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Teil 2   Der künstliche Produktionskreis

2.1  Die Grundstoffe

Die Spezies Mensch ... begnügt sich nicht mit dem, was sie findet, sondern schafft Neues, sie beschränkt ihr Tun nicht auf ihre physio­logischen Möglich­keiten, sondern vervielfacht ihre Körperkräfte ins Unendliche. So konnte es ihr gelingen, die Gleich­gewichts­zustände in der Natur zu zerstören, und zwar sehr rasch. (Francois de Closets)

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Unter <Grundstoffen> verstehen wir all jene Materialien, die im natürlichen Regelkreis ziemlich bedeutungs­los waren, inzwischen aber die Grundlage der industriellen Produktion der letzten 200 Jahre bilden. Das englische Wort <Ressourcen> ist eine sehr schlechte Bezeichnung für diese Stoffe; das »re-« erweckt den Eindruck, als erneuerten sie sich ständig. Die deutsche Übersetzung von Ressourcen als <Hilfsquellen> ist ebenso falsch; denn diese Bezeichnung täuscht vor, man könne sich ihrer hilfsweise bedienen oder es auch lassen. Darum wäre der Ausdruck <Primärquellen> richtiger; denn diese Rohstoffe müssen erst einmal vorhanden sein, damit eine industrielle Produktion beginnen kann. Aber auch der Begriff <Quelle> vermittelt noch immer falsche Vorstellungen: eine Quelle fließt unentwegt. Da es sich hier jedoch um einmalige kaum erneuer­bare Stoffe handelt, ist der Begriff <Grundstoffe> sicherlich der treffendste. In dem Wort <Grund­stoff­industrie> wird diese Bezeichnung bereits seit langem verwandt.

Wegen der Kostbarkeit dieser Vorkommen werden die Grundstoffe in der deutschen Sprache gar als <Bodenschätze> bezeichnet. Wir unterscheiden solche, die Energie liefern, und alle übrigen Rohstoffe, die verschiedensten Zwecken dienen.   detopia: Rieseberg kritisiert 1988 das Wort Boden-"Schätze".

    Energie   

Der Ausbruch des Menschen aus dem natürlichen Regelkreis der Sonnen­energie­verwertung begann wahrscheinlich mit der Entdeckung des Feuers. Erst als er dieses beherrschen lernte, entfernte er sich von den übrigen Lebewesen. Aus dem Feuer wurde das Pulver und mittlerweile das atomare Feuer, durch das die Erde im Nu vernichtet werden könnte, verlöre der Mensch auch nur für kurze Zeit die Kontrolle über diese Macht. Wir kommen darauf noch zurück.

Im Laufe der Jahrtausende lernte der Mensch zunächst sehr langsam, mit dem Feuer immer bessere Waffen und Werkzeuge zu schmieden. Mit dem Holz stand genügend Brennstoff zur Verfügung, solange die Zahl der Menschen klein blieb. Mit der wachsenden Zahl der Erdbewohner und dem ansteigenden Energiebedarf hätte das langsam nachwachsende Holz nicht mehr Schritt halten können. Auch die natürlichen Energien von Wasser und Wind reichten nicht aus; sie liefern heute nur noch einen Bruchteil unseres Verbrauchs.

Größere Mengen wirksamerer Energie konnte erst die Kohle liefern, deren regelmäßiger Abbau im 12. Jahr­hundert in England begann. Damit wurde auch die hüttenmäßige Verarbeitung der Erze möglich, womit das Eisenzeitalter in voller Breite einsetzen konnte. Mit dieser ersten industriellen Verwendungsart wurde — nicht anders als beim Heizen der Häuser — jedoch nur die unmittelbare Wärmeenergie genutzt, die bei der Verbrennung entstand.

  wikipedia  Steinkohle       wikipedia  Steinkohlenbergbau

Die Umsetzung der Kohle in vielseitig verwendbare Energie begann im großen Stil erst mit der Erfindung der doppelt wirkenden Dampfmaschine durch James Watt im Jahre 1782. Vor allem der Verkehr bekam damit den ersten gewaltigen Anstoß; Dampfschiffe und Eisenbahnen konnten betrieben werden. Die Vervielfachung der Anwendungs­möglichkeiten dieser neuen Energiequelle wurde in dem Augenblick möglich, als mit der Dampfmaschine auch Elektrizität erzeugt werden konnte; denn diese kann an jeden beliebigen Ort in jeder beliebigen Menge geliefert werden — sobald Leitungen gelegt sind. Diese Einschränkung gilt bis auf den heutigen Tag. Da, wo mobile Energiequellen nötig sind, für den Verkehr zu Lande und zu Wasser, wurde daher die Dampfmaschine bald durch den Benzin- und Dieselmotor ersetzt. Das Erdöl erwies sich hier als ausgezeichneter Energieträger, der in jeder nötigen Menge mitgeführt werden konnte. Erst daraufhin wurde der Luftverkehr möglich.

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Die vielseitigen Anwendungs­möglichkeiten von Elektrizität und Erdöl, auch für jeden Privatmann, hatten den gewaltigen Anstieg des Energieverbrauchs zur Folge, den folgende Kurve zeigt, die zugleich den wachsenden Anteil des Erdöls sichtbar macht.

  

Weltproduktion von Wärmeenergie
aus Kohle und Braunkohle, Erdöl und Erdgas bis 1972.

Quelle: Cloud, 194, ab 1961:
UNO Statistical Papers, Ser. J No. 15 und 17, World Energy Supplies. Erdgas
1955 bis 1960: Minerals Yearbook;
vor 1955 waren keine genauen Verbrauchszahlen zu bekommen.

 

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Der Erdölverbrauch hat von 1890 bis 1973 jährlich um 6,9 Prozent zugenommen, was einer Verdoppelung alle zehn Jahre gleichkommt. Wenn man das neu hinzugetretene Erdgas berücksichtigt, dann hat dieses mit dem Rohöl zusammengenommen einen Anteil von etwa 60 Prozent der Gesamtenergie erreicht. Der allergrößte Teil der geförderten fossilen Brennstoffe wurde allein nach dem II. Weltkrieg verbraucht.

Was bedeutet diese Steigerung der Weltenergieproduktion?

Der Mensch verbraucht im Welt-Durch­schnitt 2400 Nahrungs­kalorien täglich, das sind 2,8 Kilowattstunden. Zur Verfügung standen ihm im Jahre 1972 aber 52 Kilowattstunden täglich, also fast das Zwanzigfache.1 Der deutsche Wissenschaftler Werner Braunbek, Verfasser des Buches »Die unheimliche Wachstumsformel«, veranschaulicht, daß jedem Menschen damit zwanzig »technische Sklaven« zur Verfügung stünden. Die Wirklichkeit sieht anders aus: die wenigen unberührten Eingeborenen leben immer noch von knapp 2,8 kWh Nahrungs­aufnahme pro Tag; der Inder verfügt im Landesdurchschnitt nur über fünf Kilowattstunden. Der Nordamerikaner dagegen hat täglich 255 kWh zur Verfügung, also fast hundertmal soviel, wie ein Mensch für sein nacktes Leben braucht.

 wikipedia  Werner_Braunbek   1901-1977

         

Der tagtägliche Energieeinsatz des Nordamerikaners entspricht der Kraft, für die in früheren Zeiten einhundert Sklaven nötig gewesen wären. Die Energie heizt oder kühlt, beleuchtet ihm das Haus, treibt alle seine Geräte und sein Auto an und versorgt ihn mit Waren und Nachrichten aller Art. Er kann all diese Leistungen nur begleichen, wenn er selbst entsprechend viel »erwirtschaftet«. Dies könnte er niemals, wenn er selbst nur seine eigene Arbeitskraft zur Verfügung hätte (1/10 der eines Pferdes, 0,1 PS). Statt dessen läßt er an allen Arbeitsplätzen Energien und Geräte für sich arbeiten. Diese steigern seine winzige Arbeitskraft so ungeheuer, daß er damit die Werte nicht nur für sich und seine Familie erarbeitet, sondern auch für alle diejenigen mit, die in Verwaltungen, im Verkaufs- und Dienstleistungs­gewerbe für ihn tätig sind.

Dies ist das Ergebnis der jahrzehntelangen technischen Entwicklung in den Industrieländern der Erde. »Die Entwicklung der mechanisierten Industrie, die sich in großen Produktionseinheiten konzentrierte, wäre nicht ohne eine Energiequelle möglich gewesen, die die menschliche und tierische Kraft bei weitem übertraf und nicht von den Launen der Natur abhing.«2 

Diese Entwicklung begann mit der Dampfmaschine und der Kohleförderung in England. »Seit dem 16. Jahr­hundert zwang das Bedürfnis nach neuen Wärmeenergiequellen in einem vom Wald fast ganz entblößten Land die Briten dazu, in einer ganzen Reihe wärmeabsorbierender Industrieprozesse die pflanzlichen durch mineralische Brennstoffe zu ersetzen. Gleichzeitig stieg der Kohleverbrauch in den Haushalten ständig an.«2 

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Der größte Energiebedarf bestand im Bergbau selbst. Solange die neue Energie im Bergbau noch nicht zur Verfügung stand, mußten z.B. in einem Bergwerk in Warwickshire 500 Pferde eingesetzt werden, nur um die Eimer mit Wasser hochzuziehen. Die Schwierigkeiten des Einsatzes von soviel Tieren liegen auf der Hand. Man rechne das Futter, für das damals allein eine Fläche von 2,5 Hektar pro Pferd nötig war, die Anzahl der Pferdepfleger sowie die Ermüdung von Mensch und Tier bei der Arbeit. Das alles entfiel mit der Dampfmaschine, die wenige Wärter und einen Brennstoff benötigte, der vorher »nutzlos« in der Erde lag.

Mit Hilfe der Dampfmaschine erreichte Großbritannien, das Pionierland der Industrialisierung, 1870 eine Kapazität von rund 4 Millionen Pferdestärken (PS). (Das entspricht bereits der Kraft von 40 Millionen Menschen!)3 Die Dampfmaschinenkapazität wuchs in England von 1840-1896 von 620.000 auf 13.700.000 PS, die in der Welt von 1.650.000 auf 66.100.000.4

Auch der Wirkungsgrad der Energieerzeugung durch Dampf wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert beträchtlich gesteigert.5 Allein schon durch ständige Verbesserung der Technik und besonders durch Einsatz der Dampfturbine konnten größere Mengen elektrischer Energie erzeugt werden. Sie wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts für immer vielseitigere Zwecke eingesetzt.

Die Erzeugung von elektrischer Energie seit dem I. Weltkrieg entwickelte sich wie folgt:

 

   

Quelle: Zahlen von 1920 und 1939 aus Landes, 408. Zahlen von 1953 und 1963 aus dem Statistical Yearbook 1971 und 1973. Zahlen von 1973 aus Fischers Welt-Almanach, Ffm. 1975.

 

* Deutschland wird 1920 und 1939 in den Grenzen von 1937, ohne Saar, zugrunde gelegt; die Zahlen ab 1953 gelten allein für die Bundes­republik Deutschland. 

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Die Elektrizität wurde vorwiegend aus Kohle gewonnen, die auch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts den weitaus größten Teil der Energie für die Raumheizung dieser Länder lieferte. Dann trat in den Industrieländern auch hier das Öl und etwas später auch das Erdgas weitgehend an ihre Stelle.

Im Bereich des Verkehrs erlaubte das Erdöl den raketenhaften Aufstieg des Kraftfahrzeugs, das in den Industrieländern nach dem II. Weltkrieg ein Volksverkehrsmittel wurde.6

Woher kommt nun dieses vielseitig verwendbare kostbare Erdöl?

Im Laufe der Jahrmillionen wuchsen neben den üblichen Meerestieren riesige Mengen planktonisch lebender Organismen, wie primitive Algen, Bakterien und Pilze in günstig gelegenen Meeresgebieten. Diese Organismen starben laufend ab und sanken auf den Meeresboden, wo sie sauerstoffrei konserviert wurden. Die Überlagerung durch Schutt und Gestein der nahe und höher gelegenen Erdschichten bewirkte unter hohem Druck die Umwandlung der organischen Substanzen in Kohlenwasserstoffe in einem Prozeß, der noch nicht bis in alle Einzelheiten aufgeklärt ist. 

