Der bewaffnete Aufstand
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Nach Lenins Ankunft erhielt Stalins Rolle klarere Konturen. Er führte Aufträge der Parteiführung aus. Er stand zwar im Schatten und war selten in der Öffentlichkeit zu sehen, aber er erwies sich bei bestimmten konspirativen Unternehmungen als fähig, die Verbindung zwischen den Parteigliederungen zu halten und Aktionen zu organisieren. Er war auch an Maßnahmen zur Vorbereitung des bewaffneten Aufstands beteiligt.
Im Zentralexekutivkomitee der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten, das auf dem ersten Gesamtrussischen Rätekongreß vom 3. bis 24. Juni gewählt worden war, hatten die Bolschewiki keine Mehrheit. Im ZEK saßen 123 Menschewiki (darunter 16 Kandidaten), 119 Sozialrevolutionäre (darunter 18 Kandidaten) und 57 Bolschewiki (darunter 22 Kandidaten). Zusammen mit Lenin, Dserschinski, Kamenew, Nikolaj Iljitsch Podwojski, Stepan Georgijewitsch Schaumjan und anderen bekannten Bolschewiki war auch Stalin in dieses Führungsorgan der Sowjets gewählt worden.
Die Beschlüsse des Kongresses wie auch des ZEK unterstützten die Provisorische Regierung. Und eine friedliche Demonstration, die im Juli durch Petrograd zog und »Alle Macht den Räten!« forderte, wurde gewaltsam aufgelöst. Es zeigte sich, daß die sozialistische Revolution nicht mehr auf friedlichem Weg durchzuführen war.
Lenin schrieb später: »Unsere Partei tat ihre unbedingte Pflicht, als sie am 4. Juli mit den zu Recht empörten Massen ging und sich bemühte, ihrer Bewegung, ihrer Demonstration einen möglichst friedlichen und organisierten Charakter zu verleihen. Denn am 4. Juli war ein friedlicher Übergang der Macht an die Sowjets noch möglich.«
Aber die sozialrevolutionären und menschewistischen Führer waren »schon in den Abgrund einer widerwärtigen, konterrevolutionären Grube gestiegen«, indem sie sich mit der Provisorischen Regierung arrangierten. Die Doppelherrschaft war zu Ende.
Weil sie dazu aufgerufen hatten, die Regierung zu stürzen, wurden die Führer der Bolschewiki nach der Juli-Demonstration verfolgt. Stalin organisierte mit einigen anderen Genossen auf Anordnung des ZK Lenins Untertauchen. Für einige Zeit befand sich Lenin in der Wohnung der Allilujews. Dort fand Anfang Juli eine Sitzung von Mitgliedern des Zentralkomitees der Partei statt, an der neben Lenin Viktor Pawlowitsch Nogin, Ordschonikidse, Jelena Dimitrijewna Stassowa, Stalin und andere teilnahmen. Es ging um folgende Frage: Wie sollte Lenin auf die Forderung der Provisorischen Regierung reagieren, sich in die Hände der Justiz zu begeben?
Es ist bekannt, daß Lenin vor dieser Sitzung offiziell erklärt hatte: »Im Fall, daß die Regierung meine Verhaftung fordert und dies vom Zentralexekutivkomitee befürwortet wird, werde ich mich augenblicklich dort einfinden, wohin mich das Exekutivkomitee zur Verhaftung befiehlt.« Die Meinungen gingen auseinander. Zu Beginn befürworteten viele das Erscheinen vor Gericht, unter der Voraussetzung, daß das ZEK bestimmte Garantien zugestand. Dann aber erklärten die menschewistischen ZEK-Mitglieder Liber und Anissimow, daß »sie keinerlei Garantie übernehmen könnten«.
Aufgrund der entfesselten Hetze in der Presse gegen Lenin und andere Führer der Bolschewiki wurde deutlich: Die Reaktion wartete darauf, mit Lenin kurzen Prozeß machen zu können. Nach langen Erörterungen wurde Lenin davon überzeugt, sich nicht der Justiz auszuliefern, sondern für einige Zeit Petrograd zu verlassen.
Stalin hatte anfangs keine klare Position bezogen, später jedoch trat er entschieden gegen ein Erscheinen vor Gericht auf. Stalin sagte: »Man wird ihn nicht bis zum Gefängnis bringen. Man wird ihn unterwegs töten. Der Genosse Lenin muß in ein sicheres Versteck gebracht werden.«
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In diesen Tagen voller Dramatik ereignete sich in Stalins Privatleben etwas sehr Bedeutendes: Er lernte Nadeschda, die Tochter Allilujews, seine zukünftige zweite Frau, näher kennen. Stalin war 22 Jahre älter als Nadeschda. Die Familie Allilujew kannte Stalin schon seit den neunziger Jahren, seit einem Aufenthalt in Baku. Übrigens schreibt die Tochter Stalins, Swetlana Allilujewa, in ihren Erinnerungen »20 Briefe an einen Freund«, daß Stalin 1903 seine zukünftige Frau, die damals zwei Jahre alt gewesen sei, vor dem Ertrinken gerettet habe. Sie sei ins Meer gefallen, und er habe sie herausgezogen.
Als Nadeschda an einem Julitag des Jahres 1917 nach Hause kam, fand sie in der elterlichen Wohnung viele unbekannte Leute vor. Sie fragten das Mädchen, was sich auf den Straßen tue. Nadeschda erzählte aufgeregt, daß man sich in der Stadt erzähle, die für den »Juli-Aufstand« Verantwortlichen »seien niemand anderes als Geheimagenten Kaiser Wilhelms«. Sie würden inzwischen in einem U-Boot zurück nach Deutschland flüchten, zusammen mit ihrem Anführer Lenin.
Als sie erfuhr, daß besagter Anführer der Geheimagenten Kaiser Wilhelms unter den Unbekannten in der elterlichen Wohnung war, wurde die junge Allilujewa schrecklich verlegen.
Man beschloß, Lenin maskiert und verkleidet zunächst nach Sestrorezk und dann nach Finnland zu bringen. Allilujew erinnerte sich später: »Am Abend haben wir uns alle zum Primorski-Bahnhof begeben. Ganz vorne ging der Arbeiter Jemeljanow, Parteimitglied seit 1904, mit etwas Abstand hinter ihm W. I. Lenin und Sinowjew. Stalin und ich folgten ihnen. Der Zug stand schon am Gleis. (...) Die drei Reisenden setzten sich in den letzten Waggon. Ich und Stalin warteten die Abfahrt des Zuges ab und gingen zurück.«
Allilujews Erinnerungen waren nicht ganz genau. Sinowjew befand sich schon im Untergrund und war bei der Abreise Lenins nicht anwesend. Lenin wurde lediglich von Allilujew, von dem Arbeiter W. I. Sof und von Stalin begleitet.
Stalin wurde nun einer der Verbindungsmänner zwischen Lenin und dem ZK. Es besteht Grund zur Annahme, daß Lenin ihm vertraute, ihm wichtige Instruktionen und Ratschläge mitgab. Allen wichtigen Dokumenten des 6. Parteitags, der im Juli/August 1917 tagte, war die Handschrift des im finnischen Versteck lebenden Lenins anzusehen. Die Delegierten repräsentierten nun schon rund 240.000 Parteimitglieder; innerhalb von vier Monaten waren die Reihen der Partei um das Dreifache gewachsen.
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Lenin sah darin eine wichtige Bestätigung des eingeschlagenen Kurses. Lenins Arbeiten <Die politische Lage>, <Zu den Losungen>, <Eine Antwort> wurden der Resolution des Parteitags zugrunde gelegt. In einer speziellen Erklärung befürwortete der Parteitag, daß Lenin nicht vor Gericht erschien. Auch der Kurs auf den bewaffneten Aufstand, den Lenin beschrieben hatte, wurde vom Parteitag unterstützt.
Stalin war trotz seiner großen Arbeitsbelastung häufig bei den Allilujews anzutreffen. Ihn, den harten, kalten Menschen, zog es zu dem naiven Wesen, halb Kind, halb Frau, seiner zukünftigen Ehefrau. Nadeschda hörte ihm mit Interesse zu, »dem alten Untergrundrevolutionär«, wie er sich ihr vorstellte.
In der politischen Arena war er, wie zuvor, kaum bemerkbar. Die Partei war zur Hälfte im Untergrund. Auf Anweisung Lenins führten Stalin und Swerdlow wichtige Aufträge aus. Die Massen kannten Stalin immer noch nicht, aber im ZK stieg sein Ansehen.
Rußland näherte sich dem Oktober. Die Ereignisse waren mal komisch, mal tragisch, mal alltäglich, aber oft auch von historischer Bedeutung. Wir wollen sie hier weder beurteilen noch kommentieren. Wir wollen uns nur einige von ihnen ins Gedächtnis rufen, um die Atmosphäre dieser Zeit einzufangen.
Hier einige Beispiele, wie die Petrograder Zeitungen über diese Zeit berichteten und wie die Ereignisse in den Archiven festgehalten worden sind:
26. Juli.
Der 6. Parteitag der SDAPR(B) wird eröffnet. 171 Delegierte füllen ihre Fragebögen aus. 110 von ihnen haben schon im Gefängnis gesessen, insgesamt 245 Jahre lang, 10 von ihnen waren zu Zwangsarbeit verurteilt worden, zusammen für 41 Jahre, vom Wohn- und Arbeitsort verwiesen worden waren 24 Personen, zusammen für 73 Jahre, insgesamt 55 Personen hatten in Verbannung gelebt, zusammen für 127 Jahre, verhaftet gewesen waren 150 Personen, insgesamt 549mal, 27 Personen hatten in der Emigration leben müssen für zusammen 89 Jahre. Der Parteitag wird im Auftrag des Organisationsbüros von Olminski eröffnet. Swerdlow, Olminski, Lomow, Jurenew und Stalin werden ins Präsidium gewählt. Lenin, Sinowjew, Kamenew, Trotzki, Kollontaj und Lunatscharski werden zu Ehrenvorsitzenden gewählt.
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8. August.
Großfürst Kirill hißt über seinem Haus die rote Flagge, und Exzar Nikolaj II. schreibt in sein Tagebuch, daß er »Tartarin aus Tarascon« lesen werde.24. August.
Kerenski besucht den ehemaligen Zaren, um ihn und seine Familie auf »die Reise zu einem sicheren Ort« vorzubereiten. Nikolaj: »Ich bin nicht beunruhigt, ich vertraue ihnen.«28. August.
General Kornilow schickt dem Kommandanten des Moskauer Militärbezirks ein Telegramm: »In dieser bedrohlichen Stunde, um Krieg innerhalb der eigenen Reihen, um Blutvergießen auf den Straßen der Residenzstadt [Moskau] zu vermeiden, ersuche ich Sie, sich mir unterzuordnen und meine Befehle auszuführen.« -- Der Kommandant antwortet: »Mit Entsetzen habe ich Ihren Befehl vernommen, mich nicht der gesetzlichen Regierung unterzuordnen. Das Entfachen des Krieges innerhalb der eigenen Reihen liegt bei Ihnen, und wie ich Ihnen sagte, ist das der Tod Rußlands. Es war möglich und notwendig, die Politik zu verändern, aber nicht dem Volk in einer Zeit, da die Front derart schwach war, die letzten Kräfte zu rauben. Meinen Eid wechsele ich nicht wie meine Handschuhe.«20. September.
Die »Iswestija« teilt mit, daß Wyrubowa, Badmajew, Manesewitsch und andere in Finnland in der Sweaborgskaja-Festung festgehalten würden. Die Matrosen sprechen sich kategorisch gegen die Freilassung der Gefangenen aus, solange die Macht nicht in die Hände der Räte übergegangen sei.4. Oktober.
