Studentischer Sprecherrat der Universität München (Hrsg.)

"Niemand kann seinem Schicksal entgehen ..."

Kritik an Weltbild und Methode des Bert Hellinger

 

2004 und 2005 erweitert

dnb.Buch    Inhalt.pdf 

 

2004

wikipedia  Bert_Hellinger *1925 bei Heidelberg bis 2019

alibri.de Verlag

 

detopia: Psychobuch

H.htm    Sterbejahr

Rutschky Kritik

Buttlar  Däniken

 

Familienaufsteller Bert Hellinger, ein Messias für Zeitgenossen
von Katharina Rutschky    22. März 2003   welt.de

Dem Erfinder der "Familienaufstellung", einer von vielen Menschen und zahllosen therapeutisch tätigen Helfern für bahnbrechend gehaltenen Schicksalsanalyse, droht in unseren aufgeklärten Zeiten gewiss nicht das Ende Jesu. Dazu ist Bert Hellinger mit 78 Jahren auch schon zu alt und kann sich außerdem aufs Grundrecht der Religionsfreiheit verlassen. Er selbst und seine Anhänger verstehen sich allerdings nicht als Glaubensboten, sondern als Psychotherapeuten, systemische Analytiker, Familien- und Paarberater, die ihrem befreienden Tun die Erkenntnisse des "Neurolinguistischen Programmierens", des "Modelling nach Braun", der "Festhaltekur" von Jirina Prekop nebst denen aller möglichen Naturheilverfahren anzubinden wissen. Wer hier Erlösung sucht, kann allerdings noch nicht mit einem Zuschuss seiner Krankenkasse rechnen, was in Anbetracht der großen Gemeinde Hellingers doch beruhigend ist.

Parallelen zu Jesus lassen sich dennoch finden, biographische und solche, die die Botschaft betreffen, welche im Falle Hellingers aber so knapp, praktisch und schlicht ist, dass man sie durch die Teilnahme an einem Seminar vollständig kapiert. Füge dich in die Ordnung der Liebe (so ein Buchtitel von Hellinger), die die Ordnung der patriarchalischen Familie ist. Wie absurd, wie schmerzlich das Gebot des Vaters auch sein mag, erst aus der Annahme seines Willens erwächst dem Sohn, der Tochter, der Ehefrau die Kraft des Heils. Die Rebellion führt zur Krankheit, zu Krebs, zum Downsyndrom des eigenen Kindes und vor allem zur Depression.

Durchgeführt wird die Katharsis mit der "Familienaufstellung", mit Freiwilligen durchaus auch vor großem Publikum, aber auch im kleinen Rahmen eines Seminars mit maximal 15 Teilnehmern. Das Problem des Patienten wird benannt, die Familie aus anderen Teilnehmern nachgestellt und unter der Anleitung von Hellinger oder eines geschulten "Familienstellers" ausgedeutet. Es läuft unweigerlich auf die Unterwerfung und im glücklichen Fall auf eine Art Wiederauferstehung hinaus, bei der die rebellisch fehlgeleitete Energie nun in die rechten Bahnen fließt.

Was Jesu zwischen Kindheit und jugendlichem Brillieren vor den Schriftgelehrten bis zu den Monaten vor seinem Tod getan hat, darüber wissen wir so wenig wie von Bert Hellingers Vorleben, Erweckung und Ausbildungsgang. 

Hellingers Imperium reproduziert sich aus zahllosen Büchern, Kassetten, Videos nebst lizensierten Vereinen und Instituten deutschlandweit, aber auch in der Schweiz und in Griechenland. Bei diesem breiten Angebot fallen die undeutlichen Informationen über den Prediger und Erlöser Hellinger schon auf.

Sein Vorleben als Jesuitenpater, tätig in Südafrika, wird zu einer Schulleitertätigkeit "bei den Zulus" heruntergespielt. Dann muss er eine neue Berufung erfahren haben. Eine seriöse Ausbildung zum Psychoanalytiker ist offenbar gescheitert, und Hellinger wandte sich jenen Erlösungsversprechen zu, die Unglücklichen schnelle und spektakuläre Heilung versprachen und dem Therapeuten die Erlöserrolle zugestanden. Das Dorado der Quacksalber sind nach wie vor die USA, und dort gab es zum Beispiel Arthur Janov, den Erfinder der "Urschreitherapie", zu dessen Anhänger Hellinger vorübergehend wurde. Das war in den siebziger Jahren.

