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Drogen und Bewußtsein    Janov-1975     auch hier: 1970   1972   1991  

 

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Der von mir behandelte Gegenstand hat Implikationen, die sich fast auf das gesamte menschliche Verhalten erstrecken. So könnte man zum Beispiel Drogen im Hinblick auf ihren dominierenden Modus oder Aktions­bereich klassifizieren. 

Alkohol könnte als Droge dritter Ebene eingeordnet werden, weil er sich auf die höchsten Ebenen nervaler Aktivität auswirkt; er blockiert erworbene Hemmungen und erleichtert den Zugang zur zweiten Ebene, auf der ein Mensch weinen und lachen kann — vielleicht zum erstenmal in seinem Leben. Erfahrungsgemäß kann bereits ein kleines Gläschen Wein einen Primärpatienten unverzüglich in ein Gefühl zweiter Ebene und anschließend in ein Primal versetzen. 

Analgetika, die periphere Rezeptoren ansprechen, könnten als Drogen erster Ebene betrachtet werden. Sie blockieren Schmerz, ohne dominierenden Einfluß auf höhere Zentren auszuüben. Amphetamine haben mit Sicherheit höhere Auswirkungen (dritte Ebene), das mag jedoch darauf zurückzuführen sein, daß sie Schmerz erster Ebene aktivieren und bewirken, daß er zur dritten Ebene aufsteigt: das erklärt die Schlaflosigkeit und die allgemeine, unspezifische Erregtheit. Damit soll keineswegs gesagt sein, daß Drogen nicht jeden Bereich des Nervensystems beeinflussen können; hier geht es lediglich um die Frage, ob es bestimmte Systeme gibt, auf die sie einen besonders starken Einfluß ausüben. 

Barbiturate zum Beispiel beeinträchtigen einen großen Teil des Nervensystems, aber eine Schlüsselfunktion von ihnen ist die, daß sie die Tätigkeit dünner Fasern (leitungsfördernd) blockieren oder verlang­samen. Diese Tätigkeit reduziert die afferente (aufsteigende) Sperre auf eine Ebene, die niedriger liegt, als es für die volle Empfindung des Schmerzes notwendig ist. Barbiturate sind mithin Drogen erster Ebene.

Tranquilizer, insbesondere Phenothiazin-Derivate, sind in der Mitte angesiedelt; sie trennen die erste von den beiden höheren Ebenen. Sie wirken hauptsächlich auf das retikuläre System ein, sie halten Schmerz erster Ebene unten und verhindern, daß er vollen Zugang zur zweiten und dritten Ebene erlangt. Sie entspannen zum Beispiel die Gesichtsmuskeln und senken die Stimme. Bei Tranquilizer­konsumenten besteht ein »Leck« (partieller schmerzhafter Zugang) von der zweiten zur dritten Ebene; sie sind diejenigen, die sich emotional erschöpft fühlen, ohne zu wissen warum.

Schlaf ist eine Aktivität erster Ebene. Schlaftabletten, die REM-Schlaf* reduzieren, dominieren meiner Meinung nach auf der ersten Ebene. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß Schlaflosigkeit oft durch einen partiellen Zugang zur ersten Ebene verursacht wird. Dieser Zugang wird infolge von Drogen wie LSD erleichtert. Und Menschen, die früher LSD genommen haben, haben oft Einschlafschwierigkeiten, oft noch Monate später. Ausreichend Marihuana kann zum gleichen Ergebnis führen. Das hat folgende Ursache: die Droge setzt Schmerz erster Ebene frei, der dann ständig die dritte Ebene aktiviert. Das heißt nicht, daß nicht auch Schmerz zweiter Ebene die dritte Ebene zu Hyperaktivität anregen kann, wenn ein Mensch im Begriff ist einzuschlafen, nur glaube ich, daß Schmerz zweiter Ebene allein normalerweise nicht ausreicht, um chronische Schlaflosigkeit zu verursachen. Diese Aktivierung der dritten Ebene hält den Geist auf vollen Touren und uns wach. Schlaf heißt die Kontrolle dritter Ebene aufgeben; und doch zwingt die Aktivität der unteren Ebenen die dritte noch stärker in ihren Dienst.

In den ersten Tagen unseres Lebens schleifen sich Schlafmuster ein, die wir dann oft Jahrzehnte beibehalten. Später bewirken die Schmerzen erster Ebene, daß das System ständig auf allgemeine Weise aktiviert wird, hauptsächlich weil die Schmerzen nicht spezifizierbar und nicht verständlich sind, da sie abgelagert wurden, noch ehe eine funktionsfähige dritte Ebene existierte, die sie hätte umreißen und umschreiben können.

