Teil3   Feuer 1994   mit Anmerkungen von OD, 2005.   

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Was ist Faschismus, was Ökofaschismus?

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Faschismus, wie zum Beispiel der deutsche von 1933 bis 1945, ist die extreme Herrschaftsform des Kapitalismus, in dem er als Möglichkeit, nicht als Zwangsläufigkeit angelegt ist. Faschismus ist die systematischste Form der Herrschaft von Menschen über Menschen. Er drängt danach, jeden Ansatz von Emanzipation einschließlich aller Organisationen der Arbeiterbewegung zu zerschlagen und die Produktion zu militarisieren mit dem Ziel der maximalen Ausplünderung und Unterwerfung der menschlichen Arbeitskraft für die Interessen des Kapitals.

Faschismus beinhaltet die biologistisch begründete Definition von »unwertem« oder »minderwertigem« menschlichem Leben. Seine eugenische Definition von Leben führt zur Annahme von biologischen Eliten. Faschismus ist ohne Rassismus — und darin als besondere Erscheinung der Antisemitismus — nicht denkbar, und er kommt ohne starken, repressiven Staat nicht aus. Dieser will die totale Kontrolle über alle, auch die privatesten Lebensäußerungen. Die Formen können sich historisch bis zur Unkenntlichkeit verwischen: vom sichtbaren Blockwart bis zur unsichtbaren, legalisierten, vernetzten High-Tech-Überwachung.

Faschismus ist eine patriarchal-kapitalistische Herrschaftsform, die militant gegen Abweichungen von herrschenden Normen vorgeht. Opfer sind zum Beispiel Schwule, Lesben oder Künstlerinnen. Das faschistische Dogma vom unwerten Leben und der höherwertigen »arischen Rasse« oder europäischen Zivilisation verbindet sich mit der Kontrolle der privatesten Lebensäußerungen im Frauenbild des Faschismus. Faschistische Herrschaft verlangt die Steuerung der Bevölkerungsentwicklung, den Zugriff auf die menschliche Reproduktion, ob in Gestalt von Zwangssterilisierung, als »arische Menschenzucht« (»Lebensborn«) oder in der modernen Gen- und Reproduktionstechnologie.

Was ist Ökofaschismus?

Im Ökofaschismus, dem ökologisch modernisierten Faschismus, erkennen wir alle genannten Elemente faschistischer Herrschaftsform, zum Teil in ökologisierten Begründungszusammenhängen, wieder: Die größte Verantwortung für die Zerstörung der Natur durch die kapitalistische Produktionsweise tragen, nach Meinung der Ökofaschisten, die Opfer eben jener Produktionsweise, die Menschen im Trikont. Sie versauen durch ihre bloße Existenz das Klima der höherwertigen, zivilisierten, weißen Menschen in Europa.

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Ökofaschisten kennen zwar Eliten und »unwertes Leben«, aber keine sozialen Klassen. In den Zentren sind »wir alle« angeblich gleichermaßen an der Zerstörung der Natur schuld. Der Mensch steht, nach Auffassung der Ökofaschisten, feindlich in der Natur und ist nicht ihr besonderer Teil. Andererseits sagen die Ökofaschisten auch, daß der Mensch kein soziales Wesen sei, sondern biologisch und genetisch bestimmt, also von den Regeln der Natur außerhalb des Menschen determiniert. Von diesen Regeln ist er angeblich so abhängig, daß die Einflüsse der sozialen Umwelt — und damit soziale Verantwortung — praktisch bedeutungslos sind.

Ökofaschistische Ideologie verlangt die Ausrichtung der gesellschaftlichen Ordnung nach den vermeintlichen Regeln »der Natur«. Die herrschende Wissenschaft richtet sich nach den Gesetzen der Kapitalverwertung, wie wir nicht nur an den Beispielen der Gen- und Reproduktions- und Atomtechnologie sehen. Naturwissenschaftlerinnen sind damit in eine Logik eingebunden, die — wenn sich die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse entsprechend entwickelt haben — auch die systematische Verwertung und Vernichtung von Menschen möglich macht. Ökofaschistische Dogmen entstehen aus oberflächlichen Beobachtungen in der nichtmenschlichen Natur und durch Übertragung dieser vermeintlich »natürlichen« oder »ökologischen« Regeln auf soziale Verhältnisse.

Ökologie wird zur ordnungspolitischen Kategorie. Aus den Regeln der menschenlosen Natur, die soziale Prozesse ausschließt, leiten Ökofaschisten ihre »Werte« ab. Aber im Gegensatz zum Menschen kennen Tiere und Pflanzen weder Selbstreflexion noch Selbstbestimmung oder gar Befreiung. Wesenselement des Ökofaschismus wird so die Unterwerfung unter die herrschenden Verhältnisse, verklärt als biologische Ordnung. Darin liegt einer seiner Berührungspunkte mit der Esoterik. Okofaschismus heißt: Stabilisierung von oben und unten, Unterwerfung des Individuums unter patriarchal-kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung. Naturschutz und

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Ökologie werden zum Kampfbegriff gegen die Emanzipation des Menschen. So sehr ÖkofaschistInnen den Raubbau an der Natur beklagen, so sehr ignorieren sie systematisch den Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft.

Der angebliche »Respekt« der ÖkofaschistInnen vor den verschiedenen menschlichen »Rassen«, vor der genetischen menschlichen Vielfalt, ist selbst blanker Rassismus und eine Voraussetzung für die Vernichtung menschlichen Lebens. Menschen unterscheiden sich nach sozialer Klassenzugehörigkeit, nach Geschlecht, nach vielfältiger Herkunft, durch ihre Geschichte, durch Erfahrungen. Das sind Unterschiede genug. Die Behauptung der Existenz verschiedener menschlichen »Rassen« war nie etwas anderes als ein ideologisch begründeter Mythos.

