Fahrkarten. Wieder andere waren bereit, Kirchen und Schulen für die neuen Städte zu bauen.

1872 verfügten die USA über knapp hunderttausend Kilometer Eisenbahnlinien, und mehr als sechstausend Hektar hervorragendes Waldgebiet waren in diesem Jahr allein für die Herstellung von Eisenbahnschienenschwellen abgeholzt worden.

»Dahin geht das Holz der Wälder von Maine«, schrieb Thoreau; »... Pinie, Fichte, Zeder... erster, zweiter, dritter und vierter Qualität, vor so kurzem noch alles in einem Zustand, daß es den Bären, den Elch und das Karibu überragte.« Das Holz war auf dem Weg, zu Häusern, Zäunen, Scheunen und Nebengebäuden verarbeitet zu werden. 

In The Earth as Modified by Human Action berichtete George Marsh, einer der ersten amerikanischen Naturschützer, im Jahr 1874, daß in Manhattan zum Weihnachtsfest mehr als hunderttausend junge immergrüne Bäume verkauft worden waren, neben »18.000 Metern kleiner Zweige, die zu Kränzen verarbeitet wurden«. Große Flächen von Kiefernwäldern, »Hunderte und Tausende Acres«* waren gefällt worden, um astfreies Holz für Streichhölzer zu gewinnen.

Wenn wir all das Holz hinzurechnen, das für Telegraphenmasten, hölzernes Pflaster, hölzerne Wandverkleidung, Holznägel, wie sie bei Schustern und später sogar bei Zimmerleuten in Gebrauch kamen, verwendet wurde — ganz zu schweigen von zahllosen anderen Anwendungsmöglichkeiten dieses Materials, die amerikanischer Erfindergeist in neuerer Zeit erschlossen hat —, kommen wir auf einen Betrag des Verbrauchs für völlig neue Zwecke, der wirklich erschreckend ist.

* Acre = 4046,8 m2 (A.d.Ü.)

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Sogar in jenen Tagen haben Amerikaner die Europäer im Verbrennen übertroffen:

In der ländlichen Schweiz zum Beispiel, in der die Winter sehr kalt sind, beträgt die gesamte Menge an Holz für die Feuerung in Privathäusern, Molkereien, Brauereien, bei Destillationen, in Ziegel- und Kalkbrennereien, für Zäune, Möbel, Werkzeuge und sogar für den Hausbau und kleine Schmieden... weniger als sieben Kubikmeter pro Jahr und Haushalt... Der Bericht des Commissioner on the Forests of Wisconsin von 1867 erlaubt drei Cords (10,875 m3) Holz pro Person allein zur Feuerung in Privathaushalten. Bei fünf Personen umfassenden Familien ergibt das den achtfachen Betrag dessen, was ebenso viele Personen in der Schweiz für diese und andere Zwecke verbrauchen, zu denen dieses Material gewöhnlich verwendet wird. Ich glaube nicht, daß der Verbrauch in den nordöstlichen Staaten geringer als in Wisconsin ist.

 

All diese Verbrennung von Holz veränderte das Antlitz der Erde. Dem Botaniker John T. Curtis zufolge fanden die amerikanischen Pioniere riesige Landstriche einer »fast ununterbrochenen Bewaldung« mit vereinzelten Wiesen vor und verwandelten sie in fast ununterbrochenes Weideland mit vereinzelten Baumständen. Das war das Ende der Existenz für viele Eingeborene und für viele einheimische Pflanzen und Tiere. Es war nicht gut für den Boden, der, nach der Abholzung der Wälder entblößt, oft »unstabil und durch regelmäßiges Unterpflügen häufig vom Pflanzenwuchs befreit wurde« (im 19. Jahrhundert) — oder durch die Asphaltierung der Straßen und Parkplätze in den Städten (im 20. Jahrhundert).

