Römer
Karthago (126) Cannae (127)
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Von ungeheurer Bedeutung für die Entwicklung des Kriegswesens, aber auch die Geschichte der darauffolgenden Jahrhunderte, wurden Stadt und Bevölkerung von Rom. Rudolf Steiner läßt geradezu den Zeitraum der griechisch-lateinischen Kulturepoche mit der Gründung Roms im Jahr 747 v. Chr. beginnen.101
Mit dieser Jahreszahl bestätigt er die Erkenntnis der modernen Geschichtswissenschaft, die Rom als durch den Zusammenschluß der Latiner und Sabiner zu einer Stadtgemeinde unter etruskischem Einfluß um das Jahr 750 v.Chr. entstanden annimmt. Frühere, inzwischen festgestellte Besiedlungen des Stadtgebietes werden dabei außer acht gelassen. Erst in späteren, allerdings noch römischen Zeiten galt der 21. April 753 als Gründungsdatum und Beginn der Zeitrechnung (»ab urbe condita«).
Mission des römischen Volkes war es, für das gesamte Europa »dem Ich des Menschen als solchem Geltung zu verschaffen... Daher wurde es der Schöpfer der Jurisprudenz, die rein auf das Ich gebaut ist.«102 So ist in der griechisch-lateinischen Kulturepoche der Mensch zum Begreifen der Persönlichkeit gekommen.103 Wie berichtet, hatte Alexander der Grosse den entscheidenden Schritt in Richtung auf die Ausbildung der Persönlichkeit getan. Dies war auch der Grund, weshalb Christus Jesus in dieser Zeit auf der Erde erschien. Jetzt erst konnte der Mensch Gott als persönliche Erscheinung begreifen.104
In den Stammes-Sagen der alten Völker ist eine tiefe Weisheit verborgen. Nicht selten charakterisieren sie die Völker besser als alle langatmigen Beschreibungen aufgrund der Lebensverhältnisse und Lebensgewohnheiten, die sich durch die Forschung in mühsamer Arbeit erschließen lassen. Schließlich beruhen ja alle Sagen und Mythen auf Eingebungen von Eingeweihten.105
Die Gründungssage Roms ist besonders charakteristisch. Amulius, Bruder des Königs numitor von Alba Longa, raubte sich die Krone und zwang seine Nichte zum Dienst der Vesta, wodurch sie zu Ehe- und Kinderlosigkeit verurteilt war. Aber der Kriegsgott Mars kam über sie und zeugte mit ihr Zwillinge. Als Amulius die beiden Knaben Romulus und Remus entdeckte, setzte er sie auf dem Tiber aus. Eine Wölfin aber nährte die Kinder, bis ein Hirte sie fand und aufzog. Nachdem die Knaben zu jungen Männern herangewachsen waren und von ihrer Herkunft erfahren hatten, stürzten sie den Usurpator und verhalfen ihrem Großvater wieder zur Herrschaft über Alba Longa. Sie selbst aber gründeten die neue Stadt Rom, wobei es sich ergab, daß Romulus seinen Bruder Remus erschlug.
Der italische Kriegsgott Mars, und damit der Krieg selbst, ist also der Ahnherr Roms; und selbst die römischen Dichter zur Zeit des Augustus sahen in dem Brudermord die Erklärung für den Bürgerkrieg, der fast ein Jahrhundert lang das frühe Volk von Rom durch ein Meer von Blut und Tränen schreiten ließ. So charakterisierte Rom sich selbst.
Ganz im Sinne der Entwicklung der Verstandesseele und des dadurch auch bedingten juristischen Denkens legte eine Kommission von zehn Männern um 450 v.Chr. das Zwölftafelgesetz nieder und machte so aus dem Gewohnheitsrecht ein schriftlich fixiertes Recht.
Es brachte zugleich den Sieg der Staatsidee über das zuvor herrschende Standesdenken. Das Rechtswesen insgesamt kann als bleibende und auch heute noch weiter wirkende Leistung der Römer angesehen werden.
Als man im 11. Jahrhundert n. Chr. in Norditalien einen Teil des »Corpus iuris civilis«, das von Kaiser Justinian 534 n.Chr. veranlaßt worden war, wiederentdeckte, ließ man es durch die Juristen der Universität Bologna bearbeiten. Das Ergebnis dieses als Rezeption des Römischen Rechts bezeichneten Vorgangs ist trotz mancher Unterschiede die weitgehende Übereinstimmung der europäischen Rechtssysteme mit den damit verbundenen Rechtsordnungen Kanadas, Lateinamerikas, Nord- und Süd-Afrikas, der Philippinen und Japans.
Das juristische Denken war bei den Römern so stark ausgeprägt, daß selbst die Beziehungen des Menschen zu dem Gott etwas von einem Rechtsverhältnis an sich hatten. Wie bei einem juristischen Vertrag ist das Verhältnis zu den Göttern bis in jede Einzelheit geregelt und erfordert peinlich genaue Beachtung. Das führte zu einer Veräußerlichung des Gottesdienstes und der Opferhandlungen, wie sie bei christlichen Gottesdiensten in romanischen Ländern noch heute zu beobachten ist.
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Ethische Forderungen erhebt die römische Religion nicht; die Götter wachen lediglich über die Normen, die die zwischenmenschlichen Beziehungen regeln. »So wachen die Götter darüber, daß Gerechtigkeit herrscht, was aber Gerechtigkeit im Einzelfall ist, entscheidet der Senat (durch Verabschiedung eines Gesetzes) oder der Richter (durch sein Urteil).«106
Die Religion soll lediglich das gute Einvernehmen mit den Göttern sicherstellen, und die Götter erkennen dafür aus pietas ihre Verpflichtung den Menschen gegenüber an und halten ihr Wort. Das entspricht genau dem Rechtssatz des do ut des — »ich gebe, damit du gibst«, der schon altrömischer Rechtsgrundsatz war. Da Religion in diesem Sinn und juristisches Denken das ganze Leben der Römer beherrschten, versuchte Rom auch in der Politik von Anfang an seine politischen Manöver juristisch abzusichern, damit sie vor dem römischen Gewissen bestehen konnten.
Die Römer hielten sich selbst für das religiöseste und am gerechtesten denkende Volk. Daraus erhalten die Verse des Vergil aus der »Aeneis« ihre Berechtigung:
Du bist ein Römer, dies sei dein Beruf:
Die Welt regiere, denn du bist ihr Herr,
Dem Frieden gib Gesittung und Gesetze,
Begnad'ge, die sich dir gehorsam fügen,
Und brich in Kriegen der Rebellen Trutz.Und ganz im Sinne dieser Rechts- und Religionsauffassungen setzen sich diese Vorstellungen später auch in den Provinzen des Imperiums durch. Allerdings begegnete man den religiösen Gefühlen der Einheimischen mit Toleranz und nahm sogar fremde Götter in die eigene Götterwelt auf. Dennoch stand im Mittelpunkt der römischen Religion immer die Kapitolinische Trias von Jupiter, Juno und Minerva sowie später die göttliche Verehrung des Kaiserhauses. Bei den Rechtsvorstellungen jedoch kannte man diese Toleranz gegenüber den Einheimischen der Provinzen nicht. Ein typisches Beispiel dafür ist das Verhalten des Varus in Germanien. Gerade die Einführung römischer Rechtsvorstellungen durch ihn verletzte die tiefsten Gefühle der Germanen, die sich das Recht nur als göttliches Recht vorstellen konnten, dessen Sachwalter die Priester waren.
Das juristische Denken zeichnete auch die Stellung des freien römischen Bürgers aus. Während der freie Einwohner einer griechischen Stadt sich noch als Glied der Polis empfand, stellte sich der römische Bürger aus freien Stük-ken in den Dienst des Gemeinwesens und setzte sich für die Macht und Größe seines Volkes ein. Das Wohl des Volkes ist ihm oberstes Gesetz. Die res publica steht über der resprivata, wobei sich die letztere der ersteren immer unterzuordnen hat.
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Das beschriebene Gefühl des griechischen Bürgers einer Stadt als Glied der Polis wird beim Römer auf die Familie übertragen, an deren Spitze der Hausvater, der paterfamilias, steht. Das Verhalten im Haus und in der Familie, wobei natürlich die Großfamilie gemeint ist, wird als disciplina domesüca zur Grundlage der militärischen Disziplin (disciplina militaris). Das reife und unbeugsame Urteil des paterfamilias spiegelt sich in der Befehlsgewalt des militärischen Führers seinen Legionären gegenüber wider. Es führt im Gefecht zu einer strikten Befehlstaktik, bei der der Befehl einem Gesetz gleich geachtet wird, dem nicht zuwidergehandelt werden darf, selbst dann nicht, wenn die befehlswidrige Handlung eines Unterführers zum Sieg führt. Diese Auffassung sollte in allen Heeren der Welt bis ins 19. Jahrhundert vorherrschen. Das Problematische dieser Handhabung der Befehlsgewalt hat Heinrich von Kleist in seinem Drama »Der Prinz von Homburg« dargestellt. Erst der ältere Moltke führte die sog. Auftragstaktik, über die noch eingehend gesprochen werden muß, ein. Sie war eine der wichtigsten Grundlagen für die Siege deutscher Truppen auf den Schlachtfeldern.