Sicher ist, daß diese Vorgänge nur unter ganz bestimmten Bedingungen in riesigen Zeiträumen stattfinden konnten. Die Entstehungs­geschichte legt also nahe, daß sich das Erdöl (und im Zusammenhang damit auch das Erdgas) nur an den Stellen der Erde bilden konnte, wo diese Bedingungen einmal für Millionen Jahre lang vorhanden waren. Wenn heute Erdöl auch aus Schichten unterhalb des Meeresbodens zutage gefördert wird, dann besonders im Bereich der Festlandssockel, wo diese Voraus­setzungen früher ebenfalls bestanden haben.

Aufgrund dieser erdgeschichtlichen Vorgänge sind die Erdölvorkommen begrenzt. Der Geologe H. R. Warman stellt in einer Untersuchung fest,7 daß der bedeutendste Teil der Weltvorräte sich in einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Ölfeldern befindet. Daraus folgert er: Bei der in den letzten Jahren aufgewendeten Mühe könne man kaum unterstellen, daß es noch viele unvermutete große Ölfelder gibt.

Die Ende 1974 bekannten Vorräte an Erdöl betrugen 93 Mrd. Tonnen. Die höchsten Schätzungen über die möglichen Vorkommen, die noch als seriös anzusehen sind, liegen bei 500 Mrd. Tonnen.8 Dazu könnten noch einmal 500 Mrd. Tonnen kommen, die aus den Ölschiefern und Ölsanden herausgeholt werden müßten. Doch diese Gewinnung wird sehr viel kostspieliger sein als die Ausbeutung der heutigen Ölfelder. Schon die Nutzung der Lager unter dem Meer und im Bereich des ewigen Eises kostet viel mehr als die bisherige Förderung.

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Für die Erdgasvorkommen trifft etwa das gleiche zu wie für das Erdöl, zumal die Fundstätten weitgehend identisch sind. Die z.Z. geschätzten Vorräte betragen 57,6 Billionen cbm.

Weitaus größere Vorräte bietet unter den fossilen Brennstoffen nur die Kohle. Die Braunkohle entstand in einem Vermoderungs­prozeß der Koniferen, Palmen und Laubbäume der Tertiärzeit, die unter Luftabschluß von Erdschichten einem langen Oxydationsvorgang unterworfen waren. Die ältere Steinkohle entstand aus den Gewächsen der Karbonzeit.

 

Wie lange reichen die fossilen Brennstoffe noch? King Hubbert kommt zu dem Schluß: »Wenn diese Stoffe weiterhin haupt­sächlich wegen ihrer Energieinhalte genutzt werden und wenn sie weiterhin den Großteil des Weltenergiebedarfs decken müssen, wird die Zeit, die zur Erschöpfung der mittleren 80% der höchstmöglichen Vorräte an Brennstoffen der Erdöl-Erdgas­gruppe (Rohöl, Erdgas, Erdgasbenzin, Teersandöl und Schieferöl) führt, wahrscheinlich nur ein Jahrhundert umfassen. — Unter ähnlichen Bedingungen wäre die Zeit, die zur Erschöpfung der mittleren 80% der Weltkohlevorräte benötigt wird, ungefähr 300 bis 400 Jahre (aber nur 100 bis 200 Jahre, wenn Kohle als Hauptenergiequelle benützt wird.)«9 Unter den »mittleren 80%« versteht King Hubbert den Teil eines Grundstoffvorrates, der in der Spitzenzeit des Verbrauchs aufgezehrt wird; die übrigen 20% rechnet er als An- und Auslaufzeit.

 

    

Das Zeitalter der Ausbeutung fossiler Brennstoffe in historischer Perspektive von jeweils 5000 Jahren vor und nach der Gegenwart. 

Quelle: Cloud, 212

 

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Aus diesem Abschnitt ergibt sich, daß die aus fossilen Brennstoffen künstlich erzeugte Energie ein gewaltiger Produktions­faktor ist; denn diese Energie vervielfacht die menschliche Arbeitskraft. Wir müssen aber im nächsten Abschnitt noch einen Schritt weiter gehen und den übrigen Grundstoffen, die nicht in Energie umgewandelt genutzt werden, die gleiche, wenn nicht eine noch größere Bedeutung zusprechen. Denn ohne Rohstoffe gäbe es keine Maschinen, mit denen Energie hätte erzeugt, und auch keine Gegenstände, die mit der Energie hätten hergestellt werden können. Infolgedessen ist Energie nur dann von Wert, wenn auch Rohstoffe verfügbar sind.

 

    Die mineralischen Rohstoffe    

 

Die mineralischen Rohstoffe sind anorganische Grundstoffe, also Bodenschätze, die keinen organischen Ursprung haben wie die im vorigen Abschnitt behandelten fossilen Brennstoffe. Zuweilen bezeichnet man allerdings auch organisch gewachsene Stoffe, wie Holz, Baumwolle, oder auch bestimmte Nahrungsmittel, die weiterverarbeitet werden, als Rohstoffe — das ist hier nicht gemeint. Hier werden Stoffe betrachtet, die weder heute irgendwo nachwachsen noch in früheren Jahrmillionen aufgrund der Sonnenenergie gewachsen sind: Bestandteile der Erdkruste aus noch ferneren Zeiten, als es organisches Leben auf der Erde überhaupt noch nicht gab. Es handelt sich also um die verhältnismäßig geringen Anteile der oberen Erdschichten, die sich für irgendeine Verwertung durch den Menschen eignen.

Diese Rohstoffe müssen von den fossilen schon darum unterschieden werden, weil sie bei ihrer Nutzung nicht verbrannt und damit — wenigstens in der Regel — nicht vernichtet werden. Bei ihrer Verarbeitung bleibt ein wesentlicher Teil der Masse erhalten, der auch noch als Altmaterial seine kennzeichnenden Eigenschaften behält. Darum ist hier eine Wiederverwendung (Recycling) möglich. Bei den fossilen Rohstoffen ist das nur bei den sehr geringen Mengen der Fall, die nicht der Energie­gewinnung geopfert, sondern zu anderen Materialien verarbeitet werden. Insofern erscheint auch die getrennte Behandlung der Energieträger und der anderen Rohstoffe — nicht nur wegen der verschiedenartigen Entstehungs­geschichte — vonnöten.

Andererseits wurde Verarbeitung der mineralischen Rohstoffe durch Menschenhand im großen Umfang erst durch die Energie­gewinnung aus den fossilen Brennstoffen möglich. Der zunehmende Verbrauch verläuft darum bei beiden parallel.

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Für beide Arten von Grundstoffen trifft zu, daß sie von der Natur nicht reproduziert werden, sie sind im Gegensatz zur unerschöpflichen lebenden Natur erschöpflich.

»Das Gesamtvolumen abbaubarer mineralischer Lagerstätten ist ein unbedeutender Bruchteil eines Prozentes des Gesamt­volumens der Erdkruste, und jede Lagerstätte stellt einen geologischen Zufall der fernen Vergangenheit dar. Lagerstätten müssen da abgebaut werden, wo sie auftreten — oft weit entfernt von den Verbrauchszentren. Jede Lagerstätte ist begrenzt und früher oder später wird sie abgebaut und erschöpft sein. Es wird keine zweite Ernte geben. Reiche Minerallagerstätten sind die wertvollsten, aber auch vergänglichen Besitztümer einer Nation — sozusagen ihr Barvermögen.« 10

Da unter den Rohstoffen Eisen die Schlüsselfunktion der Entwicklung einnimmt, ist es wichtig, dessen Verbrauch zu verfolgen.

1740 entfielen auf einen Einwohner Großbritanniens reichlich 10 Pfund erzeugtes Eisen. Schon 1848 erzeugte die britische Industrie 2 Mill. Tonnen Eisen. Dies war damals mehr, als alle übrigen Länder zusammen produzierten. Die Steigerungsrate von 5,2 % wurde in den Folgejahren allerdings schon von Deutschland mit 10,2 % und von Frankreich mit 6,7 % übertroffen. Die Einführung des Siemens-Martin-Verfahrens brachte einen weiteren Sprung in der Stahlerzeugung. Sie entwickelte sich dann in den vier größten europäischen Erzeugerländern von 1913-1969 wie folgt:

 

Eisenproduktion in Mill. Tonnen pro Jahr
Großbritannien
Deutschland (ab 1949 BRD)
Frankreich
Belgien-Luxemburg
Gesamtproduktion

1913
7,8
14,3
7,0
3,9
33,0

1929
9,8
18,4
9,7
6,8
44,7

1939
13,4
22,5
7,9
4,9
48,7

1949
15,8
10,9
9,1
6,1
41,9

1959
20,5
29,4
15,1
10,0
75,0

1969
26,8
45,3
22,5
18,3
112,9

 Quelle: Landes, 424. Zahlen ab 1949 vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden

 

Unter den mineralischen Rohstoffen ist das Eisen bis heute die Hauptgrundlage unserer Zivilisation geblieben, wenn es auch inzwischen bei der Anwendung mit vielen anderen Metallen kombiniert wird. Daran konnte auch das Vordringen des Aluminiums und das Aufkommen der Kunststoffe, die ihm einige Anwendungs­bereiche abgenommen haben, noch nicht viel ändern.

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Die Anwendung des Eisens und anderer Metalle hat den Bau von Maschinen und Fahrzeugen aller Art erst möglich gemacht, damit die Mechanisierung unendlich vieler Arbeitsgänge erlaubt und für die Energie im industriellen Bereich erst die Einsatzfelder geschaffen. Diese Entwicklung griff, besonders nach dem II. Weltkrieg, auch auf die Haushalte der Industrieländer über, die nun ebenfalls durch Geräte mechanisiert wurden.

Am steigenden Verbrauch der wichtigsten Mineralien läßt sich die Entwicklung ablesen:

 

Weltverbrauch von Mineralien in Tausend Tonnen

* Rohmaterial    +Raffinade   11889   21913 
Quelle: Metallstatistik, Metallgesellschaft AG, Frankfurt a. M., mit Ausnahme von Eisen: Stat. Bundesamt.

 

Das Tempo der technischen Revolution, die sich besonders in diesem Jahrhundert vollzog, war nur auf der Grundlage des exponentiell steigenden Einsatzes von mineralischen Rohstoffen möglich.

Wie schon die menschliche Produktionsleistung durch den Einsatz von Energie vervielfacht werden konnte, so erfuhr sie durch immer vielseitigere Maschinen und deren automatische, Tag und Nacht laufende Arbeitsgänge eine weitere gewaltige Steigerung. Der Mensch ist nur noch nötig, um die Vorgänge zu beaufsichtigen und bei Störungen einzugreifen. Eine Person kann darum das Vielfache von dem produzieren, was z.B. mit dem Handwebstuhl zu erzielen wäre, dessen Erzeugnisse nun kostenmäßig in keiner Weise mehr zu konkurrieren vermochten.

Seitdem geistert in der Welt die Vorstellung umher, der Mensch sei mit seiner Arbeitskraft weitestgehend überflüssig geworden. Bei der Entwicklung gingen zwar laufend Arbeitsplätze verloren, aber es entstanden auch neue. Zunächst mußten ja diese Wunder­maschinen irgendwo gebaut werden. Dazu waren vielerlei Materialien und Zulieferanten nötig. Nach ihrer Fertigstellung benötigten die Maschinen Gebäude zu ihrer Unterbringung, Energie zum Antrieb und eine ständige technische Wartung.

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Außerdem mußten sie entsprechend ihrem Ausstoß mit riesigen Mengen von Rohstoffen gefüttert werden, die es herbeizuschaffen, so wie es die hergestellten Erzeugnisse wegzuschaffen galt. An all diesen Stellen (in vielen anderen Betrieben) wurden also neue Arbeitsplätze geschaffen. Darum führen Berechnungen über die größeren Arbeitsleistungen der Maschinen meist in die Irre, wenn all diese Arbeitsabwälzungen auf andere Wirtschaftsbereiche nicht berücksichtigt werden. Zahlen, daß die Leistung eines Arbeiters z.B. um den Faktor 1:1000 gesteigert worden sei, sind nicht nur sinnlos, sondern falsch. Um zu den echten Produktivitäts­steigerungen zu kommen, muß man alle Vorproduktionen einschließlich des Energieverbrauchs in die Berechnung einbeziehen.

Wirtschaftstheoretisch begnügte man sich meist mit der Feststellung, für den Aufbau eines mechanisierten Betriebes wären immer höhere Kapitalinvestitionen erforderlich. In diesem Kapitaleinsatz seien die Vorleistungen an Arbeit, Energie und Rohstoffen enthalten.

