Peter Bürger
Bildermaschine
|
|
2007 216 Seiten Bing.Buch detopia |
Inhalt Inhalt.pdf Vorwort.pdf
Vorwort (1)
1. Gewöhnung an den Ausnahmezustand und Fortschreibung des Programms »Krieg« (3)
2. Culture of War: Digitales Zeitalter und massenkultureller Krieg (11)
3. Ein Überblick zur Filmarbeit des Pentagon (32)
4 Zur Kritik des kriegssubventionierenden Films (46)
5 Kinderfilme und PC-Spiele für den Krieg (59)
6 Batmans Rüstungsfirma, Krieg der Welten und Endzeit (68)
7 »Hitler war’s«: Deutsche Geschichte, Transformation der Bundeswehr und neuer Weltkriegsfilm (78)
8 Afrika oder: Die Aufrüstung der reichen Weltzentren im Dienste guter Taten (91)
|
9 Atomschläge sechzig Jahre nach Hiroshima und Nachzügler des Kalten Krieges (99)
10 Antiislamischer Kulturkampf und »Antiterrorkrieg« (112)
11 Exkurs: Gegenkultur zur evangelikalen Aufrüstung und Kritik am Bushismus? (125)
12 Sahara (2005): US-amerikanische Identitätsfindung in der Wüste (134)
13 Die Golfkriegsveteranen: Irak, Vietnam-Vergleiche und Heimkehrerfilme (138)
14 Der erste Golfkriegsfilm, die Suche nach einer passenden Popkultur und das »Hadji Girl« (149)
15 Nine Eleven im Kino (159)
16 Syriana (2005): Im Visier der Ölmafia? (175)
17 Stealth (2005): Neue Luftkriege und ein pseudomoralischer Diskurs über den Krieg der Zukunft (180)
18 »Top Gun auf französisch«: Staatlich gesponserte Ritter der Lüfte gegen den Terrorismus (189)
19. Was können wir als Bürger und Konsumenten tun? (192)
20 Literatur (195) 21 Filmografie (203)
|
Vorwort 2007 von Peter Bürger
Kein Produkt erfordert ein so geschicktes Marketing wie eines,
das gewaltige Mengen an Ressourcen verschwendet und
dabei eine große Anzahl von Menschen abschlachtet.
(Norman Solomon und Reese Erlich)
1
Zu den Rüstungssektoren des modernen Krieges zählt ein Zweig, der in den offiziellen Rüstungsetats gar nicht auftaucht und doch unverzichtbar ist. Es handelt sich um die industrielle Bildermaschine für den Krieg, deren einflussreichstes Zentrum gemeinhin einfach »Hollywood« genannt wird.
Der Hollywood-Komplex fungiert innenpolitisch und bei der Durchsetzung der globalen Interessen der Vereinigten Staaten als kultureller Arm der Macht. Seine Produkte dominieren seit Jahrzehnten den weltweiten Markt, prägen den Publikumsgeschmack und finden – nicht nur in der westlichen Welt – Nachahmung durch mehr oder weniger epigonale Unternehmungen.
Das massenkulturelle Standbein des US-amerikanischen Militarismus stützt den Krieg und trägt so zur Sicherung bestehender Besitzverhältnisse bei.
Es hat sich erst im Zuge des Zweiten Weltkrieges voll entfaltet und ist seitdem schrittweise aufgerüstet worden. Schon deshalb kann die Kritik am Kulturbellizismus der Vereinigten Staaten nicht mit der reaktionären antiamerikanischen Kulturkritik der 1920er Jahre in einen Topf geworfen werden.
Woher kommt die Besessenheit, mit der sich das US-Kino dem Krieg widmet?
Die Ursprungsgeschichte der Vereinigten Staaten von Amerika ist nicht gewalttätiger als die vieler anderer Staaten. Zu ihr gehören wegweisende Zivilisationsideen und ein besonderer multikultureller Reichtum. Der im 20. Jahrhundert zutage getretene Militarismus sollte deshalb nicht pauschal als »Wesensmerkmal« von US-Amerikanismus betrachtet werden. Seine Wurzeln, zu denen allerdings schon der Civil War gehört, sind vielmehr sehr genau in ökonomischen Zusammenhängen auszumachen.
