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3   Smog - Der tödliche Schleier

Widener-1970

 

 

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Luft ist ein merkwüdiger Stoff. Er ist unsichtbar, man kann ihn weder riechen noch schmecken, dafür wiegen, ausdehnen, zusammenpressen, abkühlen - ja, sogar in Flüssigkeit verwandeln. Chemisch ausgedrückt enthält Luft etwa 78 Volumprozent Stickstoff, knapp 21 Prozent Sauerstoff, dazu Spuren von Edelgasen, Kohlensäure und Wasserdampf. Pflanzen stellen Sauerstoff her, Tier und Mensch verbrauchen ihn beim Atmen. Die Natur braucht die Lufthülle der Erde, um Sonnenhitze zu absorbieren, aber auch, um das Abstrahlen von Wärme aus dem Erdraum zu bremsen. Die Industrie benutzt Luft für ihre Zwecke, etwa bei der Herstellung von luftangetriebenen (pneumatischen) Geräten.

Luft ist die weitaus wichtigste Substanz, was den Fortbestand des Lebens auf dem Planeten angeht. Wer daran zweifelt, versuche einmal zwei Minuten lang nicht zu atmen. Fehlt uns Luft nur fünf Minuten lang, dann sterben wir. Zugegeben, das ist jedermann bekannt und klingt reichlich akademisch. Es gibt noch keine Knappheit an Luft - noch nicht. Doch wir sollten uns bei dieser Feststellung nicht zu wohl fühlen; denn es gibt auch kein Überangebot. Der Luftvorrat der Erde ist zwar ausreichend, aber endlich. Er umgibt die Erde wie die Schale den Apfel und erstreckt sich nur einige Kilometer himmelwärts. Etwa in einer Höhe von dreitausendfünfhundert Metern über dem Meeresspiegel funktionieren Automobilmotoren nicht mehr besonders gut - und das gleiche läßt sich vom Menschen sagen. Der Mangel an Sauerstoff wird spürbar.

Da sich alle Menschen darin einig sind, daß Luft von größter Bedeutung ist, noch wichtiger als etwa Geld oder Mädchen, sollte man annehmen, daß man im Goldenen Zeitalter der Wissenschaft längst die nötigen Vorkehrungen getroffen hätte, um Bestand und Reinheit dieser wunderbaren Substanz zu gewährleisten. Hat man das getan? Natürlich nicht. Der Mensch hat vielmehr Prozesse eingeleitet, die eines Tages zur Vernichtung der Luft führen können. Ihre Verschmutzung ist längst eine vollzogene Tatsache. Nachdem ihm dies gelungen ist, im Zeichen des Fortschritts, des Profits, des Wohlstands, der Politik und der Bevölkerungsvermehrung, müssen wir nun dafür zahlen ... und die ersten Rechnungen liegen bereits vor.

Die Behauptung, eine ständig fortschreitende Technik könne den Sauerstoffgehalt der Luft aufzehren, fordert einige erbitterte Dementis aus dem wissenschaftlichen Lager heraus. Desungeachtet besteht die Möglichkeit, wenn nicht gar Wahrscheinlichkeit, einer Verringerung unseres Luftbestandes. Betrachten wir beispielsweise einmal jene »theoretische Möglichkeit« aus der längst eine harte Tatsache wurde: die weitverbreitete und gefährliche Luftverschmutzung. Anfangs betrachtete man sie lediglich als »lästig« und bezeichnete sie etwas unwissenschaftlich als »Rauch«; dann aber wurde Luftverschmutzung (air pollution) schließlich doch als das erkannt, was sie ist - wenn auch widerwillig: ein komplexes Problem und eine tödliche Gefahr für alle Lebewesen. Man könnte glauben, die Verwirrung, die der sogenannte Smog stiftete, als er zu Beginn der vierziger Jahre Los Angeles überfiel, sei von einem hinterhältigen Einbrecher verursacht worden. In Wirklichkeit ist der Smog älter als die ältesten Hollywoodfilme. Kaum je ist ein Überfall langfristiger angekündigt worden. Schon der Spanier Juan Cabrillo verzeichnete, als er 1524 in die Bucht von San Pedro segelte, etwas Derartiges und nannte daher den Platz Bahia de las Fumas, die Bucht des Rauchs. So nachzulesen in seinem Tagebuch. Damals rührte das Problem von zu vielen offenen Lagerfeuern der Indianer her. Es dauerte vierhundert Jahre, bis wir begriffen, was Cabrillo versucht hatte, uns klarzumachen.


