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7 - Dr. Farbers »Muffler« - Der Auspuff als Entgifter

 

 

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Das Maultier, sagen weise Leute, hat einen wesentlichen Vorteil vor dem Automobil. Wenn ein Maultier sich weigert, seinen Dienst zu tun, genügt ein handfester Knüppel, mit dem man es verdrischt, um es auf den Pfad der Pflicht zurückzu führen. Dagegen sind Schläge gegen das Familienauto nutzlos; ihr therapeutischer Wert kommt bestenfalls dem Besitzer zugute, nicht dem Fahrzeug. Automobile haben Konstrukteure und Käufer immer wieder zum Narren gehalten, ganz besonders aber in der Frage der Abgase; das Auto weigerte sich erfolgreich gegen jeden Versuch, seine Abgase zu entgiften.

Während der vergangenen Jahrzehnte sind Fortschritte gemacht worden – erzwungen durch Vorschriften oder unter dem Einsatz großer Summen; einen durchschlagenden Erfolg aber gab es nicht. Kohlenwasserstoffe im Auspuff sind reduziert worden, doch die Anlagen, die dazu dienen, haben gleichzeitig die Stickstoffoxide in den Abgasen erhöht. Unglücklicherweise sind sie gefährlicher als die Kohlenwasserstoffe. Versuche der Konstrukteure, auch das NOX im Auspuff zu beseitigen, blieben erfolglos.

Das Problem liegt in der modernen Verbrennungsmaschine mit ihren hohen Drücken und Temperaturen. Das giftige NOX-Abgas entsteht aus atmosphärischer Luft unter Druck und Hitze; je höher die Temperaturen, desto mehr NOX gibt es. Resultat: Je besser der Motor, desto mehr verpestet er die Luft. Reduziert man Hitze und Druck, dann sinkt zwar der Anteil der Nitrogenoxide, aber der Motor verliert an Kraft und Leistung, und wir kehren zurück zum alten Ford-A Modell.

Dieses Dilemma hat in Detroit viel Unruhe gestiftet. Hin und wieder kündigte man einen »Zehnjahresplan« an. Andere Schlagworte wie »System-Untersuchung« sind ebenfalls beliebt, scheinen aber nur gut dazu, einen weiteren Zehnjahresplan zu rechtfertigen. Inzwischen sterben im Los-Angeles Becken immer mehr Bäume; immer mehr Menschen werden krank, und die Fahrradreifen verrotten bereits nach fünf Monaten – alles durch Abgase von Automobilen.

Nach einer derartigen »Zehnjahresplan«-Ankündigung entstand unser Film <Die langsame Guillotine>. Während der Vorarbeiten zu dem Film stieß ich darauf, daß Detroit, das bis über die Ohren in wissenschaftlichen Untersuchungen steckte, offenbar ein thermodynamisches Problem mit mechanischen Mitteln zu lösen versuchte. Ich wandte mich daher an einen alten Freund und Kollegen, der mir möglicherweise weiterhelfen konnte: Milton Farber.  

Farber ist Thermodynamiker, ein Experte auf diesem Feld, wo man sich mit den Geheimnissen der Hitze, ihrer Aktionen und Reaktionen herumschlägt. Er ist einer der besten Köpfe auf dem Gebiet der Thermochemie, vielleicht der beste. Im August 1969 hielt er das Hauptreferat auf dem Ersten Internationalen Kongreß über Thermodynamik und Wärmemessung in Warschau. Sein Vortrag wurde von Mitgliedern aus 26 Staaten begeistert aufgenommen, auch von den Russen, die sehr viel von Farber halten. Im <World Who’s Who der Wissenschaften> wird Farber mit den Worten beschrieben:

»Er entwickelte neue Methoden zur Determinierung thermodynamischer Untersuchungen; gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet elektrischer Antriebsaggregate in den USA; regte die Verwendung schwerer Teilchen bei elektrischen Antrieben an und die Ionen-Synthese chemischer Verbindungen.«