Die Wirkung von Koffein (Kaffee) ist paradox, ist aber meiner Meinung nach dennoch der ersten Ebene zuzuordnen. Koffein aktiviert unser System auf allgemeine Weise und erzeugt oft Schlaflosigkeit. Koffein stimuliert sowohl den Kortex als auch die Medulla. Es erscheint unvorstellbar, daß einige Neurotiker nachts noch literweise Kaffee trinken können und dann getrost schlafen gehen. 

Ihre Schleusensysteme sind so zugesperrt, daß selbst ein starkes Reizmittel wie Koffein einen solchen Menschen nicht genügend reizen kann, um ihn wach zu halten. Dadurch, daß die Primärtherapie die Schleusentätigkeit senkt, erzeugt sie in Patienten drastisch veränderte Reaktionen.

*  Rapid-eye-movement-Schlaf = Schnelle-Augenbewegungen-Schlaf; desynchronisierter oder aktivierter Schlaf, der durch ein EEG hoher Spannung und plötzlich und oft auftretende schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist, auch paradoxer Schlaf genannt. Diese ontogenetisch älteste Schlafform stellt teilweise das physiologische Korrelat von Träumen dar. (A.d.Red.)

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Bei Patienten, die vor der Therapie auch nach Kaffee ohne Schwierigkeiten einschlafen konnten, reicht später schon eine Tasse Kaffee aus, um sie die ganze Nacht wach zu halten. Das neurotische Abwehr­system ist so angelegt, daß es den Menschen daran hindert, sich durch inneren Schmerz übermäßig agitiert zu fühlen; somit ist es kein Wunder, daß eine von außen kommende Stimulierung, wie beispielsweise Kaffee, genau so wenig gefühlt wird. Mit anderen Worten, das Abwehrsystem differenziert nicht zwischen den Quellen der Stimulierung. Es schleust Stimulierung durch Drogen oder durch inneren Schmerz gleichermaßen effizient. Bei dem fortgeschrittenen Primärpatienten, bei dem fließender Zugang von und zu allen Ebenen herrscht, gibt es kein Unterdrücken und kein Umlenken, so daß jede Stimulierung, ob durch Drogen oder durch Schmerz verursacht, sofort und direkt gefühlt wird. 

 

LSD ist ganz besonders gefährlich, weil es offenbar alle Schleusen öffnet und den Kortex überflutet. Ich habe anhand der Behandlung vieler Acid-Freaks die Beobachtung gemacht, daß anhaltender LSD-Konsum das Schleusensystem bleibend verändert und einen permanenten (wenn auch gemäßigten) Zustand der Überflutung erzeugt. Marihuana kann einen schlechten LSD-Trip reaktivieren, indem es die inzwischen geschwächte und weniger funktionsfähige Schleuse wieder öffnet. Marihuana sprengt das Schleusensystem nicht, wie LSD es tut, aber anhaltender Konsum in großen Mengen kann zu den gleichen Ergebnissen führen. 

Ein Beweis dafür, daß LSD die Funktion der dritten Ebene reduziert, ist der Verlust oder die erhebliche Einbuße der Fähigkeit zu abstrahieren, komplexe Ideen oder Sätze zu verstehen, sowie das wachsende Unvermögen, sich an kurz zurückliegende Dinge zu erinnern. Weil die dritte Ebene Schmerz der tieferen Ebenen integriert, ist eine Beeinträchtigung dieser Ebene besonders für jene Menschen schwerwiegend, die ein Maximum an Aktivität dritter Ebene brauchen, um zu verhindern, daß sie von Traumata zweiter und erster Ebene überwältigt werden. Marihuana beeinträchtigt die dritte Ebene nicht so gravierend (es sei denn, es wird über lange Zeit eingenommen). 

 

Essen, Sex und Musik werden mit Marihuana sehr viel intensiver erlebt, weil man dann einen sehr viel stärkeren Zugang zum eigenen Körper und dessen Empfindungen hat, ohne die sonst rigide Abschirmung durch die dritte Ebene. Marihuana entspannt, weil den aufwallenden Kräften der Druck genommen wird. Das besagt einiges über den Ursprung von Spannung. Ideologien, Ansichten, Haltungen, Philosophien, religiöse Vorstellungen, elterliche Verbote und kulturelle Bräuche bilden eine luftdicht versperrte Luke gegen Gefühle, und das Ergebnis dieses Zusammenpralls von internalisierten Vorstellungssystemen der dritten Ebene und natürlichen Impulsen und Gefühlen ist Spannung. 