ÖkofaschistInnen, so sanft, biologisch anbauend und dezentral sie auch auftreten mögen, wollen den starken Staat, Eliten und die Strafandrohung für »unnatürliches« abweichendes Verhalten (von der Abtreibung bis zur Homosexualität). Die aggressive, imperialistische Expansion der »biologisch Höherwertigen« wird als wehrhafte Verteidigung gegen angebliche Menschenfluten getarnt oder als militärischer Einsatz im Trikont zum angeblichen Schutz der Natur (zum Beispiel Grünhelme).

 

Wer den Menschen als Feind der Natur sieht, minderwertige menschliche »Rassen« zu erkennen meint und die Natur vor »den Menschen« schützen will, verrät sich irgendwann mit der Sprache mörderischer Gewalt. Da werden Menschen zu »Asylantenfluten«, da bedrohen »Bevölkerungsexplosionen« und braune und schwarze »Menschenlawinen« die weiße Ordnung: biologische Elite und ökonomische Herrschaft. Der sogenannte Lebensschutz gilt stets nur für die »weiße, arische Rasse«.

Gegen zu viele minderwertige Menschen hilft — im Namen des Naturschutzes — Bevölkerungspolitik mit Zwangssterilisation, Selektion, demnächst Menschenzucht mit Hilfe der Gen- und Reproduktionstechnologie und gelegentlich Völkermord, zum Beispiel durch die kaum bekämpfte epidemische Ausbreitung von Aids unter den Ärmsten in Afrika oder notfalls die Atombombe (Gruhl).

OD: Das ist nur die Wiederholung einer vorherigen Lüge. Ich habe das an anderer Stelle schon untersucht.

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Wer leugnet, daß der Mensch ein soziales Wesen ist, wer Emanzipation verachtet und vermeintliche biologische Regeln menschlichem Verhalten aufpfropft, wer an höherwertige Menschen glaubt und deren Vermehrung aggressiv durchsetzen will, braucht Bevölkerungspolitik und die Verfügungsgewalt über die weibliche Sexualität und damit den Zugriff auf die menschliche Fortpflanzung.

So sind im Ökofaschismus ein reaktionäres Frauenbild und der sogenannte Lebensschutz nicht voneinander zu trennen. Die Gesellschaftsform, die entstünde, setzten sich ökofaschistische Positionen durch, wäre eine auch ökologisch legitimierte faschistische Diktatur, modernisiert durch die Gen- und Reproduktionstechnologie und die modernen Kommunikationstechnologien.

 

»Alle menstruierenden Frauen haben den Kreis zu verlassen«

 

Anja T. aus München fuhr zum »Sommer-Camp für Spiritualität, Ökologie und Politik - Lied der Erde - Tanz des Lebens« vom 1. bis 14. August 1988 im Wassermann-Zentrum auf der Schwäbischen Alb. Mitveranstalterin war die sogenannte grüne Bundesarbeitsgemeinschaft »Spiritualität in Wissenschaft und Politik«.547

Auf dem Programm standen »Schamanisches Wissen«, Karl Everdings »Reinkarnationsseminar«, eine Menge »Höheres Selbst«, »Rebirthing«, »Ökosophisch-meditative Betrachtungen über Sonne, Mond, Planeten, Wetter« und »Die Erde als Leib«, »Feuertanz«, »Ökogarten«. Und als einer der Höhepunkte: Tom Yellowtales »Heil- und Sonnenaufgangszeremonien«.

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Deutlicher Hinweis im Programmheft: »Tom Yellowtale nimmt für seine Arbeit keine Bezahlung, sondern nur Geschenke an. Neben Findhorn-tänzen, Hopi- und Voodoo-Kult stehen auch grüne Referentinnen auf dem Programm: Karin Zeitler (ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete548), Eva Quistorp (ehemaliges Mitglied im Bundesvorstand der Grünen und ehemalige Europa-parlamentarierin), Wolfgang Ehmke549 (grüner Amtsträger in Joschka Fischers hessischem Umweltministerium), Rainer Langhans und Rudolf Bahro. Anja T. schrieb550 mir, was sie dort erlebt hat: »Montag, 8. August 1988. Ich komme mittags im Wasser-mannZentrum an [...] Ein erster Kontaktversuch mit einer Frau, die neben meinem Zelt in der Sonne liegt, mißlingt: >Stör mich bitte nicht, ich meditiere, und stell doch Dein Zelt woanders hin. < Schade. -16.30 Uhr: Ich gerate durch Zufall in Karl Scherers551 Vortrag >Der Krieger des Herzens - Ein Weg der Schönheit und des Mitgefühls<, wo man/frau für 400 Mark dann ein paar nette Stories über indianische Erziehung [. . .] erfährt.« Im Programm, das Anja mitgeschickt hat, lese ich: »Der Krieger des Herzens besitzt [. . .] den Mut, alle Lebensumstände anzugehen, die zum Leid beitragen, und die Geduld, zu warten, bis das erfolgreich möglich ist.« Anja fährt fort: »Scherer vergißt auch nicht zu erzählen, daß es eine große Anstrengung für ihn war, heute ins WassermannZentrum zu kommen. Übermorgen müsse er in Mailand sein, und er komme gerade aus London, Rom, Paris, Brüssel usw. [. ..] ein Terminkalender wie ein Manager [. . .] Karl Scherer ist Tom Yellowtales Assistent, d.h. sein >Blutsbruder<: [. . .] >es ist ja bekannt, die Welt geht nicht wegen der Kapitalisten unter, sondern wegen eines Tiefs, in dem sich alle Menschen befinden^. Ganz entgegen dem Programmhinweis möchte Tom Yellowtale, schreibt Anja, »für seine Arbeit jetzt doch keine Geschenke (Schwierigkeiten beim Flugzeugtransport), und er bittet die Leute, je nach Vermögen 200-300 Mark zu zahlen. Entrüstetes Gemurmel, Gesprächsfetzen: >[. . .] aber was sollen wir denn mit den Energiepyramiden, [. . .] alle Steine umsonst gekauft. [. . .]<

