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2.  Seesterne statt Sardinen - Die Angst wächst

Widener-1970

 

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In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg war das kalte blaue Wasser des Pazifik vor der Küste Nordkaliforniens der begehrenswerteste Fischgrund der Welt. Riesenschwärme von Sardinen strömten von der majestätischen Halbinsel Monterey herüber; legendäre Fangzahlen wurden genannt: bis zu 800.000 Tonnen in einem einzigen Jahr.

Als der Krieg sich seinem Ende näherte, wurden die Fänge geringer; sie sanken auf 150.000 Tonnen im Jahr. Die Fischer waren nicht weiter beunruhigt, weil sie den Grund kannten: Vorübergehend waren zu viele Fische gefangen worden. Doch die Sardinen würden wiederkehren; sie waren noch immer zurückgekehrt. Der Optimismus wurde bereits im nächsten Jahr belohnt; die Ausbeute stieg an, im Jahr 1950 war man schon wieder bei 400.000 Tonnen angelangt. Doch im Jahr 1951 sah alles ganz anders aus. Die riesige Sardinenindustrie brach über Nacht zusammen, verschwand geradezu von der Bildfläche. Zwar gab es noch ein paar größere Fänge, was sich vor allem auf statistischen Schaubildern zeigen ließ, doch zu Beginn der sechziger Jahre waren tatsächlich nur noch Spuren der ehemals so mächtigen Sardinenindustrie übriggeblieben. Fischereiexperten Kaliforniens schrieben auch dieses Versagen dem übermäßigen Ausplündern der Fischgründe zu und hielten den Vorgang immer noch für natürlich. Nach einigen Jahren würden die Fische wieder erscheinen.

Ein Mann war nicht dieser Ansicht. Er war Biologe, Spezialist für Untersuchungen der Wasserqualität auf Terminal Island in Los Angeles. Walter Thomsen - so sein Name - entdeckte in dieser Unregelmäßigkeit etwas, das ihn verwirrte. Der erfahrene Entomologe fand, daß die Überlebensrate der Jungfische anomal sei. Wenn eine Population von Fischen plötzlich zusammenschrumpft, wird der Vorgang von der Natur gewöhnlich durch ein jähes Anwachsen der Jungfisch-Schwärme kompensiert. Im Fall der pazifischen Küstensardine aber war das Gegenteil eingetreten. Angesichts dieser unerwarteten Änderung war Thomsen zumute, als flackere irgendwo in seinem Kopf ein kleines rotes Warnlämpchen auf. Etwas war geschehen, was nicht in Ordnung war; es beunruhigte ihn unaufhörlich. Schließlich gab er einem flüchtigen Verdacht nach, ging in die Bibliothek und durchsuchte landwirtschaftliche Veröffentlichungen nach den neuesten Zahlen über langlebige Pflanzenschutzmittel, wie sie in Kalifornien benutzt werden. Was er fand, verstärkte seinen unklaren Verdacht, DDT, so fand er heraus, war in den vierziger Jahren zuerst benutzt worden; nun, im Jahr 1963, streuten Kaliforniens Farmer alljährlich sechzehn Millionen Kilo des Stoffs auf ihre Äcker.

Mit diesen neuen Unterlagen bewaffnet, setzte sich Thomsen vor eine Karte und verglich die Werte des ddt-Verbrauchs mit den Fangergebnissen der Sardinenfischer. Das Ergebnis war alarmierend. Die Sardinenschwärme nahmen im gleichen Maß ab, in dem der ddt-Verbrauch anstieg. Thomsen überdachte die Möglichkeiten, die sich dahinter verbargen. Bedeutete es überhaupt etwas? Konnte es eine kausale Beziehung zwischen den beiden Zahlengruppen geben? Ganz offenbar lag doch das Schrumpfen der Fischbestände zunächst einmal daran, daß man die Gründe »überfischt« hatte. Aber wie ließ sich das mit dem Verschwinden der Jungfische in Einklang bringen? Konnte das Pestizid zu diesem Prozeß beitragen? War es möglicherweise die Hauptursache?

»Damals«, erinnert sich Thomsen, »klang die Behauptung phantastisch. Niemand glaubte, daß ddt eine solche Wirkung haben könne. Doch es beunruhigte mich. Die Flußsysteme des Landes würden ddt von den landwirt­schaftlichen Gebieten in den Ozean befördern, und zwar just zu dem Punkt, an dem es die meisten Sardinen gab. Die meisten Kollegen, mit denen ich darüber sprach, hielten das ganze für einen dummen Scherz.