Wenn es sich auch weitgehend nur um Verlagerungen der Arbeit handelte, so blieb natürlich ein Plus an Leistung, sonst wäre der Einsatz solcher Maschinen nicht rentabel gewesen. Inzwischen sind für immer mehr Anwendungsbereiche immer kompliziertere Maschinen entwickelt worden, von kleinen bis zu solch riesigen Dimensionen wie denen von Baggern, die 100.000 Tonnen Braunkohle an einem Tage aus der Erde wühlen. Die Steuerung dieser Anlagen erfolgt weitgehend automatisch, wodurch der Aufwand nochmals um einige Größenordnungen erhöht wurde.

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In den Spitzenländern der Industrialisierung wurden oft schon Arbeitskräfte nicht deswegen durch Maschinen ersetzt, weil dies rentabler wäre, sondern weil für gewisse Arbeiten keine Menschen mehr zu bekommen waren. Wie sich schon im Abschnitt »Energie« ergab, sind die enormen Produktions­steigerungen nur durch die fossilen Brennstoffe und durch den Einsatz von Rohstoffen (Maschinen) möglich geworden.

Der Ausstoß je Arbeitsstunde in allen Wirtschaftsbereichen stieg David Landes' Untersuchungen zufolge von 1870 bis 1938 (1913 =° 100) und nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 1958 bis 1971 (1963 = 100) wie folgt:

 

 

    Die exponentiellen Steigerungsraten   

 

Der Anstieg des Verbrauchs der Rohstoffe insgesamt betrug in den letzten 100 Jahren 2,5% jährlich. Die Steigerungen waren so gewaltig, daß sie regelmäßig die Voraussagen übertrafen. Die Verbrauchsprognosen mußten nachträglich stets korrigiert, nämlich heraufgesetzt werden. Den Grund des wiederholten menschlichen Irrtums stellt Ernst Basler in seinem Buch »Strategie des Fortschritts« dar.11)

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Mangels anderer Anhaltspunkte wendet der Mensch sich zunächst nach rückwärts und stellt fest, daß in einer bestimmten Zeit bis heute eine Zunahme von x zu verzeichnen ist. Diese Erfahrungswerte verlängert er nun bis zu einem gleichweit entfernten Punkt in der Zukunft. Damit erhält er eine Gerade und somit eine arithmetische Steigerungsrate. Die tatsächliche Entwicklung jedoch kann nur von einer Exponentialkurve, die also gleiche Zuwachs­raten hochrechnet, erfaßt werden. Ihr Verlauf zeigt, daß an dem fixierten Punkt der Zukunft bereits ein Stand erreicht wird, der mehr als das Doppelte des geschätzten Verbrauchs beträgt:

 

   

Wir extrapolieren eine erfahrene Veränderung von Q1 auf Q2 linear in die Zukunft auf einen möglichen Wert von Q3. 

Je länger der Lebens­abschnitt unserer Erfahrung ist, um so konservativer wird daher unsere Zukunftsprognose. Die Jugend vermag vielleicht gefühlsmäßig eher eine genauere Tangente an die Wachstumskurven im heutigen Zeitpunkt anzulegen und auf einen künftigen Wert Q4 zu extrapolieren. 

Der tatsächliche Verlauf eines exponentiellen Wachstums nach Q5 läßt sich aber nur mittels mathematischer Modelle ermitteln, was den Nachteil hat, daß er als unglaubwürdig aufgenommen wird.

 

Quelle: Basler, Strategie, 70. 

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Damit steigt aber auch der Bedarf an Grundstoffen mit unerwarteter Geschwindigkeit. Erst in den letzten Jahren wurden Überlegungen angestellt, wie denn wohl die exponentiellen Steigerungsraten auf die Dauer gespeist werden könnten. Daraufhin wurden Berechnungen unternommen, wie lange die bekannten Vorräte der wichtigsten Rohstoffe reichen würden, wenn die jährlichen Steigerungsraten anhielten. Solche Berechnungen stoßen auf Schwierigkeiten. Fest steht, daß sich die Vorräte nicht erneuern, unklar jedoch ist das Ausmaß der Erdvorräte. Auch dafür aber werden die Berechnungen aufgrund der weltweiten Exploration immer genauer — wobei natürlich immer noch Entdeckungen möglich sind. Gerade in den letzten Jahren wurden gewaltige Anstrengungen auf der Suche nach weiteren Lagern unternommen. Danach bleibt sicher, daß vor allem die wirt­schaftlich nutzbaren Vorkommen begrenzt sind.

Da die zu erwartenden Funde für den einzelnen Rohstoff schwerlich abzuschätzen sind, werden in den »Grenzen des Wachstums« von Meadows auch Berechnungen angestellt, denen großzügig die fünffache Menge der bisher bekannten Reserven zugrunde gelegt wird. Selbst diese gewagte Annahme bringt jedoch nur eine geringe Galgenfrist, wenn der Verbrauch weiterhin exponentiell wächst. Im allgemeinen ergibt eine Verfünffachung der Vorräte nur eine Verdopplung der Zeit bis zu ihrer Erschöpfung. Für die wichtigsten Rohstoffe bei gegenwärtigen Wachstumsraten bzw. bei gleichbleibendem Verbrauch zeigt dies die nebenstehende Tabelle (nach Meadows).

Die angenommene Verfünffachung der bisherigen Funde dürfte jedoch bei den meisten Rohstoffen illusorisch sein. Aber gleichgültig, ob die Erde nun die doppelte, die dreifache oder fünffache Menge birgt, sicher ist: die Vorräte könnten nur dann ins Gewicht fallend gestreckt werden, wenn der Verbrauch gebremst wird und konstant bleibt. Nur dann würden die Neuent­deckungen von Rohstofflagern auch die Fristen der Verfügbarkeit entsprechend verlängern — bisher decken sie immer nur gerade den Mehrverbrauch. Ein konstanter Verbrauch aber würde bei einer wachsenden Erdbevölkerung bereits die Senkung des Durchschnitts­verbrauchs pro Kopf bedingen. Soll der Pro-Kopf-Verbrauch aufrechterhalten werden, dann tritt schon wegen der Bevölkerungs­zunahme bis zum Jahre 2010 eine Verdoppelung des Bedarfs ein.

Zu dieser alarmierenden Entwicklung ist es gekommen, weil es bisher keine Hemmungen im Verbrauch, sondern nur Anreize zu seiner Erhöhung gibt. Die unersetzlichen Rohstoffe kosten nämlich nichts und haben in den Modellen der Wirtschaftswissenschaftler bisher überhaupt keinen Stellenwert gehabt.

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Die Vervielfältigung der Produktion fand in allen Industrieländern statt, hatte also keine überwiegend politischen Gründe. David Landes kommt zu dem Ergebnis: »Schon eine kursorische vergleichende Darstellung des Regierungssystems der industrialisierten und der sich auf dem Wege zur Industrialisierung befindlichen Nationen macht deutlich, daß eine große Vielfalt institutioneller Vorkehrungen mit dieser Entwicklung vereinbar waren. Großbritannien ist seit frühem eine parlamentarische, die USA eine Präsidial­demokratie gewesen; Frankreich hat unter mehreren Regimen gelebt; Rußland hat sich von einem autokratischen zu einem totalitären Staat entwickelt; Japan hat seine industrielle Revolution unter der Herrschaft eines Bündnisses von Militärs und Plutokraten gemacht, die sehr viele Parallelen mit der Oligarchie der Junker und Industriellen im deutschen Kaiserreich aufweist. Überdies hat zwischen der politischen und ökonomischen Freiheit stets nur ein loser Zusammenhang bestanden.«12

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Wohl kein Land hat mit einer solchen Gewaltsamkeit die Grundstoffindustrien aus dem Boden gestampft wie die Sowjetunion. Darauf gründen sich ihre gewaltigen Erfolge, die sie zur zweiten Weltmacht emporgetragen haben. Die Sowjets haben an dem Punkt angesetzt, der ihnen die größten Steigerungen bringen konnte. Mit den Produktionserfolgen haben sie letztlich sogar die Bevölkerung für sich gewonnen — nicht mit der Ideologie. Als die Sowjetunion dann noch den schweren Krieg gegen eine Industrie­macht wie Deutschland bestand — die vom russischen Volk wie die USA heimlich bewundert wurde —, fühlten sich viele Sowjetbürger in der Richtigkeit ihres Weges bestätigt.

Innerhalb der Staaten verschiedenster Systeme konnte das »große Geld« nur noch im Bereich der Industrie »gemacht« werden. Darum genossen die Grundstoffindustrien staatliche Förderung und staatliches Wohlwollen im Westen wie im Osten. Die Industrie wird gegenüber der Landwirtschaft begünstigt und die Schwerindustrie wiederum gegenüber der Leichtindustrie.13 Das heißt: gerade die Zweige werden am meisten gefördert, die sehr viel Rohstoffe und Energien verbrauchen. Alle traditionellen Tätigkeiten des Menschen, aber besonders der Ackerbau, geraten hoffnungslos ins Hintertreffen. Die Menschen verlassen das Land und strömen in jene Zentren, in denen die Rohstoffe gewonnen oder verarbeitet werden.14

Während es draußen auf dem Lande nur eine Ernte pro Jahr gibt, fließt hier der Reichtum Tag und Nacht. Hier an der Maschinerie beteiligt zu sein, bringt mehr Gewinn, als selbst dem fruchtbarsten Boden abgerungen werden kann. Die ganz natürliche Folge ist, daß in allen Industrieländern schnell Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft und bald auch in den Handwerks- und Dienstleistungsberufen eintritt. Die Industrie arbeitet im allgemeinen mit so viel Gewinn, daß ein großer Teil davon für weitere noch größere Ausbeutungsanlagen abgezweigt werden kann — selbst wenn der Staat einen beträchtlichen Teil wegsteuert.

Was stimmt im modernen System der Weltwirtschaft nicht, daß von aller Welt eine Entwicklung als selbstverständlich hinge­nommen wird, für die entsprechende Voraussetzungen gar nicht vorliegen? 

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   Die vergessenen Produktionsfaktoren   

 

Wir haben in den vorhergehenden Abschnitten dargestellt, welchen Anteil Energien und Rohstoffe an der heutigen Wirtschaft haben — nämlich einen alles andere überragenden.

Stellen wir uns vor, die heutigen 4 Milliarden Menschen auf der Erde hätten keinen anderen Grundstoff als Holz zur Verfügung, zum Häuser- und Fahrzeugbau, für alle Geräte und als Brennstoff für die Energieerzeugung. Dann gäbe es weder die heutige Industrie noch wäre der heutige Lebensstandard möglich; denn das jährlich nachwachsende Holz würde bestenfalls für 1 Milliarde Menschen reichen.

Die Wirtschaftstheorie der letzten Jahrhunderte arbeitete mit einer Formel, wonach sich die Produktion lediglich aus Arbeit und Kapital ergibt: P = A + K. Dies ist die sogenannte »Cobb-Douglas-Funktion«.15 Unter K wird zwar das Realkapital verstanden; das sind sämtliche Produktionsanlagen und Vorräte. Dabei können wir es aber nicht bewenden lassen. Wir müssen fragen, wo diese herkommen und wo sie in Zukunft herkommen werden. Kapital ist, auch wenn man das Realkapital damit meint, keine Quelle, sondern ein Durchgangszustand.

Nur, indem zunehmende Massen von Bodenschätzen in den Produktionsapparat geworfen wurden, kam es zu einer Verviel­fachung des Bruttosozialprodukts (P). Legt man nämlich der Produktionsbilanz die vorgeschlagene Formel  P=A+K  zugrunde, dann findet sich für die Vervielfachung von P kein entsprechend höherer Einsatz auf der rechten Seite der Formel. Wenn wir unterstellen, daß P das erwirtschaftete Produkt einer Bevölkerung ist, die selbst ihre ganze Arbeitskraft (A) einsetzt und einen Teil der Arbeitsleistung zur Kapitalbildung verwendet, so ist dennoch ein stets größer werdender Zuwachs zu verzeichnen.

Wenn sich jemand ernsthaft mit diesem Vorgang befaßt hätte, dann wäre er auf die Frage gestoßen: Wie konnte ein Vielfaches an materiellen Gütern erzeugt werden, wo doch auf dieser Welt das Gesetz der Erhaltung der Materie unumstößlich ist? Ist dieses Gesetz hier außer Kraft getreten? Die Wirtschafts­theoretiker werden antworten, der Grund liege in der höheren Arbeits­produktivität. Doch diese wurde eben vorwiegend durch den Einsatz von Energien und Maschinen (also Rohstoffen) erhöht. Auf diesen Einwand wird man mit Sicherheit die Antwort bekommen, diese Dinge steckten im Begriff des Kapitals.