Erste Warnungen von Inversionswetterlagen  50/51

Historiker pflegen zwar denjenigen, die plötzlich über eine neue, bislang unbekannte Gefahr stolpern, gnädig zu verzeihen. Ich erinnere mich aber, daß der römische General Scipio einige sanfte Rüffel in den Geschichtsbüchern erhielt, weil er sich von Hannibal zum Narren halten ließ. Doch wie viele Generale, muß man sagen, sind schon jemals mit einer alpinen Elefantenarmee konfrontiert worden?

 wikipedia  Publius_Cornelius_Scipio_Africanus   235- bis 183-

Unsere Unfähigkeit, das Herannahen der Gefahr zu erkennen und die Gefahr der Luftverschmutzung rechtzeitig zu kalkulieren, hat uns um jede Sympathie bei den nachfolgenden Generationen gebracht. Wir können diesem Vorwurf nicht entrinnen, es gibt keine Schlupflöcher. Wir haben versagt. Denn es gab genug Warnungen, doch die Welt interessierte sich nicht dafür. Sie hatte andere Dinge im Kopf: Als das belgische Maas-Tal von einem mörderischen Nebel überzogen wurde, geschwängert von giftigen Industrieabgasen, wen kümmerte es? Niemand. Es war das Jahr 1930, die Weltwirtschaftskrise regierte, und wir jagten hinter Bankiers her, die aus der Hintertür geschlüpft waren und einen Sack Geld mitgenommen hatten.

Die zweite Warnung erfolgte 1948, diesmal in Donora, Pennsylvanien. Spät im Oktober legte sich eine unbewegliche Masse wie ein schmutziges Laken über die 14 000 Einwohner der Stadt. Schlechte Luft war ihnen zwar nicht unbekannt, sie lebten Wand an Wand mit der Industrie; doch etwas Derartiges hatten sie noch nie erlebt. Eine sogenannte Inversionswetterlage hatte dazu geführt, daß die Stadt von Abgasen durchzogen wurde, die sonst vom Wind weggetrieben werden. Erst am sechsten Tag begann es zu regnen, der Smog verflüchtigte sich, und Donora zog Bilanz. Von seinen 14 000 Einwohnern waren 6000 (oder 42,8 Prozent) erkrankt, zwanzig gestorben. Die Geschichte ging unter, weil just zu dieser Zeit Harry Truman und Thomas Dewey hitzig um die Präsidentschaft der usa kämpften.

London, England, leistete den nächsten Beitrag zu den Warnungen, als es 1952, wieder während einer Inversionswetterlage, von einem schweren Londoner Nebel überzogen wurde, reich an Abgasen aus den Schornsteinen der Industrie und der Bewohner.


52 Smog: Der tödliche Schleier

Als eine Woche später die Luft wieder rein war, enthüllte die Statistik, daß es in diesen Tagen 4000 Todesfälle mehr als gewöhnlich gegeben hatte. Verhielten sich die Vereinigten Staaten auch in diesem Fall, als seien sie taub, stumm und blind, so wurde doch der Magistrat einer Stadt - Los Angeles - hellhörig. Die Stadt hatte das erste Jahrzehnt eines nutzlosen Kriegs gegen den Smog hinter sich und begann gerade zu begreifen, wo der eigentliche Schwerpunkt der Gefahr lag. Mit dem Verständnis für die Größe des Problems wuchs der Respekt, wuchs die Sorge - und auch die Angst. Was anfangs ein kleines Kätzchen zu sein schien (man hatte noch 1943 auf der Konferenz des Oberbürgermeisters versichert, das Problem »Smog« werde innerhalb vier Monaten »radikal beseitigt« sein), hatte sich mittlerweile zu einem Tiger entwickelt, den auch die gewitztesten Experten und Wissenschaftler nicht zähmen konnten.