Wieder kann bei der Beschreibung der weiteren Ereignisse nicht genau chronologisch vorgegangen werden. Wenden wir uns zunächst dem römischen Heer zu. Auch in Rom herrschte von Anfang an die allgemeine Wehrpflicht für jeden freien Bürger. Etwa um das Jahr 304 v. Chr. muß eine Heeresreform durchgesetzt oder abgeschlossen worden sein.
Zu dieser Zeit war eine Lage ähnlich der bei den Feldzügen Alexanders des Grossen eingetreten. Während der langen und verlustreichen Kriege gegen die Samniter war über das ständige Fernbleiben aller Wehrpflichtigen von ihrem bürgerlichen Besitz, meist einem Bauernhof, die Volkswirtschaft zusammengebrochen. Anstatt nun aber ein Söldnerheer aufzustellen, wie es damals bei den Griechen üblich war, hielt man in Rom an der allgemeinen Wehrpflicht fest, hob jedoch immer nur einen Teil der Wehrpflichtigen nach bestimmten Quoten aus den einzelnen Stadt-Tribus aus. So wurde die Wehrtüchtigkeit des ganzen Volkes erhalten, zu Aufgaben der unmittelbaren Heimatverteidigung konnte sogar auf die Senioren bis zum Alter von 60 Jahren zurückgegriffen werden.
Bald ergab sich jedoch bei der Dienstpflicht die Gewohnheit, die Ausgehobenen möglichst lange bei der Truppe zu halten. Erfahrene, geübte und zusammengeschweißte Truppen waren eben schlagkräftiger als die Bürgermilizen. Nach dem Gewohnheitsrecht war bis dahin der Legionär nach 16 und der Reiter nach 10 Jahresfeldzügen aus der Wehrpflicht ausgeschieden. Was lag näher, als die Zahl der Feldzüge durch Dienstjahre zu ersetzen? Natürlich durfte es sich kein Staat leisten, seine Jungmannschaft ständig so lange unter Waffen zu halten. Die Wirtschaft wäre selbst schon bei geringeren Aushebungsquoten zusammengebrochen. So verkürzte man diese lange Dienstzeit im Lauf des 2. Jahrhunderts auf schließlich 6 Jahre.
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Außerdem wurden ganze Truppenteile, die im Augenblick nicht benötigt wurden, geschlossen beurlaubt oder zu Garnisionsdiensten ins Hinterland verlegt, die ausgedienten Mannschaften entlassen und nur das Rahmenpersonal beibehalten. Die gewaltigen römischen Eroberungen erbrachten eine ungeheure Kriegsbeute, der riesige Handelsgewinne und die systematische Ausraubung der Provinzen folgten. Das gesamte Geld strömte in die Hauptstadt und vermehrte den Reichtum der herrschenden Schichten. Aus den alten Standesunterschieden zwischen Patriziern und Plebejern wurde ein Gegensatz von arm und reich.
Träger des Großhandels und des Großunternehmertums war am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. die Nobilität, die sich meist aus patrizischen, aber auch aus einigen plebejischen Geschlechtern zusammensetzte. Zu den verheerendsten Folgen führte diese soziale Umschichtung auf dem Lande, wo bisher der Kleinbauer das Rückgrat der militärischen Kraft Roms war. Dieses Kleinbauerntum wurde mehr und mehr durch den Großgrundbesitz verdrängt, der Anbau von Getreide durch Weidewirtschaft abgelöst, die höhere Erträge abwarf und weniger ausgebildete Arbeitskräfte erforderte, die in Sklaven reichlich zur Verfügung standen.
In Rom wuchs zugleich die Masse der niederen Bevölkerung, der Proletarier, durch den Zuzug landloser Bauern, die fortschreitende Ausdehnung von Kleinhandel und Kleingewerbe, die steigende Zahl von Unterbeamten in der staatlichen Verwaltung und in den privaten Unternehmen. Hier fanden vor allem freigelassene, aus Griechenland und aus dem Orient stammende Sklaven Verwendung, denen ihre Freilassung das römische Bürgerrecht eingebracht hatte.
Der ehemals so gesunde römische Mittelstand brach völlig zusammen, was die Aushebung für das Heer nach dem Zensus, wie er bis dahin noch immer üblich war, unmöglich machte. Denn nach dem bis dahin geltenden Steuersystem stammten die Legionäre aus dem Mittelstand. Die Mehrheit der Einwohner Roms gehörte jetzt aber dem Proletariat an. Wäre es bei dem alten Aushebungssystem geblieben, so wäre Rom trotz der Ausdehnung seiner Macht aus Mangel an Soldaten, die doch diese Machtstellung aufrechterhalten mußten, zugrundegegangen. An diesem Punkt griff um 105 v.Chr. Marius ein und führte in richtiger Erkenntnis der Lage eine Reform durch.
Die bisher vom Militärdienst ganz befreiten Proletarier stellte er als Freiwillige ins Heer ein. Nach 16 bis 20 Dienstjahren hatten sie als Veteranen Anspruch auf Versorgung mit einem kleinen Bauernhof. Damit hatte Marius den Grundstein zu einem Berufsheer gelegt, das sich gegenüber dem aus »Reservisten« bestehenden Heer natürlich viel besser zur Behauptung und Erweiterung der Machtstellung Roms eignete.
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Außerdem ergab es sich von selbst, daß diese Berufssoldaten durch die von Marius eingeleitete Werbung sich dem Feldherrn von nun an besonders verpflichtet fühlten. Im weiteren Verlauf, von Cäsar ab, durften es die Feldherren wagen, auch die politische Führung im Staat mit oder ohne Gewalt für sich zu beanspruchen. Verstärkt wurde diese Bindung dann noch durch die Erhebung Cäsars und der ihm folgenden Kaiser zu Göttern, woran sich im übrigen wieder erkennen läßt, wie sehr die religiösen Anschauungen das Kriegsbild der Römer bestimmten. Bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wurden die römischen Heere nur für die Dauer eines Krieges ausgehoben und nach Friedensschluß wieder entlassen. Doch war das aufgrund der ständigen und langen Kriege, die jetzt sogar kaum noch Rücksicht auf die Jahreszeiten nahmen, mehr oder weniger Verfassungstheorie. Lange Kriegsdauer und die Ansätze zum Berufsheer drängten auf eine Lösung der Probleme im stehenden Heer, das dann von Augustus auch sanktioniert wurde.
Soziale Verhältnisse, Kriegsmüdigkeit und der allmähliche Zusammenbruch der antiken Geldwirtschaft brachten es mit sich, daß im Lauf der Zeit immer mehr Fremde, aber auch Sklaven und Sträflinge ins Heer aufgenommen wurden, was seinen Untergang vorausahnen ließ. Als die Überfremdung des Heeres schon sehr weit fortgeschritten war, vor allem Germanen dienten im römischen Heer — erkennbar daran, daß nach den antiken Quellen die »römischen« Legionäre vor Beginn der Schlacht den barritus anstimmten, den germanischen Schlachtgesang —, versuchte Konstantin der Grosse in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts noch einmal, eine Heeresreform durchzuführen und dem Heer einen neuen Geist einzuhauchen.
Seine wesentliche Tat bestand in der Trennung des Grenzheers, das meist aus Wehrbauern, auch fremder Volkszugehörigkeit, bestand, von dem Feldheer, mit dem er die Macht und den Einfluß Roms aufrechtzuerhalten versuchte. Während das Feldheer durchaus noch eine große Schlagkraft besaß, sank das Grenzheer auf den Stand einer Bürgermiliz ab. Es war damit nur noch zur Verteidigung von Städten und festen Lagern geeignet.
Was aber machte das alte römische Heer so unüberwindlich?
Über die menschlichen Voraussetzungen und die sittlichen Auffassungen wurde schon gesprochen. Welche militärischen Neuerungen aber waren eingetreten? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir wiederum einen Blick in die fernste Vergangenheit, auf das alte Rom werfen.
In den ältesten Zeiten, mit Gewißheit noch unter der Herrschaft der ersten etruskischen Könige, von denen es der Sage nach sieben gab, bestand das Bürgeraufgebot der Stadt aus der Legion von 3.000 Mann. Das entsprach noch ganz der alten Auffassung, wie wir sie etwa auch von Athen kennengelernt haben, als dort die Phalanx aus dem ganzen Aufgebot der Stadt bestand. In ihr kämpfte der einzelne Bürgersoldat als Glied seiner Stadtgemeinschaft. Dennoch bestand bereits ein Unterschied zum alten Athen insofern, als diese Legion nach den Stadtdritteln in drei Tribus von je 1000 Mann unter einem Tribun eingeteilt war.