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Beim Abendessen (bei dem einige der männlichen Anwesenden ganz begeistert davon sind, daß sie ihren Teller selber spülen dürfen - >dieses intensive Gefühl der körperlichen Aktivität< -, höre ich ein Gespräch von zwei Frauen, die beim Feuerlauf waren: Frau 1: >Hast Du eigentlich auch lauter Brandblasen an den Füßen?< Frau 2: >Ja schon, aber ich glaube, ich weiß wieso. Jedesmal, wenn uns dieser Typ fotografiert hat, hat er die Aura zerstörte Ich konnte mir das Lachen [.. .] nicht verkneifen. Abends beim gruppendynamischen Teil [.. .] erzählte mir eine Frau, die gerade in der Schwitzhütte war (100 bis 200 Mark, je nach Zahlungsfähigkeit), von ihren Erlebnissen: >Eine Schwitzhütte dauert etwa 4 Stunden [...] Zuerst wird im Kreis um die Hütte, einem igluförmigen Bau aus Zweigen und Decken, getanzt, wobei die Himmelsrichtung, in der später dein Platz in der Hütte ist, vom Guru festgelegt wird. Ausziehen, der Guru säubert deinen Körper mit Federn. Zu Trommelklängen kriechen die Menschen in die Hütte und kauern sich auf ihren Platz. Erste Runde: Der Guru spricht Gebete, singt. Zweite Runde: Steigerung der Hitze. In der Mitte befinden sich glühende Steine, deren Anzahl bei jeder Runde gesteigert wird. Jede und jeder schreit seine/ihre persönlichen Anliegen in die Hütte. Dritte Runde: Gebete für die Angehörigen und die, die man/frau liebt. Vierte Runde: Anrufen der Mächte durch gemeinsames Singen. [. ..] Es wird in der Schwitzhütte eine unheimliche >energy< frei, so daß zwar von Männern erwartet wird, daß sie durchhalten, Frauen die Hütte jederzeit verlassen dürfen.< Menstruierende Frauen dürfen überhaupt nicht teilnehmen, sie sind zu power-ful und bringen die Kräfte durcheinander - so die indianische Weisheit, die von allen Frauen, die ich zu diesem Thema befragt habe, widerspruchslos akzeptiert wird.«552

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Dienstag, den 9. August 1988. »Lightwork«. Im Programm, das Anjas Brief beiliegt, lese ich dazu:

»Wo kommen wir her? Warum haben wir gewählt, auf diesen Planeten zu kommen? Wir arbeiten mit geführten Meditationen, Clearings (nach Rhe Powers) und Energiearbeit.« Anja beschreibt: »Zuerst Tanz, etwa eine Stunde, Musik aus den Siebzigern, man/frau soll sich austoben, >alles loslassen<. Dann eine Vorstellungsrunde: Wir lassen uns Zeit, [. ..] die meisten berichten, auf welchen Seminaren, Workshops, Bio-energetic Kursen usw. sie schon waren. [. . .] Die erste in der Runde wird vorgebeten, sie soll sagen, was >in ihr ist<. Sie sagt: >Nichts<. Die Kursleiterin darauf: >Du lügst, besinne Dich<. Die Frau wiederholt ihre Antwort. Der gleiche Wortwechsel dreimal. Die Frau bricht in Tränen aus, ist ein Häufchen schluchzendes Elend.

Nachmittags Rebirthing bei Nicola Schlubbach-Graf, Diplom-Psychologin aus München. Nach einer kurzen Einführung in Sinn und Zweck des Rebirthing (Trauma der Geburt, ähnlich vergrabene, tiefsitzende Erlebnisse sollen zum Vorschein kommen) teilen wir uns in Zweiergruppen. Eine rebirthed, der oder die andere hilft. Unter Nicolas Anleitung beginnt die erste Gruppe ihren jeweiligen Partner zu massieren und dadurch zum richtigen Atmen anzuregen [. . .] Nach etwa fünf Minuten fangen einige an, zu stöhnen und zu keuchen, klingt wie bei einer Massenorgie. Ein Mann rastet total aus, schreit, kreischt, beschimpft seine Mutter als Schwein, Hure, dreckige Nutte, bäumt sich auf, tritt gegen einen Heizkörper. Nicola bekommt bei dem Versuch, ihn zu bändigen, ein blaues Auge. Berufsrisiko? Die Frau neben mir fängt an, hysterisch zu lachen, schreit, weint >der Tisch, es ist kalt<. Geburtstrauma? Bei fünf von acht Leuten >klappt< das Rebirthen.