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All das bringt eine Reihe therapeutischer Implikationen mit sich; denn wenn bei einem Patienten zu viel Schmerz erster Ebene hochkommt, dann ist es möglich, ihn eine Zeitlang mit einer Droge erster Ebene zu blockieren; dadurch gewinnt der Patient etwas Ruhe und Schlaf. Das wäre bei Patienten angebracht, bei denen die Schleusen der untersten Ebenen extrem funktionsuntüchtig wären.

Desgleichen können Drogen zweiter Ebene wie z.B. Valium benutzt werden, um überquellenden Schmerz zweiter Ebene in Grenzen zu halten, damit der Patient sich auf ein spezifisches Gefühl oder eine spezifische Szene konzentrieren kann, ohne sich durch eine Flut aufsteigender Schmerzen zweiter Ebene zu zersplittern. Auch das wiederum wäre nur bei solchen Patienten ratsam, deren Schleusenfunktion äußerst schwach ist. Diese Drogen müssen allerdings sehr gezielt eingesetzt werden, denn wenn es beispielsweise darum geht, Schmerz zweiter Ebene in Grenzen zu halten, dann wäre Kodein (wenn überhaupt) lange nicht so wirksam wie Valium. Kurz gesagt, es gibt für die Schmerzen auf jeder Bewußtseinsebene spezifische Drogen, je nachdem ob das den Schmerz vermittelnde System viszeral, die Körperwand betreffend oder kognitiv ist. Wir hoffen darüber in der Zukunft weiteres herauszufinden.

Diese Ansichten über Drogen und Bewußtseinsebenen sind mehr als rein akademisch. Aufgrund unserer Beobachtungen und Erkenntnisse können wir heute unterscheiden, welche Symptome mit welcher Bewußt­seinsebene verbunden sind, und infolgedessen sagen, welche Drogen im jeweiligen Falle angemessen wären. Nehmen wir zum Beispiel Kopfschmerzen. Kopfschmerzen lassen sich mindestens in zwei grobe Kategorien unterteilen — in Spannungskopfschmerzen und Migräne (zweite und erste Ebene). Für beide Arten gibt es jeweils besondere Arten von Drogen.

 

Migräne ist im wesentlichen eine Angelegenheit, bei der es darum geht, was mit bestimmten Blutgefäßen unter dem Einfluß von Schmerz geschieht. Um Migräne zu verstehen, müssen wir sie uns als das Ergebnis veränderten Blutdrucks vorstellen. Der Blutdruck unterliegt zum großen Teil der Kontrolle des Hypothalamus — einer Struktur, die viele unserer Funktionen erster Ebene vermittelt. Meiner Meinung nach geschieht dabei folgendes: Ein Trauma erster Ebene, nehmen wir an ein Geburtstrauma, läßt außerhalb des Körpers wenig Reaktionsalternativen zu. Wenn der Fetus nicht atmen oder nicht aus dem Geburtskanal herauskommen kann, baut sich im Kopf ein enormer Druck auf. 

Das System mobilisiert blitzschnell all seine Reserven, um den Schmerz abzuwehren. Das Blutsystem kontrahiert sich; und diese Tätigkeit kann eine prototypische Reaktion auf späteren Streß festlegen. So kann später ein starker Streß das Trauma erster Ebene reaktivieren, und das Ergebnis ist eine Vasokonstriktion [Gefäßverengung]. Aber eine Vasokonstriktion allein erzeugt noch keine Migräne. Das Blutsystem kann sich nur für begrenzte Zeit kontrahieren, dann ist es überfordert. Der konstringierende Prozeß versagt, und es setzt eine gewaltige Va-sodilatation [Erweiterung der Blutgefäße] ein. 

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Das durch die Gefäße kreisende Blut dehnt deren Wände und übt Druck auf die Nervenenden innerhalb der Gefäße aus, und dadurch kommt der Migräneschmerz zustande. (Ich habe alle komplizierteren Mechanismen, die bei Migräne mitspielen, fortgelassen, um den Hauptpunkt zu veranschaulichen. Unerwähnt blieb unter anderem die Fähigkeit des Blutsystems, seine Abfallprodukte unter anhaltender Vasokonstriktion abzustoßen.)

Wenn die Migräne einsetzt, sind Medikamente erforderlich, um die versagenden Reserven des Blutsystems zu unterstützen. Wir sollten dabei berücksichtigen, daß ein prototypisches Organ wie das Blutsystem eine Anfälligkeit, eine gewisse Schwäche entwickelt, wenn es Jahr für Jahr immer wieder dazu herangezogen wird, Schmerz aufzufangen.