Ich habe von Hellinger als einem unkonventionellen Psychoanalytiker in München zuerst Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre von Patienten und Psychotherapeuten gehört - nichts Schlechtes eigentlich. Heute meine ich ,dass ein Mann, der sich als Seelenguru Kranken andient, von der Stiftung Warentest gecheckt werden müsste. Andererseits herrscht Religionsfreiheit, und niemand wird gezwungen, in der "Familienaufstellung" seine Gesundheit zu finden. Das Geheimnis von Hellinger und seine Attraktion für so viele Menschen, die sich unglücklich und verloren fühlen, besteht in seiner Fähigkeit, eine manisch unterfütterte Angstlosigkeit, die auf einer hochstaplerischen Identifikation mit Jesus beruht, auf andere zu übertragen.

Was ist der Tod, auch der vielen im World Trade Center am 11. 9. 2001 oder der wenigen in Kaprun oder des sterbenskranken Krebspatienten, der getröstet werden will? Äußerungen dazu von Hellinger können nur die befremden und abstoßen, denen das Leben teuer ist.

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Bert Hellinger – Guru der Psychoszene        Von Radio Lora / Colin Goldner

 

Radio Lora: Seit zehn Jahren gilt Bert Hellinger als der absolute Guru der Psychoszene. Mit seiner Methode des Familienaufstellens füllt der 77-Jährige schon mal Säle mit 500 Hilfesuchenden. Doch entscheidender als diese Methode ist sein ultrareaktionäres Weltbild, bei dem die Frau prinzipiell immer Schuld hat. Neuerdings will der Guru ganze Nationen therapieren, indem er Völker und Staaten aufstellt. Gerne stellt er auch Nazi-Deutschland auf, dazu die Juden im Dritten Reich. Und alle, alle fallen sich am Ende seiner Inszenierungen tränenüberströmt in die Arme. Der ewiggestrige Geist Hellingers müffelt auch aus jeder Masche seines ewiggleichen Wollüberziehers, mit dem er antritt, die Familienhölle zu heilen. Es wurde Zeit für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Wolf im Schafspelz. Die hat der Sektenkritiker Colin Goldner in seinem Buch Der Wille zum Schicksal geleistet. Herr Goldner, was ist der Hintergrund von Hellingers Wandlung vom Afrika-Missionar zum Star der Eso-Szene?

Colin Goldner: Ursprünglich war Hellinger Missionar eines völlig unbedeutenden, dafür umso katholischeren Heilsverkünderordens, der so genannten „Mariannhiller Missionare“, die, aus Würzburg stammend, in den 1950er und 1960er Jahren den Zulu in Südafrika das Wort des Herrn beigebogen haben. Heute ist Hellinger der weltweit mit Abstand bekannteste Psychotherapeut der Jetztzeit. Was die schiere Menge seiner Publikationen anbelangt, ist er durchaus in einer Reihe zu sehen mit den Säulenheiligen der Szene, von Sigmund Freud über Alfred Adler und Wilhelm Reich bis hin zu Paul Watzlawick oder Arnold Lazarus.

 Radio Lora: Hat er denn überhaupt irgendeine therapeutische Ausbildung?

Colin Goldner: Hellinger ist ausgebildeter Theologe, sprich: Missionspriester. Nach seinem Abschied aus dem Missionsorden hat er in Wien eine psychoanalytische Ausbildung begonnen, diese allerdings nach kurzer Zeit abgebrochen, sie also nicht abgeschlossen. Er hat im Anschluss daran in eine Vielzahl anderer Verfahren hineingerochen, ist aber in keinem dieser Verfahren ordentlich ausgebildet oder qualifiziert. Er ist bis heute auch nicht befugt zur Ausübung von Psychotherapie.

 Radio Lora: Kommen wir doch gleich zum Wesentlichen: Wie funktioniert die Familienaufstellung nach Hellinger?