Farbers Ruf wurde begründet, als er noch Student war. In den Monaten vor dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er unter Professor Willard Libby in Berkeley – einem der wenigen Männer in den USA, die sich damals mit atomaren Problemen befaßten. Seine Arbeit über die Trennung von Uranisotopen gehörte zu den letzten dieser Art, die noch gedruckt werden durften; dann begann das »Manhattan-Projekt« und damit die Geheimhaltung.

 https://ahf.nuclearmuseum.org/ahf/profile/milton-farber/         en.wikipedia  Willard_Libby 1908-1980 


Die Hilfe des Thermodynamikers  96/97

Er war während des Krieges Chef einer Versuchs-Trennanlage und hatte den Auftrag, Verbesserungen zu entwickeln, die später vom Manhattan-Projekt übernommen wurden.

Farber bewies seine Fähigkeit, mit Schwierigkeiten fertig zu werden: Da man ihm nicht genug hochqualifizierte Physiker zur Verfügung stellte, heuerte er Mädchen aus den benachbarten Bergen an, die er als Bedienungs­personal von mehreren hundert Zyklothronen einsetzte. Die Mädchen, die teilweise nicht schreiben konnten und zum erstenmal ein Paar Schuhe – Teil der Dienstkleidung – ihr eigen nannten, erhielten unverzüglich den Spitznamen »Farbers Hillbillies«. Aber er sagt rückblickend: »Sie waren ausgezeichnet an ihren Zyklothronen …«

Nach dem Krieg verbrachte er mehrere Jahre als Wissenschaftler an dem berühmten Jet-Propulsion-Laboratory des kalifornischen Instituts für Technologie (Caltech) in Pasadena; später hatte er eine leitende Stelle bei der Aerojet-Corporation und wechselte dann zu Rocket-Power-Inc. über, wo er an festen Treibstoffen für Raketen arbeitete.

Ich begegnete Farber zum erstenmal, als er bei Rocket Power war. Er leitete die Laboratorien der Gesellschaft in Pasadena.  wikipedia  Charles_Bartley  1921-1996

Ich war Assistent von Charles Bartley, dem Mann, der den modernen festen Raketentreibstoff Amerikas entwickelt hat. Meine Aufgabe war Public Relations: Ich sollte das Publikum über die Arbeit der Gesellschaft auf dem laufenden halten. Farbers Arbeiten lieferten immer Stoff für einen farbigen Zeitungsbericht. Doch es gab Schwierigkeiten; die Projekte waren teilweise geheim; obendrein befaßten sie sich mit einer Materie, die sich nicht ganz leicht in einfachem Amerikanisch ausdrücken läßt. So arbeitete er beispielsweise an der Vorausentwicklung von Raketentreibstoffen für künftige Hochenergie-Geschosse. Ich verbrachte endlose Arbeitsstunden damit, Themen wie »Die Formierung von Hitze und die Entropie der Boron-Oxyfluoride« so auszudrücken, daß auch eine Hausfrau wußte, was damit gemeint war.


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Kam ich nicht weiter, konnte ich sicher sein, daß es Farber gelingen werde, mathematische Gleichungen menschlich zu interpretieren. Er verfügt über das seltene Talent, das den meisten Wissenschaftlern fehlt: die Fähigkeit, sich mit einem Nichtwissenschaftler zu unterhalten. Ich erinnere mich an ein Programm, an dem sein Labor damals arbeitete: »Ein mathematisches Modell für das Zusammenhalten sphärischen Plasmas«. Klingt das nicht verrückt?

Farber erlöste mich schließlich, indem er mir erklärte: »Wir versuchen ganz einfach, runde elektrische Bälle zu machen – jenes Zeug, das früher durch die Gegend flog und gelegentlich Omas beste Kuh tötete.« Sofort hatten wir eine Geschichte, die von den Zeitungen der ganzen Welt gebracht wurde.