Abends gerate ich zufällig (bei einem Gang zum ökologischdynamischen Bio-Klo mit Sägespänen und meditativer Musik) zu einer Gruppe von Menschen, die auf Tom Yellow-tale, >den obersten und rangältesten Sonnentanzhäuptling<, warten, um mit ihm eine Heilzeremonie zu erleben. Sie war-

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ten bereits seit eineinhalb Stunden: >Er wird schon kommen, wenn er es für richtig hält, Indianer haben keine westlichen Zeitnormen, man darf ihn nicht drängen< [. . .] Endlich, nach einer weiteren Stunde, ich wollte gerade gehen, kommt er, begleitet von zwei >Assistenten<. Alle menstruierenden Frauen werden aufgefordert, die Runde zu verlassen. Die Armen, zweieinhalb Stunden umsonst gewartet, mehrere stehen auf, keine verlangt eine Erklärung. Tom nimmt erst mal einen kräftigen Zug einer geheimnisvollen grünen Flüssigkeit und bittet die erste Kundin (wer Heilung will, muß zahlen), in die Mitte des nach Osten geöffneten Kreises (Verbindung mit den Außerirdischen) zu treten. Er fächert sie mit einem Federwisch ab, murmelt Gebete, fächert wieder, singt, das alles dauert ca. eine halbe Stunde, dann kann sie sich setzen. Ist sie geheilt? >Der nächste bitte [. . .]<«

Yellowtale behauptet, Mitglied des Eiders Circle of all Indi-an Tribes zu sein, der nichts als eine Namenserfindung ist, die absichtsvoll auf Verwechslung mit dem einflußreichen und angesehenen Traditional Eiders Circle zielt. Anja fährt fort: »Das Camp sollte zwar Verbindungen schaffen zwischen Spiritualität, Ökologie und Politik< (siehe Programm), was ich allerdings nirgends finden konnte, war die Politik«, beendet Anja ihr Schreiben.

Renate Domnick von der »Gesellschaft für bedrohte Völker« protestierte am 20. August 1988 schriftlich beim Bundesvorstand der Grünen. Sie kritisierte, daß Grüne durch ihre Unterstützung des Wassermann-SommerCamps ausgerechnet europäisch vermarktete indianische Gurus unterstützen: »Swift Dear [der im SommerCamp auftrat] ist ein rechtsradikaler Meti und US-Chauvinist, der traditionellen Indianern auf übelste Art feindlich gesinnt ist, insbesondere dem Traditional Eiders Circle, der sich gegen die kommerzielle Ausbeutung und Verfremdung ihrer Kultur und Religion durch Weiße wehrt. Dazu gehört auch der Sonnentanz, der nur an den heiligen Stätten ihrer Stammesländer ausgeführt werden

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darf [...] finden wir es mehr, als bedauerlich, daß Grüne sich an der Unterminierung der Authentizität indianischer Kultur beteiligen [. . .] es ist eine, wenn auch unbewußte Übernahme imperialistischer Haltungen zu glauben, daß die oft streng gehüteten Zeremonien indigener Völker jedermann zugänglich sein müßten [...] die Aufführung von Sonnentänzen ist eher eine Sabotage als ein Akt der Solidarität.«

Auf dem SommerCamp wurde geworben für den »keltischen Druiden Kaiedon Naddair«, der in Workshops über »Druidentum, Schamanismus und Kraftplätze« referierte.553 Der »Frankfurter Ring« darf sich in der »spirituellen Stadtzeitung« Lichtnetz Frankfurt vorstellen. Der Ring unterstützt Veranstaltungen mit Fritjof Capra und ist der Meinung, daß das »Wesen der Frau [. . .] mehr offen ist für die intuitiven Erfahrungen«. Daneben wirbt das Lichtnetz für die komplette esoterische Szene. Karl Everding, der im SommerCamp ein »Reinkarnationsseminar« anbietet: »Es geht nicht um die äußeren Lebensumstände, es geht um Deine innere Fähigkeit, Dein Leben so zu kreieren, wie Du es willst.« Zu dumm, wenn du arm oder krank bist. An vielen schönen teuren Orten macht Everding Reinkarnationstraining. Stufe eins: intrauterine Phase und frühere Leben; Stufe zwei: Rückführung zu Zeugung und Geburt einschließlich weiterer früherer Leben, Stufe drei: Hier »erlebst Du, weshalb Du Dir Deine Eltern gewählt hast [. ..] Du wirst nur das erfahren, wozu Du bereit bist und was Du verkraften kannst«.

Glückliche Kunden schreiben an Everding: »Ich fühle mich leicht und gelöst [...] ich genieße es sehr, hier in einem anspruchsvollen Hotel mit vielen Einrichtungen verwöhnt zu werden.« Wiedergeburt ist teuer, Everding ist ein guter Geschäftsmann. Er bildet zum Gruppenleiter aus (6000 bis 8000 Mark pro Jahr), bietet Gruppenreisen nach Griechenland (»Sonnenuntergänge bei klassischer Musik mit Gewichtskontrolle«: 1800 Mark), bietet zweitägige Reinkar-nationsseminare (250 Mark), »Psychologische Gewichtskon-

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trolle« (450 Mark, Arbeitslose: 350 Mark), einen Abend mit dem »großen« Lehrer Werner Erhard für 60 Mark (»wird den space im Seminar erheblich steigern«), am selben Wochenende sind auch noch Psychotherapien drin (50 Minuten zu 90 Mark) und Fußreflexzonentherapien (»nur« 50 Mark).554

In der Friedensbewegung blühte nicht nur linker Nationalismus auf (»Keine Raketen auf deutschem Boden«), sondern auch die Esoterikszene. Im Seminarraum der Pressehütte des Widerstandsorts Mutlangen gab es mindestens 1989 ein esoterisches Programm: »Fasten als Aktionsform, Heile Erde, Zen-Meditation, Hatha-Yoga, Gewaltlosigkeitstrainings«.555

 

Die faschistischen Wurzeln der Esoterik

 

Ein großer Teil der in der Alternativszene gelesenen Literatur über eine naturnahe Spiritualität ist mit reaktionären, völkischen oder gar nationalsozialistischen Inhalten verwoben. Neofaschistische und rechtsextremistische Positionen finden wir nicht nur in den unterschiedlichsten politischen - eben auch ökologischen - Gruppen, sondern auch, was weitgehend übersehen wird, in neuheidnischen, esoterischen beziehungsweise okkulten Zirkeln. Der inzwischen verstorbene evangelische Sektenexperte Friedrich W Haack veröffentlichte 1984, daß im deutschen Sprachraum mehr als tausend Menschen pro Woche in okkulte Lehren eingeführt werden und jedes Jahr mit 52.000 neuen Angehörigen von okkulten Traditionen gerechnet werden muß.556