Colin Goldner: Bevor ich über die Aufstellungen selbst etwas sage, ist es wichtig, das dahinterstehende Weltbild etwas auszuleuchten, aus dem sich das Verfahren speist. Das Familienaufstellen, um auch das vorauszuschicken, wurde ja keineswegs von Hellinger erfunden, vielmehr stellt es eine herausgegriffene Technik aus der traditionellen Familientherapie dar, wie sie von Mara Selvini Palazzoli oder von Virginia Satir entwickelt wurde. Hellinger hat diese längst bekannte Technik aus ihrem Gesamtkontext herausgegriffen und sie mit seiner besonderen, sprich: esoterischen Weltanschauung umkleidet. Ebendiese esoterische Konnotation macht seine Therapie aus, die sich insofern ganz wesentlich von seriöser Familientherapie unterscheidet. Hellingers Weltbild basiert auf folgender Überlegung: In jedem Sozialgefüge, jeder Familie also, jeder Volksgruppe oder auch Sippe, wie er es gerne nennt, gebe es eine natürliche Ordnung, in die jedes Mitglied sich widerspruchslos einzufügen habe. Das bedeutet, dass grundsätzlich der Mann Vorrang habe vor der Frau, der Erstgeborene Vorrang vor dem Zweitgeborenen: Vorstellungen also, wie sie sich im Alten Testament finden. Hellinger sagt nun: Wenn gegen diese Ordnung verstoßen werde, wenn also die Frau sich nicht dem Mann unterordne, werde innerhalb des Systems ein Mitglied krank. Die Krankheit befalle allerdings nicht notwendigerweise die Person, die sich ordnungswidrig verhalten habe, sondern einen beliebigen Symptomträger selbst späterer Generationen. Man könne sozusagen bis ins siebte Glied für die Schicksalsverweigerung eines Ahnen bezahlen müssen. Sobald – und nur wenn – die Familien- beziehungsweise Sippenverstrickungen aufgelöst würden, könne der Betroffene gesunden.

Derlei Entstrickung erfolgt nach Hellinger nun über eine Aufstellung sämtlicher Beteiligter, auch der längst verstorbenen, durch Stellvertreter. In einer Therapiegruppe werden einzelne Personen gebeten, die zur Rede stehenden Familienmitglieder des Ratsuchenden – wie in einem Bühnenschauspiel – darzustellen.

Sobald diesen Stellvertretern nun durch den Ratsuchenden ihre jeweilige Rolle zugewiesen sei – ein Teilnehmer spielt etwa die Rolle des Vaters, der nächste des Großvaters, der nächste des Ur- bzw. Ururgroßvaters etc. – träten sie in Kontakt zu einem, wie Hellinger es nennt: höheren, wissenden Feld, einer Art Weltenseele. Dieses wissende Feld gebe ihnen nun authentischen Zugang zu den Gedanken und Gefühlen der von ihnen repräsentierten Personen. Der Mitspieler also, der die Rolle etwa des verstorbenen Großvaters übernimmt, bekomme nun dadurch, dass er auf eine bestimmte Position gestellt werde, genau die Eindrücke, die Empfindungen und Erlebnisse, die der tatsächliche Großvater gehabt habe – und als Toter immer noch habe. Und nun kommt der Therapeut ins Spiel: Durch eine von ihm vorgenommene räumliche Umgruppierung der in einer „falschen Ordnung“ stehenden Stellvertreter, verbunden mit dem Nachsprechenlassen ritueller Sätze, beispielsweise „Du bist groß und ich bin klein“ oder „Ich gebe dir die Ehre“, werde die „rechte Ordnung“ wiederhergestellt, was zur Heilung des jeweiligen Symptomträgers führe.

Radio Lora: Hellinger arbeitet auch mit der Inzest-Problematik. Wie geht er damit um?

Colin Goldner: Wenn eine Patientin mit dem Problem einer Inzest-Erfahrung, eines sexuellen Übergriffes etwa seitens des Vaters, zur Familienaufstellung kommt, wird sie aufgefordert, dem Vater „die Ehre zu erweisen“: Sie muss zunächst über ihre Stellvertreterin, dann auch selbst, dem von einem anderen Teilnehmer gespielten Vater zu Füßen gehen und ihm sagen: „Lieber Vater, ich gebe dir die Ehre.“ Und: „Für die Mama hab’ ich’s auch gerne getan!“ Hellinger weist Verantwortung und Schuld für einen Inzest dem betroffenen Opfer selbst zu.

Radio Lora: Der Todesfall von Leipzig hat Schlagzeilen gemacht. Was war da genau passiert?