Die Insel Ösel in der Bucht von Riga ist vollständig von den Deutschen eingenommen worden. Ihre Kriegsschiffe bewegen sich auf die Insel Moon zu. Nach hartem Kampf gegen eine deutsche Übermacht verliert die russische Flotte das Schiff »Slawa«.10. Oktober.
Nach langer Abwesenheit ist Lenin wieder auf einer Sitzung des Zentralkomitees erschienen. Sie findet in der Wohnung des Menschewiken Suchanow statt, dessen Frau Mitglied der bolschewistischen Partei ist. Leiter der Sitzung ist Swerdlow. Lenin erklärt: »Heute steht die Mehrheit hinter uns. Politisch ist die Frage des Übergangs der Macht völlig herangereift. (...) Es ist notwendig, von der technischen Seite zu sprechen. Das ist der Kern der ganzen Sache.«
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14. Oktober.
Die »Nowaja Schisn« teilt mit, daß in Petrograd pro Tag 48000 Pud (1 Pud = 16,381 Kilogramm) Getreide benötigt werden. Am 11. Oktober stehen 18000, am 12. Oktober 12000 Pud und am 13. Oktober knapp 4000 Pud Mehl zur Verfügung. Die Petrograder Duma fordert die Stadtverwaltung auf, sich an die Bevölkerung zu wenden, damit diese Ruhe bewahre. Es wird eine Sitzung einberufen, in der die Versorgungsfrage erörtert werden soll.16. Oktober.
In Petrograd findet eine Sitzung des ZK der SDAPR(B) mit Vertretern anderer Parteiorganisationen statt. Anwesend sind Lenin, Sinowjew, Kamenew, Stalin, Trotzki, Swerdlow, Dserschinski, Sokolnikow, Uritzki und Lomow. Boki vom Petrograder Komitee berichtet über die Stimmung in den verschiedenen Stadtteilen: »Kämpferische Gesinnung gibt es bislang nicht, aber die Kampfvorbereitungen laufen an. Wenn der Aufstand beginnt, werden die Massen ihn unterstützen.« Auf Lenins Vorschlag hin wird eine Resolution verabschiedet: Die Versammlung ruft alle Organisationen der Arbeiter und Soldaten zu einer geschlossenen, kraftvollen Vorbereitung des bewaffneten Aufstands auf. Für die Resolution stimmen 19, gegen sie 2. Es wird ein Zentrum zur organisatorischen Führung des bewaffneten Aufstands gebildet: Bubnow, Dserschinski, Uritzki, Swerdlow und Stalin.20. Oktober.
»Rabotschij Put« schreibt: »Die russische Revolution hat nicht wenige Autoritäten gestürzt. Ihre Kraft drückt sich darin aus, daß sie sich nicht vor >großen Namen< verbeugte. Sie nahm sie in ihren Dienst oder warf sie ins Nichts, wenn sie nicht von ihr lernen wollten.Diese >großen Namen<, die von der Revolution gestürzt wurden, waren unter anderem Plechanow, Kropotkin, Breschkowskaja, Sassulitsch und all die alten Revolutionäre, die nur deshalb bemerkenswert waren, weil sie alt waren. (...) Wir fürchten, daß die Früchte dieser >Säulen< Gorki nicht schlafen lassen werden. Wir fürchten, daß es Gorki >tödlich< zu ihnen ins Archiv gezogen hat. Aber was soll's? Des Menschen Wille ist sein Himmelreich! (...) Die Revolution kann ihre Toten weder betrauern noch beerdigen.«
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24. Oktober, abends.
Lenin kommt aus dem Stadtteil Wyborg in den Smolny zum Militärrevolutionären Komitee. In dieser Nacht erscheint ein Trupp von Offiziersschülern im Haus Nr. 6 auf dem Finnlandski-Prospekt mit dem Ziel, die Redaktionsmitglieder der Zeitung »Rabotschij Put« und Lenin zu verhaften. Die Offiziersschüler werden jedoch von Rotgardisten entwaffnet und in die Peter-Pauls-Festung geschafft. Am selben Tag findet eine Sitzung des ZK statt. Kamenew schlägt vor, daß keines der ZK-Mitglieder den Smolny verlassen dürfe ohne besondere Genehmigung. Trotzki hält es für unumgänglich, einen Ersatzstab in der Peter-Pauls-Festung einzurichten und zu diesem Zweck ein ZK-Mitglied dorthin zu schicken. Kamenew erklärt, daß es im Fall einer Zerstörung des Smolny günstig sein könnte, einen Stützpunkt auf dem im Hafen liegenden Kreuzer »Aurora« zu haben. Stalin ist bei der Versammlung nicht anwesend.
In der Nacht zum 25. Oktober wird unter Leitung des Militärrevolutionären Komitees der Winterpalast gestürmt, wo sich die Provisorische Regierung verschanzt hat.
25. Oktober.
Die Chronik der Parteigeschichte verzeichnet für jede Stunde ein Ereignis – es sind wahrhaft historische Stunden. Der Nikolajewski-Bahnhof ist besetzt. Die »Aurora« ankert an der Nikolajewski-Brücke. Das Pawlowsker Regiment hat auf der Millionnoja-Straße in der Nähe des Winterpalasts Posten aufgestellt; Verdächtige werden verhaftet und zum Smolny gebracht. Die Staatsbank ist von einem Matrosenkommando genommen worden. Das Petrograder Kosakenregiment versagt der Provisorischen Regierung seine Unterstützung. Die Telefone des Stabs und des Winterpalasts sind unterbrochen. Der Warschauer Bahnhof ist besetzt. Aus dem Gefängnis »Kresty« werden die politischen Gefangenen befreit. Truppen des Ismajlowski-Regiments besetzen das Marienpalais und fordern die Mitglieder des Vorparlaments auf, das Schloß zu räumen. Das Pawlowski-Regiment nimmt den Newski-Prospekt ein.
Um 14 Uhr 35 findet unter Trotzkis Vorsitz eine außerordentliche Sitzung des Petrograder Rats der Arbeiter- und Soldatendeputierten statt. Unter tosendem Applaus teilt Trotzki mit, daß die Provisorische Regierung nicht mehr existiere, daß das Vorparlament aufgelöst worden sei, daß die politischen Gefangenen befreit worden seien und daß
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der Armee die Nachricht über den Sturz der alten Regierung per Funk übermittelt worden sei. Lenin tritt vor die begeisterten Menschen und spricht: »Genossen! Die Arbeiter- und Bauernrevolution, über deren Unumgänglichkeit die Bolschewik! gesprochen haben, ist vollendet!«
Es ist bekannt, daß die Organisation des Aufstands in den Händen des Militärrevolutionären Zentrums des ZK (zusammengesetzt aus fünf Personen, unter ihnen Stalin) und des Militärrevolutionären Komitees des Petrograder Sowjets lag, das eine gewaltige Arbeit für die Mobilisierung der revolutionären Kräfte zum entscheidenden Sturm leistete.
In seinem historischen Brief vom 24. Oktober an die ZK-Mitglieder hatte Lenin geschrieben:
»Man muß um jeden Preis heute abend, heute nacht die Regierung verhaften, nachdem man die Offiziersschüler entwaffnet hat (sie besiegt hat, wenn sie Widerstand leisten) usw. Man darf nicht warten!! Man kann alles verlieren!! (...) Die Regierung wankt. Man muß ihr den Rest geben, koste es, was es wolle! Eine Verzögerung der Aktion kostet den Tod.«
Die sozialistische Revolution siegte. Am Abend des 25. Oktober wurde der 2. Gesamtrussische Kongreß der Räte der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten einberufen. Auf der Sitzung wurden die Ergebnisse der Revolution bestätigt. Ins Präsidium des Kongresses wurden die Bolschewiki Lenin, Sinowjew, Trotzki, Kamenew, Skijanski, Nogin, Krylenko, Kollontaj, Rykow, Antonow-Owsejenko, Rjasanow, Muranow, Lunatscharski, Stutschka und die Linken Sozialrevolutionäre Kamkow, Spiridonowa, Kachowskaja, Mstislawski, Saks, Karelin und Gutman gewählt.
Stalin ging in den Ereignissen jener Tage unter. Er war damit befaßt, Lenins Aufträge durchzuführen. Er leitete Weisungen an die einzelnen Komitees weiter und war in der Pressearbeit tätig. In keinem Dokument jener Tage ist es mir gelungen, seinen Namen zu finden.
Martow schlug eine Resolution vor, in der erklärt wurde, daß es notwendig sei, die entstandene Krise friedlich zu lösen. Der Sozialrevolutionär Gendelman präsentierte im Namen des ZK seiner Partei eine Erklärung, in der die »gewaltsame Machtübernahme« verurteilt wurde.
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(Aber sogar unter den Sozialrevolutionären erhielt sie nur 60 Ja- gegen 93 Neinstimmen.) Auch der Bund und die Rechten Sozialrevolutionäre traten gegen die Machtübernahme auf. Die Menschewiki-Internationalisten und die Paole-Zionisten verließen den Kongreß.
Der Kongreß verabschiedete die bedeutenden Dekrete Lenins über den Frieden und über das Land, und er wählte ein Zentralexekutivkomitee. Es bestand aus 101 Mitgliedern, wobei die Bolschewiki 62 Sitze auf sich vereinten. Jedoch herrschte innerhalb der bolschewistischen Führung keine Einheit. Kamenew, Sinowjew, Nogin und Miljutin hielten es für unumgänglich, die Macht mit anderen Parteien zu teilen. Die möglichen Koalitionspartner stellten allerdings die Bedingung, daß Lenin und Trotzki nicht Mitglieder einer sozialistischen Koalitionsregierung werden dürften. Ein harter politischer Kampf in der Partei entbrannte. Auf der Seite Lenins waren Bubnow, Dser-schinski, Stalin, Swerdlow, Stassowa, Trotzki, Joffe, Sokolnikow und Muranow.
Wie hat Stalin sich in den Oktobertagen verhalten? Was war seine Rolle? Warum wird sein Name so selten in den Revolutionschroniken genannt, obwohl er doch Mitglied von Leitungsorganen war? Einige Zeugnisse vorab: Die »Kurze Biographie J. W. Stalins« beurteilt seine Rolle in der Revolution so:
»Lenin und Stalin waren die Inspiratoren und Organisatoren des Sieges der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Stalin war der nächste Mitkämpfer Lenins. Er leitete unmittelbar die Vorbereitung und Organisation des Aufstands. Seine Artikel wurden in allen regionalen bolschewistischen Zeitungen veröffentlicht. Stalin befahl die Vertreter der regionalen Organisationen zu sich, erteilte ihnen Anweisungen und setzte die Kampfaufgaben für bestimmte Gebiete fest. Am 16. Oktober wählte das ZK ein Parteizentrum für die Führung des Aufstands. Dieses Zentrum führte Genösse Stalin an.«
Die Apologetik ist offensichtlich: nur Lenin und er, Stalin. Er befiehlt zu sich und instruiert. Aber das stammt aus der Praxis und ist die Terminologie der dreißiger Jahre. Der Autorin dieser Biographie fiel es schwer, etwas Konkretes zu sagen, denn Stalin hat in den Tagen der Revolution weder »angeführt« noch »befohlen« und schon gar nicht »instruiert«. Er hat lediglich die Weisungen Lenins und des Militärrevolutionären Komitees des Petrograder Rats ausgeführt.