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Diesen Begriff verwendet man zwar hinreichend undeutlich, damit er für alles mögliche herhalten kann; dennoch hat niemand bisher behauptet, daß Kapital aus dem Nichts Materie herbeizaubern kann.

Aber genau das wird von der bis heute herrschenden Wirtschaftstheorie stillschweigend unterstellt. Diese Unterstellung ist um so erstaunlicher, als doch jeder Unternehmer von jeher weiß, daß seine Materialvorräte wichtiger Bestandteil der Bilanz sind. Wenn bei ihm am Jahresschluß ein großes Rohstofflager aufgebraucht wäre, diese Tatsache aber lediglich in der Rubrik »Gewinne aus Verkäufen« seinen Niederschlag fände, nicht aber in einer Verminderung der Lagerbestände, so würde dies als offensichtliche Verfälschung der Bilanz beanstandet werden. (Die Bewertung der Rohstoffe ist in diesem Fall allerdings nicht schwierig; sie ergibt sich aus dem gezahlten Preis, der die vorausgehenden Kosten für Abbau, Transport und Verarbeitung enthält.)

In der Weltbilanz taucht der Verbrauch von Bodenschätzen in der Formel jedoch stillschweigend nur auf der positiven Seite (P) auf: Es findet eine Erhöhung des Bruttosozialproduktes — gleichsam aus dem Nichts — statt! Und die Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts standen und stehen tatsächlich ehrfürchtig vor ihren eigenen Werken und fühlen sich als »Schöpfer«, denen kein Ding mehr unmöglich ist. Dabei besteht die einzige Tat, die diese Menschen vollbracht haben, in der Ausforschung von Mitteln und Wegen, die eine Nutzung von Grundstoffen erlauben, die früher unangetastet in der Erde ruhten. Unsere heutige Produktion ist also keineswegs eine »Schöpfung«, sondern nur eine Umwandlung. Weil dabei laufend Grundstoffe verbraucht werden, findet mit der Produktion zugleich eine Verminderung des Volksvermögens oder Weltvermögens statt; denn die Bodenschätze sind, sobald sie abgebaut wurden, eben keine »Schätze« mehr. Sie sind unwiederbringlich verloren.

Diese Tatsache verschweigen alle Wirtschaften des Westens wie ihre sozialistischen Nachahmer im Osten bei der Herausgabe ihrer Erfolgsmeldungen.

E. F. Schumacher umschreibt das mit der Floskel, das Produktionsproblem der Firma »Welt« sei bisher ungelöst: »Die Illusion unbegrenzter Macht« nährt sich durch...

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»... eine Vorstellung, die sich auf dem Unvermögen gründet, Einkommen und Kapital gerade dort auseinanderzuhalten, wo es auf diese Unterscheidung am meisten ankommt. Jeder Nationalökonom, jeder Geschäftsmann und Unternehmer kennt den Unterschied und berücksichtigt ihn gewissenhaft und mit beachtlichem Scharfsinn in allen Wirtschaftsdingen — nur dort nicht, wo er von größter Bedeutung ist, wo es sich um unersetzliches Kapital handelt, das der Mensch nicht selbst geschaffen, sondern lediglich vorgefunden hat, und ohne welches er überhaupt nichts schaffen kann. — Niemand würde von einer Firma behaupten, sie habe ihr Produktionsproblem gelöst und ihre Lebensfähigkeit bewiesen, wenn er wüßte, daß sie dabei ist, ihr Kapital zu verzehren. Wie ist es jedoch möglich, daß diese lebenswichtige Tatsache geflissentlich übersehen wird, sobald es sich um die größte aller Firmen handelt — die Wirtschaft des Raumschiffs Erde ...« 16) 

Der Glaube, das Produktionsproblem sei gelöst, ist für Schumacher nichts anderes als »ein selbstmörd­erischer Irrtum«, vor allem, wenn man Wirtschaft wie Politik auf diesen Glauben gründet,17 wie das heute der Fall ist.

Die Bodenschätze sind unser aller Kapital, nicht unser Einkommen! Das Einkommen kann variabel sein, niemals das Kapital. Wir wollen hier statt »Einkommen« lieber den Begriff »Zinsen« verwenden. Eine Bevölkerung, die weitgehend vom Kapital statt nur von den jährlichen Zinsen lebt, führt ein Parasitenleben. Der reiche Teil der Menschheit führt seit etwa zweihundert Jahren ein solches Parasitenleben, auch wenn er das bis heute nicht zugeben will. Im Gegenteil, er ist vielmehr ungeheuer stolz auf diese Lebensweise und auf seine Intelligenz, die ihm dieses Wunder angeblich ermöglicht. In Wirklichkeit lassen sich die vielen Erfindungen des Menschen auf eine prinzipielle Entdeckung zurückführen, die Carl Amery plastisch formuliert: »die Entdeckung nämlich, daß unser gemeinsames Floß eßbar ist«.18 Diese Entdeckung hat der Sozialismus in seinem Machtbereich genauso gemacht wie der Kapitalismus vor ihm.

Dies war nur möglich, weil die Bodenschätze als »freie Güter« behandelt wurden, bereits von Adam Smith. Daß sie nicht frei waren, schrieb er lediglich dem Umstand zu, daß die Grundbesitzer sie okkupiert hätten. »Er hat also offenbar daran gedacht, daß in einer Volkswirtschaft, in der es kein Grundeigentum gibt, allein die Arbeit einen Faktor in den Berechnungen der Wirtschaftssubjekte bilden würde«19.

Mit seiner Arbeitswertlehre fand Adam Smith einen Nachfolger in Karl Marx. E.F. Schumacher bezeichnet es als den »verheerenden Irrtum« des Dr. Marx, bei der Aufstellung seiner Arbeitswerttheorie folgendes nicht erkannt zu haben: »Ein viel größerer Teil ist das Kapital, das die Natur, und nicht der Mensch, beisteuert ...«20

Seit Adam Smith und Karl Marx aber gehen die herrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Theorien davon aus, daß zur Produktion lediglich Arbeitskraft und Kapital gehörten (P = A + K).

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Der ganze Streit ging seither darum, welchen Anteil Arbeit und Kapital nun tatsächlich haben und welchen sie haben sollten. Ganze Bibliotheken wurden über diesen Sachverhalt geschrieben — und die Diskussion tobt heute wie eh und je. Politische und gesellschaftliche Bewegungen entstanden darüber, Revolutionen fanden statt, Kriege wurden geführt. Die weltweite Auseinandersetzung der letzten Jahrzehnte war beherrscht von dem Gegensatz zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Wobei der Sozialismus für sich in Anspruch nahm, die Interessen des »arbeitenden Menschen« zu vertreten; während marktwirtschaftliche Systeme den größtmöglichen Wohlstand für alle Bürger mit Hilfe des Privatkapitals erstrebten.

Da die Auseinandersetzung zwischen Industrienationen stattfand, war der Faktor Boden (B), den die Physiokraten des ausgehenden 18. Jahrhunderts als den wesentlichsten angesehen hatten, völlig fallengelassen worden. Damals hatte Johann Baptist Say schon gegen Adam Smith den Vorwurf erhoben, daß er der Arbeitsteilung einen zu großen Einfluß zuschreibe, während doch die größten Wunder »dem Gebrauch« zu verdanken seien, »den wir Menschen von den Kräften der Natur machen«.20 Doch solche Überlegungen verschwanden völlig. Der Unterschied zwischen sozialistischen und kapitalistischen Wirtschaftstheoretikern bestand lediglich darin, daß der Westen das Kapital im privaten Besitz ließ, während im Osten die »Produktionsmittel« in den Besitz des Staates übergingen, womit es dann in der Praxis zum »Staatskapitalismus« kam.

Joseph Schumpeter nennt allerdings schon 1911 in seinem Buch <Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung> als letzte Elemente der Produktion wieder »Arbeit und Naturgaben oder <Boden>, Arbeits- und Bodenleistungen. Aus wenigstens einem und meist aus allen beiden <bestehen> alle andern Güter. Daraus folgt, daß wir dieselben in diesem Sinn in <Arbeit und Boden> auflösen, daß wir alle Güter als Bündel von Arbeits- und Bodenleistungen auffassen können«.21 Schumpeter verstand unter »Bodenleistungen« auch die Rohstoffe und fossilen Brennstoffe, die wir aus dem Boden holen, und hatte damit den richtigen Ansatz. Dies ist nur nicht beachtet worden, und Schumpeter selbst hat diesen grundlegenden Gedanken nicht weiter ausgebaut.

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     Die neue Formel    

 

Wir haben im I. Teil über den natürlichen Regelkreis gesehen, daß der Boden mit Hilfe der Sonnenenergie jährlich eine Ernte gibt (nur in besonders begünstigten Landstrichen mehrere). Deren Ertrag konnte mittels der menschlichen und später auch der tierischen Arbeitskraft etwas verbessert werden. Die Arbeitskraft allein wäre schon damals wertlos gewesen; sie brauchte einen Gegenstand, um ihn zu bearbeiten: den Boden. Dieser durfte nicht aus Wüste, Fels oder ewigem Eis bestehen; es mußte fruchtbarer Boden sein. Da aber auch Boden ohne Luft, Wasser, klimatische und andere Voraussetzungen keinen Ertrag bringt, setzten wir statt Boden den Faktor N = Natur als das Objekt der Arbeit in der vorindustriellen Gesellschaft. Wir kamen beiläufig zu der Formel:

P=N+A  

Diese Formel ist nun zunächst um den Faktor Energie (E) zu erweitern. Da mit ihm die menschliche Arbeitskraft (A) vervielfacht wird, ist A mit E zu multiplizieren:

A x E

Somit lautet die erweiterte Produktionsformel für industrielle Fertigung:

P = N + A x E

Es ist erstaunlich, daß die Wirtschaftstheorie diesen ganz entscheidenden Faktor E unbeachtet ließ. Hans Christoph Binswanger stellte auf dem 3. St. Galler Symposium für Umweltfragen fest, »daß die Nichtbeachtung der Energie als Produktionsfaktor ganz allgemein zu irreführenden Schlußfolgerungen in der Nationalökonomie geführt hat und eine wesentliche Lücke in der bisherigen Theorie darstellt«.22 Der Fehler schleppt sieh seit Adam Smiths Zeiten, der noch keinen Energieeinsatz dieses Ausmaßes gekannt hat, bis in unsere Tage fort. Smith hatte sogar gemeint: »Was mit Geld oder mit Gütern erkauft wird, wird ebenso durch Arbeit erkauft wie das, was man mit eigener Mühe und Arbeit sich verschafft. Jenes Geld oder jene Güter ersparen in der Tat diese Arbeit. Sie enthalten den Wert einer bestimmten Quantität Arbeit, welche gegen etwas vertauscht wird, wovon man zur Zeit glaubt, daß es den Wert einer gleichen Qualität enthalte. Die Arbeit war der erste Preis, das ursprüngliche Kaufgeld, welches für alle Dinge gezahlt wurde.

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Nicht mit Gold und Silber, sondern mit Arbeit wurde aller Reichtum der Welt ursprünglich erkauft, und der Wert derselben ist für ihre Besitzer, die sie gegen neue Produkte vertauschen wollen, genau der Arbeitsmenge gleich, welche sie dafür kaufen oder zur Verfügung haben können.«23

Diese Entstehungstheorie des Preises stimmt nicht einmal für sich; denn mit ziemlicher Sicherheit wurde zuerst das gehandelt, was die Natur geliefert hatte. Nicht von ungefähr wurden bei vielen Völkern Tiere — in Resten heute noch — als Zahlungsmittel gebraucht. Auf diese wurde aber in früheren Zeiten wie auf die Früchte der Erde wenig Arbeit verwandt. Von Bedeutung war, wer die Macht hatte, auf diese Tiere oder die Feldfrüchte seinen Besitzanspruch nicht nur anzumelden, sondern diesen auch aufrechtzuerhalten und erfolgreich zu verteidigen.