Unter Esoterik wird eine nach innen gerichtete, vergeistigte Geheimlehre verstanden, die sich mit Übersinnlichem, rational nicht Erfaßbarem und okkultem befaßt. Ihre Bedeutung ist angeblich nur ihren Anhängerinnen zugänglich, sie ent-

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zieht sich der rationalen Auseinandersetzung. Statt zu lernen, werden ihre Ideologieelemente in Zeremonien und Ritualen »erfahren«. Die Anhängerinnen der Esoterik glauben, daß ein New Age, ein neues Zeitalter, bevorsteht und daß die Menschheit an der Schwelle des Übergangs vom Fische- zum Wassermannzeitalter steht. Das kommende Zeitalter wird die Menschheit auf eine höhere Bewußtseinsstufe katapultieren, zumindest die höherwertigen, zivilisierten Menschen, welche die elitären esoterischen Regeln intensiv trainieren und fest an sie glauben.

Esoterik und Faschismus überschneiden sich in der Entpolitisierung der Menschen, dem knallharten Egokult, dem elitären Führertum und einer vollständig antisozialen, antihumanistischen und antiaufklärerischen Orientierung.

Mit New Age wird auch die aktuelle esoterische Szene bezeichnet, und die macht mit Gurus, Tarotkarten, teuren Seminaren, Psychotechniken, Büchern, Musik, Läden, Diskos, Zeremonien und Konsumartikeln weltweit ein Milliarden-Dollar-Geschäft. Etwa 20 Millionen Menschen zählt die New-Age-Ideologie allein in den USA, vorwiegend Angehörige der gutverdienenden Mittelschicht. Um zur Elite zu gehören und an der kosmischen Zeitenwende teilzunehmen, muß sich der Esoterikfan intensiv beschäftigen. Nicht mit seiner Umwelt, nicht mit seinen Mitmenschen, nicht mit Politik, nicht mit Armut, Elend und Naturzerstörung, sondern mit sich selbst! Er taucht tief in einen Sumpf aus ideologischen, religiösen und kulturellen Versatzstücken ein.

Esoterische Ideologie ist ein übelriechender Eintopf aus geklauten, ihrem sozialen und kulturellen Zusammenhang entrissenen Elementen aus allen traditionellen Religionen, wie dem Buddhismus, dem Taoismus, dem Christentum, germanischen und keltischen religiösen Vorstellungen, Indianerreligionen sowie Schamanismus, Techniken wie Feuer- und Sonnentanz, Schwitzhütten-Workshops, Reinkarnationsübungen, Seancen mit Pendeln, Kristallen oder Runen, bewußtes oder intuitives Atmen, Fasten, Meditieren, Astrologie und Spiritismus.

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New Ager klauen aus anderen Kulturen, sofern sich die Elemente vermarkten lassen und keinen lästigen sozialen Kontext mit sich herumschleppen. Die Bewunderung für Indianer oder afrikanische Traditionen ist Lug und Trug und Konsumgier und wird keinesfalls dadurch irritiert, daß ganze Ethnien aussterben. Es geht nicht um die Menschen, sondern um die Plünderung ihrer Kultur, um die Sinnleere der New Ager zu füllen. Zu diesem Zweck müssen die Reste der Kulturen ganz oder teilweise ausgerotteter Völker für die Kommerzialisierung zugerichtet werden. Ihre scheinbare Wiederbelebung dient ihrer Verwandlung in Geld und ihrer endgültigen Verwertung. Politisch bewußte und organisierte Indianerinnen, die sich gegen diese neokoloniale Plünderung wehren, erleben die Ignoranz und Aggressivität der Esoterikerlnnen. Warum sich auch mit aussterbenden Völkern herumstreiten?

Im Verständnis der verschiedenen esoterischen Strömungen einschließlich der Anthroposophlnnen ist das Aussterben einiger weniger zivilisierter »Rassen« karmisch leider unvermeidbar. Was für lupenreine BiologistInnen die genetische Bestimmung des Menschen ist, ist für die EsoterikerInnen das Karma, das unabwendbare Schicksal, das in einem früheren Leben selbst verschuldet wurde. Unterdrückung und Ausbeutung sind Karma. Soziales und politisches Engagement gilt als Einmischung in ein fremdes Karma und ist tabu. Damit ist die esoterische »Elite« frei, sich am knallharten kapitalistischen Geschäft zu beteiligen. Eventueller Völkermord ist esoterisch längst entschuldigt. Erhard F. Freitag, einer der führenden Esoterikerlnnen aus der BRD, sagt: »Denken Sie nicht zu viel an die Welt, denken Sie an sich, denn Sie sind der Mittelpunkt dieser Welt.«557

Auch für private Gewaltverhältnisse empfehlen New-Age-Manager wie Erhard Freitag »positives Denken«.

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»Eine von ihrem Mann verprügelte Frau suggeriert sich: >Ich erfülle meine Aufgaben mit Freude und Harmonie. Ich bin behütet und geborgen in der Tiefe meines Wesens. Meine Liebe strömt auch zu meinem Mann. Vor meinem geistigen Auge sehe ich meinen Mann, der mir gütig und hilfsbereit entgegenkommt^ Nach vier Wochen war sie ein anderer Mensch. Und ihre Güte und Freundlichkeit färbte auch auf ihren Mann ab.«558 Gedemütigte, Obdachlose, Kranke, Hungernde, Gefolterte haben - esoterischem Zynismus zufolge - alle nur ein Problem: Sie haben nie gelernt, positiv zu denken.