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Stalin schrieb Artikel, die Parteibeschlüsse kommentierten. Am 24. Oktober ordnete Kerenski an, das Zentralorgan der Partei, »Rabotschij Put«, zu schließen. Stalin hat zusammen mit einer Abteilung von Rotgardisten an der Verteidigung der Zeitung teilgenommen. Am selbigen Tag wurde in dieser Zeitung ein langweiliger Artikel Stalins veröffentlicht, der absolut nicht im Geist der Zeit war. In »Was brauchen wir?« fordert er zum wiederholten Mal, die Konstituierende Versammlung einzuberufen. In den Aussagen ähnelt Stalins Artikel in gewisser Weise dem berühmten Brief Sinowjews und Kamenews »Zum gegenwärtigen Moment« vom 11. Oktober. Darin hatten sich die beiden öffentlich gegen den Beschluß des ZK gewandt, den bewaffneten Aufstand vorzubereiten.
Sinowjew und Kamenew hatten geschrieben: »Wir halten den Revolver an die Schläfe der Bourgeoisie.« Und Stalin hielt es noch kurz vor Beginn des Aufstands für denkbar, zur Idee der Konstituierenden Versammlung zurückzugehen. Jedoch hat Stalin gleichzeitig geäußert, daß es notwendig sei, »die Regierung Kischkin-Konowalow durch die Räteregierung der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten zu ersetzen«.
Stalin trat in die Sowjetregierung als Volkskommissar für Nationalitätenfragen ein. Er befand sich nun inmitten von hervorragenden Führern, die schwierige Probleme der Revolution lösten. Stalin jedoch gelang es im Jahr 1917 nicht ein einziges Mal, eine größere Initiative zu zeigen oder etwa im ZK eine originelle Idee vorzubringen und durchzusetzen. Er war einer aus der zweiten, dritten Reihe der Parteiführung, und alle Lobpreisungen, die später über seine Rolle in der Revolution verbreitet wurden, entsprechen nicht der Wahrheit.
Stalin war zwar Mitglied in fast allen revolutionären Organen, aber er trug keinerlei konkrete Verantwortung. Sein aufmerksamer Blick sah vieles. Ihn erstaunte Trotzkis Energie, Kamenews Arbeitsfähigkeit, Sinowjews Impulsivität. Stalin hat auch einige Male Plechanow gesehen. Ihn verblüfften dessen scharfe Worte auf einer Versammlung: »Die russische Geschichte hat noch nicht das Mehl gemahlen, aus dem man die Pirogge des Sozialismus backen könnte.«
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Wie wir wissen, ist der glänzende Propagandist des Marxismus und Mitbegründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands ein entschiedener Gegner Lenins und der Bolschewiki gewesen. Plechanow nannte die Aprilthesen Lenins »Fieberwahn«. Er verurteilte die Oktoberrevolution und später den Brester Frieden.
Als Plechanow die Wirklichkeit vor Augen geführt wurde und diese ganz und gar nicht mit seinen Theorien übereinstimmte, zog er sich nach Finnland zurück. Er konnte den Oktober nicht akzeptieren, aber gegen ihn kämpfen wollte er auch nicht.
Als am 4. Juni 1918 auf einer gemeinsamen Sitzung des Zentralexekutivkomitees des Moskauer Sowjets, der Gewerkschafts- und Arbeiterorganisation Moskaus, an der auch Lenin teilnahm, in einer Schweigeminute des verstorbenen Plechanow gedacht wurde, war Stalin verblüfft. Für ihn wurde ein Mensch, der ihm offen widersprach, für immer zum Feind. Er hielt die Trauerrede Trotzkis auf Plechanow und den Nachruf Sinowjews in der »Prawda« für überflüssig. Für Stalin war die Revolution nur ein Kampf. Entweder - oder. Entweder Verbündeter oder Feind. Wenn Stalin nicht wußte, welche von zwei Positionen er unterstützen sollte, ließ seine Schwarzweißlogik nur eines zu: abwarten. Die Ehrbezeugung für den verstorbenen Plechanow betrachtete Stalin als »Liberalismus«, der Revolutionären unwürdig sei. Sie war ihm ein intellektueller Auswurf, »Speichelleckerei«.
Drei Jahre nach dem Oktoberaufstand, am 2. November 1920, versammelte sich eine Gruppe von Revolutionsteilnehmern, um Erinnerungen auszutauschen. Stalin hatte man auch eingeladen, doch er wollte nicht erscheinen. Es kamen viele, unter ihnen Trotzki, Sadowski, Mechonoschin, Podwojski, Kosmin. Viel sprach man über Lenin und auch über Trotzki, Kamenew, Kalinin, Sinowjew, Nogin, Swerdlow, Lomow, Rykow, Schaumjan, Markin, Lasimir, Tschitscherin, Walden und an andere. Ein Stenogramm dieses Treffens ist erhalten geblieben. Stalin wurde nicht einmal erwähnt.
Der zukünftige Alleinherrscher hat sehr gelitten unter seinem Schattendasein. In den dreißiger Jahren konnte Stalin Erzählungen über die Ereignisse des Oktobers nur dann gelassen anhören, wenn die Rede von zwei Führern war.
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Trotzki machte Stalin später zum Hauptobjekt seiner kritischen Ermittlungen. Über die Tätigkeit Stalins während der Oktoberrevolution urteilte er hart. In seinem Buch »Stalins Schule der Fälschungen« bestätigt er, daß Stalin sich auf den Sitzungen meist ausgeschwiegen habe. »Für gewöhnlich bewegte er sich auf den offiziellen, von Lenin festgelegten Spuren«, schrieb Trotzki. »Er hat keinerlei Initiative gezeigt. Er hat keinen einzigen selbständigen Vorschlag gemacht. Daran können auch die marxistischen Historiker der neuen Formation nichts ändern.«
Trotzki erinnerte sich an einige Episoden, in denen Stalin versuchte, Kamenew zu verteidigen, als diesem vorgeworfen wurde, einem Zickzackkurs zu folgen. Er tat dies auch in der Presse. Für einige Zeit nach der Rückkehr aus der Verbannung gab es eine Art freundschaftliches Verhältnis zwischen Stalin und Kamenew. Später haben sowohl Kamenew als auch Sinowjew in ihrer Not versucht, Stalin an die alte »Freundschaft« zu erinnern. Aber sie kannten Stalin schlecht.
Im Jahre 1924, nach Lenins Tod, veröffentlichte Trotzki einen Abriß, in dem er folgenden Dialog anführt:
»>Ja, und wenn man uns tötet<, fragte mich Wladimir Iljitsch kurz nach dem 25. Oktober, >werden Swerdlow und Bucharin der Aufgabe gewachsen sein, unser Werk fortzuführen?<
>Möglicherweise haben wir Glück, und man tötet uns nicht<, sagte ich lachend.
>Weiß der Teufel<, sagte Lenin und fing auch an zu lachen.«
In seinem Buch »Mein Leben« schreibt Trotzki:
»Wie ich später erfuhr, fühlte sich das damalige >Trio< Stalin, Sinowjew und Kamenew durch diese Mitteilung blutig gekränkt, wagte aber nicht, seine Richtigkeit zu bestreiten. Eine Tatsache bleibt eine Tatsache: Lenin erwähnte damals nur Swerdlow und Bucharin. Andere Namen kamen ihm nicht in den Sinn.«
Man sollte diese Worte nicht unkritisch annehmen, denn der Ehrgeiz und die Machtgier Trotzkis sind bekannt. Er war davon überzeugt, daß nur er der »Nachfolger« Lenins sein könne. Und man kann davon ausgehen, daß Trotzki bis zum Ende seines Lebens versuchte, seine Reputation zu verbessern.
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Stalin reagierte verbittert, wenn in der Presse seine mehr als bescheidene Rolle im Oktober deutlich und Trotzkis Rolle sichtbar wurde. Die Rede Stalins im November 1924 auf dem Plenum der kommunistischen Fraktion des Zentralrats der Gewerkschaften war von dieser Verbitterung durchsetzt. Diese Rede wurde als Broschüre erst im Jahr 1928 herausgegeben. Stalin analysierte Trotzkis Rolle in der Oktoberrevolution folgendermaßen:
»Mag sein, sagt man uns, es kann aber nicht geleugnet werden, daß Trotzki in der Periode des Oktobers gut gekämpft hat. Ja, das stimmt, Trotzki hat im Oktober wirklich gut gekämpft. Aber nicht nur Trotzki hat in der Periode des Oktobers gut gekämpft, nicht übel gekämpft haben sogar solche Leute wie die Linken Sozialrevolutionäre, die damals Schulter an Schulter mit den Bolschewik! standen. (...)
Es wird ein praktisches Zentrum zur organisatorischen Leitung des Aufstands gewählt. (...) In dieses Zentrum werden fünf Personen gewählt: Swerdlow, Stalin, Dserschinski, Bubnow, Uritzki. (...) Somit ist, wie man sieht, in dieser Sitzung des ZK etwas >Schreckliches< passiert, das heißt, der >Inspirator<, die >Hauptfigur<, der >alleinige Führen des Aufstands, Trotzki, ist >seltsamerweise< nicht in das praktische Zentrum gewählt worden, das berufen war, den Aufstand zu leiten. Wie läßt sich das mit der häufig vertretenen Meinung über die besondere Rolle Trotzkis vereinbaren?«
Hier unterschlägt Stalin wieder etwas. Den Aufstand leitete das Militärrevolutionäre Komitee des Petrograder Sowjets und nicht das praktische Zentrum der Partei.
Und im Zentrum der Revolution stand Lenin. Weit hinter ihm Trotzki. Und noch weiter hinten Sinowjew, Kamenew, Swerdlow, Dserschinski, Bucharin. Und hinter ihnen ein weiterer Trupp Bolschewiki der Leninschen Schule. Irgendwo in deren Reihen finden wir auch Stalin. Zwei Führer gab es bei der Revolution nicht. Wenn man zum Beispiel im Jahr 1917 Krestinski, Radek, Rakowski, Rykow, Tomski, Serebrjakow und Dutzenden von anderen Bolschewik! erzählt hätte, daß in fünfzehn Jahren die offizielle Geschichtsschreibung behaupten würde, daß die Revolution von zwei Führern geleitet worden sei, von Lenin und von Stalin, so hätten sie dies nicht einmal für einen Scherz halten können.
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Die Anwesenheit Stalins bei unzähligen Sitzungen, Kongressen und Konferenzen zeugt lediglich davon, daß er in hohe Parteiorgane gewählt worden war. Das ermöglichte es ihm, eine Reihe wichtiger Leute kennenzulernen, einen tiefen Einblick zu nehmen in die Arbeitsmechanismen des Apparats und politische Erfahrungen zu sammeln. Aber das wichtigste für ihn war, sich eine Note Lenins zu verdienen als ein zuverlässiger Politarbeiter, der nicht nur zu eindeutigen Entscheidungen und Handlungen fähig sei, sondern auch dazu, geschickt Kompromisse einzugehen, der lavieren und bei komplizierten Problemen den Hauptkern herauskristallisieren könne. Im Oktober war Stalin ein Zentrist in der bolschewistischen Partei. Er paßte sich an und wartete ab.
Die rettende Chance
Wenige Monate vor dem Jahr 1917 war die bolschewistische Partei noch klein, aber innerhalb kürzester Zeit entwickelte sie sich zu einer starken politischen Kraft. Doch die »Flitterwochen« mit der Macht währten nicht lang. Die Bolschewiki hatten dem Volk Land, Brot und Frieden versprochen. Land hatten sie begonnen zu geben. Das Land brachte Hoffnung auf Brot. Aber der Frieden hing nicht nur von den Bolschewiki ab.
Niemand hat so scharfsinnig die Dramatik dieser Frage erkannt wie Lenin. Bereits wenige Tage nachdem er den Vorsitz im Rat der Volkskommissare – so der Name der neuen Regierung – übernommen hatte, instruierte er Adolf Abramowitsch Joffe, sich mit einer Delegation zu Verhandlungen mit der deutschen Führung aufzumachen.