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Aber ich entschloß mich, die Karte mit meinen Eintragungen meiner vorgesetzten Behörde in Sacramento zu schicken. Die erste Reaktion war, daß jedermann fürchtete, meine Theorie könnte der Öffentlichkeit bekannt werden. Ein Bekannter erzählte mir später, der erste Referent, der meine Briefe öffnete, habe einen Blick auf die Karte geworfen, sei aufgesprungen, durch die Gänge des Instituts gerannt und habe laut >Oh, nein! Oh, nein!< gebrüllt...«

Thomsen erinnerte sich weiter, daß ihm mitgeteilt wurde, er dürfe auf keinen Fall mit irgend jemand über das sprechen, was er entdeckt habe. Außerdem erhielt er den Befehl, sofort alle Arbeiten an diesem Problem einzustellen. »Ich sagte meinem Vorgesetzten, diesen Befehl müsse er mir schriftlich geben«, sagte Thomsen. »Denn ich war angestellt worden, um über Wasserverschmutzung zu arbeiten, und ich fand, die Sache sei wichtig und ernst genug und müsse weiter bearbeitet werden. Darauf erhielt ich den Befehl, nicht weiter zu arbeiten. Schriftlich!«

Thomsen sagte, er habe seinen Vorgesetzten daran erinnert, daß, falls die Hypothese zutreffe, es eines Tages zu einer politischen Untersuchung kommen könne, und daß er dann in der Klemme sitzen werde, weil er diesen Befehl unterschrieben habe. »Er erwiderte, das sei nicht seine Sorge; denn jedermann wisse, daß sein Vorgesetzter ihm den Befehl gegeben habe, diese Arbeit nicht weiter zu verfolgen.« Thomsen erwartet, daß sein Entschluß, die Hintergründe der Geschichte aufzudecken, eines Tages »Wellen schlagen« werde. »Ich fürchte, daß ich Ärger bekommen werde, doch andererseits erscheint es mir richtig, daß die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge informiert wird. Als ich den schriftlichen Befehl erhielt, meine Untersuchungen nicht fortzusetzen, sagte man mir, ein anderer arbeite an dem Projekt. Das war eine Lüge. Einige Herren bearbeiteten das Sardinenproblem, andere studierten ddt ..., aber niemand war damit beschäftigt, den Einfluß des ddt auf den Rückgang der Sardinenfischerei zu untersuchen.«


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Thomsen zählt acht Punkte auf, die nach seiner Ansicht die Theorie unterstützen:

1. Die Beziehungen zwischen Sardinenfang und DDT-Gebrauch stellen eine »umgekehrte Korrelation« dar.

2. Große Ausschwemmungen aus landwirtschaftlichen Nutzgebieten bringen ddt in die Sardinengebiete.

3. Die erste Abnahme der Sardinenschwärme wurde verzeichnet, als die Ausschwemmung den Ozean erreichte.

4. DDT ist hochgradig giftig für die Fische, aber auch für die Organismen, von denen sich Fische ernähren.

5. Es ist bekannt, daß DDT in Ozeanfischen der ganzen Welt angespeichert wird, einschließlich Sardinen und Thunfischen, die bis zu 300 ppm DDT in ihrem Öl haben.

6. Es ist bekannt, daß DDT die Fortpflanzung der Fische unterbricht. Als Beispiel ist Lake George im Staat New York anzuführen. Dort stellte man fest, daß normal aussehende Seeforellen sich nicht mehr vermehren konnten, weil ihr Körper zuviel DDT enthielt. Sobald die DDT-Konzentration über 2,73 ppm hinausging, starb die Fischbrut, und zwar zu der Zeit, wenn das Jungtier den Dottersack aufgezehrt hatte.

7. Die Überlebensrate der Jungsardinen sank im gleichen Maß ab, wie die alten Fische verschwanden.

8. Da Sardinen zu den Fischen gehören, die Öl im Körper haben, speichert sich DDT bei ihnen rascher an als bei anderen Fischen, DDT ist unlöslich im Wasser, aber hochlöslich in Fett oder Öl.