Don't worry, be happy! Und wenn dabei Menschen sterben. Esoterik und Demokratie schließen sich aus. Die >spiritualisti-sche Welt<, der erträumte >Gottesstaat<, das matürliche Uni-versum< entsprechen extrem hierarchischen bis diktatorischen Ordnungsvorstellungen.

New Age wird gelegentlich als technologieskeptisch oder gar kapitalismuskritisch mißverstanden. Ganz im Gegenteil liefert die Esoterik die passende Ideologie für das gegenwärtige Stadium des High-Tech-Kapitalismus. Von der Gentechnologie erwarten sich New-Age-Gurus wie Rainer Langhans den »neuen Menschen«, gewissermaßen die wissenschaftliche Beförderung ins Wassermannzeitalter.

Andere - beileibe nicht alle - glauben tiefenökologisch an die Beschleunigung der esoterischen Evolution durch radioaktive Strahlung aus Atomkraftwerken oder sogar Atomraketenstandorten. Die einflußreiche Findhorngemeinschaft etwa wurde mit voller Absicht in die Nähe eines solchen Standortes verlegt. Das New Age kann, so viele Anhängerinnen, auch durch einen Atomkrieg kommen. Die Evolution des menschlichen Bewußtseins auf eine höhere geistige Stufe der Zivilisation rechtfertigt selbst Völkermord.

Der unbedingte Egokult und die Entpolitisierung durch New Age helfen, Widerstand zu schwächen und die Ellenbogengesellschaft zu fördern. Während die einen New Ager sich ganz auf sich, ihre Zeremonien und kultischen Rituale zurückziehen, gehen esoterisch geschulte kapitalistische Manager geistig gereinigt, frisch und brutal ans Werk. Spiritualität, heutige sogenannte Hochtechnologie und Kapitalismus vereinen sich in tiefster Harmonie.

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Die Esoterik ist die ideale Ideologie für leistungsbewußte, durchsetzungsstarke Angehörige der herrschenden Schichten. Kein Esoterikkongreß leidet unter Geldmangel, Teile der Wirtschaft haben sich der Szene längst angenommen.

Eine auserwählte Lichtrasse soll die Erde im neuen Zeitalter besiedeln, und die Euthanasiepositionen tragender New-Age-Führer wie David Spangler oder Sir George Trevelyan sind eine Bedrohung alter, kranker, eben »minderwertiger« Menschen. Die straffen, hierarchischen Strukturen rechtsextremistischer und neofaschistischer Organisationen könnten in den nächsten Jahren eine wachsende Attraktivität für entpolitisierte, autoritär strukturierte New Ager bekommen. Die New-Age-Bewegung ist (noch) nicht faschistisch. Aber wer ihr faschistisches Potential leugnet, hilft bei der Konstruktion eines spirituell wie ökologisch modernisierten Faschismus.

 

Die Ideologinnen des New Age

 

# Helena Petrowna Blavatzky (1831-1891) begründete die 'Theosophie mit ihrem Hauptwerk Geheimlehre (1888). Bis heute ist es das ariosophische Standardwerk. Noch vor Steiner beschrieb Blavatzky darin als höchstentwickelte menschliche »Wurzelrasse« die »Arier«. Ihre Geheimlehre ging ein in die germanen­tümelnde Thule-Gesellschaft und in die Gedankengänge von Naziführern. Die Theosophie wurde die wichtigste Wurzel der heutigen Anthroposophie und der New-Age-Szene. Blavatzky definierte Theosophie als »Weisheitsreligion oder göttliche Weisheit: die Grundlage und der Extrakt aller Weltreligionen und Philosophien, gelehrt und praktiziert von

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einigen Auserwählten, seitdem der Mensch zu denken begann«. Diese Auserwählten sind Teil jener »planetarischen Hierarchie« geheimnisvoller Meister, die von Theosophen gemeinhin auch als die zum Wohle der Menschheit wirkende »Große Weiße Bruderschaft« bezeichnet wird. An ihrer Spitze stehen Krischna, Buddha und Jesus Christus. Blavatzkys Wurzelrassenlehre schätzte auch Adolf Hitler. Aus der Theosophie entwickelte Steiner die Anthroposophie. Eine besonders enge Beziehung besteht zwischen der Theosophie und der New-Age-Bewegung: Diese selbst wird von Theosophen verschiedentlich als die neue »sechste Unterrasse der fünften gleich arischen Wurzelrasse« gedeutet, und das »reine positive Denken« der »Großen Weißen Bruderschaft«, das wir als zentrale Botschaft des New Age kennen, dient der rein geistigen Weiterentwicklung der Menschheit.559

 

# Pflichtlektüre für Esoterikerlnnen ist das Buch Das grüne Gesicht von Gustav Meyrink (1868-1932), auch ein sogenannter Theosoph. Darin propagiert er die Herrschaft des »vergeistigten Menschen über die Natur und die Tiermenschen, wobei der Neger der Schlimmste ist, halb Raubtier, halb Mensch, hinter dem finstere Mächte stehen!«560 O Julius Evola (1898-1974) übersetzte Meyrinks Werke ins. Italienische, war Berater von Mussolini und Ideologe der rechtsextremistischen und neofaschistischen Szene in Frankreich und Italien. Sein Ziel war, die »moralische, humanistische Soße« zu überwinden. Magie ist für Evola die Lpslösung des Ichs von der Erde und damit deren Beherrschung. Im privaten Eigentum an Grund und Boden sieht er die einzige Lösung der Umweltproblematik. Eigentum ist auch die Frau, deren »absolute Hingabe« an den Mann er verlangt, wozu auch die Witwenverbrennung gehört. Sein Vorbild ist die Hierarchie der indischen Kastengesellschaft.561 Wer Sklave ist, muß sein Karma dafür verantwortlich machen. Das Aussterben von Völkern ist nicht Folge imperialistischer Gewalt, sondern natürlicher Ausdruck des Niedergangs ältester Völker und Kulturen, deren Lebensmöglichkeiten erschöpft sind. Gegen drohende Erhebungen niederer Völker und Schichten helfen sogenannte heilige Kriege.562

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O Für die Ariosophen wie den »Bund der Germanen« war die »arische« beziehungsweise germanische Rasse der Höhepunkt menschlicher Entwicklung. Ihre Grundidee ist die einer schicksalhaft vorbestimmten (Welt)Herrschaft der Germanen. Frauen sind für die Ariosophen rassezersetzende Sünderinnen.