Anfangs schien es, daß der Erfolg bald erreicht werden würde, denn schon am 2. Dezember 1917 wurde ein Waffenstillstand bis zum 1. Januar 1918 unterschrieben. Bald darauf begannen die Friedensverhandlungen. Joffe wurde unterstützt durch Kamenew sowie weitere Bolschewiki und Linke Sozialrevolutionäre. Aber bald verschlechterte sich die Lage. In Berlin hatten die chauvinistischen Kräfte das Ruder in die Hand genommen, und sie verlangten maximale Annexionen. Sie wußten, daß die russischen Schützengräben schon zur Hälfte leer waren und daß sich hinter dem Rücken der sowjetischen Delegation nur noch der Schatten einer militärischen Macht befand. Die Deutschen forderten riesige Territorien.
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Lenin bewies auch hier seinen Realitätssinn: Wenn die Regierung den schwierigen und ungerechten Frieden nicht unterschriebe, so würde »die bäuerliche Armee, durch den Krieg aufs äußerste erschöpft, bereits nach den ersten Niederlagen, wahrscheinlich nicht in einigen Monaten, sondern schon in einigen Wochen, die sozialistische Arbeiterregierung stürzen«.
Es ging um das Schicksal der Revolution.
Bei der Beratung im ZK trafen zwei gegensätzliche Standpunkte aufeinander, die Position Lenins und die der »linken Kommunisten«. Die linken Kommunisten – unter ihnen Bucharin, Bubnow, Preobraschenski, Pjatakow, Radek, Ossinski und Lomow – schlugen vor, daß man die revolutionäre Bewegung in Europa vorantreiben solle. »Ohne Revolution in Europa stirbt unsere Revolution«, sagte Pjatakow. Die linken Kommunisten glaubten, daß der revolutionäre Krieg gegen den deutschen Imperialismus das deutsche Proletariat zum revolutionären Kampf gegen die eigene Regierung veranlassen würde. Die linken Kommunisten sahen in den revolutionären Symptomen, die man in vielen Ländern Europas beobachten konnte, den Anfang eines Kontinentalfeuers, und sie meinten, daß dieses Feuer die Weltrevolution entfachen könne. Die Abstimmung im ZK ergab eine Mehrheit für ihre Argumente. Zunächst, denn kurz bevor Trotzki, der als Leiter der sowjetischen Delegation bei der zweiten Runde der Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk eingesetzt worden war, abreiste, verschoben sich die Mehrheitsverhältnisse im ZK zugunsten Lenins.
Dennoch machte Trotzki einen unerwarteten Schritt. Am 10. Februar 1918, nach kurzer Debatte über unwesentliche Fragen, erklärte Trotzki plötzlich, daß er die Verhandlungen abbreche.
»Unser Soldat ist Ackerbauer. Er muß zu seinem Acker zurückkehren, um schon im kommenden Frühling sein Land friedlich bearbeiten zu können, welches ihm die Revolution aus den Händen der Gutsbesitzer gab. Unser Arbeitersoldat muß zurückkehren in seine Werkstatt, um dort nicht Geräte der Zerstörung herzustellen, sondern Geräte des Aufbaus. (...) Wir verlassen den Krieg und ziehen uns zurück. (...) Wir befehlen die vollständige Demobilisierung unserer Armee. (...) In Zusammenhang mit dieser Mitteilung übergebe ich folgende schriftliche und unterzeichnete Erklärung:
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>Im Namen des Rats der Volkskommissare ersucht die Regierung der Russischen Föderativen Republik die Regierungen und Völker, die Krieg mit uns führen, sowie die verbündeten und die neutralen Staaten, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir keinen annexionistischen Vertrag unterzeichnen werden. Rußland erklärt seinerseits den Krieg gegen Deutschland, Österreich-Ungarn, die Türkei und Bulgarien für beendet. Gleichzeitig wird dem russischen Heer die vollständige Demobilisierung an der gesamten Front befohlen.
Brest-Litowsk, 10. Februar 1918
Volkskommissar für Äußeres, L. Trotzki
Mitglieder der Delegation: W. Karelin, A. Joffe, M. Pokrowski, A. Bizenko, der Vorsitzende des gesamtukrainischen Zentralexekutivkomitees Medwedew.<«
Drei Tage darauf: Bei seinem Auftritt vor dem Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitee der Sowjets versuchte Trotzki zu beweisen, daß sein Entschluß die Massen im Westen »revolutionieren« werde und daß die Losung »Weder Krieg noch Frieden« sogar von den deutschen Soldaten unterstützt werden würde. Aber diese Losung öffnete dem Aggressor den Weg in das Landesinnere Rußlands.
In der Geschichte wird bis zum heutigen Tag Trotzki als der Urheber dieser Losung betrachtet. Jedoch hatte der französische Botschafter in Petrograd in einem Bericht an seine Regierung die militärischen Möglichkeiten des russischen Verbündeten wie folgt bewertet:
»Im gegenwärtigen Stadium der Revolution kann Rußland weder Frieden schließen, noch kann es Krieg führen.« Ob Trotzki diese Auffassung des Diplomaten kannte, wissen wir nicht.
Einige Tage nach Trotzkis Verhandlungsabbruch begannen die deutschen Truppen an der gesamten Front vorzurücken. Bald marschierten sie durch Dwinsk, Wenden, Minsk, Pskow und Dutzende von anderen Städten und Dörfern Rußlands. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung beschloß das ZK nach hitzigen Diskussionen mit sieben Ja- bei vier Neinstimmen endlich, alle Bedingungen der Deutschen zu akzeptieren. Aber diese Entscheidung mußte noch gebilligt werden auf dem bevorstehenden 7. Außerordentlichen Parteitag und auf dem 4. Außerordentlichen Gesamtrussischen Kongreß der Räte, die im März tagten.
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Stalin hatte in der Diskussion um den Brester Frieden praktisch keine Rolle gespielt. Nicht, weil er mit dieser oder jener Position nicht einverstanden gewesen wäre, sondern vielmehr, weil er nicht in der Lage war, die verzwickten Probleme zu begreifen.
Um seine Genossen unter Druck zu setzen, hatte Lenin zum Beispiel auf einer ZK-Sitzung am 23. Februar damit gedroht, die Regierung und das ZK zu verlassen, falls sein Antrag, den Frieden abzuschließen, nicht angenommen würde. Nachdem Stalin sich vom ersten Schreck erholt hatte, fragte er: »Bedeutet das Aufgeben der Funktionen auch den Austritt aus der Partei?« Lenin verneinte dies.
Georgij Ippolitowitsch Lomow sagte geradeheraus: »Fürchtet euch nicht vor dem Rücktritt Lenins. Die Revolution ist wichtiger.« Und Moisei Solomonowitsch Uritzki erklärte: »Mit diesem schändlichen Frieden werden wir die Sowjetmacht nicht retten.« Unter dem Druck der Meinungsverschiedenheit argumentierte Stalin abwartend: »Es ist möglich, den Frieden nicht zu unterzeichnen.« Lenin erwiderte:
»Stalin ist im Unrecht, wenn er sagt, daß es möglich sei, nicht zu unterzeichnen. Die Bedingungen [des Friedensvertrags] müssen unterschrieben werden. Wenn nicht, dann unterzeichnen Sie damit das Todesurteil für die Sowjetmacht innerhalb von drei Wochen. Diese Bedingungen tasten die Sowjetmacht nicht an. Ich zweifle nicht an der Notwendigkeit, diesen Frieden zu unterzeichnen. Ich habe das Ultimatum nicht deshalb gestellt, um es rückgängig zu machen. Ich will keine revolutionären Phrasen.« Nachdem Lenin alle Einwände gegen seinen Standpunkt zurückgewiesen hatte, ging Stalin auf seine Seite über.
Rußland war so ermattet vom Krieg, daß jede Art von Frieden von den meisten Menschen als Chance zur Rettung angesehen wurde. Lenin und seine vertrautesten Mitstreiter hatten diese Tatsache erkannt und zogen daraus die Konsequenz. In der Geschichte gibt es nur wenige Beispiele von solcher Weitsichtigkeit und Weisheit bei der Lösung schwieriger Probleme. Lenin fürchtete nicht die Vorwürfe, er habe »Kapitulationspolitik« betrieben, den »Rückzug« veranlaßt, »sich der Gnade des Imperialismus ergeben«.
In diesen dramatischen Tagen waren Sinowjew, Stassowa, Swerdlow, Sokolnikow, Smilga und Kamenew auf Lenins Seite. In entscheidenden Momenten stimmte auch Stalin für Lenin.
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Die russische Vendee
Die Führer der Oktoberrevolution benutzen in ihren Reden häufig Analogien und Metaphern aus der französischen Revolution. Zu Anfang des Jahres 1918 hatten sie Grund, sich an die Vendée zu erinnern, an jene Region in Westfrankreich, die sich zwischen Nantes und La Rochelle erstreckt. Im Juni 1793 war die Vendée aufgestanden gegen die Revolution und für die Monarchie. Das Neue wird nie von allen sofort angenommen. Für die ungebildeten Bauern, die von reichen Großgrundbesitzern und vom fanatischen Klerus aufgehetzt waren, war die Revolution ein teuflisches Ungeheuer. Ein blutiger Bürgerkrieg ergriff den Westen Frankreichs. »Die Vendée wurde zur eitrigen Wunde der Republik«, schrieb Pjotr Alexejewitsch Kropotkin.
In Rußland währte die Atempause nicht lange. Im Frühjahr 1918 begann die ausländische militärische Intervention. Sie weckte in der Bourgeoisie und bei den Gutsbesitzern die Hoffnung auf Revanche. Rundherum herrschte Aufruhr. In dem vom Weltkrieg zerstörten Land entbrannte der Bürgerkrieg. Die Republik hatte keine Grenzen mehr. Es gab nur noch Fronten.
In Paris, London, Berlin, Tokio, Washington und in einer Reihe anderer Hauptstädte war man überzeugt: Rußland liegt in Agonie. Viele Russen gingen in die Emigration: Angehörige der Bourgeoisie, Großgrundbesitzer, Fabrikanten, Professoren, ein großer Teil der schöpferischen Intelligenz, hohe Staatsbeamte. In ihren Berichten, die im Ausland erschienen, beschrieben sie das Entsetzen, das in Rußland nach der Machtübernahme durch den »Mob« aufgekommen sei, und sie sagten das baldige Ende der Räte voraus. Einige Jahre später schrieb Kalinin in der »Iswestija«: »Jetzt sind sie die Opfer, die das Unglück des Bürgerkriegs davongetragen haben. Aber ihr Unglück, gleich, wie groß es ihnen erscheinen mag, ist, verglichen mit dem Leid des Volkes von 1914 bis 1917, ein Wassertropfen im Meer. Sie haben die Qualen des Volkes nicht gesehen und haben sie mit ihrem patriotischen Gejaule übertönt.«
Das Ende der Sowjetmacht schien nicht fern, um so mehr, da eine Jagd auf hohe Funktionäre begonnen hatte. In Petrograd erschoß der Sozialrevolutionär Leonid Kenegisser Uritzki. Im Juli töteten die Weißgardisten Semjon Nachimson, den berühmten Kommissar der lettischen Schützen.
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Der für die Versorgung zuständige Volkskommissar Turkestans, Alexander Perschin, wurde in Taschkent umgebracht. Im Mai 1918 starben zwei Bolschewiki aus dem Dongebiet, Fjodor Podtelkow und Michail Kriwoschlykow, am Galgen der Weißkosaken. Der ehemalige Generalleutnant der Zarenarmee, Alexander Taube, der auf die Seite der Revolution übergewechselt und zum Leiter des sibirischen Stabs geworden war, fiel in die Hände der Weißgardisten und wurde zu Tode gefoltert. Den härtesten Schlag führte die Konterrevolution im Jahr 1918 in Moskau. Nach einem Auftritt vor den Arbeitern der Michelson-Fabrik schoß die Sozialrevolutionärin Fanni Kaplan auf Lenin.
