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4   Lauf! Lauf! - Der Himmel stürzt ein!

Widener-1970

 

 

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Vor etwa drei Jahren packte Frank Sinatra seine Siebensachen, versetzte der Stadt Los Angeles einen letzten Fußtritt, indem er ein paar passende Zeilen über den Smog schrieb, und siedelte nach Palm Springs über, um gute Luft und eine Fortsetzung des angenehmen Lebens zu finden. Es war kein origineller Schachzug. Als die mittelalterliche Version der Luftverschmutzung, genannt Schwarzer Tod oder Pest, das Land durchzog, taten die Herren vom Adel das gleiche: Sie flohen in ihre einsamen Landschlösser und überließen die Bauern dem Schwarzen Tod. Die kleinen Leute bemerkten etwas verbittert, daß die Pest das einzige sei, was sie nicht mit den großen Herrn teilen müßten. Doch zum Erstaunen der Nobilität erwies sich die Beulenpest als überaus demokratisch. Sie dezimierte auch die Auserwählten zu Dutzenden und veränderte damit die feste Struktur des alten Kastensystems.

Pech für Frank Sinatra und viele andere, die zu gesünderen Landstrichen fliehen! Unsere eigene, selbstverschuldete Pockenepidemie, genannt air pollution, folgt ihnen auf dem Fuß. Wenn man den neuesten Berichten Glauben schenken darf, muß Sinatra dem angenehmen Leben absagen - oder nach Wyoming fliehen. Palm Springs, Juwel der Reichen und Paradies der Kranken, ist das neueste Glied in der Kette des Smog, der Kalifornien überzieht.

Die Bewohner der fabelhaften Wüstenstadt mit ihren glänzenden Tagen und balsamischen, von funkelnden Sternen erfüllten Nächten reagieren zur Zeit in einer bereits typischen Weise darauf, daß Smog von Los Angeles über die Bergpässe zu ihnen vordringt. Einige bieten ihre Häuser zum Verkauf an und künden ihre Flucht an. Andere rufen Versammlungen ein, heuern Smog-Experten an, drohen den Ölraffinerien, die sich im benachbarten Banning oder Beaumont niederlassen wollen, mit Anzeigen. Doch die alten, erfahrenen DPs, die Flüchtlinge aus anderen Smogregionen, schütteln nur noch traurig den Kopf, wenn ein Neuling fragt, ob Luftverschmutzung eine vorübergehende oder eine bleibende Sache ist. Wo der Smog einmal hinkommt, sagen sie, da bleibt er. Bleibt und wächst.

Traurig genug: Zahlreiche Bewohner von Palm Springs leiden an Krankheiten der Atemwege. Sie zogen in die Wüste, um der schlechten Luft zu entfliehen, die sie nun verfolgt. Sie kommen aus den bereits verpesteten Gebieten der USA: New York, Detroit, Chikago, Cleveland und anderen Stadtbezirken - ja, auch aus Los Angeles, wo 10.000 Menschen alljährlich auf den Rat ihres Arztes die Koffer packen. Viele von ihnen verließen nur ungern die alte Heimat. Doch es war für sie buchstäblich zu einer Frage von Leben und Tod geworden.

Wir wissen heute mehr über die Wirkung der Luftverschmutzung auf Pflanzen und Tiere als über die Wirkung auf Menschen. Der Grund ist sehr einfach: Man kann Pflanzen und Tiere im Rahmen eines wissenschaftlichen Tests isolieren. Beim Menschen kann man das nicht. Dennoch ist den meisten Menschen klar, daß Luftverschmutzung die menschliche Gesundheit und das Wohlergehen beeinträchtigt. So sagt eine Schrift der größten amerikanischen Ärztevereinigung AMA - Physicians Guide to Air Pollution (Was der Arzt zur Luftverschmutzung sagt) - folgendes zum Thema: »Selbstverständlich ist die Lunge wegen ihrer physiologischen Funktionen dem Eindringen und Ablagern von Schmutzstoffen ausgesetzt, die sie durch die eingeatmete Luft erreichen.«

Die Schrift stellt fest, »daß ein lebenslanges Wohnen in der Großstadt bei einer Autopsie nach dem Tod augenscheinlich wird durch eine Pigmentierung des Lungengewebes«. Sie fügt hinzu: »Die Gesundheit der Atemwege scheint daher abhängig von der Qualität der Luft, die der einzelne einzuatmen pflegt.« Nach einem Hinweis auf die katastrophalen Ereignisse in London, Donora und New York schließt die AMA, diese Beispiele hätten »erwiesen, daß Verunreinigung der Luft einen bedeutenden Anteil an Krankheit und Sterblichkeit haben kann«.