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In Flußmündungen, Küstengewässern und auf See zeugen Millionen von Fischleichen davon,
wie der Mensch das Wasser und das Leben darin systematisch verseucht


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Thomsen gibt zu, daß seine Daten »Ursache und Wirkung nicht beweisen«, stellt aber fest, daß sie

»in ihrer Substanz die Hypothese unterstützen. Natürlich kann es zufällige Korrelationen geben. Man könnte beispielsweise auch den Schwund der Sardinenschwärme mit der Zunahme der Möbelfabrikation oder etwas Ähnlichem vergleichen ... doch Möbel spielen im Fettgewebe der Sardinen keine Rolle, sind nicht hochgradig giftig für Fische, werden nicht in den Ozean abgeschwemmt, und so weiter. Kritiker, die sich darauf versteifen, daß die Beziehungen rein zufälliger Art seien, haben es in diesem Fall schwer ....«

Er teilt mit, ein Biologe habe seine Daten analysiert in der Absicht, »sie zu widerlegen«. »Er konnte es nicht tun«, sagte Thomsen. »Ich frage ernsthaft, ob die Menge der Daten, die meine Hypothese stützen, nur durch einen Zufall zusammengekommen sein könnten.«

So phantastisch diese Theorie auch im Jahr 1963 geklungen haben mag, heute, in den siebziger Jahren, erscheint sie nicht mehr unwahrscheinlich. In einem Beitrag »ddt: Wohltat für die Menschheit oder Gift für die Umwelt« aus der Washington Post warnt der bereits zitierte Dr. Charles Wurster, die Fischerei sei in Gefahr. Wurster: »Die Schlußfolgerung liegt nahe. Was sich in Lake Michigan und Lake George ereignete, daß nämlich Forellen und Lachse keinen Nachwuchs mehr haben, kann sich demnächst auf den wichtigsten Fischgründen der Welt wiederholen - wenn es nicht schon geschieht. Einige Nutzfischarten sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen oder verschwunden, ohne daß es dafür eine Erklärung gibt. Diese Aussichten erscheinen nicht gerade angenehm, denn das Meer, so hoffen viele, sollte ein Reservoir sein, aus dem wir in kommenden Zeiten die ständig wachsende Menschheit ernähren.«

Dr. Wursters Ansichten werden von zahlreichen Meeresbiologen geteilt. Ihnen erscheint die Aussicht, daß die Fischgründe der Welt sich leeren, noch gefahrdrohender als die Möglichkeit, das Phytoplankton werde eines Tages aufhören, uns mit Sauerstoff zu versorgen. Sie betonen, daß der Verlust großer Fischschwärme ein aktuelles Problem darstellt, während die Zerstörung des Planktons noch nicht unmittelbar bevorstehe.


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Das Bild einer Welt, in der es keinen Nachschuban Meeresfischen mehr gibt, wirkt angesichts der Bevölkerungsexplosion der Erde nicht eben rosig. Weltweiter Hunger mit all seinen Folgeerscheinungen scheint unvermeidlich. Wenn solche Warnungen von den Regierungen unserer Welt überhaupt gehört und verstanden werden, stoßen sie dort aber nicht auf Glauben. Keine Regierung rührt auch nur einen Finger, um die Herstellung und den Gebrauch »harter« Pestizide zu verbieten. Man schwatzt von »zeitweiser Aussetzung« und dem Gebrauch »nur in kritischen Fällen und bei einzelnen Arten«. Und in der Zwischenzeit werden die Pflanzenschutzmittel weiter über Land und Wasser verstreut und erhöhen die Konzentration, die dort bereits erreicht wurde. Niemand kann ableugnen, daß Reste von Pestiziden heute überall auftreten. Es ist schon jetzt zweifelhaft, ob es überhaupt noch einen Fisch irgendwo auf unserem Planet gibt, der frei von Pestizid-Rückständen ist. Eine von einem unabhängigen Lebensmittellabor durchgeführte Untersuchung an Dosenfischen, die auf einem Supermarkt gekauft wurden, brachte folgende Ergebnisse (Nachweis von Rückständen der Pestizide dde, ddd und ddt im Verhältnis eins zu einer Million oder ppm):

Makrele (japanisch) dde 0,42 ppm
Marke »Kronprinz« ddd 1,10 ppm
Sardinen aus dem Staat Maine dde 0,21 ppm
Marke »Beach Cliff Brand« ddd 0,26 ppm
ddt 0,62 ppm
Thunfisch dde 0,18 ppm
»Star-Kist« ddd 0,10 ppm
Rosa Lachs dde 0,07 ppm
»Peter Pan« ddd 0,13 ppm
ddt 0,30 ppm