Der Bürgerkrieg in Rußland zeigte in seiner Härte und Unversöhnlichkeit den tiefen Klassenhaß, der das Volk in zwei feindliche Lager teilte. Gefangene wurden selten gemacht. Die Weißen brachten verwundete Rotarmisten um, die sie in Lazaretten auffanden. Die Kämpfe waren erbarmungslos. An der Front wütete der Typhus. In den Schluchten wurden die Geiseln erschossen. Das Leben verlor an Wert. Der Klassenhaß war stärker als die Leiden, die Trauer, die Weisheit und die Vernunft. Das Land war getränkt mit dem Blut der Brüder. Diesen Krieg führten nicht nur die militärischen Kräfte der verfeindeten Parteien. An ihm nahm auch ein großer Teil der Bevölkerung teil. Die wichtigste Triebkraft des Kriegs war die ausländische Militärintervention.
Das Gesamtrussische Zentralexekutivkomitee erklärte die Sowjetrepublik zum Kriegslager und bildete einen Revolutionären Kriegsrat unter Leitung Trotzkis. Zum Oberkommandierenden der Streitkräfte wurde Jukums Wazetis ernannt, ihn löste später Sergej Sergejewitsch Kamenew ab. Als Antwort auf den weißen Terror entbrannte der rote Terror.
Im Bürgerkrieg machte Stalin sich stärker bemerkbar als in früheren Jahren. Er führte die Aufträge des Zentralkomitees aus, sie waren schwierig und verantwortungsvoll. Stalin wurde nach Zarizyn geschickt als außerordentlicher Bevollmächtigter des ZK für Nahrungsmittelbeschaffung. Auf dem linken Flügel der Westfront spielte Zarizyn gegen Mitte des Jahres 1918 eine wichtige Rolle. Nicht nur aus militärischen Gründen, sondern auch weil dieses Gebiet von Bedeutung war für die Ernährung der Bevölkerung.
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Am 31. Mai 1918 unterzeichnete Lenin eine Verordnung des Rats der Volkskommissare vom 29./30. Mai 1918, die Stalin und Alexander Gawrilowitsch Schljapnikow zu Verantwortlichen für die Lebensmittelversorgung im Süden Rußlands machte und sie mit außerordentlichen Vollmachten und Rechten ausstattete.
Die Schlinge des Hungers wurde enger gezogen, und das Leben in den politischen und industriellen Zentren Rußlands drohte zu ersticken. Lenin hatte sich wohl schon eine Meinung über Stalin gebildet als einen zuverlässigen Volkskommissar. Er hatte nach seiner Rückkehr aus dem Exil genügend Gelegenheiten gehabt, dem wortkargen Kaukasier zu begegnen. Dieser stellte selten Fragen, hatte nie öffentlich die Entscheidungen des ZK in Zweifel gezogen und unterwarf sich jedem Befehl. Es schien, als sei er mit der ihm vorgegebenen Rolle des unauffälligen und zuverlässigen Funktionärs zufrieden. Auch den Befehl, nach Zarizyn zu reisen, nahm Stalin ruhig an. Vor seiner Abreise in den Süden wurde Stalin noch mitgeteilt, daß Lenin die Verordnung des Rats der Volkskommissare durch eine Verfügung ergänzt habe. Darin befahl er dem verantwortlichen Funktionär des Volkskommissariats für Militärangelegenheiten S. I. Aralow, Stalin einen Trupp von 400 Mann (eingeschlossen 100 lettische Schützen) als Begleitung nach Zarizyn mitzugeben.
Stalin mußte bald militärische Entscheidungen treffen: Zarizyn wurde, wie sich zeigte, von Kosaken belagert. Stalin wurde Mitglied des Bezirksmilitärrats. Innerhalb kurzer Zeit gelang es dem Bezirksmilitärrat, seine Truppen zusammenzuführen, Verstärkung zu mobilisieren, neue Divisionen zu rekrutieren, eine Kolonne von Panzerzügen und einige Arbeitereinheiten zu bilden. Auf Bitte Stalins befahl Lenin der Hauptverwaltung für den Wassertransport, die Befehle des Außerordentlichen Bevollmächtigten des Rats der Volkskommissare J. W. Stalin widerspruchslos auszuführen. Die Lage in Zarizyn stabilisierte sich, als dort Truppen der ehemaligen 5. Armee unter dem Kommando Kliment Jefremowitsch Woroschilows anrückten.
Es ist interessant, daß Stalin seine Berichte nicht an Trotzki adressierte, dem er operativ untergeordnet war, sondern daß er sich über den Kopf des Oberkommandierenden und des Vorsitzenden des Revolutionären Kriegsrats hinweg oft mit Kleinigkeiten an Lenin wandte. Für die Mehrzahl von Stalins Telegrammen nach Moskau – wo die Sowjetregierung seit März 1918 ihren Sitz hatte – ist das Fehlen allgemeiner politischer Bewertungen und Prognosen charakteristisch.
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Als Resultat der geschilderten Maßnahmen war Zarizyn nach kurzer Zeit zur Verteidigung vorbereitet. Ungeachtet der Hilfe, die der Führer der konterrevolutionären Truppen, Anton Iwanowitsch Denikin, von Nossowitsch, einem ehemaligen Zarenregimentsführer und zeitweiligen »Militärspezialisten«, erhielt, brachte der Sturm auf Zarizyn den Weißgardisten keine nennenswerten Erfolge. (Militärspezialisten wurden ehemalige Offiziere der Zarenarmee genannt, die sich in den Dienst der neuen Regierung stellten.) Später erlangten Zarizyn und andere Städte, in denen Stalin sich während des Bürgerkriegs aufgehalten hatte, eine mehr als legendäre Bedeutung in unserer Geschichtsschreibung.
Stalin hatte keinerlei operativen oder taktischen Kenntnisse, aber er zeigte in kritischen Momenten im Kampf um Zarizyn eine harte Hand. In einer Meldung an Lenin schrieb Stalin:
»Die Linie südlich Zarizyn ist noch nicht wiederhergestellt. Ich treibe alle an und schimpfe mit allen, die es verdienen; ich hoffe, daß wir die Wiederherstellung bald erreicht haben. Sie können überzeugt sein, daß wir niemanden schonen werden, weder uns noch andere, aber Getreide werden wir trotz allem liefern. Wenn unsere militärischen >Spezialisten< (Schuster!) nicht geschlafen und gefaulenzt hätten, wäre die Linie nicht unterbrochen worden, und wenn die Linie wiederhergestellt wird, dann nicht dank den Militärs, sondern trotz ihnen.«
Der Verrat Nossowitschs und einer Reihe anderer ehemaliger Offiziere der Zarenarmee, die sich zunächst der Regierung zur Verfügung gestellt hatten, dann aber zur Konterrevolution überliefen, verstärkte das Mißtrauen Stalins gegenüber den Militärspezialisten. Der Volkskommissar, der mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet war, verbarg diese Haltung nicht.
Auf Stalins Initiative wurden einige Militärspezialisten festgenommen. Aus einem Lastschiff machte man ein Gefängnis. Viele wurden erschossen. Viele folgten Stalins Beispiel. Nicht zufällig verurteilte Lenin in seiner Rede über die Militärfrage auf dem 8. Parteitag im März 1919 das »Partisanenunwesen«. Er sagte auch: »Zuallererst muß eine reguläre Armee bestehen, wir müssen zur regulären Armee mit den Militärspezialisten übergehen.«
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Stalin widersprach Lenin nicht, aber noch Ende der dreißiger Jahren galt die ehemalige Zugehörigkeit eines roten Kommandanten zum zaristischen Offizierskorps als schwerwiegender Umstand. Der Revolutionäre Kriegsrat der Südfront, vertreten durch Stalin, Woroschilow, den Vorsitzenden des Zarizyner Rats Minin und den Frontkommandierenden Sytin, arbeitete nicht Hand in Hand. Stalin war der Meinung, daß die Beschlüsse, auch die unbedeutenden, nur kollegial gefaßt werden sollten. Sytin jedoch versuchte als Kommandierender, entsprechend seiner militärischen Denkweise, die endlosen »Abstimmungen« und »Präzisierungen« beim Fassen von Beschlüssen zu umgehen. Stalin gab Moskau zu verstehen, daß Sytin kein Vertrauen verdiene. Sytin antwortete mit einem Bericht an den Revolutionären Kriegsrat der Republik. Darin betonte Sytin, daß Minin, Stalin und Woroschilow ihn in seiner Funktion als Frontkommandierender einschränkten, indem sie die Absprache aller, auch unbedeutender Fragen mit dem Kriegsrat verlangten, was die operative Führung ungemein erschwere. Stalin behielt die Oberhand. Anfang November 1918 wurde Sytin seines Postens enthoben.
Stalin überwachte die Militärspezialisten scharf. Er wußte, daß Trotzki sie unterstützte. Damals gab es zwischen Stalin und Trotzki häufig Telegrammscharmützel.
Stalin machte sich nicht die Mühe, Schützengräben, Lazarette, Versammlungsorte oder Beobachtungspunkte aufzusuchen. Er befand sich ständig im Stab, schickte endlose Depeschen, rief Kommissare und Kommandierende zu sich, verlangte Berichterstattung, drohte mit dem Kriegsgericht, erteilte Leuten Scheinaufträge, um sie auf die Probe zu stellen. Schon in den Jahren des Bürgerkriegs bediente sich Stalin häufig härtester Maßnahmen. Er ordnete die Erschießung von angeblichen Saboteuren, verdächtigen Militärspezialisten und Menschen an, die nach seiner Meinung der Sache schadeten. So war es in Zarizyn, Perm und Petrograd.
Lenin sprach in seiner Rede auf dem 8. Parteitag offen über die von Stalin angeordneten Erschießungen in Zarizyn, und er erwähnte auch die Meinungsverschiedenheiten, die hier zwischen ihm und Stalin bestanden. Die Umstände des Kriegs sind häufig so geartet, daß es nicht immer möglich ist, rückwirkend zu beurteilen, ob dieser oder jener Schritt unumgänglich war.
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Der Bürgerkrieg war hart. Stalin fühlte sich im Bürgerkrieg sicherer als im Oktober 1917. Damals festigte sich Stalins Glaube an die Allmacht der Gewalt. Sie war nach seiner Meinung immer gerechtfertigt, wenn sie gegen die Feinde angewendet wurde.
Vielen gefielen seine Methoden nicht. Den Frontkommandierenden entging es nicht, daß hier ein Mann mit eisernem Willen war und daß es schwer war, ihn zu einer Entscheidung zu drängen oder seine Meinung zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist es interessant, den Brief Antonow-Owsejenkows anzuführen, den er am 19. Mai 1919 ans Zentralkomitee der Partei richtete. Er beklagt sich über »das unangemessene Verhalten zu ihm als Kommandeur der ukrainischen Armee«. Er bemängelt die schwache Unterstützung durch die Regierung. Ferner schrieb er, daß »Lew Dawidowitsch [Trotzki] dies verstehe«, und: »Genosse Stalin muß nur einmal brüllen, und schon gehen die ukrainischen Genossen von Intrigen zur Arbeit über.« Antonow-Owsejenko bestätigte so indirekt, wie schwer es Stalin fiel, die Lage an der Front zu meistern.
Stalin waren in der Tat die Feinheiten der Kriegskunst fremd. Deshalb berief er sich auf Disziplin, proletarische Pflichterfüllung und revolutionäres Bewußtsein, und er drohte oft mit der »revolutionären Strafe«. Nach Zarizyn fühlte Stalin sich unter seinen Mitgenossen im Zentralkomitee und im Rat der Volkskommissare bedeutend sicherer. Zu dieser Zeit war Stalin im Kreis der Parteiführer, ZK-Mitglieder und Militärführer schon ein recht bekannter Mann.