Das Verbrennen von Holz veränderte auch die Atmosphäre, denn Bäume bedeuten in jedem Ökosystem Kohlenstoff, den die Biosphäre von der Atmosphäre geborgt hat und festhält — im Fall einer alten Eiche wurde der Kohlenstoff länger als hundert Jahre festgehalten. Immer, wenn Menschen die Biosphäre ausdünnen und ein kohlenstoffreiches Ökosystem durch ein kohlenstoffärmeres ersetzen, erzeugen sie eine kahle Stelle in der Biosphäre und geben einen Teil Kohlenstoff an die Luft ab.

In einem dichten Wald halten die Pflanzen einen Mittelwert, der irgendwo zwischen vier und fünfundzwanzig Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter liegt — ein Stück von der Größe eines Küchentischs. 

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In einem ausgelichteten Wald, einem Wald, der durch Straßen und Häuser unterbrochen wird, enthalten Pflanzen drei bis sechs Kilogramm Kohlenstoff. Bei Pflanzen auf einem Land, das zum Eigenbedarf oder kommerziell genutzt wird, ist es sogar noch weniger: Zum Beispiel nimmt ein Wald zehn- bis zwanzigmal mehr Kohlenstoff pro Quadratmeter auf als ein Weizenfeld. Waldböden haben ebenfalls eine Menge Kohlenstoff, der sich in den Blättern und in ihrem Frostschutz aus Kiefernnadeln befindet und in dem, was der Ökologe Aldo Leopold »die gesammelte Weisheit des Humus« nannte. Ein großer Teil dieses Kohlenstoffs entschwebt in die Luft, wenn ein Wald gelichtet und gestört wurde.

Wenn im Wald Bäume fallen, kann das geräuschvoll vonstatten gehen oder auch nicht, aber es trägt immer zum Treibhauseffekt bei.* Tatsächlich trägt der Fall eines jeden Baums in der Folge Jahr für Jahr einen kleinen Teil zum Treibhauseffekt bei, weil der Baum nicht mehr in jedem Frühjahr und jedem Sommer als Teil der Atmung der Welt Kohlendioxid aufnimmt.

 

Also hatte The pilgrim's progress** des 19. Jahrhunderts einen Treibhauseffekt. Alex T. Wilson, ein neuseeländischer Geochemiker, nennt diese Episode im Leben des Planeten »die Pionierexplosion«, weil die Veränderung »fast gleichzeitig in der ganzen Welt« stattfand und die Freisetzung riesiger Mengen Kohlendioxids in die Atmosphäre zur Folge hatte. Wilson und andere können all dieses Kohlendioxid indirekt an den Ringen von Bäumen sehen, die hundert oder zweihundert Jahre alt sind. Das auf der ganzen Welt zusätzlich in die Luft geblasene Kohlendioxid rief meßbare Veränderungen in den Verhältnissen der Kohlenstoffisotope der Atmosphäre des 19. Jahrhunderts hervor. Diese Veränderung der Luft hat eine ständige »Signatur« der Pionierexplosion in den Isotopen in alten Baumringen hinterlassen.

Wilson betrachtet die Pionierexplosion als »den ersten und vielleicht signifikantesten Anschlag der Menschheit auf ihre Umwelt in globalem Maßstab«. Um 1850 hat sie vielleicht eine halbe Milliarde Tonnen Kohlenstoff pro Jahr in die Luft geschleudert. Kumulativ produzierte sie unter Umständen mehr Kohlenstoff als die riesige Summe dessen, was durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wurde.

* Natürlich ist ein Teil des während der großen Pionierflut geschlagenen Holzes für heute noch bestehende Kirchtürme, Schiffsmasten und Dachschindeln für Schweizer Landhäuser verwandt worden. Aber das gilt nicht für die Weihnachtsbäume oder die Streichhölzer oder auch die meisten Häuser. Wie Keeling sagt: »Es gibt verdammt wenig Nutzholz, das fünfzig Jahre lang vorhält, ehe es in CO2 zurückverwandelt wird.« 

** Erbauungsbuch von John Bunyan, 1628-1688 (Anm. d. Übers.)

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Die Troposphäre ist die unterste Luftschicht; sie steht in Kontakt mit dem Erdboden und ist die Schicht, die wir atmen, in der sich unser Wetter und Klima abspielen. Der Name kommt vom griechischen tropo, Windung, und in der Tat vollführt die Troposphäre eine Million Windungen und Drehungen. All der Kohlenstoff begann ein paar Jahrzehnte, bevor Svante Arrhenius erstmals auf den Treibhauseffekt aufmerksam wurde, der der Troposphäre ein neues Muster aufzwingt. Schon damals befanden wir uns auf Kollisionskurs mit dem Wetter und dem Klima der Welt.

