Edgar
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Autor dnb Nummer (8) detopia |
Edgar Guhde war ein DDR-Bürgerrechtler und politischer Häftling in der DDR, Autor, Bibliothekar, Dozent und Politiker (ÖDP).
Guhde war in den Jahren 1956 und 1957 zunächst als Bürgerrechtler in der DDR aktiv, in welchem Zusammenhang er sich dort von 1957 bis 1963 im Zuchthaus Brandenburg in politischer Haft, zeitweise in Isolationshaft, befand.
Er war unter anderem Dozent an der Bibliothekar-Akademie Berlin sowie beim Seminar für Staatsbürgerkunde e. V. Olpe.
Von ihm stammen außerdem mehrere Beiträge in Zeitschriften sowie Übersetzungen.
1984 erschien mit <Natur und Gesellschaft. Einführung in ökologisches Denken und Handeln> sein bekanntestes Buch.
1980 war Guhde erster Sprecher des neu gegründeten Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein der Grünen.
Von März bis Oktober 1981 war Guhde zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender der Grünen Aktion Zukunft (GAZ), die Anfang 1982 in der neu gegründeten Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) aufging.
Von 1983 bis 1998 war er Mitglied im Kreisvorstand der Düsseldorfer ÖDP und von Januar 1984 bis Januar 1986 Bundesschatzmeister der Partei.
Von 1984 bis 1998 arbeitete er als Redakteur bei der Ökologie-Politik, der Parteizeitung der ÖDP, deren Inhalt er somit maßgeblich mitprägte.
Von 1984 bis 1995 war er Mitarbeiter der ÖDP-Bundesgeschäftsstelle in Bonn sowie bis 1997 Mitglied der Bundesprogrammkommission.
Zum Jahreswechsel 1998/1999 trat er aus der Partei aus. Als Grund hierfür gab er an, dass die Partei keine „nennenswerte […] über Bayern hinausreichende Zukunft“ habe.
Darüber hinaus war Guhde in der Tierrechtsbewegung aktiv.[3] Bereits als Kind wurde er Vegetarier. Schlüsselerlebnisse hierfür waren eigenen Angaben zufolge zahlreiche schwerverletzte und verhungerte Tiere am Ende des Zweiten Weltkriegs sowie das Lesen von Tierbüchern. Seit Anfang der 1990er Jahre ernährte er sich vegan.
oekologiepolitik.de/2017/07/14/wir-trauern-um-edgar-guhde/ Nachruf
Im Rahmen seiner Tierrechtsarbeit war er von 2000 bis 2012 Vorsitzender des 1990 gegründeten Politischen Arbeitskreises für Tierrechte in Europa e. V. (PAKT) sowie seit 2006 Mitglied und seit 2010 Vorsitzender des Kuratoriums der Hans-Rönn-Stiftung Menschen für Tiere. Beide Organisationen haben ihren Sitz in Düsseldorf.
Edgar Guhde engagierte sich seit seiner Kindheit für Tierschutz und Tierrechte. Von 2000 bis 2012 war er der Erste Vorsitzende des Politischen Arbeitskreises Tierrechte in Europa (PAKT). Auch im Kuratorium der Hans-Rönn-Stiftung – Menschen für Tiere sowie in der Fincke-Stiftung »Auch Tiere haben Rechte« war er aktiv.
albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/zum-tod-des-tierschuetzers-edgar-guhde
Erinnerungen an Kindheit, Jugend und Tiere in Krieg und Diktatur Von Edgar Guhde
Ein Vorort im Norden Berlins: Frühjahr 1945. Auf der Reichsstraße 96 nicht enden wollende Flüchtlingstrecks, oft mit ausgemergelten Pferden vor den überfüllten Elends-Wagen. Als Neunjähriger sah ich mir das oft mit an, denn wir wohnten ganz in der Nähe.
Bei all dem Schrecklichen der Kriegs- und Nachkriegszeit hat sich mir der Anblick dieser Pferde (von denen im 2. Weltkrieg etwa viereinhalb Millionen (!) allein auf deutscher Seite an den Fronten schwer verletzt umkamen), besonders eingeprägt und bedrückt. Einmal schlug ein Mann mit den Fäusten auf das Maul eines stehen gebliebenen Pferdes ein. Es brach zusammen. Der Mann prügelte weiter, woraufhin ich den nahegelegenen Schlachter herbeiholte, der dem Tier ein, wie ich meinte, kürzeres Sterben verschaffen sollte. Das geschah, aber hinsehen vermochte ich nicht. Auch der Anblick liegen gebliebener Pferdekadaver (aus denen sich einige Menschen Teile herausschnitten) prägte sich mir dauerhaft ein.
Mein Vater und ich gingen in verlassene Häuser, wo wir oft verhungerte Haustiere vorfanden – ein schmerzlich-bewegender Anblick, eine Seite des Krieges, die ich später in der zeitgeschichtlichen Literatur nie behandelt fand, so wenig wie all die anderen Heimsuchungen der Tierwelt in jener Zeit.