Stalin erfüllte jedoch auch an der Front lediglich die Aufgaben, die Lenin ihm aufgetragen hatte. Es existieren keine glaubwürdigen, objektiven Dokumente, die seine »großen Fähigkeiten« auf strategischem Gebiet belegen könnten. Druck ausüben – das war Stalins Stil. Die operativen Zielsetzungen Stalins waren ziemlich simpel – um nicht zu sagen: primitiv.
Hier ein Beispiel seiner üblichen Frontbefehle: Während eines Gesprächs (per Telefon) zwischen dem Mitglied des Revolutionären Kriegsrats der Südfront Stalin und dem Mitglied des Revolutionären Kriegsrats der 14. Armee im Oktober 1919 berichtete letzterer, daß die Armee sich darauf vorbereite, die Stadt Kromy zurückzuerobern, und daß dafür Verstärkung benötigt würde. Stalin antwortete:
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»Der Sinn unserer letzten Direktive bestand darin, Ihnen die Möglichkeit zu geben, die Regimenter in einer Gruppe zu versammeln und die besten Regimenter Denikins zu vernichten. Ich wiederhole: vernichten. Denn hier ist die Rede von Vernichtung. Daß Kromy vom Gegner eingenommen wurde, ist ein Mißgeschick, das jederzeit korrigiert werden kann. Ihre Aufgabe besteht darin, nicht einzeln angreifende Regimenter gegen den Feind zu schicken, sondern den Gegner mit einer starken Gruppe in eine bestimmte Richtung zu treiben.«
Die Betonung der Gewalt ist in den Befehlen des Mitglieds des Revolutionären Kriegsrats der Südfront immer zu bemerken, was man von seinen militärischen Fähigkeiten nicht behaupten kann.
Stalins Engagement im Bürgerkrieg machte sich auf zwei Gebieten bemerkbar: Einerseits erfüllte er seine Pflichten als Leiter zweier Volkskommissariate - als Volkskommissar für Nationalitätenfragen und als Volkskommissar für Arbeiter- und Bauern-Inspektion (ABI) -, andererseits erfüllte er propagandistische und militärische Aufgaben. Während des Bürgerkriegs setzte Lenin Stalin häufig als Bevollmächtigten des ZK ein und beauftragte ihn mit Inspektionen, Kontrollaufgaben, Korrekturen von bestimmten Vorgängen und der Ermittlung von Informationen.
So schickte Lenin im Juni 1918 Stalin ein Telegramm, in dem er befahl, die Regierungsverfügung, die Schiffe der Schwarzmeerflotte zu versenken, umgehend zu erfüllen. Andernfalls würden die Schuldigen zur Verantwortung gezogen. Im Telegramm wird Stalin vorgeschlagen, einen fähigen Funktionär nach Noworossijsk zu schicken, der diesen Befehl in die Tat umsetzen solle. In diesem Monat sprach Lenin auf der Konferenz der Gewerkschaften und Fabrikkomitees Moskaus über das Schicksal der Schwarzmeerflotte. Er erklärte die Lage und fügte hinzu: »Die Volkskommissare Stalin, Schljapnikow und Raskolnikow werden bald nach Moskau kommen und uns berichten, wie alles vor sich gegangen ist.«
Stalin erfüllte seine Rolle als politischer Führer in verschiedenen »Kapiteln« des Bürgerkriegs. So etwa während des ersten Versuchs, die Sowjetmacht zu liquidieren. Mit Hilfe von rebellierenden Soldaten hatte General Pjotr Nikolajewitsch Krasnow versucht, in Petrograd einzudringen.
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Auf Anweisung Lenins beteiligte sich Stalin zusammen mit Dserschinski, Ordschonikidse, Podwojski, Swerdlow und Uritzki an der Erarbeitung von Verteidigungsplänen und an der Mobilisierung von Kräften. Stalin wurden konkrete Aufgaben übertragen bei der militärischen Vorbereitung der Petrograder Garnison, beim Ausbau von Verteidigungsanlagen und bei der Rekrutierung von Fabrikarbeitern für die Roten Garden.
Bereits bei dieser Gelegenheit hatten sich viele von der Zielstrebigkeit Stalins überzeugen können. Er gab Befehle und duldete keine Widerrede. Aber viele aufmerksame Parteifunktionäre bemerkten nicht nur seine Zielstrebigkeit, sondern auch seine Rachsucht und seinen nachtragenden Charakter. Im Dezember 1918 beschuldigten Stalin und Woroschilow das Mitglied des Revolutionären Kriegsrats der Südfront Alexej Okulow der Desorganisation. Auf Drängen Stalins beschloß Lenin: »Aufgrund des zugespitzten Verhältnisses zwischen Okulow und Woroschilow halte ich es für unumgänglich, Okulow ablösen zu lassen.«
Lenin hatte zwar in diesem Fall zugunsten Stalins entschieden, aber einige Zeit später erklärte er: »Der Genosse Woroschilow hat so viele Worte über Okulows furchtbare Taten hinsichtlich der Wehrkraftzersetzung gemacht. Das war ungeheuerlich. Okulow befolgte die Linie des ZK, Okulow selbst hat uns davon berichtet, daß dort Partisanentum herrschte.«
Im Juni 1919 kam es in Petrograd wieder zu einem Streit zwischen Stalin und Okulow. Letzterer forderte die Unterordnung des Petrograder Militärbezirks unter das Kommando der Westfront. Aufgrund der wiederholten Forderung Stalins in seiner Funktion als Bevollmächtigter des ZK der KPR(B) und des Verteidigungsrats in Petrograd beauftragte Lenin den Stellvertretenden Vorsitzenden des Revolutionären Kriegsrats Ephraim Skijanski, Stalin telegraphisch mitzuteilen, Okulow solle nach Moskau zurückgerufen werden, »damit der Konflikt sich nicht zuspitze«. Ende der dreißiger Jahren wird sich Stalin wieder an Okulow erinnern.
Lenin und der Revolutionäre Kriegsrat der Republik beauftragten Stalin ferner, die Gründe für die Niederlagen an verschiedenen Frontabschnitten zu ermitteln. Dies war notwendig, denn nicht nur Desorganisation konnte die Truppen behindern, sondern auch der Verrat von getarnten Monarchisten und Weißgardisten.
Als die 3. Armee im Dezember 1918 im Gebiet von Perm große Verluste erlitten hatte, entstand die Gefahr, daß sich Alexander Wassiljewitsch Koltschak,
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der Führer der konterrevolutionären Kräfte in Sibirien, mit Teilen der englischen, amerikanischen und französischen Interventionstruppen verbündete.
Deshalb schickte das ZK eine Kommission nach Wjatka, angeführt von Stalin und Dserschinski. Die Kommission hatte die Aufgabe, die Gründe für die Niederlage zu ermitteln und sofort Maßnahmen anzuordnen, damit die drohende Gefahr abgewendet werden konnte.
Die Bevollmächtigten des ZK arbeiteten zügig. Eine Gruppe von Soldaten, die offenkundig verantwortlich war für die Niederlage, wurde dem Kriegsgericht übergeben. Schwache Kommissare und Kommandeure wurden abgelöst. Die politische Arbeit mit den Rotarmisten wurde verstärkt, die Disziplin gestrafft und die Versorgung verbessert. Stalin, der ja von Anfang an den Militärspezialisten mißtraute, löste die ehemaligen Zarenoffiziere, wenn er Verrat bei ihnen vermutete, sofort ab, und er ging gegen sie schroff und mitleidslos vor.
Aufgrund der geschilderten Maßnahmen gelang es der 3. Armee (zusammen mit der 2.) im Januar 1919, durch einen Gegenangriff die Lage zu stabilisieren. In seinem Bericht nach Moskau schreibt Stalin:
»Im rückwärtigen Frontgebiet der Armee wird eine durchgreifende Säuberung der Sowjet- und Parteiinstitutionen durchgeführt. In Wjatka und in den Kreisstädten sind revolutionäre Komitees organisiert worden. Die Bildung starker revolutionärer Organisationen im Dorf hat begonnen und wird fortgesetzt. (...) Die Außerordentliche Kommission des Gouvernements wurde gesäubert und mit neuen Parteifunktionären aufgefüllt.«
Die Urteile Stalins waren wie immer kategorisch. Hier ein Beispiel, wie er den Revolutionären Kriegsrat der 3. Armee beurteilte:
»Der Revolutionäre Kriegsrat der 3. Armee besteht aus zwei Mitgliedern, von denen der eine (Laschewitsch) das Kommando führt; was den anderen (Trifonow) anbetrifft, so ist es einfach nicht gelungen, seine Funktionen oder seine Rolle zu klären: Er überwacht nicht die Versorgung, überwacht nicht die Organe für die politische Erziehung der Armee und tut anscheinend überhaupt nichts. Faktisch gibt es gar keinen Revolutionären Kriegsrat.«
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In seinem Bericht nennt Stalin nicht Trotzkis Namen. Er spricht lediglich über die Schwächen »einiger Führer« des Revolutionären Kriegsrats der Republik, die ihre Arbeit auf »allgemeine Anweisungen« beschränkten.
Einige übertriebene Maßnahmen Stalins mußten korrigiert werden. Auf seinen Befehl war zum Beispiel eine große Gruppe von Offizieren und Funktionären dem Kriegsgericht übergeben worden. Auf seiner Sitzung vom 5. Februar 1919 dagegen beschloß das ZK, nachdem seine Mitglieder den Bericht der Bevollmächtigten zur Kenntnis genommen hatten: »Alle durch die Kommission Stalins und Dserschinskis Festgenommenen werden der Verfügung entsprechender Institutionen übergeben.«
Bei seiner Mission in Wjatka lernte Stalin Dserschinski besser kennen und empfand Hochachtung für dessen Fähigkeit, schnelle Entschlüsse zu fassen. Stalin schätzte Entschlußfähigkeit und einen eisernen Willen mehr als alles andere. Ihm selbst mangelte es nie an diesen Qualitäten.
Manchmal offenbarte sich seine Entschlossenheit in kategorischen Forderungen an die Regierung. In einem Brief, den er am 3. Juni 1920 an der Front an Lenin schrieb, verlangte er die sofortige Auflösung der Krimfront. Es sei erforderlich, so Stalin,
»entweder einen wirksamen Waffenstillstand mit Wrangel zu erwirken und damit die Möglichkeit zu erhalten, von der Krimfront ein bis zwei Divisionen abzuziehen, oder jegliche Verhandlungen mit Wrangel zu verwerfen, nicht den Moment der Verstärkung Wrangels abzuwarten, ihn jetzt anzugreifen und zu zertrümmern und Kräfte für die polnische Front frei zu machen. Die heutige Lage, die keine klare Antwort auf die Krimfrage gibt, ist unerträglich.«
Als er diesen Brief gelesen hatte, schrieb Lenin an Trotzki: »Das ist reine Utopie. Wird es nicht zu viele Opfer kosten? Wir verlieren eine Menge unserer Soldaten. Wir müßten es zehnmal bedenken und abwägen. Ich schlage vor, Stalin zu antworten: >Ihr Vorschlag zum Angriff auf die Krim ist so ernst, daß wir uns erst einmal erkundigen und alles äußerst vorsichtig bedenken müssen. Warten Sie auf unsere Antwort. Lenin, Trotzki.<«
In seinem Antwortschreiben machte Trotzki Lenin darauf aufmerksam, daß Stalin den Dienstweg nicht eingehalten hatte, als er sich direkt an Lenin wandte. Stalin hätte seinen Vorschlag an den Kommandierenden der Südwestfront Alexander Iljitsch Jegorow richten müssen.