Ariosophlnnen sind extreme Antisemitinnen. Zu den ariosophischen Organisationen, die in den zwanziger Jahren aus dem Boden schössen, gehörten beispielsweise der Wälsungen-Orden oder die Edda-Gesellschaft, die Ausgangspunkt der rechtsextremistischen Ludendorffer-Bewegung wurde. Alle ariosophischen Verbände bejubelten die Machtübernahme der Nazis. Es ist kein Widerspruch dazu, daß die ariosophischen Vereinigungen von den Nazis infolge innerfaschistischer Auseinandersetzung später aufgelöst wurden. Die Ludendorffer-beziehungsweise ariosophische Bewegung, eine der Wurzeln des Weltbundes zum Schutz des Lebens (WSL), existiert immer noch. Ihr heutiges Interesse richtet sie, wie viele rechtsextremistische und neofaschistische Kreise, auf den sogenannten Lebens- und den Umweltschutz. Die Vereinigten Grünen Österreichs (VGÖ) haben es fertiggebracht, sie als Vorreiter der Umweltschutzbewegung zu würdigen und immer mal wieder mit ihnen zu paktieren. O Die bekannteste ariosophische Gruppierung ist die 1969 gegründete medienwirksam arbeitende Armanenschaft unter der Leitung von »Großmeister« Adolf Schleipfer und seiner Frau, der »Hohepriesterin« Sigrun Schleipfer-Friese. Mitte der achtziger Jahre versuchten sie die Rechten zu veranlassen, die Grünen zu unterwandern: »Löst doch den NPD-Haufen endlich auf! Was Besseres könnte gar nicht passieren! Geht in die Basis! Arbeitet bei Grünen, Alternativen, Nationalrevolutionären usw. mit. Bringt dort Euer Wissen ein [...] Und wenn man Rechte dort nicht will, sagt ihnen, daß das Ziel >grün< ist und nicht rot«563)

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Sie hassen die Forderung nach sozialer Gleichheit und fordern atomare Abrüstung, Ausländer raus, dezentrale Wirtschaft, »Heidentum« als staatstragende Religion sowie völkische Grundlagen des Staatswesens. Die AriosophInnen haben einigen Einfluß auf ökologisch orientierte Biobauern.

 

# Hermann Wirths (1885-1981) Hauptwerk ist Die heilige Urschrift der Menschheit. Er wollte eine »reine deutsche Geistigkeit« aus dem »Sumpf« der »liberalistischen Wissenschaft« befreien und mit der Erweckung der »arisch-nordischen Urkultur« die Befreiung der Menschheit vom Fluch der Zivilisation erreichen. Ohne Adolf Hitler, der den »Aufbruch Deutschlands herbeiführte«, wäre das deutsche Volk »ein Volk ohne Gottesleben mit einem siechenden Körper« gewesen. Wirth haßte »die künstliche Lebenserhaltung der erbrassig Minderwertigen, die sich wähl- und schamlos vermehren dürfen, während die noch wertvollen gesunden jungen Menschen in einem verzweifelten Existenzkampf [. . .] selber zugrunde gehen dürfen: darum weil sie [...] keine Scholle [haben], kein Heim, das die Sippe, das Geschlecht sichert«. Wirth war NSDAP- und SS-Mitglied, Himmler unterstützte ihn. Nach 1945 stellte sich Wirth als politisch Verfolgter des Dritten Reichs dar, weil die Nazis nicht auch seine kultischgermanistisch-matriarchalischen Vorstellungen hatten übernehmen wollen.564

1956 erklärte Wirth vor dem Landesverwaltungsgericht Köln, »daß auch viel Gutes im nationalsozialistischen Reich gewesen wäre und daß dies noch heute meine Überzeugung sei«. In den frühen siebziger Jahren gewann Wirth einigen Einfluß auf die Indianerunterstützer-Szene und später auch auf bürgerliche Kreise. 1979 besuchte der SPD-Vorsitzende Willy Brandt den Titularprofessor und war von dessen Sammlung prähistorischer Symbole »beeindruckt«. Brandt versprach seine Unterstützung für ein Institut für Urgemein-schaftskunde, das durch heftige öffentliche Proteste gestoppt werden konnte. Auch Werner Haverbeck vom Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL) ist Wirth-Schüler.565)

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Bei einem Hermann-Wirth-Symposion im Mai 1985 im Collegium Humanum in Vlotho hielt Baidur Springmann ein Runenreferat mit praktischen Übungen. Wirth-Schüler Andreas Lentz, der auch die Armanenschaft der Schleipfers verteidigt, trat am 1. September 1985 dem Worpsweder Kreis bei, einem Zusammenschluß von New-Age-Buchverlagen. Ihr Motto: »Kooperation statt Konfrontation«566, die Ideologie der Versöhnung mit dem Kapitalismus und Hermann Wirths Sprung ins New Age.567

 