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Entscheidend war jedoch die Untergliederung dieser Tribus in je 30 Zenturien, die Bezeichnung centuna - »Hundertschaft« weist wohl noch auf eine Zeit zurück, in der die Stärke der Zenturie vielleicht einmal einhundert Mann betrug. Entscheidend ist jedoch, daß die ersten Quellen von Zenturien in der Stärke von etwa 33 Mann sprechen. Jede Tribus gliederte sich demnach in je 30 Zenturien. Diese Zenturienstärke darf nun aber in etwa mit der Anzahl von Mitgliedern in einer römischen Familie gleichgesetzt werden. Wir haben schon gehört, daß die militärische Disziplin bei den Römern das Recht in der römischen Familie widerspiegelte. Nun finden wir auch die Größe in etwa derjenigen der Familie gleich und stellen fest, daß der Zenturio, der Anführer dieser Teileinheit, auch in etwa die rechtliche Stellung des pater familias innehatte.
Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen auf die Gliederung und ihre Veränderungen im Lauf der Jahrhunderte einzugehen. Wichtig für uns ist nur, daß die Zenturie in etwa diesen Familiencharakter behielt, obwohl sich ihre Kopfstärke im Lauf der Zeit entscheidend änderte. Zu diesen altertümlichen Vorstellungen und Gliederungsformen, die dennoch einen Fortschritt gegenüber den Griechen erkennen lassen, kamen während er Samniterkriege in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. ganz neue taktische Maßnahmen. Das gebirgige und durchschnittene Gelände, in dem diese Kriege geführt wurden, zwang die Römer dazu, für die Bewegungen neue Unterabteilungen der Legion einzuführen, die auch eine gewisse Kampfkraft besaßen. So faßte man je zwei Zenturien zu einem Manipel zusammen. Damit entstanden innerhalb der Legion je zehn Manipel, die sich weit besser gegen den Feind führen ließen als die unbeholfene geschlossene Phalanx.
Vor allem durfte die Legion es jetzt wagen, sich in jedem Gelände zu bewegen. Schon bei der griechischen Phalanx hatte es Ansätze dazu gegeben, die Abstände und Zwischenräume zwischen den Unterabteilungen zu vergrößern. Doch erst bei der disziplinierten römischen Truppe konnte das konsequent durchgeführt werden. So ergab es sich, daß die Legion zunächst mit den zehn Hastaten-Mampeln in vorderer Linie, den zehn Manipeln der Principes in zweiter Linie und den zehn Triarier-Manipeln in dritter Linie an den Feind marschierte. Da aber der entscheidende Angriff und Durchbruch nur in geschlossener Formation erfolgen konnte, ergaben sich manipelbreite Zwischenräume, in welche die in zweiter Linie vorgehenden Principes-Mampel von selbst aufschließen konnten. Die Legion marschierte daher schachbrettartig vor, wobei die Manipel der Principes auf Lücke zu den Hastaten vorgingen und die Triarier auf Lücke zu den Principes, also mit Abstand hinter den vorn marschierenden Hastaten.
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Von echten Treffen darf zu dieser Zeit jedoch noch nicht gesprochen werden, denn zumindest der Einsatz der Hastaten und Principes erfolgte geschlossen. Aber an den treffenweisen Einsatz und die Bildung einer Reserve war man bereits greifbar nahe herangekommen. Sehr bald auch, noch während des Samniterkrieges, wurde die lange Stoßlanze, die Hasta, abgeschafft, weil sie sich im Gebirgskrieg als unzweckmäßig erwies.
Der Legionär erhielt dafür zunächst einen Wurfspieß, das Pilum in seiner ersten Form, jedoch schon mit sehr langer Spitze. Jetzt konnte der Einbruch der Legionäre in den Feind mit einem Salvenwurf vorbereitet werden, dem der Kampf mit einem kurzen messerartigen Schwert, das noch nicht dem späteren spanischen Kurzschwert entsprach, folgte. Damit war nicht mehr, wie bei den Griechen, allein die geballte Stoßkraft für den Angriff entscheidend, sondern vor allem die Tüchtigkeit des Einzelkämpfers im Nahkampf.
Die spätere Ausgestaltung des Pilum, das aus einem etwa 1,30 m langen Holzschaft bestand, in den eine gleichlange Eisenspitze bis zu ihrer halben Länge eingefügt und mit mehreren Klammern befestigt war, so daß eine Gesamtlänge von 2 m erreicht wurde, trug zur technischen Überlegenheit des Legionärs bei. Die Eisenspitze war so konstruiert, daß sie einen weichen Teil besaß. Warf der Legionär nun seinen Speer gegen den Feind und blieb das Pilum im feindlichen Schild stecken, so bog sich durch das Gewicht des Holzschaftes das Pilum nach unten und zog den feindlichen Schild mit sich. Der Feind war damit in der Abwehr des Legionärs stark behindert. Entweder mußte er den Schild von sich werfen, oder der Schild zog durch die Belastung seinen Arm nach unten.
Mit dem später eingeführten spanischen Kurzschwert, dem Gladius, war es für den Legionär nun leicht, den Feind zu überwinden. Dieses ideale Schwert hatte eine Klingenlänge von etwa 60-70 cm, war ziemlich breit, beidseitig geschärft und besaß eine sehr scharfe, oft verstärkte Spitze, wodurch es etwas »kopflastig« wurde. Der Griff war lang und kräftig und besaß keine Parierstange.
Es stellte das vollkommenste Schwert dar, das es je gegeben hat. Nur die Tatsache, daß zu seiner Handhabung eine hohe Fechtkunst gehörte, die allein durch dauernde drillmäßige Übung zu erreichen war, ließ es nach dem Untergang der Legionäre aus der Waffengeschichte verschwinden. Als Schutzwaffe trug der Legionär einen leicht gewölbten und rechteckigen, etwa 1,20 m breiten und 1 m hohen Schild. Er bestand aus einer doppelt geleimten Bretterlage, die außen mit Leinwand und Kalbfell bezogen war. Oben und unten war sein Rand mit Blechbändern verstärkt. Helm und ein lederner, in der Herzgegend mit Metall verstärkter Panzer, der über der hemdartigen, ärmellosen Tunika getragen wurde, verliehen dem Legionär weiteren Schutz.
Ursprünglich gehörte zur Legion und zur Deckung der Flügel auch eine Legionskavallerie, die aber bald aufgelöst und durch Abteilungen aus Bundesgenossen ersetzt wurde. Die national-römische Kavallerie hat niemals echten Kampfwert besessen.
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Die Legion war damit zu einem reinen Infanterieverband geworden. Unter Cäsar erhielt sie dann auch taktischen Charakter mit selbständigen Aufgaben, falls die Lage dies erforderte. Unterhalb der Legion haben wir das Manipel mit zwei Zenturien unter einheitlicher Führung kennengelernt. Dieses Manipel war aber als Verband zu klein, um selbständige Aufgaben im Gefecht übernehmen zu können. Es konnte nur im Verband der Legion kämpfen. Das hatte man schon frühzeitig erkannt und zur Lösung besonderer Aufgaben fallweise aus mehreren Mampeln Kohorten gebildet. Im i. Jahrhundert v. Chr. wurde nach der marianischen Heeresreform von 105 v. Chr. die Kohorte zur festen taktischen Einheit innerhalb der Legion, die auch selbständige Aufgaben übernehmen konnte. Manipel und Zenturie blieben als administrative Einheiten und Teileinheiten bestehen.
Das Gefecht erreichte im Altertum mit der nun entstandenen Kohortentaktik seine höchste Vollendung, die in ihrer Art erst wieder in der Neuzeit, auf römischem Muster fußend, erreicht werden sollte. Die Legion gliederte sich dabei in Treffen, die aus mehreren Kohorten gebildet wurden.107
Ganz im Sinne der Ausbildung des Intellekts durch die Römer führte die Kohortentaktik folgerichtig zum Gefecht der verbundenen Waffen. Bei Cäsar gab es kein Schema mehr, obwohl sich die Kavallerie auch weiterhin meist auf den Flügeln befand. In der Anlage der Schlacht bevorzugte Cäsar eine Verbindung von Frontaldruck mit Flügeldruck. Die einzige Umfassungsschlacht, die Cäsar schlug, die Schlacht bei Pharsalus im Jahr 48 v.Chr., entwickelte sich erst im letzten Augenblick dazu und war nicht so geplant. In der Verbindung von Frontal- und Flügeldruck war er vielleicht das Vorbild Napoleons, der seine Kräfte meist auf die gleiche Weise ansetzte.