Wie Binswanger weiter darstellt, hat dann Leon Walras die reine Arbeitswerttheorie aufgegeben und durch die »Vorstellung eines begrenzten, von vornherein im Wirtschaftsprozeß eingesetzten Vorrats von Produktionsmitteln ersetzt«. Binswanger fährt fort:

»Weder Adam Smith noch Marx noch Walras haben aber gesehen oder sehen wollen, daß das Wesen der Arbeitsteilung nicht in einer immer weitergehenden Spezialisierung der Arbeitskräfte besteht, sondern darin, daß durch Konzentration der Produktion in den Fabriken dem Energieeinsatz immer mehr Raum gegeben wird. Aus diesem Grund ist es weder wahr, daß sich auf dem Markt über die Waren Arbeit gegen Arbeit tauscht, noch daß die im wirtschaftlichen Einsatz befindliche Produktionskapazität von vornherein gegeben ist. Die Energie ersetzt und ergänzt die Arbeit und erweitert gleichzeitig die Produktionskapazität. Die Einbeziehung der Energie in die Nationalökonomie stellt somit sowohl die Arbeitswertlehre (Adam Smith, Marx) als auch die subjektive Wertlehre (Walras, neoklassische Theorie) in Frage.« 24)

Das Objekt, auf das sich die Arbeitskraft in der industriellen Gesellschaft außerdem richtet, ist der Rohstoff. Da die Produkte menschlicher Arbeit materieller Art sind, müssen dem menschlichen Produzieren auch Materialien zugrunde liegen — und das sind die Rohstoffe = R. Aus ihnen werden Maschinen hergestellt, die ebenfalls die menschliche Arbeitskraft vervielfältigen: A x R. Da dies in Verbindung mit Energie geschieht, lautet die Formel der industriellen Wirtschaft:

P = N + A (E + R)

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Das »Kapital« hingegen hat in dieser Gleichung nichts zu suchen. Es nimmt am Stoffkreislauf nicht teil.25 Wenn Karl Marx das Kapital neben der Arbeit dennoch zur Grundlage seines Gedankengebäudes machte, dann mußte er trotz allen Scharfsinns zu einem Gebäude kommen, dem die Basis fehlte: die Realität. Selbst die beiden Weltkriege, mit der Blockade verschiedener Länder, vermochten eigenartigerweise der Wirtschaftswissenschaft nicht die Einsicht zu vermitteln, daß Kapital völlig wertlos ist, wenn man dafür die gewünschten Rohstoffe nicht kaufen kann.

Um die tatsächlichen Verhältnisse zu erfassen, setzen wir also die Faktoren E + R in die Formel der menschlichen Wirtschaft ein. Aus dieser Formel lassen sich dann auch die schwerwiegenden Folgen der bisherigen Nichtbeachtung der Faktoren Energie und Rohstoffe ableiten.

Außerdem wird mit der Formel folgendes klargestellt: In der natürlichen Produktion kann das Ergebnis der Natur durch die Arbeit nur additiv vermehrt werden — in der industriellen Produktion kann die Arbeit durch Einsatz von Energien und Rohstoffen jedoch multiplikativ vermehrt werden. Der menschlichen Betätigung war damit eine neue Dimension erschlossen, die erst die Produktions­steigerungen möglich machte.

Neben dem Kreislauf der Natur wurde ein künstlicher Kreislauf mit Hilfe der Grundstoffe eröffnet. Dieser übertraf mit seinem Produktionsausstoß bald die Produktion der Natur.

 

    Die einmaligen Bodenschätze sind »umsonst«   

 

Die bruchstückhafte Wirtschaftstheorie hatte aber zur Folge, daß man die neue Quelle des Reichtums nicht beachtete und sich infolgedessen um die Vorräte an Energien und Rohstoffen keinerlei Gedanken machte. Daß diese Rohstoffe als freie Güter angesehen wurden, hielt jedermann für richtig; denn sie waren ja von der Natur »geschenkt«. Ihr Abbau und ihre Verarbeitung kosteten in den ersten Jahrhunderten der Nutzung auch so viel Schweiß und Mühe, daß niemand solche Unternehmungen begonnen hätte, wenn auch noch große Summen allein für den Erwerb des Rohstoffes aufzubringen gewesen wären. 

So ergab es sich, daß der Eigentümer des jeweiligen Grund und Bodens nur ein kleines Entgelt für die Schürfrechte bekam, das in der Höhe etwa dem Ertrag der benötigten Fläche bei ihrer landwirtschaftlichen Nutzung entsprach, also sehr niedrig war.

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In der Bundesrepublik Deutschland betrug der Förderzins 1973 für Erdgas und Erdöl 5% des Bruttoerlöses abzüglich der Manipulationskosten.26 Für den Steinkohleabbau wird gar nichts gezahlt.

Oft wurde aber auch dem Eigentümer die Fläche vorher für einen geringen Preis abgekauft. Gering in Anbetracht der Werte, die durch die Ausbeutung des Lagers geschaffen wurden — während der Preis dem Verkäufer hoch erschien; denn er selbst wurde vielleicht für seine Lebenszeit ein reicher Mann.

Die privatrechtlichen Ansprüche waren dennoch in den westlichen Ländern eine schwache Barriere gegen den beliebigen Abbau der Rohstoffe. Sie war schwach, weil sie noch dadurch herabgesetzt wurde, daß die Anbieter in Konkurrenz zueinander standen. In den kommunistischen Staaten entfiel selbst der geringe Aufwand für die Abfindung des Besitzers, da dort schon der Boden prinzipiell »der Allgemeinheit« gehört.

Der Preis, eines Rohstoffes ergibt sich damit im wesentlichen aus dem Aufwand für Exploration, Abbau und Transport. Sind die Einrichtungen dafür erst einmal vorhanden, dann kann der Rohstoff um so billiger geliefert werden, je größer die Abnahme­mengen sind. Der Bezieher großer Mengen bekommt meist einen Preisvorteil eingeräumt. Dies gilt auch für die Energiepreise, wo zum Beispiel der Strompreis mit der Steigerung der abgenommenen Menge sinkt. In der Bundesrepublik Deutschland zahlen die 150.000 industriellen Sonderabnehmer, die 60% des Stroms verbrauchen, Preise von durchschnittlich 7,54 Pfennig je Kilowattstunde, während die 20 Mill. Privatabnehmer 13,24 Pfennig zahlen.27 Wer viel verbraucht, bekommt für das gleiche Geld also manchmal das Mehrfache an Energie.

Von der Preisbildung geht demnach ein Anreiz zum größeren Verbrauch aus. Weitere Anreize für den Verbrauch schafft der Staat. In den USA dürfen die Bergbaugesellschaften nicht nur auf ihr technisches Instrumentarium Abschreibungen tätigen, sondern auch in bezug auf die Erschöpfung der Lager28, was sich natürlich als Anreiz für einen möglichst schnellen Abbau auswirkt. Durch einen Spruch des Obersten Gerichtshofes im Jahre 1954 wurden die Erdgaslieferanten der USA gezwungen, ihre Preise allein aufgrund der Gewinnungskosten festzulegen.29 In der Bundesrepublik Deutschland werden seit Jahrzehnten staatliche Zuschüsse für die Kohleförderung gewährt. Diese erreichten in der Zeit vom 20.6.1948 bis 31.12.1974 einen Gesamtbetrag von über 22 Mrd. DM. Dazu kommen noch gesparte Zinsen in Höhe von rund 350 Mill. jährlich für die aus Haushaltsmitteln gewährten Kredite.30

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Es würde zu weit führen, all die verschiedenen Förderungsmaßnahmen der einzelnen Staaten, zum Beispiel auch auf steuerlichem Gebiet, zugunsten eines erhöhten Rohstoffverbrauchs zusammenzustellen. Es wäre eine gesonderte Untersuchung wert, auf welch vielfältige Weise die Staaten riesige Summen zur Ausbeutung der Bodenschätze zur Verfügung stellen. Dazu würden auch die Förderungen von Investitionen jeglicher Art und die staatlichen Aufwendungen zugunsten wirtschaftlich verwertbarer Forschung, ja sogar viele Bildungsaufwendungen, zum Beispiel für technologische Ausbildungen, gehören. Insofern trägt jeder Steuerzahler dazu bei, daß nicht nur immer mehr Rohstoffe, sondern diese auch zu stark verbilligten Preisen auf den Markt kommen.

Die bisherige Einstellung ist so, daß es verdienstvoll ist, in jährlich steigendem Ausmaß Bodenschätze dem Verbrauch zuzuführen. Je mehr ein Land davon erschloß, um so schneller entwickelte sich seine Wirtschaftskraft und um so reicher wurde es. Mit der Verarbeitung von immer mehr Rohstoffen konnte ein höheres Bruttosozialprodukt erzielt werden. Allein in diesem Bereich spielte sich der »Fortschritt« ab. Völker, die Energien und Rohstoffe im großen Stil verarbeiteten, nahmen daran teil, die anderen blieben hoffnungslos zurück.

 

    Die industrialisierte Landwirtschaft    

 

Zurückgeblieben ist zunächst auch die Landwirtschaft der Industrieländer. Ihre Produktion unterlag weiter dem Gesetz des natürlichen Kreislaufs. Darum konnte sie bis ins 19. Jahrhundert nur durch die Ausdehnung der Anbaugebiete erhöht werden und geriet erst im 20. Jahrhundert in eine revolutionäre Entwicklung. Man suchte die billig angebotenen Energien und Rohstoffe nun auch in der Landwirtschaft einzusetzen und tut dies seit 125 Jahren und besonders in den letzten 50 Jahren mit exponentiell steigendem Erfolg.

Darum ist es ein großer Irrtum, daß, wenn nun die menschlichen Aktivitäten das Kapital der Erde bedrohlich mindern, dann noch ein Wirtschaftszweig bliebe, dessen Ertrag auf dem Kreislauf der Natur beruhe und darum unerschöpflich sei, nämlich die Landwirtschaft. Daraus wird fälschlich gefolgert, daß doch wenigstens die Ernährung der Menschheit gesichert werden könnte, zumal es der Landwirtschaft gelungen ist, ihre Erträge in den letzten Jahren schneller zu steigern, als die Bevölkerung der Welt wuchs.

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Zugleich wird dann die voreilige Schlußfolgerung gezogen, daß sich auch die Voraussage des Engländers Malthus in seinem »Versuch über das Bevölkerungs-Gesetz« (1798) als falsch erwiesen hätte. Dies wäre eine höchst oberflächliche Darstellung des Sachverhalts, die zu völlig falschen Schlußfolgerungen führen muß. So bei dem Nobelpreisträger Jan Tinbergen auf dem 3. St. Galler Symposium.31)

Tinbergen unterscheidet wie wir zwischen erschöpfbaren und nichterschöpfbaren Produktionsfaktoren. Er geht davon aus, daß die nichterschöpfbaren Produktionsfaktoren, und er meint damit die der Natur, immer noch 20 bis 25 % ausmachten. Tinbergen geht dann noch viel weiter, indem er glaubt, daß der Rückgang des Wachstums der erschöpflichen Güter durch einen Zuwachs der nichterschöpflichen zum Teil kompensiert werden könnte. Diese Theorie Tinbergens — der sich große Verdienste um die Bestimmung eines Bruttowohlfahrtsprodukts anstelle der unbefriedigenden gesamtgesellschaftlichen Bilanzierung zum Bruttosozialprodukt erwarb — beruhte leider auf einer falschen Annahme. Es müßte zu verhängnisvollen Folgen führen, wenn man sie zur Grundlage des Handelns machte.

Das steigende Produktionsergebnis der Landwirtschaft wird nämlich nicht mit unerschöpflichen, sondern ebenfalls mit erschöpf­lichen Ressourcen erzielt. Seit Justus Liebig erntet die Landwirtschaft nicht mehr das allein, was der Kreislauf der Natur hergibt. Dieser Wissenschaftler hatte um 1840 entdeckt, daß die Frucht dem Boden hauptsächlich Stickstoff, Phosphor und Kali entzieht, und daß man daraufhin durch Düngung mit diesen Substanzen eine beträchtliche Erhöhung der Ernten erzielen kann. Seitdem entwickeln sich Düngerverbrauch und Ernteerträge ebenfalls in Exponentialkurven ständig aufwärts. Der steile Anstieg begann auch hier nach dem II. Weltkrieg. Wiederum liegen die Vereinigten Staaten an der Spitze. 

Der Düngemittelverbrauch der Welt steigerte sich von 1949 bis 1973 wie folgt:

In den Ländern mit intensiver Landwirtschaft hat sich der Verbrauch an Düngemitteln nach dem II. Weltkrieg in jedem Jahrzehnt verdoppelt bis verdreifacht.

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   Woher kommen diese Stoffe?  