Natürlich, der eigentliche wissenschaftliche Grund dieser Untersuchung war, daß es bisher noch niemand gelungen war, einen Kugelblitz herzustellen, und daß der Mann, der es zu erst fertigbrachte, damit wahrscheinlich den Schlüssel zu einer thermonuklearen Anlage für den friedlichen Gebrauch in der Hand hielt.

Farber und ich wurden Freunde. Ich bewunderte ihn, wenn es ihm wieder einmal gelungen war, eine passende Antwort auf das haarigste wissenschaftliche Problem zu finden. Mehrmals betraf sie eine Angelegenheit, die zuvor schon von den Russen bearbeitet worden war. Nur hatten sie nicht die richtige Lösung gefunden. Farber fand sie. Daran müssen sich die Russen erinnert haben, als sie dafür sorgten, daß er zu ihrer Konferenz in Warschau geladen wurde. Als er dort ankam, versicherten ihm russische Kollegen, daß sie seine Arbeiten seit Jahren mit größtem Interesse verfolgten. Niemand zweifelt daran.

Farber ist offenherzig bis zur Grobheit und verzeiht einem Kollegen nicht, wenn dessen Denken nicht den Normen Farberscher Exaktheit entspricht. Das führte einmal dazu, daß er zwei ausgebildete Chemiker an zwei aufeinanderfolgenden Tagen hinauswarf, die beide an dem gleichen Problem arbeiteten. Daneben hat er einige Schrullen, wie man sie oft bei Wissenschaftlern antrifft.


Suche nach einem Katalysator  --  99

Ich habe nie versucht, herauszufinden, was sie bedeuten; ich nahm sie einfach hin. So ißt er niemals ein ganzes Stück Kuchen, sondern teilt es mit einem anderen – falls sich der andere findet; sonst schickt er es wieder zurück. Ungleich anderen Wissenschaftlern schätzt er Gesellschaft über alles, liebt auch Scherze und Witze und entwickelte einmal, auf Wunsch eines hartnäckigen Reporters, aus dem Stegreif eine mathematische Hitzeformel für Mädchen und schrieb sie nieder. »Das betrifft die Grundtemperatur«, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Auf diesem Gebiet gibt es natürlich eine Menge Enteropie …«

Es lag also nahe, daß ich mich an einem Nachmittag des Jahres 1967 an Farber entsann. Ich versprach ihm ein Mittagessen und ein halbes Stück Apfelkuchen, falls es ihm gelänge, mich von dem verfluchten NOX zu befreien. Wir trafen uns am nächsten Nachmittag bei »Pepe’s«, einem Restaurant gegenüber den National-Broadcasting-Studios von Burbank. Ich zahlte die Mahlzeit und hatte nach einer halben Stunde von Farber eine brauchbare Antwort; er meinte, man müsse eine Art Schalldämpfer bauen, der nicht nur Oxide des Stickstoffs, sondern auch Kohlenwasserstoffe und das tödliche Karbonmonoxid abbaut. Er versprach mir, sofort alle verfügbare Literatur über diesen Gegenstand heraussuchen zu lassen und hielt sein Versprechen. Nach einigen Wochen trafen wir uns erneut, ich war gespannt, was er herausgefunden habe.

»Die Formel, die ich dir gegeben habe, wird funktionieren. Es gibt mehrere Lösungen für das Problem; es besteht ganz einfach darin, daß die Bildung von NOX zunächst einmal ein irreversibler Prozeß ist. Nitrogenoxide zerlegen sich nicht freiwillig wieder in Stickstoff und Sauerstoff (gewöhnliche Luft). Aber wenn man das heiße Gas aus dem Auspuff des Motors über den richtigen Katalysator streichen läßt, zerfällt es in Stickstoff und Kohlensäure.«

»Kann man es nicht noch besser und billiger machen?« fragte ich. Farber dachte nach. »Du kannst Stickstoff natürlich dadurch ausschalten, daß du reinen Sauerstoff als Oxydator benutzt.


