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   Zu Aktionen und Organisationen zur Umwelt   

Zirnstein-1994

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Immer wieder wird an die Verantwortung appelliert, an die Tat des einzelnen, an das nötige Umdenken. Von unten kann und wird das ökologische Umdenken nicht allein kommen und kommen können. Die Verantwortlichen werden auch die wesentlich größere Verantwortung tragen müssen gegenüber dem "kleinen Mann". Da helfen die schönsten Worte nicht.

Um in großem Maßstab Erfolge zu erzielen, ist internationale Zusammenarbeit erforderlich. Es geht eben nicht, einen Deich nur für ein Dorf bauen zu wollen (Meyer-Abich 1991, S. 85). Industrieabgase lassen sich nicht an Ländergrenzen aufhalten. Die Säuerung von Gewässern und Waldboden in irgendeiner Region, so in Norwegen und Schweden, muß ihre Ursachen nicht im eigenen Territorium haben. Die großen Wälder der Erde, wohl nicht nur die Regenwälder, beeinflussen bis zu einem gewissen Grad weltweit das Klima und auch die Eigenschaften der Atmosphäre. Sichere Kernkraftwerke in Westeuropa bieten keine Sicherheit gegen Unfälle von Atomreaktoren anderswo. 

Internationalität aber würde nicht nur manches neue Denken bei manchem Politiker erfordern, sondern auch bei einfachen Menschen. Anstatt die Erde als ein weites, unerschlossenes Feld zu sehen, gilt es eine "Raumfahrer-Ideologie" auszubilden. Man muß sich der Begrenztheit des Raumes auf dem Raumschiff Erde bewußt sein und eine effiziente  Nutzung der Ressourcen, ja ihre Wiederverwendung zum Ziel stellen und die Zahl der Besatzungs­mitglieder den Bedingungen anpassen.

Die Zahl erlassener Gesetze gegen einzelne Schadfaktoren ist bereits groß. Grenzweite für die Luft- und Wasserbelastung wurden in allen europäischen Staaten und anderswo festgesetzt. Der Immissions­schutz begann in Deutschland mit strengen Bestimmungen 1972. Dennoch gingen Waldzerstörung und andere Schäden weiter und zeugten von der Unzulänglichkeit vieler Maßnahmen. In den einstigen sozialistischen Staaten wurden gar beeindruckende Grenzwerte für viele Schadstoffe festgelegt, deren Einhaltung wohl niemals ernsthaft erwartet wurde.

Internationale Konferenzen über Umweltprobleme, oft im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO), wurden häufig wegen ihrer Ineffizienz kritisiert. Aber auch wenn noch viele Fragen offenblieben, sind inter­nationale Konferenzen notwendig, damit die Öffentlichkeit von den großen Menschheitsproblemen Kenntnis erhält und eine länderübergreifende Zusammenarbeit zustande kommt.

In der Forschung über die Geschehnisse auf der Erdoberfläche war schon das <Internationale Geophysikalische Jahr> (International Geophysical Year) 1957 bedeutungsvoll.

Einen bedeutsamen Auftakt bildete 1972 die <Umweltkonferenz in Stockholm>. Zu Recht wird gerade diese Konferenz heute wegen ihrer unverbindlichen Empfehlungen und ihrer zu nichts verpflichtenden Entschließungen kritisiert. Aber ein Auftakt war sie doch.

Im Jahre 1974 gab es die Weltbevölkerungskonferenz in Bukarest und die Welternährungskonferenz in Rom. In Nairobi folgte 1977 eine UN-Konferenz über das Vordringen der Wüsten. Im Jahre 1979 wurde eine als wichtig eingeschätzte Weltklimakonferenz nach Genf einberufen (Wilfrid Bach 1984), 1988 fand eine Weltklimakonferenz in Toronto statt. 


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Bei der UNO wurde 1983 die <World Commission on Environment and Development> (WCED) gegründet, mit 23 Kommissionsmitgliedern aus 22 verschiedenen Staaten, an deren Spitze die norwegische Ministerpräsidentin BRUNDTLAND stand (CLARK 1989), mit JIM MACNEILL als secretary general (MACNEILL 1989). Die Kommission organisierte öffentliche Anhörungen in verschiedenen Teilen der Welt, in Moskau wie in Jakarta, Sao Paulo, Oslo, Harare oder Ottawa und nahm Kontakt mit Tausenden von Personen und Experten auf. 