Der Gedanke des Ausscheidens von Reserven hatte seit der Gliederung der Legionen in Kohorten sozusagen in der Luft gelegen. Aber erst CÄSAR begann, ihn zu verwirklichen. In der ersten Schlacht des Gallischen Kriegs im Jahr 58 V. Chr. bei Bibracte schied er gegen die äußerst kriegstüchtigen Helvetier zwei Legionen als Reserven aus, ohne sie jedoch später auch einsetzen zu müssen. Allerdings begründete er dieses Ausscheiden mit der Unerfahrenheit dieser neu aufgestellten Legionen. Kurze Zeit später und noch im gleichen Jahr hielt Cäsar dann gegen Ariovist in der berühmten Treffenschlacht im Elsaß eine Reserve zurück und setzte sie zum entscheidungssuchenden Angriff ein.
Wenn Cäsar im allgemeinen auch die Niederwerfungsstrategie anwendete, so zeigte er sich zu Beginn des Bürgerkrieges gegen Pompejus auch als Meister der Ermattungsstrategie, als die Lage es erforderte. Doch kombinierte er dann beide Arten. Da diese Frage in der Kriegsgeschichte eine große Rolle spielt, soll hier nur erwähnt werden, daß Ermattungs- und Niederwerfungsstrategie bei keinem großen Feldherrn als Gegensätze auftreten.
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Das haben nur mittelmäßige Generale oder Kriegstheoretiker so empfunden. Der große Feldherr benutzt sie je nach Lage in gegenseitiger Ergänzung, ähnlich wie Abwehr und Angriff auf taktischer und operativer Ebene.
Die taktische Überlegenheit des römischen Heeres gegenüber seinen Feinden beruhte außerdem auf seiner berühmten Lagertaktik. Griechische Truppen wären dazu niemals zu bewegen gewesen. Es fehlte ihnen die notwendige Disziplin, die die Römer aber besaßen. Die römischen Legionen schleppten ihr Schanzzeug und sogar Lagerpfähle auf dem Marsch mit sich und bauten jeden Abend nach einem Marsch von knapp 20 Kilometern ihr befestigtes Lager, das dem Heer Sicherheit in der Ruhe und einen festen Rückhalt im Gefecht bot. Nicht selten konnten römische Niederlagen im offenen Gefecht auf diese Weise in Siege verwandelt werden.
Im schlimmsten Fall rettete das Lager die Legionen vor der Vernichtung, denn nur selten gelang es Heeren mit geringerer Disziplin oder schlechterer Bewaffnung, ein solches Lager zu nehmen. Darin lagerte das Heer so, daß es unmittelbar in der für die kommende Schlacht notwendigen Marschordnung ausrücken und durch einen Aufmarsch nach rechts oder links oder durch eine einfache Wendung den Kampf eröffnen konnte. Im übrigen bildete die erste Anlage einer Stadt das Vorbild für dieses Lager.
Bei dem die damals bekannte Welt umspannenden Imperium der Römer war es wichtig, daß die Truppen rasch verlegt werden konnten. Voraussetzung dafür war ein Straßennetz, das für die Antike einzigartig war. Lager und Straßen ermöglichten auch eine Versorgung des Heeres, wie sie bei anderen Armeen undenkbar war. Daß dazu ein vorzüglicher Verwaltungsapparat vorhanden sein mußte, versteht sich von selbst. Gestützt auf Lager, Straßen und gute Versorgung konnten die Trosse der römischen Heere besonders klein gehalten werden, was wiederum ihre Beweglichkeit erhöhte. Dieser gesamte komplizierte Militärapparat verlangte geradezu den Berufsfeldherrn, der als Führer einer Armee mit konsularischer Befehlsgewalt ausgestattet war. Der erste Feldherr dieser Art in einer langen Reihe war Publius Cornelius Scipio Africanus d. Ä. (um 235-183 v.Chr.), der Sieger über die Karthager in der Schlacht bei Zama 202 v. Chr.
Haben die Römer nun den Krieg auch als Zweikampf und Gottesurteil empfunden? Die Etymologie des Wortes bellum deutet auf den Zweikampf hin, und das Verhalten römischer Feldherren, besonders Cäsars im Gallischen Krieg, läßt vermuten, daß sie zum mindesten die Anschauung der Gallier über die Schlacht als Gottesurteil kannten. Wie schon erwähnt, wählte Cäsar seine Schlachtfelder immer so, daß sie dicht bei den heiligen Orten der einzelnen Stämme lagen, womit er ein Gottesurteil herbeiführen wollte. Wichtiger war für die Römer indessen, daß sie einen gerechten Krieg (bellum justum) im Sinne ihres zugleich juristischen und religiösen Denkens führten.
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Stets legten sie allergrößten Wert darauf, niemals als Urheber eines Krieges oder als Angreifer zu erscheinen. Cicero äußert sich einmal dahingehend, die Römer hätten ihr Imperium dadurch gewonnen, daß sie sich verteidigten. Sehr oft schoben sie dabei Verbündete vor, die sie beschützen müßten, weil sie angegriffen worden waren. Dafür brauchte Rom, um einen gerechten Krieg führen zu können, nur einen Bundesgenossen zu suchen, der sich von einem Feind bedroht fühlte, und das war nicht schwer. Bevor Rom einem Feind den Krieg erklärte, wurden religiöse Handlungen vollzogen, in deren Verlauf man die Götter als Zeugen für erlittenes Unrecht anrief. Es liegt nähe zu vermuten, daß neben der römischen Disziplin das Gefühl der Legionäre, gerechte Kriege zu führen, eine Grundlage der römischen Siege war. Wieviele Kriege in Wirklichkeit jedoch dem nackten römischen Imperialismus entsprangen und wieviele Kämpfe lediglich durch Verteidigung bedingt waren, wird sich nur schwer entscheiden lassen, wenn man nur die römischen Schriftsteller als Quellen heranzieht.
Auch die Schlacht selbst wurde von religiösen Zeremonien begleitet. Es ist dem modernen, durchschnittlich gebildeten Menschen kaum vorstellbar, daß vor dem Ausrücken aus dem Lager zur Schlacht Cäsar z. B. als Priester das Hühnerorakel befragte. Ob er selbst daran glaubte, bleibe dahingestellt, seine Soldaten zumindest taten es. Oft riefen die Römer auch mit priesterlicher Wortmagie die Schutzgenien der von ihnen belagerten Städte aus ihren Tempelwohnstätten und schleuderten dann fürchterliche Verwünschungen gegen die feindlichen Truppen und Einwohner dieser Städte. Zahlreiche Orte in Italien, Gallien und Spanien sind durch solche Evokationen in die Gewalt der Römer gekommen, vor allem auch Karthago und Korinth. Nach Macrobius lautete eine solche evocatio: »Wenn du uns heute den Sieg gibst, so gelobe ich dir einen Tempel!«
Bei der Belagerung einer feindlichen Stadt wurde gebetet: »Mag es ein Gott, mag es eine Göttin sein, in dessen Schutz Volk und Gemeinde des Feindes steht, und dich besonders, der du den Schutz dieser Stadt und dieses Volkes übernommen hast, euch bitte ich, flehe ich an und erbitte eure Gnade: Wendet euch ab von Volk und Gemeinde der Feinde, verlaßt die heiligen Tempel und Stätten und ihre Stadt, weichet von ihnen, flößt diesem Volk und dieser Gemeinde Furcht, Angst und Verlassenheit ein, kommt nach Rom zu mir und den meinen, unsere heiligen Stätten und Tempel, unsere Stadt möge euch willkommener und wohlgefälliger sein. Seid mir und dem römischen Volke und meinen Soldaten gnädig, so daß wir das verstehen und erkennen. Tut ihr so, gelobe ich euch Tempel und Spiele.«108 In sehr früher Zeit kannten die Römer auch die sog. Devotio (devoveo — »ich weihe«).
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Stellvertretend für sein Heer weihte sich dabei der Anführer den Göttern und stürzte sich, den Tod suchend, in die Feinde, die den Weiheakt gesehen hatten und vor ihm flohen. Ihn zu berühren ist verhängnisvoll, denn er befindet sich bereits bei den Göttern und gehört nicht mehr dieser Welt. Typisch für die Römer ist dabei allerdings, daß sich die Feldherren nicht den lichten Göttern des Himmels weihten, sondern den Göttern der Unterwelt.