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Also keine Luft. Luft enthält Stickstoff. Kein Stickstoff, kein NOX. Einfach, nicht wahr?« Es folgte eine längere Pause. »Aber die Sache hat einen Haken. Du mußt dann natürlich im Auto einen Tank flüssigen Sauerstoff mitschleppen, und das bedeutet Brandgefahr. Du fährst mit einer Bombe unter dem Hintern.«

Nach einigen weiteren Mahlzeiten dieser Art wußten wir beide, welches Problem vor uns lag. Vernichtung des NOX durch Reduktion (Entziehen) des Sauerstoffs war eine über aus komplizierte Angelegenheit, bei der Hochtemperatur-Reaktionen, Katalysatoren und Thermodynamik eine Rolle spielten. Wir erkannten bald, daß ein ganz neuartiger Katalysator gefunden werden mußte. (Ein Katalysator ist ein Stoff, in dessen Gegenwart eine chemische Reaktion einge leitet wird, ohne daß der Stoff selber an der Reaktion teil nimmt. Er löst sie nur aus und hält sie in Gang.)

»Stoffe, die uns dabei zur Verfügung stehen«, sagte Farber, »sind meist granuliert, das heißt, sie lösen sich bei den Vibrationen des fahrenden Autos auf. Manchmal streicht man sie auch einfach auf eine hitzebeständige Unterlage aus Keramik auf – doch dann können sie glasieren. Und vergiß nicht, das Bleioxid, das sich bei der Verbrennung im Motor bildet, neigt da zu, eine Art Schutzschicht über den Katalysator zu legen. Sobald das geschieht, haben die heißen Gase keinen Kontakt mehr mit dem Stoff, und die Sache funktioniert nicht mehr.«

Etwa zur gleichen Zeit erhob sich vor uns beiden ein zweites Problem. Geld! Farber sagte gefällig: »Ich arbeite ja gern für ein Mittagessen; aber meine Chemiker wollen bares Geld sehen.« Wir beschlossen, er solle in einem Brief den ganzen Vorschlag dem amerikanischen Gesundheitsministerium unterbreiten, das für den Kampf gegen Luftverschmutzung auf Bundesebene verantwortlich ist. Wir hofften, das Ministerium werde Farbers Arbeit mit ein paar tausend Dollar unterstützen. Der Brief ging an das Ministerium ab. Drei Monate später kam eine Antwort: Man habe Farbers Brief den In-


Entwicklung in Eigenregie  -- 101

genieuren des Ministeriums in Ohio zugestellt, zur Begutachtung.

Wir kamen zu der Überzeugung, der Zehnjahresplan der Automobilindustrie werde ganz sicher eingehalten werden, wenn wir weiter versuchten, mit Regierungsstellen zu arbei ten. Zeit war zu kostbar, um sie dem Amtsschimmel zu op fern. Daher beschloß Farber, sich nach privaten Geldgebern umzuschauen, die er auch bald fand. Eine neue Gesellschaft in Kalifornien wurde gegründet, Anti-Pollution Corporation of America, kurz »Antipol« genannt. Farber ist jetzt ihr Chef; »Antipol« hat einen Kontrakt mit seinem Labor, das auf tragsgemäß an einer »Doppelkammer-Katalysator-Schall dämpferanlage« arbeitet.

Wir entdeckten bald, daß auch der Katalysator von Farbers Labor entwickelt werden müsse. Als er sich an einen der gro ßen chemischen Konzerne wandte, sagte man ihm, dazu be nötige man mehrere Millionen Dollar sowie zwei Jahre Zeit.

Angewidert durch diesen Zopf kehrte Farber in sein Labor zurück, heuerte einige Top-Wissenschaftler an, sämtlich mit Spezialkenntnissen auf diesem Gebiet – Chemiker, Physiko Chemiker und chemische Ingenieure – und hatte nach einigen Wochen bereits die ersten Entwürfe für den Katalysator vor sich.