Der in der Welt erzeugte Stickstoffdünger stammt zu 98% aus der Ammoniak-Synthese. Das heißt, der Stickstoff wird im Hochdruckverfahren mit Hilfe von Wasserstoff aus der Luft gewonnen. Zur Wasserstoffgewinnung werden Erdöl, Erdgas und Kohle verwendet. Die geschätzten Anteile dieser Stoffe betragen weltweit im Jahre 1972-1973:

Erdgas:                                 59 %
Naphtha:                              21 %
Koksgas, Kohle:                   11 %
Heizöl, Raffinerie-Abgase:   7 %
Sonstige:                                2 %
Gesamt:
                               100 % 

Quelle: Fachverband Stickstoffindustrie e.V. (32)

 

Für 1 t reinen Stickstoff werden benötigt: 1 t Naphtha oder 1,1 t Schweröl oder 1200 Kubikmeter Erdgas; außerdem ca. 300 Kilo­wattstunden Elektrizität, für 11 Stickstoff im Kalkstickstoff sogar 11.000 Kilowattstunden.32 Damit ist klar, daß für die Stickstoff­erzeugung gerade solche Rohstoffe nötig sind, die in der nächsten Zeit knapp werden, die aber dennoch für Heiz- und Energie­zwecke weiter verfeuert werden.

Das Phosphat stammt aus zwei Quellen. Der größere Teil (90%) kommt aus den Lagern in verschiedenen Gebieten der Welt, der kleinere aus der Eisenhüttenindustrie (in Deutschland 1973 etwa 37%). Die Verfügbarkeit der letztgenannten Phosphate hängt also vom Fortbestand der Stahlerzeugung ab. Die Weltreserven an Rohphosphaten sind über alle Erdteile verstreut und in ihrer Gesamtmenge bisher nur pauschal ermittelt. Die ergiebigsten Lager von rund 3,63 Mrd. t Rohphosphat befinden sich in Marokko, woraus in den nächsten Jahren 25% des Weltbedarfs gedeckt werden sollen. Die anderen bedeutendsten Erzeuger­länger sind die USA (2,7 Mrd. t), die Spanische Sahara (1,54 Mrd. t), Australien (1,36 Mrd. t) und die Sowjetunion (1,45 Mrd. t).33

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Wenn der Jahresverbrauch mit rund 30 Mill. t  P2O5, konstant bliebe, könnte man hier nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens mit einem Vorrat für über 400 Jahre rechnen. Eine Frist, die sich bei steigendem Verbrauch sehr schnell verkürzt. Ähnlich sieht die Lage bei Kali aus. Aber auch hier sind die Vorräte noch sehr ungenau erfaßt. Die z.Z. bekannten abbaubaren Vorräte belaufen sich auf 7,66 Mrd. t, die beim gegenwärtigen Jahres­verbrauch von 20 Mill. t knapp 400 Jahre reichen würden.34

Bei einer weiteren Verdoppelung des Verbrauchs alle 10 Jahre würde diese Menge jedoch nicht einmal für die nächsten 50 Jahre ausreichen. Die Kalivorkommen sind jedoch im Gegensatz zu Phosphor ziemlich gleichmäßig über die ganze Welt verteilt. Ein ganz anderes Bild ergibt sich aber, wenn die Düngung aller Flächen auf den Stand der USA angehoben würde. Dann würden die Pflanzennährstoffe nur noch Bruchteile der genannten Zeiten zur Verfügung stehen. Da der Ernteertrag von dem Nährstoff abhängig ist, von dem die geringste Gabe erfolgt, müssen immer alle drei zur Verfügung stehen.

 

Ein weiteres Kennzeichen der heutigen Landwirtschaft ist der zunehmende Einsatz von Pflanzenschutz- und Schädlings­bekämpfungs­mitteln. Deren Anwendung erreicht in der Welt 4 Mill. t.35 Bei diesen Mitteln ist weniger die Versorgungs­lage von Bedeutung als die vielfältigen schädlichen Auswirkungen auf die gesamte Umwelt über Pflanze und Tier bis zum Menschen.

Diese Abhängigkeit vom Kunstdünger und von den Chemikalien ist aber nicht die einzige Abhängigkeit der Landwirtschaft von der Industrie. Auch ihre Arbeitsmethoden hat sie so mechanisiert, wie das die Industrie vorher getan hatte. Sie setzte Maschinen und Energien an die Stelle der menschlichen und tierischen Arbeitskraft. Menschen wurden für andere Arbeit frei, Zugtiere wurden überflüssig.

Mit dem Wegfall der Zugtiere ergaben sich beträchtliche Einsparungen an Land. Zugpferde benötigten in Deutschland noch 1928 zu ihrer eigenen Ernährung 14% der landwirtschaftlich genutzten Fläche.36 Diese Fläche diente also der Aufrechterhaltung der Arbeitsenergie für die landwirtschaftlichen Betriebe und fiel damit für die Nahrungsmittelproduktion aus. Das heute benutzte Dieselöl muß zwar herangeschafft und bezahlt werden, benötigt aber keine Fläche. Die genannten 14 Prozent des fruchtbaren Ackerlandes konnten so der Erzeugung von Nahrungsmitteln zugeführt werden.

Die sogenannte »Grüne Revolution« fand überwiegend nach dem II. Weltkrieg statt.36a Für Großbritannien hat Kenneth Blaxter folgende Steigerungs­raten ermittelt:

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1946

1971

Kombinierte Erntemaschinen
Trocknungsanlagen
Motorisierte Transportfahrzeuge

3.500
1.000
61.800

66.000
63.000
130.300

 

Heute kommt 1 PS Traktorenleistung auf 5 acres, während vor dem II. Weltkrieg von einem Pferd 25-35 acres bearbeitet wurden.
(1 acre = 0,4046 Hektar)

 

 

Die Darstellung zeigt, wie die Maschinen den Menschen und Tieren die landwirtschaftliche Arbeit abgenommen haben; 
dabei wuchs der Einsatz von fossiler Energie von (1938) 200 Mill. therms auf (1970) 800 Mill. therms.  
Quelle: Blaxter, 37.

 

Blaxter hat den gesamten Energieeinsatz der Landwirtschaft, bestehend aus Kunstdüngern und Treibstoffen, in Kalorien umgerechnet. Er kommt zu dem Ergebnis, daß zu jeder erzeugten Nahrungskalorie eine künstliche Kalorie nötig ist. Dabei hat er jedoch den Energie- und Rohstoffaufwand bei der Produktion der landwirtschaftlichen Maschinen und der Chemikalien noch gar nicht berücksichtigt. Ebenso fehlt der entsprechende Einsatz in der Industrie, die die Nahrungsmittel verarbeitet. »Die land­wirt­schaftliche Zuliefererindustrie und die nahrungsmittelverarbeitende Industrie verbraucht möglicherweise mehr Energie als die Landwirtschaft selber, was die Abhängigkeit unserer Nahrungsmittel­versorgung von der Energie noch weiter bekräftigt.«37

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Damit dürfte der Energieaufwand für eine Nahrungskalorie, bis sie in einem Industrieland auf den Tisch kommt, mindestens zwei Kalorien künstlichen Energie­aufwandes erfordern.

Der Aufwand steigt auch schon in der Landwirtschaft selbst entsprechend dem Veredelungsgrad. Während beim Weizen mit einer künstlichen Kalorie 2,2 Nahrungskalorien zu erzielen sind, bei der Kartoffel noch das Verhältnis von 1:1 erzielt werden kann, werden bei der Milch nur noch 0,30, bei Eiern nur noch 0,16 und bei Fleisch zwischen 0,10 und 0,20 Nahrungskalorien durch den Einsatz einer Energiekalorie erzielt.38 Das heißt andererseits auch, daß aus der gleichen landwirtschaftlichen Fläche sich um so weniger Menschen ernähren lassen, je stärker diese Milch, Fleisch und Eier bevorzugen, statt die Feldfrüchte direkt zu verzehren. Auch bei der folgenden Untersuchung für die Vereinigten Staaten ist zu berücksichtigen, daß sich die Bevölkerung dort nicht vom Mais, sondern vorwiegend von Nahrungsmitteln, die (mit hohem Kalorienaufwand noch weiter veredelt) durch den Rinder-, Schweine- oder Hühnermagen umgewandelt wurden, ernährt, wobei im Durchschnitt weniger als 20 % der Kalorien übrigbleiben.

Für die USA haben die Professoren David Pimentel und L.E. Hurd mit weiteren Mitarbeitern die Verhältnisse untersucht.39 Sie nehmen den Mais als repräsentative Frucht. Sein Durchschnittsertrag hat sich von 1909 bis 1945 nur von 26 auf 34 bushel per acre gesteigert, von 1945 bis 1970 aber von 34 auf 81 bushel.40 Sie schreiben 20 bis 40% dieser enormen Steigerung der Züchtung von Hybrid-Mais und 60-80% dem Einsatz von künstlichen Energien zu. Wobei allerdings die Züchtung ohne den Kunst­düngereinsatz nicht zu diesem Erfolg geführt hätte und umgekehrt. Die nebenstehende Tabelle zeigt Aufwand und Ertrag, umgerechnet in Kilokalorien für den durchschnittlichen acre.

Aus der Tabelle sind die gewaltigen Steigerungen der einzelnen Faktoren ersichtlich, nur die menschliche Arbeitsleistung ist auf weniger als 40 % gesunken. Es ist aber auch erkennbar, daß die Effektivität des Einsatzes der Hilfsmittel, das Verhältnis zwischen Ertrag und Aufwand, kontinuierlich sinkt.

Um die Nahrungsmittelproduktion von 1951 bis 1966 im Weltdurchschnitt um 34% zu steigern, mußten vielfache Steigerungen des Rohstoffeinsatzes stattfinden. Diese betrugen bei41)

Traktoren      63 %
Phosphaten    75 %
Nitraten        146 %
Pestiziden     300 %

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Eine weitere Steigerung ist in den Spitzenländern, auch wenn sie möglich erscheint, nicht mehr wirtschaftlich. Sicher ist, daß die Steigerung hauptsächlich durch den Einsatz fossiler Energien erreicht wurde.

Dennoch macht der gesamte künstliche Energieeinsatz mit 2,9 Mill. Kilokalorien in der amerikanischen Untersuchung nur einen Bruchteil der Sonnenenergie aus. Diese sendet pro Wachstumsperiode 2043 Mill. Kilokalorien auf einen acre. Davon gehen zwar nur 1,26 Prozent in die Pflanze, das sind aber immer noch 26,6 Mill. Kilokalorien. Außerdem, so stellen die Verfasser fest: »Der wichtige Punkt ist, daß die Versorgung mit Sonnenenergie zeitlich unbegrenzt ist, wogegen die fossile Energieversorgung begrenzt bleibt.«42)

Damit wird auch jede Verknappung und Verteuerung der Rohstoffe und der Energien auf die landwirtschaftlichen Produktions­kosten durchschlagen.

»Wenn in jeder Tomate und in jedem Schnitzel so viel Erdöl oder Kohle steckt, wie diese Nahrungsmittel Kalorien enthalten, dann heißt das auch, daß jede Verknappung oder Verteuerung der Energierohstoffe sich sogleich auf Verfügbarkeit und Preis der Lebensmittel auswirken muß. ... Gerade die auf Rentabilität zielende Industrialisierung der landwirtschaftlichen Produktion hat diesen lebensnotwendigen Produktionsbereich den gleichen Gefährdungen ausgesetzt, die aus den übrigen Bereichen der Industrieproduktion mittlerweile wohlbekannt sind, und es erscheint fast als eine Ironie dieses Entwicklungsganges, daß die Energieabhängigkeit der Landwirtschaft just zu dem Zeitpunkt endgültig perfekt wird, da man sich in aller Welt die Köpfe darüber zerbricht, auf welche Weise man den wachsenden Schwierigkeiten mit der Energie überhaupt beikommen kann.« 43)

Jürgen Dahl zieht aus der Entwicklung folgende sehr richtige Schlußfolgerung:

»Jahrtausendelang hat der Mensch von dem gelebt, was sich mit Hilfe der Sonnenenergie gewissermaßen von selbst produzierte und er hat die eigene Kraft nur eingesetzt, um diese >Gratis<-Produktion zu steuern und zu ernten; er hat das Vorkommen benutzt, ohne es ein für allemal aufzubrauchen und ohne mehr Energie von außen zuzuführen, als er selber wiederum aus der erzeugten Nahrung zu gewinnen imstande war. Der Kreislauf von Produktion und Verbrauch war intakt. - Heute, ... wird zusätzlich zu Sonnenenergie und menschlicher Arbeitskraft ebensoviel Brennstoffenergie zur Erzeugung der Nahrung aufgewendet, wie diese selbst enthält, und dabei werden unersetzliche Rohstoffquellen mit wachsender Beschleunigung aufgebraucht.«43)

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Oft hört man Zahlen, wonach eine landwirtschaftliche Arbeitskraft fast vierzig Personen (Bundesrepublik Deutschland) oder mehr als fünfzig Personen (USA) ernährt. Bei dieser vielgerühmten Produktivitäts­steigerung der Landwirtschaft ist ebenfalls zu bedenken, daß die Herstellung von Düngemitteln, Maschinen und Treibstoffen, der umfangreiche technische Kundendienst und die viel komplizierteren Bearbeitungsvorgänge der Produkte zu einer Verlagerung der Arbeitsplätze geführt haben. In den Vereinigten Staaten wird geschätzt, daß für jede Arbeitskraft auf dem Lande zwei zusätzliche im Bereich der Nahrungs­versorgung tätig sind.