Hatten bei den Griechen und in der frühen römischen Zeit die Götter noch unmittelbar in das Kriegs- und Schlachtgeschehen eingegriffen, so benutzten die römischen Feldherren von der Blütezeit des Imperium Romanum bis zu dessen Untergang die Götter und die religiösen Vorstellungen ihrer Soldaten, um deren Mut zu heben und den Sieg zu gewinnen. Ein Beispiel dafür ist das Verhalten des Germanicus vor der Schlacht bei Idistaviso im Jahr 16 n. Chr. Als plötzlich acht Adler erschienen und über das Schlachtfeld hinwegflogen, erklärte Germanicus, der ja auch Priester und Augur des Heeres war, dies seien die Vögel Roms, die besonderen Schutzgeister der Legionen, denen diese nur zu folgen brauchten, um die Germanen zu schlagen.109 Von Julius Cäsar ab plünderten und zerstörten die römischen Cäsaren die alten Tempel-und Mysterienstätten. Sicher hatten auch andere Völker so gehandelt, und sicher waren auch von den früheren Römern Tempel- und Mysterienstätten zerstört und geplündert worden, aber der große Unterschied lag nun darin, daß Julius Cäsar, wie erwähnt, die Tempelschätze nicht in die römischen Tempel brachte, sondern sie für seine eigenen Zwecke benutzte. Spätere Cäsaren haben durch die Erzwingung der Einweihung in die alten Mysterien diese Zerstörung der Kultstätten noch systematischer vorgenommen.
Kennzeichnend für die enge Verbindung religiöser und politischer Vorstellungen mit dem Amt des Imperators ist der von den Etruskern übernommene Triumphzug. Einerseits bildet er die Krönung der Laufbahn des siegreich heimkehrenden Feldherrn und die öffentliche Anerkennung seiner Leistungen, andererseits aber ist er eine Danksagung an Jupiter Optimus Maximus und die Einlösung der zu Beginn des Feldzugs üblicherweise gegebenen Gelübde. Möglicherweise ist darin auch ein Reinigungsntus für das durch den Krieg befleckte Heer zu sehen. Ganz dieser Doppelfunktion entsprechend war der Imperator auch gekleidet. Er trug das goldbestickte Purpurgewand, das elfenbeinerne Zepter mit den Adlerköpfen und die Goldkrone. So angetan fuhr er auf dem Triumphwagen, den ein Viergespann zog. Darin vermischten sich Attribute des kapitolinischen Jupiter mit denen eines Königs. Für einige Tage übernahm der Imperator sowohl die Rolle des Herrschers als auch die des obersten Staatsgottes. Voraussetzung für die Gewährung eines solchen Triumphzuges war die Erringung eines entscheidenden Sieges und der Besitz der vollen Amtsgewalt am Tag des Triumphes. In späterer Zeit wurde eine Zahl von 5000 erschlagenen Feinden als Vorbedingung für die Gewährung des Triumphes angesehen.
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Die den Imperator begleitenden Heeresteile trugen bildliche Darstellungen von eroberten Städten, von Schlachtszenen und Tafeln mit Siegesberichten sowie Beutestücke. Weiße Rinder als Opfertiere und die Schar der Gefangenen folgten dem Triumphwagen. Unmittelbar nach dem Triumph wurden die Führer der Feinde hingerichtet, wohl eine letzte Erinnerung an frühere Menschenopfer. Ein hinter dem triumphierenden Feldherrn stehender Sklave rief diesem zu: »Denke daran, daß du ein Mensch bist!« Dieser Ausruf galt bei den Römern wohl in erster Linie der Abwehr böser Mächte, denen der Feldherr im Augenblick seines höchsten Triumphes besonders ausgesetzt war. Einem ähnlichen Zweck dienten wohl auch die Spottlieder der in langen Reihen hinter dem Triumphwagen marschierenden und mit Lorbeer bekränzten Soldaten. Oft waren diese Spottlieder recht drastisch, wie z.B. das der Legionäre im Triumphzug Julius Cäsars nach dem gallischen Sieg: » Städter, sperrt die Frauen ein! Den kahlen Buhlen bringen wir. Gold verhurtest du in Gallien, das du einstens hier gepumpt.«110 Das berühmte Opfer eines Schweins, eines Schafes und eines Stieres, die Suovetaurilia vor dem Jupitertempel, schloß den Triumph ab.
Bevor wir uns einzelnen Cäsaren, die als Heerführer eine bedeutende Rolle spielten, zuwenden, gilt es, einen Blick auf jene Gesellschaftsschicht zu werfen, die zumeist bei einer Betrachtung der Kriegsgeschichte vernachlässigt wird. Es sind dies die Sklaven. Ohne ihre Arbeitskraft wäre die Wirtschaft der antiken Hochkulturen nicht möglich gewesen. Für ihren Besitzer stellten sie, wie die Hörigen im alten Rußland, einen der wesentlichsten Vermögenswerte dar. Zumindest in den Städten übertraf ihre Zahl die der freien Einwohner bei weitem. Sklaven gab es seit den frühesten Zeiten bis ins Mittelalter hinein; selbst die damalige christliche Kirche trat nicht für eine grundsätzliche Abschaffung der Sklaverei ein, forderte jedoch eine milde Behandlung. Rechtlich galten sie zwar als Objekte, über die der Eigentümer nach freiem Willen verfügen konnte, aber der willkürliche Mißbrauch, z.B. die grundlose Tötung, wurde in historischer Zeit bestraft, und im Lauf der Zeit verschärften sich die Strafbestimmungen immer mehr.
Es wäre ganz falsch, das normale Los des antiken Sklaven für überaus beklagenswert zu halten. Im allgemeinen hatten die Besitzer selbst das größte Interesse, sich durch gute Behandlung der Sklaven vor ihrem Verlust zu schützen. Sie waren daher oft materiell besser dran als die armen, aber freien Tagelöhner. Strafen für ungehorsame Sklaven waren die körperliche Züchtigung oder die Verschickung zu besonders schweren Arbeiten in der Mühle oder auf dem Land. In schweren Fällen steckte man sie in die Gladiatorenschule. Die Todesstrafe an Sklaven vollzog man durch Kreuzigung oder indem man sie im Zirkus gegen wilde Tiere kämpfen ließ.
Die Römer vertraten stets die Ansicht, daß alle Menschen nach dem Naturrecht gleich seien. Die schlechtere Stellung des Sklaven bestand nur nach dem bürgerlichen Recht, im religiösen Recht war der Sklave dem Freien ebenbürtig.
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Doch war er von Staatsangelegenheiten und besonders vom Kriegsdienst ausgeschlossen, auch konnte er keine rechtsgültige Ehe eingehen. Dagegen war es ihm möglich, durch selbständige Geschäfte Vermögen anzusammeln und sich freizukaufen. Ließ der Eigentümer einen Sklaven frei, so erhielt er in Rom das volle Bürgerrecht. Im Sinn unseres Themas besonders wichtig ist die Tatsache, daß der alte römische Mittelstand durch die langen und schweren Kriege der frühen Eroberungszeit fast vernichtet worden war. Da die Sklaven, wie schon gesagt, vom Kriegsdienst befreit waren, hatten sie diese Zeiten gut überstanden.
Als in Rom jedoch nach Cannae und in den Bürgerkriegen Not am Manne war, griff man auf das Potential der körperlich geeigneten Sklaven zurück. Allerdings mußten sie dazu vorher freigelassen werden. Diese Anschauung, daß nur der freie Mann Kriegsdienst leisten kann, sollte bis in die beginnende Neuzeit, die Zeit der Landsknechte, vorherrschen. Eine Ausnahme bildete lediglich das alte, zaristische Rußland, in dem die Heere bis zur Bauernbefreiung im vorigen Jahrhundert aus Hörigen rekrutiert wurden.
Die hauptsächlichen Ursachen für Sklaverei lagen in Kriegsgefangenschaft, im Menschenraub durch Seeräuber, in der Geburt von unfreien Eltern und der Kindesaussetzung. Oftmals wurden Kriege sogar vor allem geführt, um Sklaven einzubringen. Wir haben schon gehört, daß nach einem Zweikampf, durch den eine Schlacht entschieden werden sollte, das Heer des besiegten Kämpfers ohne Murren in die Gefangenschaft und damit in die Sklaverei zog. Dafür muß es einen Grund geben. In der Vorstellung vieler alter Völker, besonders bei den Germanen und Kelten, besaß jeder Freie, gleich ob Mann, Frau oder Kind, eine besondere Lebenskraft, ein besonderes Heil, das die Nordgermanen hamingja nannten. Ging diese Lebenskraft verloren, so besaß der Mensch nicht mehr, was sein eigentliches Menschsein ausmachte. Er wurde Objekt und vermochte nur noch mit Hilfe der Lebenskraft eines anderen Menschen weiterzuleben. Genau das war die Stellung des Sklaven. Bei dem für zwei Heere stellvertretend geführten Zweikampf lag die Lebenskraft und das Heil der gesamten Kampfgemeinschaft bei denjenigen, die für alle kämpften. Mit dem Unterlegenen war seine wie auch seines ganzen Heeres Lebenskraft unterlegen. Widerstandslos ließ man sich dann in die Sklaverei abführen.