Jede der beiden Brennkammern hatte eine bestimmte Auf gabe. Eine sollte die Kohlenwasserstoffe und die Monoxide beseitigen, die andere das NOx reduzieren. Die bereits vor handenen Anlagen, die Detroit in seine Autos einbaut, um Kohlenwasserstoffe und Monoxide zu beseitigen, konnten weggeworfen werden, da man sie nicht mehr brauchte. Ein Chevrolet, Baujahr 1968, mit einem 5,4-Liter-Motor wurde gekauft, an dem die Wirksamkeit der neuen Farber-Anlage erprobt werden konnte. Dabei entdeckten wir einige interess ante Änderungen des Werks an dem Motor, um die luftver schmutzenden Partikel im Auspuff zu verringern. »Was das Werk eingebaut hat, läßt den Anteil an Stickoxid um das Zwei- bis Dreifache höher steigen, als dies normalerweise der


102 Dr. Farbers »Muffler«

Fall wäre«, erklärte mir Farber. »Der Motor ist buchstäblich
falsch eingestellt, wenn er das Fließband verläßt. Die Luft düsen im Vergaser wurden vergrößert, um mehr Luft in die
Zylinder zu lassen.«
Während die Arbeit an dem Katalysator fortschritt, gesellte
sich ein erstklassiger Konstruktionsingenieur für Raketen antriebe zu Farbers Team. Er sollte die Anlage entwerfen, in
der sich der Katalysator befindet. Der neue »muffler« oder
Auspuff sollte, so lautete der Auftrag, mehr Stöße und
Schwingungen aushalten, als ein normales Auto überhaupt
produzieren kann; außerdem sollte die Anlage auch das Blei
aus den Brennkammern der Zylinder festhalten und verhin dem, daß es in die freie Luft geblasen wird.
Eines Tages erhielt ich den Anruf, auf den ich lange gewartet
hatte.
»Der neue Auspuff ist fertig«, schrie Farber. »Das Ding sieht
aus, als sei es auf einer Unterseebootswerft gebaut worden …
aber es ist ein Auspuff. Ich glaube, wir könnten es noch nicht
einmal mit einem Vorschlaghammer zerschlagen!«
Die ersten Versuche mit dem neuen Katalysator, der in den
unzerstörbaren Auspuff eingebaut worden war, erschienen
spektakulär. Er reduzierte NOX so wirksam, daß Farber Mühe
hatte, Spuren von Stickstoffoxiden zu finden, selbst wenn er
sie mit dem überempfindlichen Massenspektrographen suchte.
Nach weiteren Monaten auf dem Prüfstand war die Anlage
bereit zum Test am fahrenden Automobil.
Farber telefonierte weiter: »Ob du es glaubst oder nicht, kei ner dieser hochbezahlten Chemiker weiß, mit welchem Ende
eines Schlüssels man eine Schraube reindreht. Wir bringen das
Ding jetzt zu einer Garage.«
Dort übernahm ein erstaunter Mechaniker das glänzende
Stahlgebilde und brummte: »Was zum Teufel ist das?«
»Das«, sagte Farber etwas kratzbürstig, »ist ein Auspuff.«
»Hätt’ ich mir denken können. Zu mir kommen lauter Ver rückte, die immer noch schneller fahren wollen.« Dann baute
er den Auspuff ein.