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Die untersuchten Fischkonserven wurden von mir aufs Geratewohl aus den Regalen genommen. Es besteht wohl nur wenig Zweifel daran, daß jede Marke von jeder beliebigen Fischsorte ähnliche Mengen Pestizide enthält. Das Labor untersuchte die Fettbestandteile. Um auch Frischfisch untersuchen zu lassen, kaufte ich verschiedene Fischsorten auf dem Markt von Redondo Beach in Kalifornien. Die Resultate korrespondierten mit denen, die oben mitgeteilt sind, lagen aber meist etwas höher. Es handelte sich um Fänge von der südkalifornischen Küste.

Möglicherweise richten wir einen Schaden an, dessen Bedeutung wir weder übersehen noch überhaupt verstehen, wenn wir weiter Pflanzenschutzmittel ausstreuen. Die Chance ist groß, daß wir bereits ungeheuerliche Veränderungen in der ökologischen Balance unseres Planeten hervorgerufen haben. Einige sind schon öffentlich bekannt; andere vollziehen sich und werden erst hinterher erkannt.

Für diese These spricht ein Ereignis, das erst in jüngster Zeit bekannt wurde: die Bevölkerungsexplosion, die fast über Nacht bei einem vormals seltenen Meerestier einsetzte, dem sogenannten »Dornenkronen-Seestern«. Aus irgendeinem Grund, der die Meeresbiologen vor ein Rätsel stellt und zugleich beunruhigt, treten die »Dornenkronen« seit zehn Jahren in solchen Mengen auf, daß sie das ökologische Gleichgewicht ganzer Ozean-Lebensgemeinschaften auf den Kopf zu stellen drohen. Unter normalen Verhältnissen, sagen die Biologen, bleibt die Zahl dieser Tiere klein, weil immer nur ein paar Eier aus der Millionenmasse, die der mütterliche Seestern produziert, überleben. Der Rest wird von den natürlichen Räubern gefressen, die sich von diesen Eiern ernähren.

Was die Biologen beunruhigt, ist nicht einfach die Zahl dieser Seesterne, sondern ihre unheimliche Aktivität. Die »Dornenkrone« ernährt sich vom Korallenriff. Während diese Zeilen geschrieben werden, verzehren sie die Riffs, die Hawaiis berühmte Badestrände vor den Brechern des Pazifik schützen.


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Sie haben bereits einige hundert Quadratkilometer des Großen Barrier-Riffs vernichtet, das vor Australien liegt, und die ganzen Ringe von Korallen abgenagt, die Guam umgeben. Weil diese Riffs Sandküsten und kleine Inseln vor der Vernichtung schützen, sind sie von höchster Bedeutung. Ohne diese Schutzwälle kann die See ungehindert gegen die Küste donnern und kleinere Inseln einfach verschwinden lassen. Außerdem sind Korallenriffs für die Fischerei wichtig; sie geben den Fischen Schutz und werden so zum Nahrungsmittel-Reservoir.

Warum explodierte die »Dornenkronen«-Familie plötzlich wie ein Atompilz? An allen Küsten des Pazifik suchen Wissenschaftler nach einer Antwort, finden sie aber nicht. Wieder bietet Walter Thomsen eine Theorie an: Die gleichen Pestizide, die Kaliforniens Sardinenfischerei zum Erliegen brachten, können für die Seestern-Situation verantwortlich sein. Thomsen glaubt, daß langlebige Pestizide die natürlichen Räuber der Seestern-Eier vernichtet haben können. Diese Räuber ernährten sich von den Eiern und den kleinen »Dornenkronen« und ließen immer nur wenige Exemplare groß werden. Ohne die Kontrolle durch diese natürlichen Räuber, sagt Thomsen, müsse die Seestern-Bevölkerung sich rapid vergrößern. Das Problem der überhandnehmenden »Dornenkronen« wurde 1963 von den Australiern entdeckt - also in dem Jahr, in dem auch Thomsen feststellte, daß eine negative Korrelation zwischen der Zahl der Sardinen und den Mengen des ddt auf Kaliforniens Äckern besteht. Sollten sich Thomsens Überlegungen als richtig erweisen, werden vielleicht einige von uns zweimal nachdenken, bevor sie Mutter Natur ein neues langlebiges Wundermittel anbieten. Wie es Robert Ingersoll einmal treffend ausdrückte: »In der Natur gibt es weder Belohnung noch Strafe; es gibt dort nur Folgen.«

Die Übervölkerung der Korallengründe mit riesigen Seesternen ist eine Folge - das Resultat von irgendeiner vorausgegangenen Handlung. Doch seit langem klagen die Ökologen, daß niemand diese einfachen Regeln der Natur versteht. Wenn wir hier ein Gleichgewicht stören, werden dort Folgen oder Reaktionen entstehen, die wiederum zu anderen Reaktionen führen. Und so fort.