Dennoch wird von zwei schrecklichen Sklavenkriegen in den Jahren 136-132 v.Chr. und 104-99 v.Chr. sowie von dem Sklavenaufstand unter Spartacus in den Jahren 73-71 v. Chr. berichtet. Alle fanden ein entsetzliches Ende. Im ersten Sklavenkrieg sammelte der Führer Eunus die Sklaven der Großgüter in Sizilien und führte sie zeitweise in der Stärke von 200.000 Mann gegen die Römer. Nachdem Eunus besiegt worden war, ließen die Römer 20.000 Sklaven kreuzigen.
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Ähnlich geschah es auch beim Sklavenaufstand des Thrakers Spartacus, der aus einer Gladiatorenschule Capuas ausgebrochen war. Mit seinem Heer aus Gladiatoren und Landarbeitern der Großgüter siegte er zunächst über die Legionen, wurde aber nach drei Jahren überwältigt. Auch hier ließen die Römer 6000 Sklaven entlang der Via Appia kreuzigen. Diese Aufstände stehen scheinbar im Widerspruch zu dem behaupteten Verlust der Lebenskraft der Sklaven. Hier darf jedoch nicht vergessen werden, daß die Sklaven, die vor allem beim Aufstand des Spartacus aus Thrakern, Kelten und Nachfahren der Kimbern und Teutonen bestanden, sich nicht mehr in ihren alten, ursprünglichen Lebensverhältnissen befanden.
Im italischen Kernland des Imperiums waren sie mit einer ganz anderen Lebensauffassung vertraut worden, die es nicht mehr zuließ, sich als Teilhaber der Lebenskraft und des Heils ihrer Besitzer zu fühlen. Nur so ist ihr plötzliches Aufbäumen zu verstehen. Dieses Herausgerissensein aus den alten, urtümlichen Lebensverhältnissen wird noch bei der Betrachtung der Völkerwanderung eine größere Rolle spielen.
Wenden wir uns nun kurz einigen Cäsaren zu.
Gaius Julius Cäsar, der im Jahr 100 v. Chr. geboren wurde, sollte einer der größten Feldherren der Weltgeschichte werden. Sehen wir in ihm aber nur den Feldherrn und nur den Staatsmann im modernen Sinn dieser Wörter, so können wir die Gestalt dieses Mannes nur mangelhaft erfassen. Für sein späteres Leben war es geradezu schicksalhaft, daß er schon als Kind einen Lehrer, Marcus Antonius Gnipho, hatte, der aus Gallien stammte und vermutlich viele Geheimnisse der dortigen Druiden kannte.
So wurde er schon als Kind auf das vorbereitet, was größte Auswirkungen auf die zukünftige Menschheitsgeschichte haben sollte. Er vernichtete bis auf wenige Überreste das gallische Druidentum und dessen Mysterien. So schlimm diese Tat auch war, im Licht der Menschheitsentwicklung erscheint sie doch notwendig, damit die Menschen zum Intellektualismus und zum vollen Ich-Bewußtsein gelangen konnten. Es darf sogar vermutet werden, daß er sich bis zu einem gewissen Grad über seine Handlungsweise im klaren war. Mit 16 Jahren wurde er nämlich bereits für das Amt des Flamen Dialis, des Priesters des obersten Gottes Jupiter, ausersehen, mit 27 Jahren wählte man ihn ins Kollegium der Pontifices, jene oberste Kultusbehörde Roms, deren Sache u.a. der Kalender und die Verwahrung der Prozeßformeln des Rechts waren, 10 Jahre später wurde er selbst Pontifex Maximus. Die Verbindungen, die die Priesterschaft Roms zu den gallischen Druiden und auch zu den griechischen Mysterienstätten unterhielten, sind wohlbekannt.
Sein Nachfolger Augustus war Mysterieneingeweihter. Obwohl er selbst damit keinen Mißbrauch trieb, sollten die meisten seiner Nachfolger dies tun, nachdem sie sich die Einweihung erzwungen hatten.111)
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Im übrigen war auch Augustus seit dem Jahr 12 v. Chr. Pontifex Maximus, allerdings erst sieben Jahre nachdem er die konsularische Gewalt auf Lebenszeit und die Sittenaufsicht für fünf Jahre erhalten hatte.
Auch Tiberius, Adoptivsohn und Nachfolger des Augustus, auf den noch einmal im Zusammenhang mit den Germanen einzugehen sein wird, hatte sich die Einweihung in die Mysterien erzwungen. Ja, er wollte sogar den Christus unter die römischen Götter aufnehmen, was jedoch der römische Senat verhinderte.112 Caligula war einer der am gründlichsten in die Geheimnisse der Mysterien eingeweihten römischen Cäsaren. Auch er hatte sich die Einweihung erzwungen.113 Aufgrund dieser Einweihung wandelte Caligula den Augusteischen Prinzipat in ein hellenistisch-orientalisches Gottkönigtum um. Er war damit zugleich Cäsar und Gott und fühlte sich als wiedergeborener Alexander und Cäsar. Auch Nero hatte sich nach Rudolf Steiner die Einweihung erzwungen.114
Unter Vespasian eroberten die Römer im Jahr 70 n. Chr. Jerusalem. Diese Eroberung führte zugleich zur Vernichtung der palästinensischen Mysterien.115 Dieser Sieg hatte aber auch eine andere, nicht vorausgesehene Wirkung. Die Zahl der ins Ausland verschleppten Juden und damit derjenigen, die bereits dem Christentum angehörten, stieg rasch an. Es wurde bereits darauf hingewiesen, wie wichtig die Alexanderzüge und die Verbreitung der griechischen Sprache für die Verkündigung des Evangeliums im Osten waren. Da sicher ein großer Teil der aus Jerusalem vertriebenen Juden des Griechischen ebenso mächtig war wie die gebildeten Schichten Roms, so fand bei ihnen wie auch beim ungezählten Heer der Sklaven das Christentum bald Eingang. Doch schon vor der Eroberung Jerusalems bekannten sich römische Soldaten wie etwa der Zenturio Cornelius aus der Apostelgeschichte 10 zu Christus. Es wird darin ausdrücklich vermerkt, daß er Angehöriger einer italischen Legion war. Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß die vom Christentum ergriffenen Teile des römischen Heeres, die aus dem italischen Kernland stammten, schon lange vor der offiziellen Übersetzung der Evangelien ins Lateinische diese in ihrer Muttersprache weiterverbreiteten.
Daß darüber hinaus die Truppen häufig ihren Standort wechselten und Versetzungen innerhalb des Heeres sehr oft vorkamen, sind mit Gründe für die außerordentlich schnelle Verbreitung des Christentums. So hatten die Feldzüge Roms und die Ausweitung seiner Grenzen auch diese positive Wirkung. Ohne das römische Heer hätte die Verbreitung des Christentums sicherlich weit länger gedauert. Allerdings sind auch die Nachteile dieser Tatsachen nicht zu übersehen. Die urchristlichen Gemeinden hatten auf einem freien Zusammenschluß ihrer Mitglieder bestanden, unter denen die stärkste Persönlichkeit aufgrund ihrer natürlichen Autorität die Führung übernommen hatte.
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Das Vorbild Roms und seiner Legionen führte aber im Lauf der Zeit zu einer hierarchischen Ordnung, in der der Klerus als feste Führungsschicht der Masse der Laien gegenüberstand. Als im Jahr 391 n.Chr. das Christentum zur Staatsreligion wurde, war diese straffe Organisation der Kirche fast vollendet.
Noch einmal kommen wir auf die Cäsaren zurück. Auch Kaiser Hadrian (117-138 n. Chr.) machte wie Tiberius den vergeblichen Versuch, Christus unter die römischen Götter aufzunehmen.116 Nachdem das Römische Reich unter seinem Vorgänger Trajan die größte Ausdehnung erlangt hatte, begann er, die Grenzen des Reiches im Osten und im Norden zu sichern. Während er im Osten den Parthern gegenüber sogar auf die eroberten Gebiete verzichtete und die Euphratgrenze wiederherstellte, begann er in England, an der Rhein- und Donaugrenze ebenso wie am Euphrat mit dem Bau von Befestigungsanlagen, dem sog. Limes.
Damit rückte der Defensivgedanke in den Vordergrund, und das Römertum verlor seinen expansiven Schwung. Hadrians Nachfolger, Marc Aurel, hatte dann alle Hände voll zu tun, um den Besitzstand des Reiches zu sichern. Er war der Philosoph auf dem Kaiserthron, von dessen Leben und Wirken der Kirchenvater Augustinus bewundernd sagte, das Leben dieses heidnischen Kaisers verdiene die Nachahmung der Christen. Es liegt wohl ein geheimnisvoller Sinn darin, daß das Reiterstandbild des Kaisers auf dem Römischen Kapitol nur deshalb nicht eingeschmolzen wurde, weil man den Reiter für den ersten christlichen Kaiser Konstantin hielt. Aber nicht nur gegen die Feinde von außen hatte der Kaiser zu kämpfen, sondern vor allem auch gegen die furchtbare Pestepidemie, die unter der Bevölkerung und den Soldaten seines Reiches grassierte.117 Diese entsetzlichen Pestepidemien und andere verheerende Seuchen waren mit wesentliche Gründe für den späteren Zusammenbruch des Reiches.