Schlagartig reduzierte Stickoxide 103


Während ich dies niederschreibe, hat der erste Katalysator Auspuff, der an einem Lastwagen installiert wurde, 14000
Kilometer zurückgelegt, wobei nur Hochoktan-Benzin mit
Bleizusatz getankt wurde. Noch immer reduziert er Stick oxide, Kohlenwasserstoff und Kohlenmonoxid zu einem
Wert, weit unterhalb der strengen Normen, die der Staat
Kalifornien für das Jahr 1975 festgelegt hat.
Im Spätherbst 1969 wurde ein zweiter Auspuff mit verbes sertem Katalysator in einen 1969er Chevrolet mit 5,7-Liter Motor eingebaut. Das Stanford-Forschungs-Institut erhielt
ihn zu einer unabhängigen Prüfung. Es sollte feststellen, ob
die Anlage geeignet sei, Stickstoffoxide zu reduzieren. Die
Ergebnisse waren verblüffend. Bei einer Stundengeschwindig keit von 80 km stieß der Motor (mit dem Detroit-Anti Smog-Gerät, aber ohne Farbers »muffler«) zwischen 4000
und 5000 ppm (Teile pro Million) NOX aus. Wurde dagegen
der »muffler« von Farber eingebaut, sank der Wert auf
1080 ppm. Schließlich wurde das Gerät aus Detroit ausge baut und nur Farbers »muffler« verwendet. Jetzt fiel der An teil der Stickoxide im Auspuff schlagartig auf 280 ppm. In
der ganzen Geschwindigkeitsskala von 0 bis 80 Stunden kilometer schließlich betrug – in einem Wagen, der nur mit
Farbers neuartigem Gerät ausgerüstet war – der Anteil des
NOx im Auspuff 80 Teile pro Million im Durchschnitt.
Sobald das Gerät alle Tests zufriedenstellend bestanden hat,
will es der Konstrukteur den Beamten des Staates Kali fornien übergeben.
»Was wir gemacht haben«, sagt Farber, »war einfach genug
im Labor. Es muß aber jetzt auch den staatlichen Test be stehen. Ich glaube, es hat eine gute Chance, die gestellten
Anforderungen zu übertreffen – auch die Frage nach der
Lebensdauer. Wir haben zwar noch keine Ahnung, wie lange
sich ein solches Gerät bewährt. Nach der Theorie kann man
einen solchen Katalysator überhaupt nicht verschleißen. Das
einzige Unglück, mit dem zu rechnen ist, wäre eine Folge des
Bleis im Benzin, das mit der Zeit den Katalysator abdeckt.



104 Dr. Farbers »Muffler«
Tritt das ein, braucht der Besitzer nur den Katalysator zu
wechseln, so wie er ja auch den Ölfilter austauscht. Er setzt
einen neuen in die Auspuffanlage, und das ist alles.«
Was muß der Käufer für das Gerät bezahlen? Farber glaubt,
der »muffler« würde im äußersten Fall 30 bis 40 Dollar mehr
kosten als die Geräte, die jetzt eingebaut werden – die aber
dann natürlich überflüssig sind. Den Katalysator allein ver anschlagt er auf etwa 25 Dollar. Alle Preise sind errechnet
für den Fall, daß man in Serienproduktion geht.
»Wenn der Autofahrer den Katalysator herausnimmt, wird er
einige Pfund Blei im Auspuff finden«, sagt Farber. »Denn
wir filtern ja nebenher auch das Blei aus dem verbrannten
Treibstoff heraus und lassen es nicht mehr in die Atmos phäre entweichen. Kommt einmal der Tag, an dem es ver boten wird, Blei dem Benzin beizumengen, dann dürfte es
sich erübrigen, die Katalysatoren auszutauschen. Sie sollten
vielmehr so langlebig sein wie das ganze Automobil.«
Obwohl die ersten Unterlagen über das neuartige Entgif tungsgerät im Mai und nochmals im Juni 1970 der Öffent lichkeit bekanntgegeben wurden, schien die Erfindung weder
das Publikum noch die Industrie sonderlich zu erregen. Of fenbar hegt man in beiden Lagern ein tiefes Mißtrauen gegen
Erfindungen, die nicht aus Detroit, dem Herzen der Auto industrie, kommen.
Im November 1969 schließlich zeigte die Zeitschrift Business
Week Interesse für das Gerät. Der Reporter Jim Lowery gab
Einzelheiten über Farbers Erfindung im Detail, auf drei Sei ten. Jetzt stömten Briefe aus aller Welt zu Farbers Labor in
Monrovia, Kalifornien; Firmen aus den USA und aus anderen
Ländern bekundeten ihr Interesse. Sie wollten sich mit »Anti pol« zusammentun. Die Luft roch plötzlich nach Erfolg.
Farber hofft, daß in sämtliche kalifornischen Automobile in
zwei bis drei Jahren diese Erfindung eingebaut wird.