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Biologen, die diese Regeln verstehen, weisen nachdrücklich darauf hin, daß nicht alles, was der Mensch in der Natur veranlaßt, schlecht ist - daß er gelegentlich auch Gutes schafft. Der Mensch kann bauen, planen und dem Fortschritt dienen - immer vorausgesetzt, er berücksichtigt dabei auf die richtige Weise seine natürliche Umwelt. Unglücklicherweise tut er das aber nur selten. Bei der Anwendung des DDT kümmerten sich zu wenig Wissenschaftler um den Effekt, den das Mittel auf die Umwelt haben mußte - falls sich überhaupt irgendjemand darüber Gedanken machte.

Es ist von wahrhaft makabrem Interesse, der Geschichte des »Dornenkronen-Seesterns« auch in Zukunft zu folgen. Sicher wird es eine Reihe von verheerenden Folgen geben, wenn die Korallen erst einmal zerstört sind. Strände haben keinen Schutz mehr, Inseln werden einfach weggewaschen, in wichtigen Seegebieten wird der Fischfang erliegen. Stimmt Thomsens Theorie, treten zusätzliche Fragen auf: Was geschieht mit jenen Lebewesen, die sich bisher von den Räubern ernährten, die Seestern-Eier und kleine Seesterne fraßen? Das Ganze ist eine Art Dominospiel, quer durch das Geflecht der natürlichen Ökologie hindurch. Fällt ein Stein, reißt er die anderen mit sich.

Je mehr Unterlagen wir über die Auswirkung der Pestizide sammeln, desto klarer wird, daß der Untergang der Sardinen und die Zunahme der »Dornenkronen« keine vereinzelten »Unfälle« sind, die eine örtliche Ökologie aus den Fugen brachten. Der Krabbenfang von San Francisco, der einmal jährlich viertausend Tonnen brachte, ist beharrlich abgesunken in den vergangenen zehn Jahren. Wo man früher hundert Tonnen Krabben fing, fängt man jetzt nur noch etwa zehn Tonnen. Untersuchungen zeigen an, daß auch hier das ddt beteiligt war: Es tötete die Larven der Krabbe, bevor sie groß werden konnten.

Aus Gründen, die bereits genannt wurden, kommen die Maßnahmen der Regierung gegen Leute, die das Wasser verseuchen, zu spät; außerdem bleiben sie unwirksam: Das Wasser ist bereits verseucht, und der Export in andere Länder sorgt dafür, daß das Mittel durch die Meeresströme zu uns zurückkehrt.

Stimmt Thomsens Theorie aus dem Jahr 1963, und trifft zu, daß keine weiteren Untersuchungen durchgeführt wurden, seit man ihm untersagte, sich mit der Untersuchung der Zusammenhänge zu befassen, dann wird es Zeit, ein paar harte Fragen zu stellen. Warum mußte Thomsen die Untersuchung aufgeben? Warum durfte er nicht über seine Arbeit sprechen? Wenn der Befehl von oben kam, wo saß der eigentlich Verantwortliche? Tat Thomsen etwas, was bereits ein anderer Beamter des Amts tat? Wenn nicht - warum sagte man es dann zu ihm?

Diese und andere Fragen werden immer drängender, da Thomsens damalige Feststellungen, wenn sie zutrafen, sofort ein Verbot des ddt hätten nach sich ziehen müssen. Wurde Thomsen aber gestoppt, weil politischer Druck ins Spiel kam, von der Seite der DDT-Hersteller etwa, dann wäre es Zeit, daß wir darüber etwas erführen.

Wenn dies alles zutrifft, haben wir sieben kostbare Jahre vertrödelt, ohne das Problem anzupacken. Und das ist wahrhaftig schlimm.

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 Don Widener 1970