Ein römischer Kaiser, der nicht in die Mysterien eingeweiht war und auch mit dem Prinzip gebrochen hatte, sich gewalttätig die Einweihung zu erzwingen, war Konstantin der Grosse.118 Am 28. Oktober 312 siegte Konstantin über Maxentius an der Milvischen Brücke und wurde damit Herrscher über das Westreich. Dieser Sieg wurde durch Träume und Sibyllinische Zeichen entschieden.119 Nach dem ausschlaggebenden Traum, von dem bereits die zeitgenössischen Schriftsteller berichteten, erschien Konstantin das Kreuzzeichen mit dem Spruch: in hocsigno vinces — »In diesem Zeichen wirst du siegen.«
Tatsächlich ließ der Kaiser daraufhin das Kreuz auf den Feldzeichen seiner Truppen anbringen und gab nach dem Sieg den Christen und seinen Legionen die volle religiöse Gleichberechtigung. Diese war vorher insbesondere deshalb nicht gewährt worden, weil die christlichen Soldaten sich geweigert hatten, dem Kaiser als Gott zu opfern und ihm in dieser Eigenschaft den Treueid zu leisten; was auch ein wesentlicher Grund für die früheren allgemeinen Christenverfolgungen war.
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Der Sieg des römischen Heeres unter Konstantin stellte einen entscheidenden Durchbruch für die Verbreitung des Christentums im gesamten Europa dar. Wiederum waren durch eine militärische Entscheidung die Weichen für die Zukunft der damals kulturell fortschrittlichsten Völker der Welt gestellt worden. Die systematische Vernichtung der Kultorte und Heiligtümer und alles dessen, was an die alten heidnischen Mysterien erinnerte, wurde nun von den Cäsaren im Verein mit den christlichen Bischöfen und Priestern fortgesetzt.120
Bevor es jedoch so weit war, versuchte der Neffe Konstantins des Grossen und Nachfolger seines Bruders, Konstantin II., noch einmal, die alte Spiritualität wiederherzustellen. Julian Apostata war Eingeweihter der alten eleusinischen Mysterien und lebte in persönlichem Zorn und Groll, aber auch in persönlichem Enthusiasmus aus, was er als Erbe der alten Spiritualität empfangen hatte. Nicht zuletzt seinem Streben, die Mithrasmysterien kennenzulernen, ist es zu verdanken, daß er seinen Kriegszug gegen die Perser unternahm. Er fiel auf diesem Feldzug durch Christenhand im Jahr 363.121
Vier Jahre nach der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion und nachdem alle heidnischen Kulte verboten worden waren, wurde das Reich unter den Söhnen Theodosius des Grossen aufgeteilt. Arcadius erhielt den Osten, Honorius den Westen. Während das Weströmische Reich noch 80 Jahre unter schwächlichen Kaisern und bedroht von Germanen und Hunnen weiterbestand, ging das Oströmische Reich seine eigenen Wege. Im Lauf der Zeit nahm es immer mehr griechischen Charakter an.
»Denn nach dem Selbstverständnis seiner Herrscher und Bewohner und in der Vorstellung der Zeitgenossen vom 4. bis zum 15. Jahrhundert war der oströmische Staat nichts anderes als das alte Römische Reich in seinen bewährten Organisationsformen, geeint in der gemeinsamen Kultur des christlichen Glaubens und Sittengesetzes, in der großen geistigen Überlieferung des Griechentums und in der Rechtsordnung des Römischen Reiches, an seiner Spitze der über alles Irdische erhabene Basileus, der Stellvertreter Christi, der die ganze Fülle irdischer Macht in sich vereinigt, dafür aber auch die riesenhafte Verantwortung trägt für die Erhaltung von Friede und Recht, für die Erhaltung und Mehrung des Reiches, für die Bekämpfung der Barbaren und für die Bewahrung der Einheit des Glaubens.«122
Diese Auffassung vom Kaiser als dem Stellvertreter Christi führte schließlich neben anderen inneren Gründen zur Spaltung der christlichen Kirche und zur Auffassung vom russischen Staatsoberhaupt als Vorgesetztem des Metropoliten von Moskau.
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Noch einmal muß in der Geschichte um Jahrhunderte zurückgegriffen werden. Im Jahr 814 v. Chr. hatten die von den Assyrern bedrohten Phöniker aus Tyros die Stadt Karthago in Nordafrika gegründet.
Karthago
Beherrscht wurde die Stadt durch eine reiche Kaufmannsaristokratie, die sich zu ihrer Verteidigung in der Hauptsache auf Söldnerführer und Söldnerheere stützte. Seit einer Niederlage gegen die Griechen bei Himera auf Sizilien im Jahr 480 v. Chr. herrschten die Karthager im Westen, die Griechen im Osten des Mittelmeers, bis Rom eingriff. Im Ersten Punischen Krieg gegen Karthago von 264-241 v. Chr. kämpften die Römer zunächst erfolgreich in Sizilien, erkannten dann aber, daß Karthago nur zur See zu schlagen war.
Obwohl Rom bis dahin reine Landmacht gewesen war, baute es nun eine Flotte, für deren Schiffe es Enterbrücken entwickelte, über die die Legionen wie auf trockenem Boden die feindlichen Schiffe nehmen konnten. In Karthago machte sich dagegen der Nachteil der Söldnerheere bemerkbar, die sich gegen ihre eigene Führung erhoben. Rom nutzte augenblicklich diese Schwäche aus und erzwang die Abtretung Sardiniens und Korsikas. Wie Sizilien wurden diese Inseln römische Provinzen und das Tyrrhenische Meer damit zum römischen Binnenmeer.
Der siegreiche Ausgang des Ersten Punischen Krieges sowie die Abwehr der eingefallenen gallischen Stämme, ihre Niederlage und der römische Vorstoß in die Po-Ebene mit der Gründung der Kolonien Piacenza und Cremona zur Sicherung der Po-Übergänge ließen Rom im Gefühl einer militärischen Überlegenheit auf seinen Lorbeeren einschlafen. Wohl baute man noch im Jahr 220 v.Chr. die strategisch wichtige Via Flaminia, die Rom mit Rimini verband und ein rasches Verschieben von Truppen gegen den gallischen Erbfeind im Norden gestattete, aber Führung, Ausrüstung und Ausbildung der Legionen schienen sich so bewährt zu haben, daß man es bei dem erreichten Stand belassen zu können glaubte.
Das Heer erstarrte in seiner Schablone, etwa wie das preußische Heer nach Friedrich dem Grossen knappe zweitausend Jahre später. Das ist nicht verwunderlich, denn noch immer bestand das Offizierskorps ausschließlich aus Männern, die, wie etwa unsere heutigen Reservisten, sich nur zeitweise mit ihren militärischen Aufgaben befaßten. Und die Feldherren waren im Grunde genommen nichts anderes als Bürgermeister, die sich dem damaligen Bildungsstand entsprechend zwar mit taktischen und operativen, vielleicht sogar strategischen Problemen beschäftigten, sie aber niemals gründlich durchdachten. So konnten sie auch leicht in laienhafte »Irrtümer« verfallen, wie es besonders die Schlacht bei Cannae im Zweiten Punischen Krieg (218-201 v.Chr.) zeigen sollte.
Während man so in Rom die Zeit verschlief, schuf sich der neue Erbfeind der Stadt, Karthago, unter seinem Feldherrn Hannibal ein Heer, das aus karthagischen Berufsoffizieren, Söldnern aus vielen Ländern und barbarischen Völkerschaften bestand. Bei diesem neuen Heer gab es kein schablonenhaftes Vorgehen, keine Taktik nach Schema, sondern von Berufsoffizieren und einem genialen Feldherrn wendig geführte Verbände, die trotz des im Heer herrschenden Sprachgewirrs Hervorragendes leisten konnten.
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Der Beweglichkeit des Einzelkämpfers sowie der Einheiten und Verbände galt das vornehmliche Anliegen Hannibals, eine Maxime, die sich durch alle Jahrhunderte hindurch als mitentscheidend für militärische Siege erweisen sollte. Bereits der Alpenübergang Hannibals, die Schlachten am Tessin und an der Trebia sowie die überfallartig durchgeführte Schlacht am Trasimener See hätten die Römer warnen sollen. Aber noch immer glaubte man, unbesiegbar zu sein, wenn es zur wirklich großen Schlacht käme. Außerdem hoffte man, sich auf die zahlenmäßige Überlegenheit verlassen zu können.