Wir haben schon früher festgestellt, daß wir im Wettrennen mit der Luftverschmutzung einige Jahrzehnte zu spät aus den Startlöchern kamen. Nun begann wenigstens Los Angeles zu rennen, nachdem es den Gegner einmal gesichtet hatte. Doch der Rest der Nation blickte nach Südkalifornien und lachte. Smog erschien allen anderen als lächerlich. Sogar der Klang des Wortes war komisch. Endlich konnte einmal Amerika über das kalifornische Wetter lachen - bisher war es immer umgekehrt gewesen. Was man nicht bemerkte, war, daß Smog keine Favoriten kennt. Mit der Zeit fanden die Amerikaner heraus, daß sie den lange leidenden, rotäugigen »An-gelenos« einiges schuldeten.

Wie die amerikanische Gesundheitsbehörde erst kürzlich in einem Bericht über das Bundesprogramm gegen Luftverschmutzung (Public Health Service Publication Nr. 1560, revidiert im Oktober 1967) darlegte, »half die Erfahrung von Los Angeles, den Nachweis zu führen, daß ein neues, komplexeres Problem der Luftverunreinigung aufgetaucht ist; denn als die Beamten von Los Angeles anfingen, gegen



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diese Gefahr anzukämpfen, standen sie plötzlich vor zahlreichen technischen Problemen, die nicht mehr mit den traditionellen Methoden der Rauchbekämpfung bewältigt werden konnten. Eines der Ergebnisse war, daß die Bürger einer einzigen Stadt Forschungsprojekte finanzierten, die nicht nur für Los Angeles, sondern für das gesamte Land notwendig waren.«

Erst 1955 bequemte sich der amerikanische Kongreß, Gesetze zu erlassen, die mit der wachsenden Gefahr einer Verunreinigung der Luft aufräumen sollten. Länger hätte er seine Bemühungen wahrhaftig nicht hinausschieben können; denn inzwischen lagen massive Unterlagen und Warnungen vor.

Lernte die amerikanische Bundesregierung nur langsam, hatte sie dabei doch viele Verbündete. Groß- und Kleinstädte in ganz Amerika glaubten - und glauben anscheinend immer noch -, daß es »Smog bei uns nicht geben kann«. Dieser Kinderglaube gehört zu den zahlreichen Fehlleistungen in aller Welt angesichts des Smogs und anderer Verunreinigungen sowie ihrer Auswirkungen auf die Umwelt. Die Beamten dieser Städte scheinen ihre Bürger dem gleichen Schutz anzuempfehlen, den man früher bei Arbeitermädchen zur Hand hatte: dem Himmel. Im ganzen scheint diese Schutzmacht aber wenig erfolgreich zu sein. Tatsächlich könnten die Programme einiger Städte in ihrem Nutzwert mit der Empfehlung verglichen werden, jeder Bewohner solle ein Schälchen Milch und zwei Zuckerplätzchen auf die Hausschwelle stellen und den Rest den guten Kobolden überlassen. Immerhin haben einige Städte und Staaten dieser Welt, darunter die Sowjetunion, schon frühzeitig und weise erkannt, daß der Bezirk von Los Angeles nicht von einem besonders rachsüchtigen Geist ausgewählt und heimgesucht worden war. Sie schlössen, daß die Ereignisse in Südkalifornien sich überall wiederholen konnten, wo Industrie und Bevölkerung rasch zunehmen, fuhren nach Kalifornien und studierten das Problem an Ort und Stelle.


Mit Guerilla-Taktik gegen Luflverschmutzer 55

Als Übungsplatz für Kämpfer wider den Smog ist Los Angeles unerreicht. Ein junger smogman, der seine Augen offenhält, lernt nicht nur rasch, welche chemischen Rezepte zur Luftverschmutzung benötigt werden, er lernt auch, mit welchen Techniken und welcher Ausrüstung man die Gefahr bekämpft. Außerdem wird er ein Experte in jener besonderen Guerilla-Taktik, die immer dann angewendet werden muß, will man Wissen in die Tat umsetzen.
Der erfahrene Smog-Bekämpfer verfügt über eine ganze Reihe von Talenten und Fähigkeiten. Er kann sich mit Chemikern über Moleküle unterhalten, beherrscht die Kunst des politischen Nahkampfs und räumt wie der Sheriff im Wildwestfilm mit Übeltätern, sprich Luftverschmutzern, auf. Es gibt nicht viele Männer dieser Art, doch Los Angeles hat einen - den Distriktsbeauftragten für den Kampf wider die Luftverunreinigung, Louis Füller. Füller, ein abgebrühter ehemaliger Polizist, ist ehrlich, intelligent, gemein, wenn es sein muß, und absolut unbestechlich. Seine Arbeit ist nicht leicht: Die widerstrebenden Parteien in der Smog-Arena abwechselnd zu unterwerfen oder zu überreden, erfordert die Geschicklichkeit eines Mannes, der gewohnt ist, Haifische aus der Hand zu füttern.