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Lenin erwiderte: »Was Stalin getan hat, war nicht richtig. Es war eine Laune. Aber man muß baldigst eine Entscheidung treffen. Und welche außerordentlichen Maßnahmen?«
Obwohl Lenin versuchte, das Verhältnis zwischen Stalin und Trotzki zu verbessern, blieb es bedenklich gespannt. Der zukünftige Generalsekretär verkraftete nur schwer die wachsende Beliebtheit Trotzkis, er war der Meinung, daß Trotzki diese Popularität nicht verdiene. Er kannte die Telegramme, die Trotzki erhielt. Hier eines davon:
»An den Vorsitzenden des Revolutionären Kriegsrats, Genossen Trotzki.
Zum einjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution haben die Bewohner des Dorfes Kotschetowsk im Amtsbezirk Sosimowsk, Gouvernement Tambow, beschlossen, ihr Dorf umzubenennen und ihm Ihren Namen zu geben: Dorf Trotzki. Wir bitten um die Erlaubnis, unser Dorf nach dem Namen des uns teuren Führers der Roten Armee nennen zu dürfen. Der Vorsitzende des Sowjets
S. Netschajew«Die ersten Ortsumbenennungen in Sowjetrußland hatte es schon vorher gegeben. Das heutige Gatschina und Tschapajewsk trugen bereits den Namen Trotzk.
Im Schriftverkehr zwischen Lenin und Stalin findet man häufig Stellen, die Stalins Verwunderung, seine Überempfindlichkeit und Streitsucht zeigen. So antwortete Stalin auf ein Telegramm Lenins, in dem dieser ihn um Hilfe an der Kaukasusfront ersucht:
»Mir ist unklar, weshalb die Sorge um die Kaukasusfront mir auferlegt wird. Für die Verstärkung der Kaukasusfront sollte ganz und gar der Revolutionäre Kriegsrat der Republik Sorge tragen, dessen Mitglieder nach meiner Kenntnis völlig gesund sind, und nicht Stalin, der ohnehin mit Arbeit überlastet ist.«
Stalin ist unzufrieden und macht Lenin darauf aufmerksam, daß er »ohnehin mit Arbeit überlastet« sei. Lenins Antwort war hart und lakonisch:
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»Tragen Sie Sorge für die Beschleunigung des Heranrückens der Verstärkung von der Südwestfront zur Kaukasusfront. Sie müssen überhaupt mit aller Kraft helfen und sich nicht mit Verwaltungskompetenzen aufhalten.
20. Februar 1920
Lenin«Am 4. August desselben Jahres schlug Lenin Stalin in einem Telegramm vor:
»Für morgen um zehn Uhr ist ein Plenum des ZK festgesetzt. Versuchen Sie, uns bis dahin Ihre Schlußfolgerungen über die Verzögerung Budjonnys und über die Lage an der Front Wrangels zuzusenden und gleichfalls über unsere militärischen Perspektiven an beiden Fronten. Von Ihren Schlußfolgerungen können wichtige politische Entscheidungen abhängen.
Lenin«Stalin verlor die Courage. Einerseits wollte er keine Verantwortung für eventuelle »wichtige politische Entscheidungen« tragen, und andererseits hat er nie die Gabe der Prognose besessen. Er antwortete: »Der Krieg ist ein Spiel, und alles vorauszusehen ist unmöglich.« Und: »Ich weiß nicht, warum Sie gerade meine Meinung benötigen. (...) deshalb bin ich nicht in der Lage, die von Ihnen geforderten Schlußfolgerungen zu ziehen, und beschränke mich auf nackte Tatsachen, ohne sie zu beleuchten.«
Dieser Mensch führte Befehle aus. Und sonst nichts.
Ich erlaube mir, ein wenig abzuschweifen. In den Archiven sind viele an Trotzki adressierte Briefe erhalten geblieben. Besonders häufig hatte ihm Joffe geschrieben, sein langjähriger Anhänger. In einem ausführlichen Brief (mehr als zwanzig Seiten!) bittet Joffe Trotzki um die Protektion für einen einflußreichen Posten, wenn möglich, für den des Volkskommissars für Arbeiter- und Bauern-Inspektion.
Joffe schreibt: »Wenn man Stalin im Interesse der Sache seines Amtes als Volkskommissar für Arbeiter- und Bauern-Inspektion entheben könnte, dann würde er auf jedem anderen Posten nützlich sein, denn im Volkskommissariat für ABI arbeitet er nicht. Man sollte Tschitscherin nicht seines Amtes als Volkskommissar für Äußeres entheben, denn er wäre nirgendwo nützlicher.«
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Es ist schwer zu verstehen, warum Stalin »auf jedem anderen Posten« nützlich sein könnte: weil er »nicht arbeitet«? Oder hatte Joffe bereits die erst später ausreifenden Fähigkeiten des Volkskommissars erkannt? Joffe schrieb auch an Lenin, und er bekam folgende Antwort:
»Erstens, Sie irren sich, wenn Sie (nicht nur einmal) behaupten: >Das ZK, das bin ich.< So etwas kann man nur unter schwerer nervlicher Anspannung und Übermüdung schreiben. (...) Zweitens (...). Wie soll ich es Ihnen nur erklären? Vielleicht damit, daß das Schicksal Sie hin und her geworfen hat. Das habe ich bei vielen Funktionären gesehen. Beispiel - Stalin. Er jedoch würde für sich selbst eintreten. Das Schicksal hat ihn in den letzten dreieinhalb Jahren weder Volkskommissar für ABI noch Volkskommissar für Nationalitätenfragen sein lassen. Das ist ein Faktum. (...) Ich drücke Ihnen fest die Hand.
Ihr Lenin«Während des Bürgerkriegs wurde Stalin, wie viele andere, nicht nur einmal als Bevollmächtigter oder Außerordentlicher Bevollmächtigter des ZK an verschiedene Frontabschnitte entsandt. So auch im Frühjahr 1919. Die Lage um Petrograd hatte sich zugespitzt. Der Befehlshaber der weißen Streitkräfte in Nordwestrußland Nikolaj Nikolajewitsch Judenitsch und seine ausländischen Verbündeten wollten die Wiege der Revolution erobern. Mit der Verteidigung Petrograds waren die 7. Armee und die Baltische Flotte beauftragt. Die Truppen der Konterrevolution näherten sich schon den Orten Krasnoje Selo und Gatschina. Der Oberkommandierende der Roten Armee schickte starke Truppenteile von den anderen Fronten nach Petrograd.
Stalin befand sich als Außerordentlicher Bevollmächtigter entweder im Petrograder Rat oder im Armeestab. Wie immer war sein Arbeitsstil diktatorisch. Entfernung derer, mit denen er nicht fertig wurde, Übergabe jener ans Kriegsgericht, die er für schuldig für Versäumnisse und Fehler hielt, die Versorgung in Ordnung bringen, »auffrischen« der Verwaltungsorgane. Im Stab der Westfront wie auch in der 7. Armee wurde eine Verschwörung aufgedeckt; die
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Verschwörer wurden erschossen, versteht sich. Entsprechend dem Aufruf »Auf zur Verteidigung Petrograds!« bereiteten sich die Militärführer Remesow, Tomaschewitsch, Posern, Schatow, Peters, der angereiste Stalin und andere Genossen auf die Abwehr der Konterrevolution vor. Für die erfolgreiche Verteidigung Petrograds wurden später sowohl Trotzki als auch Stalin mit dem Orden der Roten Armee geehrt.
Früher wurde es immer so dargestellt: Wo Stalin hinkam, verbesserte sich die Lage. Das war bei weitem nicht der Fall. Wir sollten hinzufügen, daß Stalin immer gemeinsam mit anderen Genossen entsandt wurde und die Anordnungen Lenins und des ZK umsetzte. Seine persönlichen militärischen Verdienste waren mehr als bescheiden. Doch bereits im Jahr 1918 wußte die Parteiführung: Das ist nicht nur ein Mann, der zuverlässig die Aufträge des ZK ausfühlt, sondern' auch ein Spezialist für Strafaktionen und »außerordentliche Maßnahmen«.
Und schon damals neigte Stalin zum Eigenlob. In einem Telegramm aus Petrograd an Lenin schreibt er zum Beispiel:
»Unmittelbar nach Krasnaja Gorka wurde Seraja Loschadj liquidiert. Die Geschütze in ihnen sind in voller Ordnung. Eine eilige Überprüfung aller Forts und Festungen ist im Gange. Die Marinespezialisten versichern, daß die Einnahme von Krasnaja Gorka von der Seeseite her die Marinewissenschaft über den Haufen wirft. Mir bleibt nichts übrig, als die sogenannte Wissenschaft zu bedauern. (...) Ich halte es für meine Pflicht, zu erklären, daß ich auch weiterhin so handeln werde, trotz all meiner Hochachtung vor der Wissenschaft.«
Eine Reihe von Telegrammen von der Front zeugt von der schon damals in Ansätzen existierenden Macht Stalins. Am 15. November 1921 stellte Trotzki Stalin folgende Situation per Telegramm dar: »Es ist unumgänglich, die Frage der transkaukasischen nationalen Brigaden und der Munitionslager zu lösen, und zwar hart und endgültig.« Ferner bemerkte Trotzki, daß es notwendig sei, drei Entscheidungen über das Politbüro dieses Gebiets zu treffen.
Dies ist eines der seltenen Telegramme Trotzkis an Stalin. Sie bemühten sich, einander nicht zu bemerken. Ihre gegenseitige Feindseligkeit entstand schon kurz nach ihrer Bekanntschaft.
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Stalin empfand Trotzki als Menschewiken. Stalin mißfielen Trotzkis Selbstsicherheit, seine Beredsamkeit, seine Fähigkeit, sich darzustellen und seine Autorität. Stalin war es womöglich ein Dorn im Auge, daß der Vorsitzende des Revolutionären Kriegsrats der Republik in Sonderzügen zu den Fronten gefahren wurde, und das in Begleitung eines und manchmal zweier Panzerzüge und einer Spezialeinheit von in Leder gekleideten jungen Rotarmisten. Stalin provozierte der Komfort, mit dem Trotzki sich umgab. Und tief in seiner Seele beneidete und haßte er den Widerpart.
Als Trotzki verkündete: »Man kann die Armee nicht ohne Repressalien aufbauen; man kann nicht Menschenmassen in den Tod führen, ohne die Todesstrafe im Arsenal zu haben«, verurteilte Stalin diese Haltung nicht. Sie war ganz in seinem Sinn. In kritischen Situationen griff er selbst zu solchen Methoden, und nicht nur er. Am 12. Mai 1920 berichtete ein Mitglied des Revolutionären Kriegsrats der Südwestfront:
»An den Vorsitzenden des Revolutionären Kriegsrats der Republik,
Genossen Trotzki.
An der Front der 14. Armee kam es zur schändlichen Flucht einiger Einheiten während der Angriffe der polnischen Armee. Es ist Befehl gegeben worden, jeden zehnten der Deserteure zu erschießen.
Bersin«Der Bürgerkrieg war grausam. Stalin fackelte nicht lange, wenn er überzeugt war, daß Feinde vor ihm standen. Wie sich der bereits erwähnte Nossowitsch, der ehemalige Chef des Stabes des Nordkaukasischen Militärbezirks (der später zu den Weißen überlief), erinnerte, zögerte Stalin nicht, wenn er davon überzeugt war, daß Feinde vor ihm standen. So wurden in Zarizyn der Ingenieur Alexejew, zwei seiner Söhne und einige ehemalige Offiziere verhaftet und der Mitgliedschaft in konterrevolutionären Organisationen beschuldigt. Das Urteil Stalins war lakonisch: »Erschießen!« Die Gefangenen wurden ohne Gerichtsverfahren an Ort und Stelle hingerichtet. Das alles erzeugte in Stalin keine Skrupel, denn er glaubte fest an die Notwendigkeit und Wirksamkeit solcher Bestrafungsaktionen.