 

Heute ist die Pionierexplosion in ihre zweite Phase eingetreten. Es kommt zu Bevölkerungsexplosionen in den letzten Waldgebieten der Welt, in den heißen Tropenwäldern, deren Erschließung in größerem Umfang bisher nicht lohnend war. Brasilien, Indonesien, Kolumbien, die Elfenbeinküste, Thailand, Laos, Nigeria, die Philippinen, Burma, Malaysia, Peru und Vietnam erleben eine explosive Entwaldung. In Brasilien wiederholt sich die Geschichte der Pioniertage der Vereinigten Staaten bis in die letzten Einzelheiten, mit ungleichen Kämpfen mit Indianerstämmen, Goldräuschen, Morden und ruinöser Landgewinnung, die zu Bodenerosionen und Ödland geführt haben. 

Und es drohen neue Dust Bowls.* Die Bürger Sáo Paulos lesen Comics und Western über Pioniere und Indianer am Amazonas. Wieder einmal reisen Stammes­häuptlinge in Begleitung befreundeter Forscher in große Städte, Sao Paulo und New York, und bitten um ihr Land. Wieder einmal sind mächtige ökonomische Kräfte eifrig dabei, frisches Nutzholz zu importieren. Der größte Holzimporteur aus Malaysia ist Japan, und vor nicht langer Zeit sind die Japaner mit brasilianischen Politikern wegen eines weiteren abgelegenen Gebiets des Amazonas in Verhandlungen getreten.

Wie die erste Pionierexplosion bestimmt auch diese den Kurs eines Jahrhunderts — den Verlauf der letzten Jahrzehnte des 20. und der ersten des 21. Und so könnte es weitergehen, bis alle Regenwälder bis auf die letzten Reste verschwunden sind. In jedem Jahr werden der Atmosphäre etwa zwei Milliarden Tonnen Kohlenstoff zugefügt. In bezug auf Kohlenstoff ist die Auswirkung dessen, was heute in den Tropen geschieht, ungefähr doppelt so groß wie bei der ersten Pionierexplosion.

Als Thoreau die Fitchburg-Dampfeisenbahn am Walden Pond »mit ihren Zügen aus Wagen in einer planetaren Bewegung« vorbeirollen sah, wurde er an die drei Schicksalsgöttinnen der alten Griechen erinnert. Die erste der Moiren spinnt den Lebensfaden, die zweite teilt ihn zu und die dritte der Göttinnen, Atropos, deren Name »unabwendbar« bedeutet, schneidet ihn ab. Thoreau wußte, daß eine neue Naturkraft in Aktion getreten war. Er schrieb:

Wir haben ein Fatum erschaffen,
eine Atropos, das sich nie wieder abwenden läßt.
(So soll der Name eurer Maschine sein.)  

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* Mehrjährige Dürreperiode in den USA in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts. Nachfolgende Stürme trugen den zu Staub gewordenen Mutterboden fort. Auch das geographische Ergebnis wird oft »Dust Bowl« (Staubloch) genannt. (A.d.Ü.)

 

de.wikipedia.Atropos   

en.wikipedia.Atropos:  In the "Sounds" chapter of "Walden,", Henry David Thoreau says that in building railroads and locomotives, "We have constructed a fate, an Atropos that never turns aside."

Fatum (lat.) = Schicksal (Verhängnis)

www.detopia.de      ^^^^ 

 Jonathan Weiner Die nächsten hundert Jahre