So ist auch in der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der landwirtschaftlichen Vollarbeitsplätze von 1951 bis 1974 von 3,9 Millionen auf 1,2 Millionen zurückgegangen. Aber eine große Zahl von Saison- und Teilarbeits­kräften ergibt umgerechnet zusätzlich 0,7 Mill. Vollarbeitskräfte. Die im gesamten Bereich der »Ernährungsindustrie« tätigen Arbeitskräfte erreichen auch hier für das Jahr 1973 die Zahl von 4,2 Millionen. Dies ist der sechste Teil aller in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitskräfte. Diese ernähren mit ihrer Arbeitsleistung über 40 Mill. Einwohner. Damit erarbeitet eine Arbeitskraft in der Landwirtschaft heute zwar die Nahrung für zwanzig Personen, aber wenn man die in der »Ernährungsindustrie« beschäftigte zweite Hälfte hinzunimmt, dann sind es nur etwas mehr als zehn Personen. Die Zahl von »über 40 Mill.« ergibt sich daraus, daß die übrigen 10 bis 20 Mill. Bewohner der Bundesrepublik Deutschland durch Nahrungsmittel- oder Futtermitteleinfuhren mit anschließender Veredelung ernährt werden. Der Kaufpreis für die fehlenden Nahrungsmittel wird durch den Export der Industrie erwirtschaftet.

Zusammenfassend ist festzustellen: Auch die Landwirtschaft produziert heute nicht mehr nach der Formel P = N + A, sondern sie arbeitet mit Energien und Rohstoffen. Also trifft die Formel der industriellen Produktion

  P = N + A (E + R)  

auch für die Landwirtschaft zu. Auch hier wird jetzt die menschliche Arbeitskraft vervielfacht. Aus der Formel läßt sich leicht ablesen, daß die Landwirtschaft — genauso wie die Industrie — von der Zufuhr von E + R abhängig ist. Auch in der Landwirtschaft war und ist die Produktionssteigerung nur möglich aufgrund des gesteigerten Gebrauchs der Erdvorräte.

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Der weltweite Verkehr mit seinem Austausch von Düngemitteln, Energien, Maschinen, Futtermitteln und Fertigprodukten sowie von Züchtungsergebnissen bildet die Voraussetzung der hohen Erzeugung einiger landwirtschaftlicher Hochleistungsgebiete. Fielen diese Voraussetzungen weg, dann müßte die landwirtschaftliche Produktion auch in den Ländern wieder auf das vorindustrielle Niveau zurückfallen, in denen heute riesige Überschüsse erzielt werden. Diese Folgen würden schon eintreten, wenn z.B. die Düngemittelzufuhr unterbrochen würde, selbst wenn es woanders noch genug Düngemittel gäbe. 

Der natürliche Kreislauf der Stoffe ist ganz besonders in den Gebieten mit intensiver Landwirtschaft nicht mehr vorhanden. Die Betriebe haben sich auf einseitige Produktionen spezialisiert. Damit nimmt die umweltschonende Wiederverwendung ständig ab. Die Wiederverwendung bestand in der Landwirtschaft in der natürlichen Düngung mit Mist und Jauche. Jetzt nimmt die umweltschädliche Vernichtung von Stoffen auch in der Landwirtschaft ständig zu: Stroh wird auf dem Feld verbrannt, statt zu Mist verarbeitet; die Ausscheidungen der Tiere (besonders in der Massentierhaltung) werden verbrannt oder sonstwie umweltbelastend verbracht, statt als natürliche Düngemittel verwendet zu werden.

Der ausgiebige Einsatz von Düngemitteln künstlicher Art führt nicht nur zu einer Düngung der Felder, sondern auch zu einer Düngung der Gewässer. Reinhold Kickuth errechnet, daß von 1 Mill. Tonnen Stickstoff 450.000 in die Pflanzen und 550.000 in die Gewässer der Bundesrepublik gehen.44 Die bis in die Trinkwasserversorgung reichenden Folgen sind vielfach beschrieben worden. Die chemischen Bekämpfungsmittel rufen Umweltschäden besonderer Art hervor.45) In den landwirtschaftlichen Spitzenländern sind die Grenzen des Sinnvollen bereits erreicht, folglich kann diese Entwicklung unmöglich so fortgesetzt werden.

Auch durch ihren industriellen Teil, der mit dem erhöhten Rohstoff- und Energiebedarf beginnt, ist die Landwirtschaft an der Umweltschädigung der Industrie indirekt beteiligt. Und sie selbst braucht auch größere Baulichkeiten und ein gutes Verkehrsnetz. Die Landwirtschaft würde infolge der hohen Erträge für die gleiche Produktion weniger Land benötigen; aber die Bevölkerungs­zunahme macht diesen Vorteil wieder zunichte. Die wachsende Erdbevölkerung verursacht nicht nur einen zunehmenden Bedarf an Wohnungen, industriellen und öffentlichen Einrichtungen, die alle Land erfordern, sondern auch einen wachsenden Bedarf an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche. Beide Forderungen stehen einander entgegen.

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Diagramm:  Landwirtschaftlich nutzbares Land

Auf der Erde gibt es etwa 3,2 Milliarden Hektar nutzbares Land. Jeder Mensch benötigt bei der gegenwärtigen Produktionsrate etwa 0,4 Hektar zu seiner Ernährung. Der Kurvenverlauf spiegelt deshalb den Verlauf des Bevölkerungswachstums wider. Dünn ausgezogen sind die Linien des hochgerechneten Landbedarfs nach 1970 unter der Voraussetzung, daß die Bevölkerung sich entsprechend der gegen­wärtigen Wachstumsrate weiter vermehrt. Die Gesamtfläche nutzbaren Landes sinkt mit wachsender Bevölkerung, Städtebau und Industrialisierung. Die gestrichelten Kurven zeigen den Bedarf an landwirtschaftlich nutzbarem Land, wenn die gegenwärtige Produktivität verdoppelt beziehungsweise vervierfacht wird. 

Quelle: Meadows, Grenzen, 40.

 

Wie aus der graphischen Darstellung ersichtlich, kann auch die Verdoppelung der landwirtschaftlichen Produktivität den katastrophalen Zusammenstoß der entgegen­gesetzten Ansprüche auf Grund und Boden nur um reichlich zwanzig Jahre hinauszögern — und selbst die Vervierfachung gewährt nicht einmal fünfzig Jahre Galgenfrist.

Da die Fläche für die Landwirtschaft ständig abnimmt, folgerte man, daß nur eine bedeutende Möglichkeit der Ertragsförderung übrigbleibe: die immer intensivere Nutzung der Flächen — durch mehr Düngung und noch stärkeren Einsatz von Maschinen, Traktoren und Treibstoffen. Dadurch wird die Produktivitäts­steigerung bewirkt, von der Tinbergen sprach — aber eben auch der Verbrauch erschöpfbarer Rohstoffe und Energien verstärkt. Dieser Ausweg entfernt die Landwirtschaft immer mehr von dem natürlichen Regelkreis, der sich selbst erhält; es ist also nur ein Ausweg für eine begrenzte Zeit.

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In dieser Zeit wird die Abhängigkeit der Landwirtschaft von der Industrie immer totaler. Das Endergebnis ist, daß mit der Erschöpfung der Rohstoffe und des Erdöls auf der Erde nicht nur der Zusammenbruch der Industrie, sondern, zwangsläufig damit verbunden, auch der Zusammenbruch der Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form erfolgen muß. Wenn die Industrie nicht mehr funktioniert (als Produzent von Stickstoff, Phosphor und Kali) und keine Maschinen und Energien mehr liefert, und wenn der Verkehr nicht mehr intakt ist, müßte die Landwirtschaft auf das vorindustrielle Produktionsniveau zurückfallen. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche der Erde von höchstens 35 Mill. Quadratkilometern könnte dann vielleicht 1,5 Mrd. Menschen ernähren, oder entsprechend mehr, wenn sich alle Bevölkerungen mit Feldfrüchten begnügten, statt ihren Gaumen immer mehr mit tierischen Produkten zu verwöhnen.

 

     Der Wald verbrennt — die Wüste wächst    

 

Die landwirtschaftliche Nutzfläche auf der Welt läßt sich - entgegen allen tröstlichen Behauptungen - nur noch unwesentlich erweitern. Wenn man sie weiter auf Kosten der Wälder vermehren wollte, wäre dies das baldige Ende der Landwirtschaft in den betreffenden Gebieten. Denn die Wälder sind die unverzichtbare Grundlage für den Wasserhaushalt der Natur. Außerdem ist die Wasserversorgung der Bevölkerung wie der Industrie in den meisten Ländern schon jetzt so angespannt, daß die Belieferung selbst bei jetzigem Waldbestand in Kürze schwierig werden wird. Darum braucht die Bedeutung der Wälder für die Luftrein­haltung und für die Erholung der Menschen gar nicht erst herangezogen zu werden, um zu beweisen, daß eine weitere Abholzung unvertretbar ist.

Im Herbst 1974 erklärte der amerikanische Professor Georg Bergström auf der internationalen Tagung bei Stockholm:

»Innerhalb kurzer Zeit wurde die Hälfte aller Wälder der Erde abgeholzt. Und wir fällen munter weiter, weil die Verantwortlichen auf den steigenden Bedarf an Papier und Holz hinweisen. Aber sie vergessen den hohen Preis: die Ökologie der Erde braucht den Wald. Die Überschwemmungen in Indien und Bangladesh und die Erosion in Afrika stehen in direktem Zusammenhang mit dem Raubbau am Wald.«(46)

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Aber die Wälder werden keineswegs nur um des Nutzholzes willen gefällt. Nach Berechnungen der FAO wurden 1972 noch 2,3 Mrd. Tonnen Holz, das sind 65% des gesamten Holzverbrauchs, für Brennzwecke verwandt. In den Entwicklungsländern werden 85% des gefällten Holzes verbrannt.47 Der World Wildlife Fund verlautbarte im Februar 1974: Auf der Welt gibt es noch 41 Mill. Quadratkilometer Wald. Doch zwischen 50 und 100 000 qkm gehen jährlich verloren, weil der Boden urbar gemacht wird.48 Das ist Jahr für Jahr eine Fläche, die etwa so groß ist wie in der Bundesrepublik Deutschland. Aber nach wenigen guten Ernten verkarstet dann sehr oft das Land. Je stärker allerdings der hungernde Teil der Weltbevölkerung anwächst, um so gewaltiger wird der Druck auf die ökologisch noch intakten Gebiete der Erde werden. Damit wird auch die Gefahr der Vernichtung der Wälder wachsen. Viele geschichtliche Beispiele zeigen die Folgen eines solchen Raubbaus. Der Humusboden wird dann vom Wind hinweggeblasen oder von Regengüssen in die Meere geschwemmt.

Die Menschen haben zwar schon wider die Natur gesündigt, solange sich das Feuer in ihrer Hand befindet. Doch früher konnten die Bewohner weiterziehen, wenn sie das Land zur Wüste verwandelt hatten. Heute geht es um die letzten Reste der Natur.

Das Zweistromland, wo das biblische Paradies lag, wo die älteste uns bekannte Kultur der Sumerer entstand, wo später die Assyrer und Babylonier mächtige Reiche begründeten, ist heute eine Wüste.