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Auf der Sitzung des ZK vom 25. Oktober 1918 wurde auch ein Brief Stalins erörtert, in dem er über die Sabotage der Versorgung der 10. Armee berichtet. Entschlossen forderte Stalin, den Frontkommandierenden und die Kriegsratsmitglieder einem Kriegsgericht zu übergeben. Die Sitzung des ZK, in der Swerdlow den Vorsitz führte, beschloß dagegen, daß niemand vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden sollte, sondern daß Awanesow der Auftrag erteilt werde, eine Untersuchung durchzuführen und über deren Ergebnisse dem ZK zu berichten. Stalins Ansinnen wurde zurückgewiesen.
Als Stalin seine Macht und Fähigkeit spürte, Vorgänge von lokaler, aber deswegen nicht geringer Bedeutung zu beeinflussen, begann er in einer Reihe von Fällen seinen Charakter zu offenbaren, der später zu einer der Quellen des Leids werden sollte. Stalin war hart, grob und ungeduldig. Für ihn war es nicht nur wichtig, seinen Standpunkt durchzusetzen, sondern auch, seinen Opponenten zu erniedrigen. Statt geduldig die Argumente abzuwägen, war Stalin unnachgiebig bis hin zur Wut.
Stalin rief sofort die Hilfe und Autorität Moskaus herbei, sobald ihm jemand widersprach. Er forderte Direktiven der Regierung in seinem Sinn und bezweifelte die Glaubwürdigkeit des jeweiligen Widerparts. Fast alle, mit denen Stalin während des Bürgerkriegs in Konflikt geriet - und ihrer waren viele -, mußten später teuer dafür büßen. Wie gesagt, Stalin war nachtragend.
Nachdem Stalin ziemlich lange Mitglied des Revolutionären Kriegsrats der Südwestfront war, knüpfte er einen recht engen Kontakt zu Alexander Iljitsch Jegorow und sprach mit ihm bald eine gemeinsame Sprache. Jegorow wurde später Marschall der Sowjetunion und ein bedeutender Militärführer. Mit Wissen und Billigung Stalins wurde er Opfer der blutigen Säuberung in den dreißiger Jahren. Auf einen Brief Jegorows, in dem dieser Stalin um Gnade bat, reagierte der »Führer« nicht, obwohl Jegorow ihn daran erinnert hatte, daß sie während des Bürgerkriegs »die Suppe aus einem Teller löffelten«.
Viele Jahre zuvor aber hatte es eine Situation gegeben, in der Stalin für Jegorow eingetreten war (ein außerordentlich seltener Fall!). Trotzki hatte in Moskau dessen Ablösung als Frontkommandierender vorgeschlagen, weil ihm Mißerfolge an der Krimfront angelastet wurden. Man fragte Stalin nach seiner Meinung. Seine Antwort überschritt weit den Rahmen des üblichen:
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»Moskau, ZK der KPR(B), Genossen Trotzki.
Ich bin entschieden gegen die Ablösung Jegorows. Der Kandidat für den Posten, Uborewitsch, ist noch nicht reif genug für eine solche Position; und schon gar nicht Kork, der als Frontkommandeur wohl kaum in Frage käme. Die Krim haben Jegorow und der Oberkommandierende zusammen verschlafen, denn der Oberkommandierende war in Charkow, und zwei Wochen vor dem Abmarsch Wrangels fuhr er nach Moskau, ohne den Zerfall der Krimarmee zu bemerken. Wenn es nun so unumgänglich ist, jemanden zu bestrafen, dann sollte man beide bestrafen. Ich bin der Meinung, daß wir zur Zeit keinen Besseren als Jegorow finden können. Es wäre nötig, den Oberkommandierenden auszutauschen, der zwischen äußerstem Optimismus und äußerstem Pessimismus schwankt, sich ständig in Widersprüche verwickelt und den Frontkommandierenden mit hineinzieht, ohne irgend etwas Positives geben zu können.
14. Juni 1920, Stalin«
Wahrscheinlich verteidigte Stalin Jegorow nur deshalb, weil der Vorschlag, ihn abzulösen, von Trotzki stammte. Und was die anbelangt, die »die Krim verschlafen haben«, so war Stalin unter ihnen. Schon 1920 fühlte sich Stalin stark genug, dem Oberkommandierenden Sergej S. Kamenew nachzusagen: Er »verwickelt sich in Widersprüche«. Moralische Unzulänglichkeit war schon seit langem zu einem Lebensattribut Stalins geworden. Je mehr sich seine Position verbesserte, um so mehr wurde diese Unzulänglichkeit zu einer gefährlichen und unheilbringenden Eigenschaft. Wenn man die Biographie dieses Mannes betrachtet, fragt man sich: Besaß er so etwas wie eine Vorstellung von Gewissen?
Stalin lernte im Bürgerkrieg nicht nur Jegorow kennen, sondern auch viele andere sowjetische Heerführer, die die Revolution hervorgebracht hatte: Michail Wassiljewitsch Frunse, Michail Nikolajewitsch Tuchatschewski, Jeronin Petrowitsch Uborewitsch, August Iwanowitsch Kork und andere. Nach den ersten großen Erfolgen im Krieg gegen Polen erlitt die Rote Armee im Jahr 1920 eine ernsthafte Niederlage. Fast zwanzig Jahre später beschuldigte Stalin Jegorow, Tuchatschewski und andere Heerführer der »verbrecherischen Verzögerung, verbunden mit verräterischen Absichten«. Es kam ihm nicht einmal in den Sinn, daß auch er als Mitglied des Revolutionären Kriegsrats die volle Verantwortung sowohl für die Erfolge als auch für die Niederlagen der Armeen trug.
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Am 2. August 1920 beschloß das Politbüro des ZK der KPR(B), den Krimabschnitt der Südwestfront zur selbständigen Südfront zu machen. Der Kriegsrat der Front schlug vor, der Westfront die 12., 14. Armee und die l. Reiterarmee zuzuordnen. Es gelang nicht, diese Operation schnell durchzuführen. Am 13. August berichteten Jegorow und Stalin dem Oberkommandierenden, daß die betreffenden Armeen sich im Kampf im Rayon von Lwow und Rawa Russkaja befänden und daß eine Veränderung der Aufgabenstellung der Armeen unter den gegebenen Umständen unmöglich sei.
Als der Oberkommandierende Kamenew dem Kommandierenden der Südwestfront befahl, die 12. Armee und die 1. Reiterarmee abzugeben, weigerte sich Stalin, die Abtretung dieser Armeen an die Westfront zu unterschreiben. Lediglich das Mitglied des Kriegsrats Jan A. Bersin unterschrieb die Direktive. Während die Diskussionen darüber andauerten, verging viel Zeit, und schließlich war es zu spät.
Der Abzug der 1. Reiterarmee aus Lwow begann erst am 10. August, und sie konnte der Westfront nicht mehr rechtzeitig zu Hilfe kommen. Selbstverständlich liegt die Schuld für diesen strategischen Fehler beim Revolutionären Kriegsrat der Republik, beim Oberkommandierenden und bei den Kommandierenden der Front. Stalin war zwar bereits am 5. August mit der Abtretung von drei Armeen an die Westfront einverstanden, aber er hat im entscheidenden Augenblick die Sache derart verzögert, daß schwerwiegende Folgen entstanden. Stalin selbst hatte den Vorschlag zur Abtretung gemacht, jedoch keinerlei Anstrengungen unternommen, ihn zu realisieren. Er war in gleichem Maße für den Mißerfolg verantwortlich wie Trotzki, Tuchatschewski, Jegorow und andere. Natürlich hat Stalin nicht einmal daran gedacht, dies einzugestehen. In ihm entwickelten sich damals schon Ansätze der »Unfehlbarkeit«.
Es ist charakteristisch, daß später die Militärbiographen, die Stalins »besondere Verdienste« hervorhoben, im Zusammenhang mit den strategischen Verschiebungen an der Süd-, Ost- und Nordwestfront niemals Stalins Rolle im polnisch-sowjetischen Krieg erwähnen. Von einer positiven Seite konnte er sich dort nicht zeigen.
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Abstrahiert man von all den furchtbaren und unverzeihlichen Taten, die Stalin vollbracht hat, und nimmt man Abstand von der Annahme, er sei von Geburt an ein »Bösewicht« gewesen, so kann man bestätigen, daß Stalin während des Bürgerkriegs bestimmte Verdienste erlangt hatte. Aber dies waren wiederum nur die Verdienste eines Beauftragten.
Seit Beginn der Revolution saß Stalin nun in höchsten Parteiorganen, zunächst im Büro des ZK, darauf im Politbüro und im Organisationsbüro. Allmählich und fast unbemerkt festigte sich sein Status, besonders gegen Ende des Bürgerkriegs. Er war zu einem der wichtigsten Mitglieder des führenden Parteikerns geworden.
Eine aufmerksame Analyse von Stalins Tätigkeit zu jener Zeit zeigt, daß er anderen Parteiführern nach wie vor weit unterlegen war. In Fragen der Theorie war er nicht mehr als ein Popularisator. Niemand konnte von ihm sagen, er sei eine »Seele«, ein »guter Mensch«. Positive moralische Eigenschaften waren Stalin nicht gegeben. Aber er hatte etwas anderes, was Sinowjew, Kamenew, Trotzki, Rykow, Tomski, Bucharin und andere Führer der Revolution nicht hatten: Unerwartet für viele, entwickelte Stalin eine enorme Zielstrebigkeit und die Fähigkeit, konkrete Ideen zu verwirklichen. Bei der Durchsetzung der von der Führung gesetzten Ziele hinterließen sein Wille, sein Elan, seine Härte und seine Entschlossenheit einen starken Eindruck auf die, die mit ihm arbeiteten.
Man darf nicht übersehen, daß Stalin sich vor allem in den Jahren des Bürgerkriegs zu einer Führungspersönlichkeit entwickelt hat. Er hatte an der Macht gekostet, verstand ihren inneren Mechanismus und war überzeugt davon, daß Druck, im rechten Augenblick angewendet, die erwünschten Resultate bringe.
Unter den Parteiführern waren auch viele Intellektuelle – »Schriftsteller«, wie Stalin Ende der zwanziger Jahre sarkastisch bemerkte. Stalin hat über dieses Thema niemals öffentlich gesprochen. Vor allem deshalb, weil Lenin ebenfalls »Intellektueller«, »Schriftsteller« und »Emigrant« war. Doch das Genie dieses Menschen war derart groß, daß Stalin, auch nachdem er später die Konzeption des »zweiten Führers«, der immer »mit Lenin« gewesen sei, entworfen hatte, niemals persönliche Ausfälle gegen den wirklichen Führer der Partei und der Revolution zuließ.
Wenn Lenin Stalin kritisierte (etwa wegen der Fragen der »Autonomie« und des Außenhandelsmonopols oder im Zusammenhang mit militärischen Dingen), so gab Stalin in der Regel Lenin sofort recht. Lenin besaß eine unbegrenzte geistige »Macht« über Stalin.
Die »Intellektuellen« in der Parteiführung, die »Leninsche Garde«, haben im entscheidenden Moment nicht erkannt, wer Stalin wirklich war, und sie haben es zugelassen, daß ein Mensch mit diktatorischen Neigungen die Macht in der Partei und im Staat usurpierte. Sie alle hielten sich für Leninisten, doch als es darauf ankam, erwiesen sie sich als unfähig, den Letzten Willen des einzigen Führers unserer Revolution zu erfüllen.
Wie und warum ist das geschehen?
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