Colin Goldner: In Leipzig war eine junge Frau und vierfache Mutter auf die Bühne gekommen, zusammen mit ihrem Ehemann, von dem sie in Trennung lebte. Mehr wusste Hellinger, der diese Veranstaltung leitete, nicht von den beiden. Sie wollten von Hellinger erfahren, zu wem denn nach einer Scheidung die Kinder kommen sollten. Ohne das Geringste von dieser Frau und diesem Mann zu wissen, wies Hellinger der Frau die Schuld für das Scheitern der Ehe zu – in Klammern gesagt: es sind aus Hellingers Sicht immer die Frauen schuld, wenn irgendetwas in Partnerbeziehungen nicht klappt – und sagte, auf sie deutend: „Hier sitzt das kalte Herz. Die Kinder sind bei der Frau nicht sicher, die gehören zum Mann.“

Die junge Frau verließ in Schock die Bühne. Hellinger rief ihr hinterher: „Die Frau geht, die kann keiner mehr aufhalten“, was bedeuten könne, dass sie sterben werde. Die Frau schrieb noch einen Abschiedsbrief, ganz in Hellingerschem Sprachduktus, in dem es sinngemäß heißt: „Wenn es denn die rechte Ordnung wiederherstellt, dass ich meinen Kindern aus dem Wege gehe, werde ich das auch tun. Auch wenn es nicht das ist, was ich will.“ Anschließend nahm sie sich das Leben.

Radio Lora: Die Familienaufstellung scheint für die Teilnehmer doch einige Risiken zu bergen?

Colin Goldner: Allerdings, es kommen ja Menschen in diese Aufstellungen mit dem Anspruch, dort Therapie zu erfahren. Was sie kriegen, ist, dass ihnen reaktionäre Werte, Ordnungen und Vorstellungen übergestülpt werden, die auf der einen Seite mit großem emotionalen Erschüttertsein einhergehen können und auf der anderen Seite therapeutisch nichts bewirken. Ebendaraus können sich für die einzelne Teilnehmerin und den einzelnen Teilnehmer zusätzliche und schwerwiegende Probleme ergeben.

Radio Lora: Gibt es denn überhaupt eine Nachsorge nach so einer Sitzung?

Colin Goldner: Nachsorge gibt es bei Hellinger prinzipiell nicht. Er geht davon aus, dass die Aufstellung an sich hilfreich und heilsam sei. Jede Form von Nachsorge nehme der Aufstellung ihre heilende Kraft weg. Ausdrücklich unterbindet er insofern jedwede Weiterbetreuung, in seinen Aufstellungen unterbindet er sogar Nachfragen – nicht nur kritisches, sondern jedwedes. Es ist ausdrücklich verboten, nach einer Aufstellung über das Erlebte zu sprechen.

Radio Lora: Hellinger hat ja auch viele Nachahmer gefunden. Was ist das für eine Szene?

Colin Goldner: Es gibt im deutschsprachigen Raum an die zweitausend Therapeuten und Therapeutinnen, die nach Hellingers Vorgaben arbeiten. Es findet sich eine erstaunlich hohe Anzahl an akademisch qualifizierten Praktikern darunter, die Mehrzahl aber kommt aus dem weiten Feld der esoterischen Psychoszene. Es finden sich da Homöopathen, Handaufleger, Reinkarnationstherapeuten oder Aura-Soma-Praktiker: schlechterdings alles, was in der Esoterikszene beheimatet ist, ist grundsätzlich kompatibel mit Hellinger. Die Hellinger-Szene ist, auch wenn sie sich mit großem Aufwand professionelle Konturen zuzulegen sucht, außerordentlich unprofessionell. Sie hat mit seriöser klinischer Psychotherapie so viel zu tun wie Astrologie mit Astronomie: nämlich gar nichts. Ganz abgesehen davon ist das Gros der nach Hellinger arbeitenden Therapeuten rechtlich nicht befugt zur Ausübung der Heilkunde.

Radio Lora: Wie kann es angehen, dass immer mehr Hellingerianer Aufstellungen mit Firmen machen?

Colin Goldner: Die Technik des Aufstellens, in der Familienstrukturen „erhellt“ werden, lässt sich eins-zu-eins auch auf Verhältnisse in Betrieben oder in Wirtschaftsorganisationen übertragen. Es wird statt der Familie einfach die Betriebsbelegschaft aufgestellt.

Radio Lora: Sind das dann größere Firmen, die sowas machen?