Cannae
Zwei Lager schlagen die Römer im Jahr 216 v. Chr. in der Kampanischen Ebene bei Cannae auf, aus denen sie mit 70.000 bis 80.000 Mann und mit Front nach Westen aufmarschieren. Hannibal nimmt die Schlacht mit nur 50.000 bis 60.000 Mann eigener Truppen an. Auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit bauend, formieren sich die Legionen unter Terrentius Varro zu einer Masse mit einer Frontbreite von 1500 bis 1600 Mann, 36 Glieder tief, nach hinten durch die Triarier abgesichert, zum entscheidenden Angriff.
Schließen sich die Intervalle rechtzeitig, so besitzt diese Masse eine gewaltige Stoßkraft. Je 3000 Reiter decken ihre Flanken, die sich an Hügel anlehnen. Dieser Ansatz zur Schlacht war grundfalsch und nahm, wie meist, die Entscheidung schon voraus. Um der Stoßkraft willen hatte man die in der Manipulartaktik steckenden Möglichkeiten zur Bewegung der Verbände einfach vergessen und war in die alte Phalangentaktik zurückgefallen.
Hannibal richtet sich nach der Frontbreite der feindlichen Linie und stellt ihr im Zentrum 20.000 Gallier und Iberer in einer Tiefe von 12 Gliedern gegenüber. Hinter diesen verhältnismäßig schwachen Kräften stehen aber, nach den Flügeln zu massiert, je 6000 seiner Veteranen als zweites Treffen. Wie bei einem Gewehrschuß durch Vorhänge, die in verschiedenen Abständen aufgehängt sind, muß sich bei dieser neuen treffenweisen Gliederung der mächtige Gewaltstoß der Römer verlieren und schließlich ganz erlahmen. Links stehen Hannibals schwere Reiter, 6000 Pferde stark, rechts die leichten numidischen Reiter mit 4000 Pferden.
Gegen Mittag treten die Römer zum Angriff an. Während Hannibals Zentrum langsam zurückweichend den gewaltigen Stoß federnd auffängt, wirft sich die schwere karthagische Reiterei auf die römische, sprengt sie auseinander, umjagt das riesige Rechteck der Legionen, vertreibt mühelos die Leichtbewaffneten und fällt der bereits von vorn angegriffenen römischen Reiterei des linken Flügels in die Flanke. In haltloser Flucht verschwindet die römische Reiterei vom Schlachtfeld. Jetzt faßt Hasdrubal, der die schwere Reiterei der Karthager führt, auch die leichte unter seinem Kommando zusammen und fällt mit 10.000 Reitern den Römern in den Rücken.
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Die Triarier machen mühsam kehrt, um sich des Feindes zu erwehren. Der römische Gewalthaufen kommt dadurch ins Stocken, verliert seine Stoßkraft, die Gallier und Iberer im karthagischen Zentrum spüren das Nachlassen des Drucks und gehen wieder vor. Hannibal aber erkennt den rechten Augenblick, zieht seine Veteranen von der Mitte ab, läßt sie an den Flanken des eigenen Zentrums überquellen und stößt mit ihnen den Römern in die Flanken, an denen die Phalanx erfahrungsgemäß wehrlos ist.
Die Umfassung ist gelungen und führt zur ersten Vernichtungsschlacht der Weltgeschichte. Treffentaktik und Umfassung, selbst mit schwächeren Kräften, sind damit in die Kriegskunst eingezogen.
Keine andere Schlacht als der karthagische Sieg bei Cannae hat zu allen Zeiten das Interesse der Berufssoldaten so angezogen. In Deutschland hat das fast zu einer Cannae-Manie geführt. Alle großen Feldherren der deutschen Geschichte, besonders der jüngsten Vergangenheit, haben versucht, Vernichtungssiege zu erringen. So war es 1914 bei Tannenberg, und so war es in den großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs in Polen, Frankreich und Rußland.
Aber in der dominanten Beschäftigung mit einer Schlacht, die mit einem Schlag die feindlichen Streitkräfte vernichten sollte, lag auch eine große Gefahr, die sich schon bei Hannibal zeigte. Wohl war Cannae eine Vernichtungsschlacht, aber die Entscheidung über den Ausgang des ganzen Krieges hat sie genausowenig gebracht wie die großen deutschen Siege am Anfang des Zweiten Weltkriegs.
Die Konzentration der meisten Feldherren auf die operative Führung mit dem Ziel der Vernichtungsschlacht in höchster beruflicher Perfektion hat sie das strategische Denken in den Hintergrund rücken und auf diese Weise oft den Endsieg im Krieg aus der Hand geben lassen. »Zu siegen verstehst du, Hannibal, den Sieg auszunutzen, nicht!«, hatte schon Livius ausgerufen. Nur die Eroberung Roms hätte die Entscheidung des Kriegs gebracht. Hannibal konnte sich nicht dazu entschließen. Das sollte sich bitter rächen.
Wohl fand er in Makedonien und Syrakus Verbündete gegen Rom und dehnte so den Krieg zu einem Weltkrieg aus, aber es gelang ihm nicht, die jetzt so wichtige Seeherrschaft zu erringen. Rom dagegen raffte alle seine Kräfte zusammen und verstand es, Zeit und Raum zu seinen Gunsten zu nutzen. Dadurch mußte Hannibal seine Kräfte teilen. Es gelang ihm nirgends mehr, die Römer zu einer weiteren großen Schlacht zu stellen. Die Ermattungsstrategie der römischen Konsuln nach Terrentius Varro und Ämilius Paulus und besonders das Verhalten des Fabius Cunctator, der die Lage richtig erkannte, verschafften den Römern die Zeit zum Aufbau einer neuen, moderneren und schlagkräftigeren Armee. Sie konnte dann aus der Erkenntnis, daß die Ermattungsstrategie zur Erringung des Endsiegs von der offensiven Niederwerfung gekrönt werden muß, vergleichbar auf taktischer und operativer Ebene dem Wechsel von Abwehr auf Angriff, zur Entscheidung eingesetzt werden.
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Aufgrund der Überlegenheit zur See konnte Publius Cornelius Scipio im Jahr 204 v.Chr. es wagen, den Krieg nach Afrika hinüberzutragen. Hannibal mußte ihm wohl oder übel folgen, um Karthago zu retten. In der Entscheidungsschlacht bei Zama 202 v.Chr. unterlag er den Römern. Im Friedensschluß mußte sich Karthago verpflichten, auf Spanien Verzicht zu leisten und Numidien an Massinissa zu übergeben. Außerdem war eine Zahlung von 10.000 Talenten in fünfzig Jahren fällig. Die Kriegsschiffe sollten bis auf zehn Triären ausgeliefert werden, und es war Karthago verboten, außerhalb Afrikas Kriege zu führen und innerhalb Afrikas nur mit Genehmigung der Römer.
Diese erzwungene totale Abrüstung Karthagos führte zur Wehrlosigkeit und schließlich zur endgültigen Zerstörung Karthagos im Dritten Punischen Krieg von 149-146 v.Chr. Diese totale Abrüstung hat nicht etwa dazu beigetragen, die siegreichen Römer friedlich zu stimmen, sondern im Gegenteil das endgültige Schicksal Karthagos besiegelt. Diejenigen seiner Einwohner, die das Blutbad überlebten, wurden versklavt, die Stadt bis auf die Grundmauern zerstört. Karthago hat nie wieder eine Rolle in der Geschichte gespielt. Das Mittelmeer aber war zum mare nostrum der Römer geworden.
Zwischen dem Zweiten und Dritten Punischen Krieg unterwarf Rom die Kelten in Oberitalien und griff auch in Makedonien, Griechenland und im östlichen Mittelmeer siegreich ein. Dieses Eingreifen war zunächst nicht dem Wunsch nach einer Eroberung der hellenistischen Staaten entsprungen, die Gründe waren rein politischer Natur. Zum ersten Mal versuchte man, den Gedanken des Gleichgewichts der Mächte ins Spiel zu bringen. Dieses Gleichgewicht wurde jedoch im Dritten Makedonischen Krieg von 171-168 v.Chr. durch den Angriff der Makedonier auf Griechenland gestört, die ihre Hegemonialstellung wiederzugewinnen trachteten.
Diese unbedachte Störung des Gleichgewichts durch aggressive Kräfte sollte dann erst zur Unterwerfung der griechischen und hellenistischen Staaten führen. Dadurch war Rom endgültig Herr des gesamten Mittelmeerraums und nicht nur militärpolitisch, sondern auch wirtschaftlich die stärkste Macht der Welt geworden. Die unter Augustus verkündete »Pax Augusta« stempelte jeden, der versuchte, gegen Rom aufzutreten, zum Verbrecher. Eine Ahnung davon, welch hohes Ansehen das römische Bürgerrecht genoß, erhalten wir aus der Apostelgeschichte 22, wo Paulus sich darauf beruft, er sei römischer Bürger. Allein dieses Wort schützte ihn vor allen Nachstellungen der Juden.
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