Smog gefährdet die sexuelle Potenz   62/63

Wenn sie in diesem Buch bisher auf ein wenig Sex gelauert haben, der die Lektüre schmackhafter gestaltet, dann sind sie jetzt an dem gewünschten Punkt angelangt. Vielleicht unterstreichen Sie den folgenden Satz für späteren Gebrauch: Eine harte Tatsache des Lebens ist, daß Smog möglicherweise sogar die sexuelle Potenz des Menschen beeinträchtigt. Man muß »möglicherweise« sagen, weil niemand es genau weiß. Aber das Unheil scheint in der Luft zu liegen. Untersuchungen an Mäusen wie an Menschen geben deutliche Anzeichen dafür, daß der Smog ein misogyner Nebel ist. Mäuseweibchen haben beispielsweise weniger Würfe, weniger Kinder und außerdem eine höhere Sterblichkeit im Wurf. Da sind auch die Versuche zu nennen, die Dr. Otis Emik am Statewide Air Pollution Research Center von Riverside, Kalifornien, durchführte; sie brachten bedrückende Ergebnisse an Mäusen, die dem typischen, fotochemischen Smog von Los Angeles ausgesetzt wurden. Diese Mäuse brauchten mehr Sauerstoff und arbeiteten schwerer, wenn sie tun wollten, was andere Mäuse auch tun. Der Verdacht besteht, daß es bei Menschen ähnlich ist. Auch eine weitere Hiobsbotschaft verdanken wir Dr. Emik: Mäuse im Smog sterben früher.

All das Gerede über Mäuse, die nicht allzuviel an Smog-Tagen leisten können, mag nebensächlich erscheinen - falls man nicht gerade eine Maus ist. Daß Wälder sterben, weil sie bestimmte Oxide in der Luft nicht mehr vertragen, mag gleichermaßen unbedeutend erscheinen, solange man nicht an die wirtschaftlichen Verluste und an die verlorene Szenerie der Landschaft denkt. Doch da wäre noch etwas zu bedenken: Können Giftpartikel in der Luft, die Riesenbäume vernichten und Mäuse dezimieren, für den Menschen völlig harmlos sein? Oder befinden wir uns vielleicht schon in Gefahr? Wir können nichts sicher sagen - noch nicht. Es mag noch Jahre dauern bis Ergebnisse anfallen, da die Lebensspanne des Menschen größer ist als die eines Nagetiers.


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Immerhin wissen wir aber schon genug, um mit Sicherheit sagen zu können, daß verschmutzte Luft nachweislich einen Effekt auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Menschen hat. Die Bestandteile des Smog verursachen eine höhere Hauttemperatur, verringern unsere Konzentrationsfähigkeit, wirken als Tranquilizer, beschleunigen den Atemrhythmus, machen streitsüchtig oder schlapp, je nach Typ und Konzentration des Stoffs in der verpesteten Luft. Eine Sechsjahres-Untersuchung der Leistungen junger Langstreckenläufer an der Oberschule von San Marino in Kalifornien ergab, daß die Teilnehmer bei Smog-Wetter langsamer liefen. Relevante Unterschiede im Karbonmonoxid-gehalt der Luft, in Temperatur und Luftfeuchtigkeit waren nicht nachweisbar. Die besten Korrelationen ergaben sich, wenn man den Oxidpegel der Luft eine Stunde vor dem Rennen mit den Ergebnissen verglich. Die Läufer beklagten sich häufig über Schmerzen in der Brust, brennende Augen und allgemeines Abgeschlagensein. Woran das lag, ob bestimmte Oxide in der Atemluft tatsächlich das Atmen erschweren, konnte nicht entschieden werden. Das Ergebnis der Untersuchung über »Luftverschmutzung durch Oxide und athletische Leistung«, das am 20. März 1967 im Journal of the American Medical Association erschien, betont, daß die Feststellung, auf welche Weise Oxide im Smog die Leistungen eines Sportlers beeinträchtigen, von »großer Bedeutung« sei. Denn: »Die Bedeutung solcher Effekte auf Patienten mit beginnenden Herzleiden oder chronischen Lungenkrankheiten wäre ganz anders zu bewerten, wenn die Wirkung direkt am physiologischen Apparat ansetzte, beispielsweise an der Kapazität der Lungen, als wenn es sich um einen Sekundäreffekt psychologischer Art handelte.«

Nun befaßte sich aber die ganze Untersuchung in San Marino ausschließlich mit Langstreckenläufern; jungen Leuten auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit. Wie sieht es dann bei älteren Personen aus oder bei Patienten, die an Atembeschwerden leiden?