In kommenden Jahren wird diese Aufgabe etwas leichter sein, weil man in Los Angeles Erfahrungen und Unterlagen gesammelt hat. Es war ein steiler, steiniger Weg, auf dem Los Angeles den Platz erreichte, auf dem es heute steht: Es ist die Großstadt, die sich rühmen darf, die sauberste Industrie der Welt zu haben. Wer auf einen Hügel steigt und die »Stadt der Engel« überblickt, sucht vergebens nach Fabrikschornsteinen, die fette Qualmwolken ausstoßen.

Es war alles andere als einfach gewesen, soweit zu kommen. Es gab falsche Initiativen, törichte Pläne (»Laßt uns ein Loch durch die Berge bohren und den Smog in die Wüste ableiten«!), und es gab spürbares Zögern bei dem Versuch, die mächtige Automobilindustrie zu belästigen.


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Die Smog-Bekämpfer attackierten zuerst die kleinen Sünder: die Luftverpester in den Zitrusplantagen, die Leute, die Müll im Hinterhof verbrennen, die industriellen Verbrennungsanlagen. Später besaß man genug Einfluß, um gegen die »stationären Quellen« vorzugehen - die Kraftwerke, Ölraffinerien, Chemiewerke. Die Vorgänge glichen sich immer wieder auf ein Haar: die Betroffenen behaupteten, sie seien unschuldig, es folgten Rededuelle vor den Gerichtshöfen, die mit der Unterwerfung unter das Kontrollstatut endeten. Während dieses Kampfes hat die apcd (Luftverschmutzungs-Kontrolle im Distrikt Los Angeles) 42 000 Anzeigen erstattet und in neunzig Prozent aller Fälle gewonnen. Füller hält nichts von Ausdrücken wie »Toleranz-Niveau für Menschen« im Kampf gegen Luftverschmutzung. Er steht auf dem unerschütterlichen Standpunkt: »Wenn etwas die Luft verunreinigen kann, dann soll es, verdammt nochmal, nicht in die Luft abgeblasen werden. Punkt!« Er kann sich auf die Hilfe harter Gesetze verlassen, auf einen großen Park von Streifenwagen mit Kurzwellenanlagen, ausgebildete Prüfer und ein Alarmsystem im ganzen Bezirk, das es ihm ermöglicht, durch den Druck auf einen Knopf ganze Industrien abzuschalten, wenn es die Wetterlage erfordert. Er weicht keinen Zoll zurück, hat es übrigens auch nicht nötig.

Mitarbeiter des apcd erinnern sich besonders gerne an einen Tag, an dem ein Industriebaron, dessen Name die ganze Welt kennt (er steht auf den Packungen seiner Produkte) in Füllers Büro stampfte, begleitet von zwei hochbezahlten Industrieanwälten, und mit der Faust auf den Tisch schlug. Der Industrielle brüllte Füller an, er denke gar nicht daran, Luftfilteranlagen in sein Werk einbauen zu lassen. »Niemand kann mir vorschreiben«, schrie er, »wie ich mein Unternehmen führe. Versuche Sie es, und ich verlagere meine ganzen Fertigungen aus ihrem verdammten Land.« Füller war ungerührt geblieben. »Wie lange brauchen Sie dazu?« fragte er.


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Anderntags riefen die Anwälte in Füllers Büro an und baten, die Anzeige fallen zu lassen. Die geforderten Luftfilteranlagen, sagten sie, würden unverzüglich eingebaut werden. Mit solchen Situationen muß der Smog-Kämpfer fertig werden. Daß sich die Unternehmer so verhalten, wundert ihn nicht. Niemand hört es gerne, daß man ihn einen Luftver-schmutzer nennt. Große Unternehmen hassen es, wenn man sie maßregelt - selbst wenn es zu ihrem eigenen Besten ist, wie sich hinterher oft herausstellt. Denn die Geräte, die Luft von Industrierückständen reinigen, haben sich oft für den, der sie einsetzte, als hochgradig kostensparend erwiesen. Eine Firma in Los Angeles stellte fest, daß in ihren neuen Filtern tonnenweise »Staub« von unqualifizierter Zusammensetzung anfiel. Als einer der Chemiker ihn analysierte, kam er zu einem höchst erfreulichen Ergebnis. Der merkwürdige Staub enthielt 30 Prozent Nickel. Sie verarbeiteten den Staub, schickten ihn in der Form von Kügelchen zu einer Schmelze und ließen das Nickel herausziehen. In kurzer Zeit hatten sich die neuen Anlagen gegen Luftverschmutzung bezahlt gemacht.