Im Juni 1992 folgte die große Umweltkonferenz in Rio de Janeiro. An ihr nahmen wie in Stockholm Mitglieder der Regierungen, auch Präsidenten und Ministerpräsidenten teil. JOSE ANTONIO LUTZEN­BERGER, abgelöster Umweltstaatssekretär von Brasilien, nannte diese Konferenz das "wichtigste Ereignis in der Geschichte der Menschheit". Viele Menschen sind von den Ergebnissen der Rio-Konferenz allerdings auch enttäuscht gewesen.

Glücklicherweise hat die Entwicklung in der Sowjetunion die oft unüberbrückbar stur festgehaltenen Meinungsunterschiede zwischen Ost und Welt zum Verschwinden gebracht, und es wird nun vor allem über Sachfragen gesprochen. Internationale Vereinbarungen gibt es über den Schutz der Wälder, die Senkung der CO2-Emission, die Senkung und schließlich Beendigung der Produktion von ozonzerstörenden Fluorkohlenwasserstoffen. Die Einhaltung dieser Vereinbarungen steht jetzt auf der Tagesordnung.

Zahlreiche Forschungsinstitutionen und Untersuchungsstationen in fast allen Staaten, wenn auch ungleich verteilt, überwachen ebenso wie die Satelliten die Umwelt. Das "Monitoring" ist viel höher entwickelt als die Abhilfe. Allerdings fehlt es bei der Umweltforschung selbst innerhalb eines Landes manchmal noch an Koordinierung. Reichere Länder haben wohl die selbstverständliche Pflicht, bei der Umweltüberwachung voranzugehen.

Das MIT, das "Massachusetts Institute of Technology", regte im Sommer 1970 eine "Study of Critical Environmental Problems" an (JOHNSTON 1971), um bisher unbeachtete Gefahren in der Umwelt zu erkennen. Durch jährliche Berichte über den Zustand der Welt macht das privat finanzierte "World Watch Institute" in Washington unter Lester Brown von sich reden.


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Versuche, den Schutz der Erde, der Umwelt, auch durch energische Aktionen voranzubringen, gab es etliche. 

Als auf Aktionen ausgerichtete Umweltorganisation entstand 1971 Greenpeace, die bald von dem Kanadier David Taggart geführt wurde (Streich 1987). Es begann mit Aktionen gegen die Kernwaffen­versuchsexplosionen der USA vor Alaska. Im Jahre 1973 folgten die Protestfahrten gegen die französischen Kernwaffen­versuche auf dem Mururoa-Atoll. Mit Aktionen wie <Stoppt die Dünnsäureverklappung> in die Nordsee, <Rettet die Wale> 1974, <Stoppt Atomtests> hatte Greenpeace durchaus Resonanz in der Öffentlichkeit gefunden.

Bilder von kleinen Greenpeace-Booten vor großen Kriegsschiffen, Besetzer auf Abgase verbreitenden Schornsteinen und andere spektakuläre Aktionen brachten außer Sympathie ein aus Spenden stammendes Budget von zeitweise 60 Mio. DM ein. Ein bemerkenswertes Unternehmen war auch das gegen den Transport gefährlicher Chemikalien, des Tetraäthyl- und Tetramethylblei für Benzin, die im Februar 1985 von Frankreich nach Südamerika gebracht werden sollten.

Aber besonders seit dem Beginn der 90er Jahre des 20. Jh.s war auch Umdenken gefragt, sinnvolles Weiterwirken, sinnvolles Anlegen des Geldes. Für die altgedienten Aktionisten wurde da auch von Schwierigkeiten berichtet (KLEINE-BROCKHOFF 1991). "Greenpeace" geriet deshalb zeitweise in Mißkredit. Schließlich muß es um sinnvolle, nicht andere Schäden auslösende Maßnahmen gehen. Zu viele geschützte Elche in Skandinaviens Wäldern zerstörten den Nachwuchs an Bäumen. Der einst notwendige Schutz von Seehundbeständen vor der Küste Grönlands führte zu einer solchen Zunahme, daß berechtigte wirtschaftliche Interessen der dortigen Bewohner gefährdet erschienen.