»In Kritias beschreibt Plato, wie Attika zum <Skelett eines Körpers, durch Krankheit verdorben>, geworden war, weil man die Wälder abgeholzt hatte. Unkontrollierte Weidepraktiken vergrößerten die Schäden durch Abholzung, das Versiegen der Quellen und die Zerstörung des fruchtbarsten Bodens, denn das Wasser war verloren, <weil es über öden Boden ins Meer floß>. Plinius (23-79 n. Chr.) berichtet, daß der Mensch das Klima veränderte, indem er Flußläufe verlegte und Seen austrocknete, was dazu führte, daß Oliven und Trauben durch Frost vernichtet wurden.« 49)

»Das Gebiet südlich von Hit jedoch, das Fluß und Berg schufen, hat der Mensch zerstört; es ist jetzt ein baumlos kahler, der Erosion anheim­gefallener Boden, oder vielmehr der Leichnam eines Bodens, der am Homo militaris starb, einer Abart des Krankheitserregers Homo sapiens. Xenophon, als er das Land im Jahre 401 v. Chr. mit seinen Zehntausend durchzog, fand es noch fruchtbar, wildreich, mit Wäldern bedeckt.« 50)

Auch das Industal muß früher einen fruchtbaren Boden gehabt haben, der reiche Städte zu tragen vermochte. Heute kann dieses Tal nur eine sehr geringe Bevölkerung mit niedrigem Lebensstandard ernähren.51

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Der gleiche Raubbau wurde im Apennin und später auch in Spanien betrieben. Noch zwischen 1914 und 1934 schwanden in Italien 50.000 Quadratkilometer nutzbaren Landes durch Erosion.52 Heute werden die Waldflächen in Italien zwar wieder aufgeforstet, die sofortige Vernichtung durch Waldbrände und Ziegenfraß übertrifft an Ausmaß aber die Neuanpflanzungen.53

Nordafrika war z.Z. der Römer noch eine Kornkammer, und die Karthager fanden genügend Holz zum Bau ihrer Schiffe. Die südliche Sahara wächst heute um 10.000 km2 jährlich. Die Grenze der Wüste hat sich bereits um 300 km vorgeschoben.54 Dieses Wachsen der Wüste findet nicht nur in Afrika, sondern auch in Persien, Pakistan und Mexiko statt.55  Harroy bezeichnete Afrika bereits als einen sterbenden Kontinent. Und General Smuts sagte: »Für Südafrika ist die Erosion die größte Frage, größer als jede politische.«56

William Vogt, der Leiter der Abteilung für Bodenschutz der Pan-Amerikanischen Union, erklärte schon nach dem II. Weltkrieg, daß Mexiko in 100 Jahren zum größten Teil Wüste sein würde.56 Die Methoden der Landverwüstung in Mittelamerika beschreibt Thomas Croat: 

»Die übrigen Wälder in Panama befinden sich in beträchtlicher Gefährdung. Durch eine weitere Million Menschen innerhalb kurzer Zeit und durch verminderte landwirtschaftliche Produktion auf dem augenblicklich genutzten Land werden alle verbliebenen Wälder auf den steileren und unzugänglicheren Hängen bald gerodet werden. Überdies befindet sich ein großer Teil des verbliebenen Waldes an der Karibischen Küste, wo die Erosion wegen der heftigen jährlichen Regenfälle stark ist. — So wird auch die Rodung des restlichen Waldes, um mehr Ackerland zu schaffen, keine Lösung für das Problem der landwirtschaftlichen Produktion sein. Sie wird in der Tat nur das Problem der landwirt­schaftlichen Produktivität erschweren, indem sie Verwüstungen mit ausgedehnten Überschwemmungen, massive Erosion und Zerstörung des Bodens hervorruft, in vielen Fällen gefolgt von außergewöhnlichen Trockenzeiten zu verschiedenen Jahreszeiten. Die landwirtschaftliche Produktion wird stark sinken und es wird ausgedehnte Hungersnot geben. — Andere tropische Länder sehen sich mit ähnlichen, wenn auch vielleicht weniger akuten Dilemmas konfrontiert, verursacht durch rapide anwachsende Bevölkerungen, gepaart mit ständig sinkenden Mitteln für die Förderung der Landwirtschaft.«57)

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Nach neueren Forschungen ist die Kultur der Mayas in Mittelamerika dadurch zugrunde gegangen, daß immer neue Waldflächen gerodet werden mußten, die dann ebenfalls sehr schnell verkarsteten.58  Das Problem der dortigen Böden ist die Laterisation. Sobald die tropischen Wälder gefällt sind, wird der Boden in wenigen Jahren hart wie Stein. Dazu erklärt Mary McNeil: »Die ehrgeizigen Pläne zur Steigerung der Nahrungs­mittel­produktion in den Tropen, mit denen man dem Druck der raschen Bevölkerungs­zunahme entgegentreten will, berück­sichtigen nicht in genügendem Maße das Laterisations­problem und die Maßnahmen, die zu seiner Bewältigung getroffen werden müssen.« Anschließend beschreibt sie das Debakel von Iata im Amazonas-Becken, wo die brasilianische Regierung den Versuch unternahm, eine landwirtschaftliche Genossenschaft einzurichten. Die Laterisation zerstörte das Projekt, da »die gerodeten Felder sich in weniger als fünf Jahren zum größten Teil in felsiges Pflaster verwandelten«.59

1974 wurden Pläne aus Brasilien bekannt, 360.000 Quadratkilometer Urwald zu schlagen, um 200 Mill. Festmeter Holz zu gewinnen, damit die 10 Mrd. Dollar Auslands­verschuldung Brasiliens abgedeckt und noch 25 Mrd. Dollar gewonnen würden. Welcher Schaden bei Durchführung solcher Projekte entstehen würde, ist noch gar nicht abzusehen, während andererseits die Laterisation den Erfolg für den Ackerbau zunichte machen dürfte.60

Die Entwaldung Nordchinas führte dazu, daß heute der Hoang-ho pro Kubikmeter 100-150mal mehr Schlamm hinwegführt als in früheren Zeiten, das sind jährlich 2 Mrd. Tonnen.61 Seit dem II. Weltkrieg bemüht sich China um die Wiederaufforstung.62

Zwei Drittel der Fläche der Vereinigten Staaten sind heute eine vom Menschen gemachte Wüste. Der tägliche Verlust an Ackerland durch Erosion erreicht dort eine Fläche von 4.000 acres.63

Nach Angaben von Prof. H. Lamprecht vom Institut für Waldbau der Universität Göttingen gingen in den Tropen allein 2 Mrd. Hektar für eine >sinnvolle Bodennutzung< verloren. Als Ursachen gelten in den Tropen und Subtropen vor allem: Entwaldung, einseitige Bodennutzung, ungünstige Auswahl der Kulturpflanzen, Überweidung, Ausrottung bodenständiger Tierarten, nachteilige Veränderungen der Flußsysteme und Störungen des Wasserhaushaltes.64

Die Erosion der landwirtschaftlichen Böden wird durch die intensive großflächige Bebauung ganz wesentlich verstärkt. Der Wind kann hier die Humusschicht ungehindert abtragen. Dies ist nichts anderes als eine spezielle Form der Entropie, die vom Menschen eingeleitet wird.

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In dem englischen Papier »A Blueprint for Survival« findet sich eine Tabelle, wonach die Qualität der landwirtschaftlich genutzten Bodendecke auf dem Erdball wie folgt abnahm:

 

Quelle: Planspiel zum Überleben, 105.

1882  in %

1952 in %

gut

85,0

41,2

Humusdecke zur Hälfte erschöpft

9,9

38,5

ausgebeutet und verloren

5,1

20,3

 

Man könnte dagegen einwenden, daß es eine natürliche Form der Entropie schließlich immer gegeben habe. Das stimmt; aber die natürlichen Verwehungen und Abschwemmungen wurden durch den reichlichen Pflanzen­wuchs und dessen ungestörte Verwesung mehr als ersetzt. Darum konnte die Humusdecke im Laufe der Jahrmillionen ständig stärker werden. Zu den Überschüssen vergangener Zeiten gehören auch die fossilen Brennstoffe. Heute werden die Pflanzen und vor allem die Bäume ganz überwiegend einer Verarbeitung zugeführt und damit dem Naturkreislauf entzogen, ihre Endstation ist größtenteils die Verbrennung.

Von 1882 bis 1952 vergrößerten sich die Wüsten und wüstenähnlichen Gebiete der Erde von 11 auf 26 Mill. Quadratkilometer, also um 140%.65 Inzwischen haben sich diese Gebiete noch weiter ausgedehnt und nehmen über ein Viertel der festen Erdoberfläche ein. Der englische Ökologe John Leonard Cloudsley spricht von einem »alarmierenden Tempo« dieser Ausbreitung.66 Das noch vorhandene Brachland verminderte sich von 18 Mill. auf 2,7 Mill. Quadratkilometer, womit diese Reserve fast ausgeschöpft ist.(67)   wikipedia  John_L._Cloudsley-Thompson  1921-2013

Aus alledem wird deutlich, daß keinesfalls mit einer Vergrößerung der Fläche für den Landbau zu rechnen ist, sondern mit einer Verminderung. Denn auch die überbauten Flächen verdoppelten sich fast von 0,87 Millionen Quadratkilometern im Jahre 1882 auf 1,6 Millionen (1952) und dürften jetzt bald 3 Mill. Quadratkilometer erreicht haben. Genaue Zahlen darüber waren leider nicht zu erhalten.

Eine weitere negative Tatsache ist die, daß sich die Bevölkerung gerade an den Stellen der Erdoberfläche zusammenballt, die von der Bodenbeschaffenheit und vom Klima her besonders begünstigt sind. Die 60.700 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, die in Großbritannien jährlich dem Anbau entzogen werden, haben eine etwa 70 % höhere Produktivität als der Boden im Landesdurchschnitt.68 Da die Menschen schon immer an solchen bevorzugten Stellen siedelten, hat sich auch die Industrie vorwiegend dort niedergelassen.

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Es bleibt noch ein Blick auf die »Nahrungsquelle Meer« zu werfen.

»Einige bekannte Autoren haben das Meer als ein grenzen­loses Reservoir von Nahrungsenergie dargestellt, welches jede denkbare menschliche Bevölkerung versorgen könnte. Nichts könnte davon aber weiter entfernt sein. Der Ertrag von 1968 aus den Gewässern mit 60 Millionen Tonnen im Jahr entspricht etwa 60 Billionen Kilokalorien. Der jährliche Energiebedarf für die damals vorhandenen 3,5 Mrd. Menschen betrug etwa 3000 Billionen Kilokalorien — 50mal soviel.«69  

Gewichtig sind die Fischfänge nur für das Protein, von dessen Weltbedarf sie zu Ende der 60er Jahre 1/4 deckten. Um diesen Anteil überhaupt zu halten, müßte sich der Fischfang schon bis 2010 verdoppeln. Wenn die utopischen Pläne der Aberntung des Planktons realisierbar wären, dann würde man den Fischen die Lebensgrundlage entziehen. In dieser Richtung wirkt ohnehin schon die zunehmende Verschmutzung der Weltmeere, insbesondere auch durch Öl.

Die Schätzungen über die Gesamtverseuchung der Meere durch Erdöl-Kohlenwasserstoffe schwanken zwischen 5 und 10 Mill. Tonnen jährlich. Nach einem Anfang 1975 von der Nationalen Akademie der Wissenschaften vorgelegten und in deren Auftrag vom Ocean Affairs Board des National Research Council der Vereinigten Staaten angefertigten Untersuchungsbericht geraten jährlich rund 6,1 Millionen Tonnen Rohöl, Ölreste und Abfälle der Raffinerie­produktion in folgender Aufteilung in die Ozeane der Erde:70

Transport (Tanker, Unfälle ...)   2,1
Küsten- und Industrieabfalle  0,8
Ölförderung aus dem Meer   0,1
Flüsse und Kommunalabwässer  1,9
atmosphärischer Niederschlag   0,6
natürliche Sickerprozesse   0,6

 

Während William Ricker 1969 noch eine Verzweieinhalbfachung des Fischfangs für möglich hielt(71), ist der Weltfischfang seit 1970 rückläufig. Es ist nicht die Steigerung von 60 Mill. Tonnen auf 150 Mill. Tonnen im Gange, sondern nach der Spitze im Jahre 1970 von 69,8 Millionen ein Abfall auf 65,0 Millionen (1972) und 63,0 Millionen (1973)72. Dies, obwohl die Fang­techniken viel raffinierter geworden sind oder eben gerade darum. Die Wale sind inzwischen fast ausgerottet.

Die Störfänge mit der Kaviarproduktion im Kaspischen Meer sind fast zum Erliegen gekommen. Besonders drastisch verlief die Entwicklung beim Heringsfang. Während 1963 weltweit 14,8 Millionen Tonnen gefangen wurden, stieg der Ertrag in den Jahren 1966 bis 1971 in den Bereich von 20 Millionen Tonnen, um dann 1972 auf 13,5 und 1973 auf 11 Mill. Tonnen herab­zusinken.

Es ist zu befürchten, daß die Entwicklung bei allen Erträgen aus dem Meer ähnlich verläuft.

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     Herbert Gruhl   Ein Planet wird geplündert