Krieg ist ein äußerst profitträchtiges Geschäft, gleichzeitig jedoch in den Augen der allermeisten Menschen kein attraktives Produkt. Deshalb erfordert der Krieg, wie Norman Solomon und Reese Erlich schreiben, mehr als alle anderen Produkte ein geschicktes Marketing (Boggs/Pollard 2007, S. 229). Die USA sind Pioniere der Produktwerbung im Kapitalismus und Vorreiter für das moderne Kriegsmarketing. Dem System – und nicht den in ihm lebenden Menschen – kommt die zweifelhafte Ehre zu, eine militarisierte Filmindustrie mit globaler Wirksamkeit und Subunternehmern in aller Welt hervorgebracht zu haben. Den Visualisierungen des modernen Krieges wird in neueren Veröffentlichungen intensiv nachgegangen (Paul 2004; Süselbeck 2006).
Die Friedensforschung widmet den Informationsmedien seit Ende des letzten Jahrhunderts eine verstärkte Aufmerksamkeit. Der Bereich der Unterhaltungsproduktionen, die das Zentrum der militarisierten Kultur bilden, wird in seiner Bedeutsamkeit allerdings noch immer unterschätzt. Diejenigen, die nicht zu den Konsumenten von »Militainment« gehören, nehmen ihn zumeist gar nicht richtig wahr. Der Gegenstand ist unappetitlich und schreckt schon durch seine Quantitäten ab.
Die Flut der massenkulturellen Produktionen für den Krieg ist schier unübersehbar und lässt sich keineswegs nur auf das klassische Kriegsfilmgenre eingrenzen. Wer wäre für eine Sichtung überhaupt zuständig? Die politische Kritik scheut sich, der Filmwissenschaft und Kunstkritik ins Gehege zu kommen. Auf der anderen Seite sind filmwissenschaftliche Arbeiten, die interessegeleitet vom Friedensstandpunkt ausgehen, nicht sehr zahlreich.
Ich selbst bin auf die kriegsförderliche Funktion von Filmfiktionen erst Anfang 2002 aufmerksam geworden. Anlässlich des ersten Deutschlandsbesuchs von US-Präsident George W. Bush jun. wollten wir – Mitglieder der Düsseldorfer Friedensbewegung und der Betreiber eines Programmkinos – »kritische Vietnam-Filme« aus den Vereinigten Staaten zeigen.
Als Ideengeber für dieses Dialogprojekt hatte ich vorlaut Optimismus verbreitet. Die Vorbereitung erwies sich hingegen als ziemlich desillusionierend. Das Ausmaß an Militarisierung, das besonders die Sortimente der kommerziellen Videotheken aufwiesen, überstieg die schlimmsten Erwartungen.
Dieses wurde ausschlaggebend für den Plan, das Thema »Kriegskino« gründlicher zu erforschen. 2005 ist dann meine umfangreiche Studie Kino der Angst – Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood zum Kriegskino der letzten zwei Jahrzehnte erschienen. Dieses neue Buch »Bildermaschine für den Krieg« knüpft daran an und erschließt als Fortschreibung vor allem Titel, die seit Beginn des Irak-Krieges auf den Markt gekommen sind.
Über die Filmförderung des Pentagon, die ein Schwerpunktthema der ersten Arbeit ist, informiert das dritte Kapitel auf der Grundlage eines Telepolis-Artikels (Bürger 2005c) in Form eines Überblicks. Dem eigentlichen Filmteil gehen auch eine friedenspolitische Lagebeschreibung, grundsätzliche Überlegungen zur Massenkultur des Krieges und methodische Vorschläge zur Kritik des kriegssubventionierenden Films voraus.
In einigen Kapiteln greife ich auszugsweise auf weitere Beiträge zurück, die im Online-Magazin Telepolis erschienen sind und dort vollständig nachgelesen werden können. Filmproduktionen, für die eine militärische bzw. staatliche Assistenz nachweisbar ist, werden auf den folgenden Seiten stets mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
2
#