Colin Goldner: Es sind wohl in erster Linie größere Firmen, es kann aber durchaus auch der mittelständische Betrieb der Hellingerschen Propaganda auf den Leim gehen und für einen Fortbildungstag einen der zahllosen Organisationsberater oder Coaches aus der Hellinger-Szene engagieren.

Radio Lora: Längst praktiziert Hellinger nicht mehr nur Familienaufstellungen, er stellt ganze Völker, Nationen und Staaten auf. Wie funktioniert das?

Colin Goldner: Teilnehmer, die bisher für Familienangehörige standen, etwa für Vater und Mutter, oder für Chef und Angestellte in einem Betrieb, stehen nunmehr stellvertretend für ganze Staaten, etwa für Israel der eine und für Palästina der andere; oder der eine für den Irak, der andere für die USA. In der Aufstellung würden nun die vermeintlich hinter den Konflikten, die diese Staaten miteinander haben, stehenden systemischen Verstrickungen erhellt. Es werden die Personen, die stellvertretend für die jeweiligen Staaten stehen, einander neu zugeordnet, sie müssen, wie in der Aufstellung mit Familien auch, rituelle Sätze nachsprechen, um einander dann letztlich befreit und oft tränenüberströmt in die Arme zu sinken. Es habe dies, so Hellinger, über den Weg des wissenden Feldes unmittelbare Auswirkung auf die betroffenen Länder: Wenn in einer Aufstellung etwa ein Israel-Stellvertreter und ein Palästina-Stellvertreter einander in die Arme sinken, trage dies wesentlich zur Lösung des realen Konfliktes im Nahen Osten bei.

Hellinger stellt gerne auch Hitler-Deutschland auf: auf der einen Seite Repräsentanten der Nazis, auf der anderen Repräsentanten der im Dritten Reich verfolgten Juden. Er hat auch schon BRD und DDR aufgestellt, unlängst auch George Bush und Osama Bin Laden. Es gibt eigentlich nichts, was er nicht schon aufgestellt hätte, selbst Jahwe und den Gott der Christen, auf dass die dazugehörigen Religionsgemeinschaften zur Versöhnung fänden. Die angeführten Beispiele belegen deutlich, dass Hellinger mit seinen esoterisch durchwaberten Laienspielinszenierungen inzwischen komplett ins Irrationale abgedriftet ist.

Radio Lora: Es ist ja wohl anzunehmen, dass Hellinger ganz gut von seinen Aufstellungen leben kann.

Colin Goldner: Man kann es annehmen. Es gibt Aufstellungskongresse, an denen bis zu 5000 Menschen teilnehmen. Wenn jeder nur 200 Euro bezahlt für ein Wochenende, kann man sich leicht ausrechnen, was da rüberkommt. Gleichwohl Hellinger nach außen hin den Anschein des vollkommen bedürfnislosen, ätherisch abgehobenen Weltenerretters erweckt, nehme ich an, dass da schon auch für ihn persönlich etwas hängenbleibt.

Radio Lora: Wenn Sie ein Fazit ziehen: wie ist der riesige Erfolg des ehemaligen Afrika-Missionars zu erklären?

Colin Goldner: In einer immer komplexer werdenden Welt sehnen viele Menschen sich nach einfachen Orientierungsmöglichkeiten und vor allem nach unwandelbaren Wertesystemen, die nicht morgen schon wieder über den Haufen geworfen werden. Ex-Missionspriester Hellinger bietet derlei einfach gestrickte Welterklärungsmodelle an: Zurück hinter alles, was zu komplex und damit konfliktär erscheint: hinter alles, was die Frauenbewegung erkämpft hat, hinter ’68, hinter die bürgerlichen Errungenschaften des 19. und 18. Jahrhunderts, hinter Humanismus und Aufklärung – zurück zu alttestamentarisch-mosaischen Welt- und Werteordnungen, in denen patriarchale Sippen- und Familienhierarchien noch unhinterfragt Geltung hatten. Und vor allem: in denen Frauen nichts zu melden hatten. Hellingers esoterische Anwandlungen, seine Kontaktnahme etwa mit toten Ahnen oder sein Eintreten in ein „wissendes Feld“, aus dem er seine vermeintlich „ewiggültigen Wahrheiten“ herleitet, biedern sich dem aktuellen Zeitgeist zusätzlich an.

 

 

 

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