Tod durch Emphysem  65

In einem Artikel, der in den Archives of Environmental Health 1967 erschien, schreibt der Arzt Dr. Harry Heimann: »Immer deutlicher wird, daß Erkrankung und Tod durch Emphyseme in den Vereinigten Staaten zunehmen«. Innerhalb dreizehn Jahren, von 1950 bis 1963, stieg der »Tod durch Emphysem« auf das Zehnfache an; von 8 auf 80,2 Tote pro Million Einwohner. (Emphysem ist eine Aufblähung in der Lunge; dadurch fällt das betroffene Lungengewebe für die Atmung aus; das Leiden tritt in Zusammenhang mit Bronchialasthma sehr häufig auf, auch in Deutschland. A. d. 0.) Ärzte finden für diese Zunahme des Emphysemtodes keine andere Erklärung als Luftverschmutzung; besonders deutlich wird dieser Zusammenhang in Großstadtballungsräumen. Daß Patienten, die ein Emphysem haben, besonders unter Smog leiden, ist längst erwiesen. Untersuchungen, die zur Zeit noch laufen, suchen nach einer Antwort auf die naheliegende Frage: Verursacht Luftverschmutzung diese Krankheit, so wie sie den Zustand des Patienten, der bereits vorher daran gelitten hat, verschlechtert? Die meisten Ärzte wären wahrscheinlich bereit, diese Zusammenhänge zu bejahen.

Dr. Roman L. Yanda, Direktor eines großen Rehabilitations-Programms für Lungenkranke im Bezirkskrankenhaus von Olive View im San-Fernando-Tal bei Los Angeles, verteidigt buchstäblich eine Festung, die das ganze Jahr über angegriffen wird. Wenn Smog die Luft so verpestet, daß es zur Belästigung der Bevölkerung führt, dann beginnt für seine Patienten der Kampf ums nackte Leben; einige von ihnen schweben in Todesgefahr, während sie unaufhörlich nach Luft schnappen.

Während eines Vortrags vor den Ärzten des Presbyterian Hospital in Van Nuys, Kalifornien, gab Yanda Ratschläge für Ärzte und Patienten; sie klangen, als erteile Graf Dra-cula seinen jungen Vampiren eine Lektion. Gefragt, was Patienten während einer Smog-Periode tun sollten, sagte Yanda: »Früh am Morgen oder spät in der Nacht ausgehen; sich nicht unter die Massen mischen.«


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Yanda ist gegen Haarspray, Kosmetika oder Küchenchemikalien; er untersagt Rauchen, Trinken, den Aufenthalt in Räumen mit ätzenden Gasen wir Ammoniak, Terpentin oder Rauch aller Art. Zur Vorausplanung gegen Smog-Tage empfiehlt er vor allem Emphysematikern viel Schlaf und wenig Sport.

Oft genug erinnern seine Vorschläge an Direktiven, wie sie vom amerikanischen Luftschutz für den Fall eines Atomangriffs ausgegeben werden: »Den kühlsten Raum im Haus staubsicher machen, gegen Allergie-Erreger abschirmen. Vorräte aller Art (Lebensmittel) einlagern, damit man an Smog-Tagen nicht zum Kaufmann gehen muß. Telefon und Rundfunkgerät in dem Raum, oder in seiner Nähe, jederzeit erreichbar aufstellen. Den Raum so einrichten, daß auch ein Aufenthalt von mehreren Tagen angenehm erscheint.« Schwerkranken gibt Yanda einen einfachen Rat: Sie sollen Los Angeles verlassen und eine sauberere Landschaft auf-, suchen. Er gibt zu, daß nur wenige Patienten dazu in der Lage sind. Selbst wenn sie es wären, müßten sie immer wieder in die große Stadt mit ihren Spezialkliniken zurückkehren, auf die sie angewiesen sind. Als Alternativlösung rät er ihnen, die Smog-Warnungen genau zu beobachten und »ein bereits vorher ausgesuchtes Haus, Hotel oder Motel ... möglichst mit Klimaanlage ... aufzusuchen«. Auch über die Qualität der Luft innerhalb der Krankenhäuser ist Yanda nicht glücklich. »Im Krankenhaus gibt es Luft Verschmutzung durch frische Malerfarbe, ölnebel, Dämpfe von Reinigungsmitteln oder Desodoranzien, Insektenspray und Tabakrauch.«