# Den alternativen Nobelpreis (Preisverleiher: Jakob von Uexküll) erhielt 1982 Sir George Trevelyan (geb. 1906). Bei ihm mischen sich Anthroposophie und Theosophie. Trevelyan verkündet beispielsweise: »Der Atomkrieg ist für die >Spiritu-ellen< eine Aussicht auf höchste Freuden, nur für >Materiali-sten< wird es schrecklich werden.«568 David Spangler, der in Findhorn als Reinkarnation Jesu verehrt wird, übernahm zusammen mit der Psychologin Myrtle Glines die Aufgabe, Menschen aus der Hippie- beziehungsweise Alternativbewegung zu »disziplinierten, sauberen, ordentlichen, nicht mehr rebellischen« New Agern zu erziehen.569 Die New-Age-Szene will Herrschaft. Einige ihrer einflußreichsten Vertreter sitzen im Direktorium der »Weltbürger« (Planetary Citizens), einer 1972 gegründeten New-Age-Organisation. Einflußreiche New Ager wie der inzwischen verstorbene Peter Caddy, David Spangler und William I. Thompson sind Findhornianer. Die Weltbürger wurden offiziell als Unterabteilung der UNESCO anerkannt. Durch den Einfluß von Findhornianern wurde 1983 eine Meditationsgruppe in einer EG-Kommission in Brüssel gegründet. Das Ziel dieser politisch aktiven Esoterike-rlnnen ist eine UNO-Weltregierung.

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Peter Caddy, Major der britischen Royal Air Force (RAF), gründete 1962 die Findhorn-Gemeinschaft in Schottland mit dem Ziel, gemäß der Lehre der Theosophen die »sechste arische Wurzelrasse« zu züchten, denn die »Führungsrasse«, die für die UNO-Weltregierung gebraucht wird, muß erst noch trainiert werden. Findhorn ist ein Schloß in einem »magischen Garten« in der Nähe von Atomraketenstellungen. In den Gebäuden sind z. B. eine Computerfirma, ein Design- und Tonstudio, ein Verlag, eine Töpferei, eine Apotheke, eine Weberei und eine Rudolf-Steiner-Schule untergebracht.

Die guten Kontakte eines der Findhorn-Führer, Sir George Trevelyan zur Soil Association, eine mit dem englischen Königshaus verbundene anthroposophische Vereinigung, in der Adlige und Angehörige der herrschenden Klasse organisiert sind, befreite die Findhorn-Gemeinschaft offensichtlich von jeglichen Steuern. Etwa 4000 Besucher zählt die Gesellschaft jährlich. Zu den sprudelnden Einnahmequellen gehören auch extrem teure Seminare und Wirtschaftskonferenzen in Findhorn, an denen unter anderem Volvo, Shell, Rank Xerox, Philips und IBM teilnehmen, vermutlich nicht ohne finanzielle Beteiligung. In Nordrhein-Westfalen und in Bayern haben sich mittlerweile deutsche Ableger der britischen Gesellschaft gebildet.570 O Marilyn Fergusons Roman Die sanfte Verschwörung gilt als zentrales New-Age-Werk. Ihre wichtigste Wurzel ist'die Theosophie und ihre Praxis die enge Zusammenarbeit mit Managern, Militärs, UNO, Regierungen und Werbewirtschaft. »Der beste Führer ist der, der das Verhalten der Menschen verändert, ohne daß sie es merken! [. ..] Sobald man einmal die Macht, die der gemeinsamen Ausrichtung der Menschen innewohnt, erkannt hat, kann man nicht mehr in den alten Begriffen an die Zukunft denken.«571 1977 unterstützte sie ein »Hungerprojekt«, das von der UNO als regierungsunabhängige Organisation (NGO) anerkannt wurde. 1982 waren über 50 Prozent des Spendeneinkommens vermögensbildend angelegt. Weil aber laut Ferguson das Sprechen über den Hunger eine Wandlung der Psyche bewirkt, kann das wohl vernachlässigt werden.

 

# Gerd Gerken, Unternehmensberater und hochbezahlter Managertrainer des New Age, nimmt Wirtschafts­führern mit der Ideologie des »positiven Denkens« und der rein geistigen Veränderung soziale Verantwortung und schlechtes Gewissen ab. Etwa seit 1980 wird die Esoterik von Fraktionen des Kapitals auch finanziell stark gefördert, weil sie nicht nur Manager glücklich macht, sondern sich auch bei Mitarbeiterinnen auf mittleren Ebenen der Reiz der Magie und des Übersinnlichen als enorm identifikationsstiftend (mit dem Unternehmen) und erfreulich leistungssteigernd herausgestellt hat. Gerken ist verantwortlich für das Manager-Magazin Radar für Trends, das New-Age-Philosophie in die Wirtschaft hineintragt. In den USA gibt es bereits eine Reihe von Firmen, in denen den Mitarbeitern esoterische Seminare kostenlos angeboten werden. Gerkens New-Age-Seminar-Kartei enthielt schon im Januar 1985 folgende Firmennamen: Blendax, AEG, Maggi, Tchibo, Deutsche Bank, BMW, SEL, Wella, Daimler Benz, Esso, Otto-Versand, Hoechst und Karstadt.572)

Okkultistinnen und ParapsychologInnen arbeiten in den USA auch in der Wirtschaft. Die Psychic Enterprises in Los Angeles vermieten Okkultistinnen an Firmen, die bei Ölbohrungen, in der Kriminalistik, beim Militär, in der Politik und im Bankwesen eingesetzt werden. Der Okkultismus hat sich fast vollständig zur profitorientierten Bewegung entwickelt.573)

# Dem moderat auftretenden, populärsten und am weitesten in bürgerliche Kreise hineinwirkenden Vertreter des New Age, Fritjof Capra, haben wir ein eigenes Kapitel gewidmet.

 

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