Eine andere aktive Umweltschutzbewegung war und ist Robin Wood. Andere Umweltaktivitäten wirken in einzelnen Städten, so der <Ulmer Initiativkreis für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung> (UNW), der Leipziger Ökolöwe, der Wuppertaler <Kiwi>, in Trier <Naret> (VORHOLZ 1995b).

Der in London lebende Wissenschaftler und Publizist JACOB VON UEXKÜLL stiftete 1980 einen <Alternativen Nobelpreis>. Er wird vergeben von der von ihm begründeten Stiftung <Richtiges Leben> (Right Livelihood Award) für ungewöhnliche, bisher nicht recht ernst genommene Aktivitäten zugunsten des Umweltschutzes. Dieser Preis soll nicht etwa ernsthaft den Nobelpreis ersetzen. Er soll nur dort vernachlässigte Aktivitäten zugunsten der Umwelt erfassen. Am 9. Dezember 1991 wurden mit dem <Alternativen Nobelpreis> Landreformer aus Brasilien, Atombombengegner im Pazifik und eine gegen ein Staudamm­projekt protestierende Umweltschutzbewegung in Indien ausgezeichnet.

Es gab vor einigen Jahren auch einen Appell bedeutender Wissenschaftler, vereinigt in der <Union of Concerned Scientists> (UCS) zur Warnung vor den Umweltproblemen, gerichtet an die Wissenschaftler in der Welt, und von den Medien fast verschwiegen (Auskunft von Prof. RIECKERT, Karlsruhe, 1995, mündlich).

Zu den 1670 Unterzeichnern gehörten 104 Nobelpreisträger, die Mehrheit der zur Zeit des Appells noch lebenden Nobelpreisträger. Die Unterzeichner repräsentieren 71 Länder, unter ihnen 12 in Afrika und 12 in Latein­amerika. Zu den Unterzeichnern gehörten, um für den Kenner wenige Namen auszuwählen, W.Arber, H.Bethe, N.Borlaug, A.Butenandt, M.Eigen, D.Glaser, S.Gould, S.Hawking, D.Hodgkin, J. Kendrew, E. Mayr, M. NIRENBERG, G. PALADE, L. PAULING, G. PORTER, I. PRIGOGINE, F. SANGER, G. SEABORG, R. SPERRY, S. TONEGAWA, J. WATSON, V. WEISSKOPF, T. WIESEL, E.O.WILSON.

Alle Parteien in Deutschland haben die Notwendigkeit des Umweltschutzes erkannt und unternehmen auch etliches. Aktions­vereine wie <Greenpeace>, auch die <Grünen>, sind dadurch teilweise in Sinnkrisen gekommen. Die Versachlichung der Diskussion sollte wohl eher begrüßt als bedauert werden.

Es wurde auch gesagt - formuliert etwa von dem Historiker Eric Hobsbawm (1995) -, daß die grüne Politik - sachlich eine völlig gerechtfertigte Politik - die Politik jener ist, die sich nicht um die eigene Existenz sorgen müssen.

Die Industrie hat zahlreiche Anmahnungen für Umweltschutz durchaus ernst genommen. Der Schweizer Unternehmer und Millionär Stephan Schmidtheiny (MÖNNINGER 1992) forderte, daß nur umweltschonende Unter­nehmer tätig sein sollen, zumal Umweltschutz sich auf die Dauer auszahlen würde. Die Industrie stehe vor der ökologischen Revolution. Dabei werde es auch noch gewaltige Verteilungskämpfe geben, aber, so meinte Schmidtheiny:

"Noch können wir frei entscheiden, wieviel Opfer wir bringen wollen, ohne allzu große Brüche. Je länger wir warten, desto größer werden die Schmerzen sein ... Wenn es möglich ist, einer Milliarde Menschen die Wettkämpfe und Wertordnungen der Olympischen Spiele in die Stube zu bringen, kann man das mit dem ökologischen Bewußtsein auch tun".

In den Schulen, den Hochschulen und auch in der Erwachsenenbildung vieler Staaten werden den Umweltproblemen und dem Umweltschutz immer mehr Platz eingeräumt. So wird in jedem Jahr am 24. April in den USA der <Earthy Day> begangen, zu dem 1970 der Naturschützer Gaylord Nelson, damals Senator in Washington, erstmals aufgerufen hatte.

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Gottfried Zirnstein 1994