Er sagt: »Wenn eine Krankenschwester einem Patienten ein Glas mit stark verschmutztem Wasser zu trinken gäbe, nachdem sie gerade erst das Glas mit der sorgfältig sterilisierten Flüssigkeit zur venösen Tropfinfusion ausgewechselt hat, dann würde man sie mit Recht kritisieren. Bei der Luft ist es anders. Wir fühlen uns verantwortlich für das, was der Patient einige Stunden lang einatmet; doch wir sollten uns

 

Sauerstoff als Quelle der Verunreinigung 67

darum kümmern, welche Art von Luft der Patient 24 Stunden am Tag inhaliert.«

Während der Suche nach Verschmutzungen, die seine Patienten einatmen müssen, kam Yanda der Verdacht, auch der Sauerstoff, der lungenkranken Patienten gegeben wird, könne eine Quelle der Verunreinigung sein. Daher untersuchte er Atemanlagen in Los Angeles und erfuhr, »daß man die Luft an Ort und Stelle entnimmt; ich erhielt aber die Versicherung, daß sie gefiltert werde, bevor man sie komprimiert.« Yanda ließ Proben von medizinischem Sauerstoff analysieren - fünf Proben aus Sendungen fünf verschiedener Lieferanten. Er fand Kohlenwasserstoffe darin, und zwar bis zu 28 ppm (Teile pro Million). Das ist vierzehnmal so viel wie die »normale, gewöhnliche Atemluft« enthält.

»Unsere Vorschriften, niedergelegt in der United States Pharmacopoeia, wurden 1930 entworfen«, erklärte Yanda, »als der Nachweis von millionstel Teilen noch in den Kinderschuhen steckte. Heute gehört es zur Routine der Sauerstoff-Lieferanten, diese Standards ständig zu überschreiten. Und wer bekommt den Sauerstoff? Ausgerechnet die anfälligsten Patienten, die am meisten auf saubere Luft angewiesen sind.« Da es keine komplette Kontrolle aller Ursachen und Quellen für Luftverschmutzung in Los Angeles gibt, haben Dr. Yanda und andere Ärzte Faustregeln für asthmatische und emphysematische Patienten entwickelt. Nicht rauchen und die körperliche Tätigkeit während einer Smog-Periode einschränken, gehört dazu.

Schließlich wurden auch die Schulen von disem Spiel betroffen. Im Jahr 1969 schuf die APCD (die in Los Angeles gegen Luftverunreinigung kämpft) ein Warnsystem: Steigt der Ozongehalt der Luft auf 35 ppm, wird Alarm geschlagen; die Lehrer müssen dafür sorgen, daß alle physischen Tätigkeiten der Schüler eingeschränkt werden. Wenn die 35-ppm-Quote erreicht ist, was durchschnittlich zwei Wochen in jedem Herbstmonat geschieht, entfallen Sportarten wie Fußball und Leichtathletik. Sport am Nachmittag findet in schweren Smog-Perioden so lange nicht statt, bis der Smog unter das »35-Niveau« abgesunken ist.


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Inzwischen erreichten neue Warnungen die Ärzte. Studien an der Universität Kalifornien in Los Angeles ergaben, daß bei Kaninchen der sogenannte »fotochemische Smog« mit seinen Nitrogenoxiden möglicherweise die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu transportieren, herabsetzt. (Das gleiche tut auch Zyankali oder das gefährliche Karbonmonoxid, das die Autos im Auspuff abgeben. A. d. Ü.)

Niemand weiß heute genau, in welchem Ausmaß wir durch Luftverschmutzung geschädigt werden. Schmutzstoffe in der Luft reichen vom Blei, das im menschlichen Körper angespeichert wird, bis zu Gasen, die töten, sobald sie die nötige Konzentration erreicht haben. Das Beweismaterial wächst, daß der Smog die Hauptursache von Krankheiten der Atemwege wurde, einschließlich der Bronchitis, der Emphyseme und des Lungenkrebses; all diese Krankheiten haben rapid zugenommen; vor allem in den Städten, wo die Luftverschmutzung am größten ist.

