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Gedenken wir eines großen Menschen - Erinnerung an Rudolf Bahro

Veröffentlicht in Zeitschrift <Politische Ökologie> März 1998  

 oekom.de/zeitschriften/politische-oekologie.html  

und im Buch "Arbeit an der Zukunft". S. 223-225

 

223-225

Rudolf Bahro, geboren am 18.11.1935 zu Bad Flinsberg in Schlesien, hat uns letztes Jahr nach langer und harter Krankheit verlassen. Die letzten Bilder, die ich von ihm sah, zeigten den silbrigen, abgezehrten und leuchtenden Kopf eines Heiligen. Und wenn ich je einen pfingstlichen, einen auf die letzte Erleuchtung zueilenden Menschen getroffen habe, dann war es er.

Dabei war er gläubiger Kommunist gewesen, einer von denen, die die Chance eines sozialistischen Staates ernst nahmen — als Journalist, als Refa-Mann in der Industrie, als politischer Leiter. Aber er nahm sie zu ernst, und das brachte ihm schon 1967 erste Rüffel ein. Das Jahr 1968 machte ihn endgültig zum kritischen Analysten der realsozialistischen Verhältnisse, und 1977 ließ er ganz bewußt seinen Sprengsatz hochgehen: das Buch <Die Alternative>.

Es enthielt eigentlich drei Bücher: eine handfeste Untersuchung diverser konkreter Ungereimtheiten, eine fulminante Rettung Marxens vor den Angriffen Bakunins auf den »preußischen Kasernensozialismus« (den Bahro dann im eigenen Land verwirklicht sah) und ein letztes Drittel, in dem das Problem der Nachhaltigkeit in Freiheit voll in den Vordergrund trat. Das Buch kostete ihn zwei Jahre Gefängnis, ehe er 1979 in die BRD abgeschoben wurde — ich habe in einem Bändchen SOLIDARITÄT FÜR BAHRO vielleicht daran mitgewirkt.

Er hat es mir gedankt, indem er im ersten West-Interview bestätigte, daß ich ihn wohl richtig als GRÜNEN taxiert habe. Wir verstanden uns eigentlich sofort ziemlich gut. Was uns unterschied, war seine Ungeduld: Schulter an Schulter redeten wir auf dem Gründungskongreß der GRÜNEN auf die sturen K-Gruppen ein, aber 1985 ging er uns durch — die Partei schien ihm zu mickrig für das unbedingt Notwendige: den Stopp, den totalen Stopp der Mega-Maschine.

Er rannte fast schneller, als er mitdenken konnte, ging 1983 nach den USA zu Bhagwan, lernte dort alles über die Körperzentren des Yoga und baute das in sein nächstes großes Buch ein — die <Logik der Rettung>, in der er auf den Großen PRINCIPE hoffte (und ihn in Michail Sergejewitsch zu finden glaubte ...). 

Er ging in eine Lernwerkstatt in der Eifel, er kehrte 1989 sofort in die Ex-DDR zurück, die er als »sein Land« begriff, bekam einen bescheidenen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität und tüftelte mit Biedenkopf alternative Projekte in Sachsen aus.

Nie, auch in den schweren Jahren der Krankheit nicht, verließ ihn seine Unbedingtheit — aber er hielt auch unbeirrt an einem optimistischen Menschenbild fest: im Grunde glaubte er an den Heiligen Geist, und er versuchte so zu leben, wie es seinen Gesichten entsprach.

Schließen wir mit einem Text von Lau-Dse, den er in der <Alternative> zitiert — einer großen Kritik der ersten großen Arbeitsteilung, mit der er sich schon damals identifizierte:

Verloren ging das Große Dau — Güte und Rechtschaffenheit entstand. 
Hervortrat die Klugheit, die große Heuchelei entstand.
Zerrissen war die Sippe, der Familiensinn entstand.
In Wirrnissen zerfiel der Staat, der treue Minister entstand ...
Gnade und Ungnade, Angst machen sie beide.
Gnade gilt dem Tieferstehenden: 
Ängstlich empfängt er sie, 
Mit Angst verliert er sie —

224-225

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