In jenen Tagen beobachtete ich einen umherirrenden Schäferhund mit nur drei Beinen. Mitleid und Hilflosigkeit drückten mich gleichermaßen erneut nieder. Ich wusste nicht, was tun. Kurz darauf lief mir ein Terrier zu, den ich aber nur einige Tage in der Obhut hatte, wurde er doch von einem russischen Militärlaster auf dieser Reichsstraße angefahren. Er starb in meinen Armen. Bei meinen Berlin-Aufenthalten suche ich noch heute die Stelle auf, wo ich ihn begrub.
Der Gram, die Niedergeschlagenheit, die ich damals empfand, haben mich im Unterbewusstsein bis heute nicht verlassen.
Mich an die Ferien 1944 in Hinterpommern erinnernd, fallen mir die feuchten, engen und dunklen Verliese mit den verdreckten kleinen Fenstern ein, in denen Schweine und Kühe ihr Dasein fristeten. Sie taten mir einfach leid. Zu Hause hatten wir eine Hühnerschar im großen Garten, immer mit einem stolzen Hahn dabei. Ihr Herumlaufen und Scharren und ihr Gackern nach dem Eierlegen erfreute mich jeden Tag.
Seit den dreißiger Jahren hatten wir zu Hause eine Blaustirnamazone. Wie ich heute weiß, leider nur eine, denn Papageien sind zumindest paarweise zu halten. Das Tier hatte es zwar gut bei uns, war zutraulich und anhänglich, und es sang von sich aus etliche Lieder, war auch meistens nicht im relativ großen Käfig eingesperrt. Trotzdem tat es mir immer leid, konnten wir doch nicht immer das erforderliche artgemäße Futter besorgen und ihm die Angst ersparen, die es bei jedem Fliegeralarm mit Sirenengeheul und Flakgeschütz-Donner zitternd erlitt.
So waren meine ersten Begegnungen mit Tieren, darunter die zur Bewegungslosigkeit verdammten Kaninchen in den Stallboxen der Nachbarschaft, keineswegs immer ein freudiges Ereignis. Deren Dasein machte mich nachdenklich, warum sie von den Menschen so ausgenutzt und herablassend behandelt werden.
Dazu kam das mich ratlos machende Unverständnis der meisten Erwachsenen, wenn ich meinen Kummer über das triste, unfreie Dasein der sogenannten Heim- und Nutztiere äußerte. Warum „sehen“, „erkennen“ manche die Tiere, viele aber nicht? Die verbreiteten materialistischen Einstellungen degradieren die Tiere und sehen in der Rücksichtnahme auf sie nur einen unnötigen Kostenfaktor.
Ich glaube, dass diese und ähnliche Erlebnisse wesentlich zu meiner melancholischen Grundstimmung und zum skeptischen, illusionslosen Menschenbild beitrugen. Sind Tierrechte nicht auch ein Menschenrecht?
Im östlichen Teil Deutschlands löste dann eine neue Diktatur die vorangegangene ab. In den fünfziger Jahren wurde mir dort nach und nach bewusst, dass auch die Tiere weiterhin rechtlos waren. Nachfragen, wie es denn wohl in den Tierhaltungen auf dem Land und in den Schlachthäusern zugehe oder wie Tierversuche gemacht würden, stießen auf allgemeines Unverständnis, bei den Regimeleuten sofort auf Misstrauen. Zeitungs- oder Zeitschriftenberichte darüber gab es nicht, weil es sie nicht geben durfte, selbstverständlich auch keine Tierschutzorganisationen, Zeitschriften, gar Bücher zum Tierschutz.
Die wenigen Menschen, die sich ebenso wie ich über dieses Thema Gedanken machten, waren schon deshalb im Nachteil, weil sie sich nicht auf die „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus, der alles beherrschenden Staatsideologie, berufen konnten. Im Gegenteil: Hatte doch Karl Marx in Briefen an Friedrich Engels die ersten englischen Tierschützer als „Philister“ verspottet, und Engels hatte die “Demokratisierung des Fleischgenusses“ gefordert.
Ein Arzt berichtete mir damals von seinem Versuch, in einer medizinischen Zeitschrift einen Beitrag zu veröffentlichen, in dem er vorsichtig die besonders grausamen Tierversuche an der Universität problematisierte. Der Text wurde nicht nur abgelehnt – als SED-Mitglied wurde er in seiner Parteigruppe deshalb zur Rede gestellt und mit einer Parteirüge bedacht.
1957 verfasste ich einen regimekritischen Text (in drei Exemplaren) mit Forderung nach einem demokratischen und rechtsstaatlichen Sozialismus, u.a. mit der Forderung nach einem Tierschutzgesetz. Im Geheimverfahren wurde ich dafür zu neun Jahren Zuchthaus wegen „Untergrabung der Staatsordnung“ verurteilt. Das Eintreten für den Tierschutz („bürgerlich-reaktionäre Ideologie“) wurde mir als „Wirtschaftssabotage“ ausgelegt.
In den vielen Veröffentlichungen der DDR-Forscher vor und nach dem Zusammenbruch 1989 blieb der Tierschutz unberücksichtigt. So kommt er selbst in dem verbreiteten Nachschlagewerk „DDR-Handbuch“, hg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, trotz seiner 1.280 Seiten der 2. Aufl. 1979 nicht vor. Noch immer spielt diese Seite der SED-Diktatur in der – ohnehin gehemmten – Aufarbeitung dieser Zeit keine Rolle.
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