Abfackeln von Gas in der Petrochemie bei Köln -- 105


Hoffnung auf die »Dampfmaschine«    106

Wäre dem neuen Katalysator Erfolg beschieden, würde er auch die Sorgen der Besitzer von Kraftwerken ein wenig mindern.

Sie tun sich schwer, wenn sie versuchen, neue Bestimmungen zur Reinhaltung der Luft zu befolgen. Farber glaubt, der Katalysator sei ihnen geradezu auf den Leib geschneidert: Der Filter reduziert Stickstoffe, die unentwegt aus den Schornsteinen strömen. »Und schließlich vibrieren diese Schornsteine nicht«, sagt Farber, »was natürlich den Einsatz des Filters wesentlich vereinfacht. Außerdem braucht sich der Käufer keine Gedanken wegen Blei zu machen … nur wegen NOX. Ich sehe daher keinen Grund, warum eine veränderte Version des Geräts nicht auch dort arbeiten müßte.«

Funktioniert der neue Entgifter im staatlichen Test so zufriedenstellend wie bisher, dann sollte Detroit eine Runde Freibier ausgeben. Denn er befreit die Industrie von Schwierigkeiten, die sich todsicher 1971 erheben werden, wenn neue Bestimmungen in Kalifornien über den NOX-Gehalt von Aus puffgasen in Kraft treten. Der »muffler« könnte den Vier-, Sechs- und Achtzylindermotoren, die unsere Autos antreiben, eine verlängerte Gnadenfrist verschaffen. Auch den großen Erdölgesellschaften würde er einen Gefallen erweisen; sie stehen zur Zeit unter Beschuß, weil sie Benzin mit Blei ver setzen. Für Kalifornien könnte der »muffler«, wenn er Er folg hätte, das Ende der Smog-Gefahr bedeuten.

Der Einbau des Geräts in kalifornische Automobile würde schließlich auch den Berufspolitikern ihre Arbeit ein wenig erleichtern. Sie könnten noch blumigere Reden halten als bis her. Im Sommer 1969 beispielsweise ließ sich eine ganze Herde von Bundesbeamten in Los Angeles nieder und ver kündete, der Kohlenwasserstoff-Smog werde innerhalb zehn Jahren (wieder die ominöse Zahl!) von Südkaliforniens Him mel verschwinden. Sie vermieden ängstlich, von Stickstoff oxiden zu sprechen, weil sie für das Problem noch keine Ant wort zur Hand hatten. Farbers »muffler« oder ein ähnliches Gerät könnte sie aus dieser Verlegenheit befreien.

Man zweifelt kaum mehr daran, daß die Dampfmaschine oder die Gasturbine eines Tages den alten Verbrennungsmotor in den Automobilen ersetzen werden. Doch nur Dummköpfe glauben, dies könne vor dem Ablauf der nächsten zehn bis zwanzig Jahre geschehen. Und selbst wenn dieser Wechsel vollzogen ist, werden die neuen Maschinen einen Katalysator brauchen, der die Atmosphäre von Abgasen reinigt.

Leider scheinen sich gegenwärtig Detroit und Washington einig zu sein, daß eine Befreiung vom Smog zehn Jahre in Anspruch nehmen wird. Die einzige Hoffnung der leidenden Kalifornier ist, daß es nicht schon in fünf Jahren zu einer Katastrophe kommt.

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