Die Pacific Smelting Company produziert Zinkoxid aus Zinkschrott. Der Staub in den Reinigungsanlagen enthielt, als man ihn analysierte, Zinkoxid; er wird jetzt wiederverarbeitet, das Oxid herausgezogen und verkauft. Staub aus einer Abteilung der Morris P. Kirk Company, die reines Blei in Barren aus Schrott und alten Batterien herstellt, enthielt - Sie können es sich denken - reines Blei. Wiederverarbeitung führte zu einer besseren Ausbeute an Blei und zu höheren Gewinnen.

Als sich herausstellte, daß die Raffinerien beim Auftanken der großen Kesselwagen ständig Benzindämpfe abgeben, wurde ihnen zur Auflage gemacht, diese Dämpfe abzufangen, bevor sie in die freie Atmosphäre gelangten. Zu ihrem Erstaunen mußten die Raffinerien feststellen, daß sie bisher eine Menge hochoktaniges Benzin durch das Abfüllen verloren hatten. Heute würden sie nicht mehr daran denken, diese kostbaren Dämpfe verfliegen zu lassen. Sie gewinnen daraus Treibstoff, den sie an der nächsten Tankstelle verkaufen. Die Liste der Ersparnisse in der Industrie durch Anwendung der pollution control oder Reinerhaltung der Luft ist fast endlos. Selbst die Fischmehlhersteller stinken plötzlich nicht mehr. Als man den Herstellern von Sardinenkonserven empfahl, die Temperatur in ihren Öfen herabzusetzen, um die Emissionen von Stickstoffoxid zu verringern, stellten die Betroffenen fest, daß zugleich mit der Herabsetzung der Temperatur die Sardinen besser schmeckten. Die zu heißen Öfen hatten, wie es scheint, die Fische angeschmort.

Doch wenn Ihnen angesichts dieser erfreulichen Fortschritte des Luftreinigungs-Programms von Los Angeles leichter ums Herz wird, dann jubeln Sie bitte nicht zu früh. Die Los-Angeles-Story ist eine bedeutungslose Reiterattacke am Rande eines Weltkriegs. Es ist der Teilsieg über ein paar örtliche Industrieprobleme, doch es gibt ganz andere, sogar in Los Angeles selbst. Der Bezirk erstreckt sich über rund 10000 Quadratkilometer. Zahllose Autostraßen durchziehen ihn, sie verbinden Dutzende kleiner Gemeinden miteinander, die wie ein Präriefeuer wachsen. In diesem unglaublichen Bassin leben, aufeinandergepfropft, acht Millionen Menschen, die vier Millionen Automobile besitzen, welche täglich über dreißig Millionen Liter Benzin saufen. Vier Liter pro Person täglich.

Diesem gigantischen Utopia ist die entsprechende Zahl gewerblicher Betriebe hinzuzufügen, von denen jeder einzelne sein besonderes Luftverschmutzungsproblem darstellt. In vielen Fällen weiß man nicht einmal, was die Luft verschmutzt, oder wie die Emissonen dieses Betriebes sich mit den Abgasen einer anderen Firma vermischen, wie sie Luft und Sonnenlicht beeinflussen, so daß wir mit ihnen nicht einmal dann fertig würden, wenn wir wüßten, was es ist.

Das sind nur einige der Probleme, die Los Angeles und seine Nachbarbezirke bedrohen. Mit ein paar winzigen Änderungen hier und dort sind es die Probleme, die fast alle anderen Großstadtbezirke bedrohen - oder es demnächst tun werden. Doch obwohl die Warnflaggen von Küste zu Küste geschwenkt werden, gibt es noch immer Menschen, die hartnäckig behaupten, der Smog sei gar nicht so gefährlich. Auch Gaskammern sind nicht so gefährlich ... solange man nicht gezwungen ist, in ihnen zu atmen.

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 Don Widener 1970