Einer Veröffentlichung der amerikanischen Regierung läßt sich entnehmen, daß Lungenkrebs in den großen Städten doppelt so oft auftritt wie in ländlichen Bezirken, auch wenn man die Rauchgewohnheiten der Bewohner in Rechnung stellt. Was die Mäuse im Test angeht, berichtet der Beitrag:

»Mäuse, die man mit Grippeviren sensibilisiert und dann ozonisierten Benzindämpfen ausgesetzt hatte [die dem »foto-chemischen Smog« von Los Angeles am nächsten kommen] entwickelten bronchogenen Krebs von dem Typ, der auch bei Menschen auftritt. Die gleichen Tumoren wurden bei Hamstern beobachtet, in deren Atemluft: bestimmte Kohlenwasserstoffe vorhanden waren, die man besonders häufig in Großstädten findet.«

 

Vergiftete Umwelt bei Mannheim


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All diese Berichte, Studien und Tests, die sich mit der Wirkung verschmutzter Luft befassen, sind nötig, weil es uns nicht gelingt, die Ursache festzustellen und zu beseitigen. Wer die Luft mit schädlichen Stoffen verunreinigt, wehrt sich erbittert dagegen, ein Luftverschmutzer genannt zu werden; und wenn er damit nichts erreicht, leugnet er einfach, daß Luftverschmutzung so ernsthaft sei, wie die medizinischen Berichte behaupten.

Charles Heinan, Chefingenieur der Abteilung »Emissionskontrolle und chemische Entwicklung« der Chrysler-Corporation, zeigte sich sehr optimistisch in der Frage der gesundheitlichen Schäden durch Smog, als er im Frühling 1968 vor einem nationalen Kongreß über Luftverunreinigung in Texas sprach: »Es ist gut möglich, daß sehr viel dummes Zeug über alle möglichen Gesundheitsschäden geschwatzt wird; es gibt zu viele widersprüchliche Ansichten. Und andererseits weiß niemand, welcher Teil des Smog dabei wichtig ist.«

Den sogenannten fotochemischen Smog von Los Angeles nannte der Ingenieur »ein Ärgernis, das nicht geduldet werden sollte«. Er gab zu, dieser spezielle Smog schädige Pflanzen »und hat vielleicht auch noch andere wirt­schaft­liche Aspekte«. Er übersprang dann elegant die Hürde, die man den Automobilen in den Weg stellt, weil sie 85 Prozent des gesamten Smog von Südkalifornien fabrizieren.

»Glücklicherweise hat das alles gar nicht solch langfristige Effekte auf die Gesundheit, wie man früher angenommen hat. Großraumversuche, über die Hammond und Buell berichten, zeigen eindeutig, daß keine Beziehung zwischen der Zunahme des fotochemischen Smog und Lungenkrebs besteht. Sie zeigen auch, daß der Einfluß auf andere Lungenkrankheiten überaus fragwürdig ist. Das sind wahrhaft gute Nachrichten.«

Irgend jemand muß vergessen haben, dem Zoologen Professor Kenneth Watt von der Universität Kalifornien diese frohe Botschaft zu übermitteln. Watt sagte im August 1969 ein Massensterben durch Luftvergiftung im Bezirk Los Angeles voraus, und zwar innerhalb der nächsten sechs Jahre. Unter anderem erklärte er: »Es ist inzwischen klar geworden, daß die Konzentration der Luftverunreinigung in Kalifornien derart zunimmt, daß man in bestimmten Gebieten, etwa in Long Beach, spätestens im Winter 1975/76 mit einer stark erhöhten allgemeinen Sterblichkeit rechnen darf. Die Zahl der Menschen, die dann sterben werden, wird anfänglich den Proportionen der Londoner Katastrophe vom Jahr 1952 entsprechen; später wird sie diese weit hinter sich lassen.« Ich zweifle keinen Augenblick an der Wahrheit dieser Worte. Doch ich habe zugleich den unerschütterlichen Glauben, daß die Automobilfabrikanten diesen Handschuh aufnehmen und mit den richtigen Maßnahmen antworten, etwa, indem sie noch längere, noch niedrigere, noch glattere und noch stärkere »fahrbare Särge« produzieren.

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