Spannungskopfschmerzen sind eine ganz andere Sache; ich ordne sie der zweiten Ebene zu. Sie betreffen die Körperwand. Spannungskopfschmerzen sind normalerweise die Folge von Spannung in Kopf, Nacken und Schultern. Hier hilft ein Mittel wie Valium, weil es die Spannung lockert. Spannungs­kopfschmerzen fühlen sich oft an wie ein Reifen um den Kopf oder wie eine Straffung im Nacken. Die Spannung in der Körperwand wird durch mehrere Gehirnstrukturen vermittelt, nicht zuletzt vom Limbischen System, das ebenfalls Schmerz zweiter Ebene vermittelt. Spannungskopfschmerzen unterscheiden sich von Migräne erheblich; sie beeinträchtigen andere Bewußtseinsebenen und erfordern Drogen, die auf diesen Ebenen wirksam sind. Menschen, die unter Migräne leiden, haben oft maßlose Schmerzen, eben weil Schmerz erster Ebene so vernichtend ist. Migräne ist daher das Fühlen dieses Schmerzes erster Ebene, nur in umgelenkter, unverknüpfter Form.

 

Es ist nicht meine Absicht, hier die Biochemie von Drogen oder deren spezifische Wirkungsbereiche ausführlich zu untersuchen. Ich möchte lediglich einen neuen Bezugsrahmen für die Erforschung von Drogen vorschlagen und versuchen, bisherige Methoden dahingehend umzuorientieren, daß die Beziehung der Drogen zu den jeweiligen Bewußtseinsebenen mit einbezogen und berücksichtigt wird. Diese Neuorientierung würde unter anderem auch ein anderes Verständnis der jeweiligen Dosierung zur Folge haben; denn es ist nicht einfach damit getan, daß man sagt, eine bestimmte Droge — beispielsweise Koffein — hat diese oder jene Wirkung. Man muß vielmehr die genaue Dosierung der verabreichten Droge berücksichtigen. 

Koffein in kleinen Mengen genossen kann die dritte Ebene so aktivieren, daß sie vermehrt arbeitet, so daß sie beim Prozeß der Integration hilft und die Verdrängung von Schmerz der unteren Ebenen unterstützt. Koffein in erheblich größeren Dosen genossen kann auf die dritte Ebene desintegrierend wirken und Schmerz tieferer Ebenen nach oben katapultieren, so daß die dritte Ebene überfordert wird und sich zersplittert — ein Beispiel dafür sind die Amphetamin-(Speed-)Psychosen.

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Eine kleine Menge Marihuana kann ein gutes Gefühl vermitteln; der Druck der dritten Ebene wird gerade so weit beseitigt, daß der Betreffende etwas Durchlaß hat. (Es ist kein Zufall, daß Marihuana bei Glaukomie [erhöhter Augeninnendruck] Wirkung erzielt.*) Dadurch, daß Marihuana den Deckel der dritten Ebene ein wenig lüftet, erlangt der Betreffende etwas Erleichterung von innerem Druck. Aber ein Zuviel an Marihuana beraubt den Patienten hinreichender- Aktivität dritter Ebene, so daß tieferer Schmerz hochkommt und das Ergebnis Angst und ein Horrortrip ist.

 

Der klinische Nutzen, der sich aus diesem Schema ziehen ließe, ist beträchtlich. Beispielsweise bei einem Menschen mit sehr verkrampfter, verspannter Muskulatur, der seinen Körper zur Abwehr benutzt, könnten Muskelrelaxanzien dieses Abwehrverhalten abschwächen, während der Kopf gleichzeitig »intakt« bleibt. Dadurch wird es einem Menschen oft möglich zu fühlen. Bei einem Menschen, der nicht zu Primals fähig ist, kann eine »paradoxe Reaktion« vorliegen, insofern als eine geschwächte Abwehr des Körpers Schmerzfreisetzung ermöglichen kann, und das wiederum veranlaßt den Kopf, auf vollen Touren zu laufen, und erzeugt ein Gefühl geistiger Agitation, obwohl es dem Muskelsystem sehr schwerfällt, sich anzuspannen. Drogen zweiter Ebene wie Valium (ein Muskelrelaxans) sind bei psychotischen Grenzfällen äußerst gefährlich, denn diese Menschen bedürfen der größtmöglichen Abwehr — einschließlich der Körperabwehr. Valium wirkt auf das Limbische System und auf das Rückenmark. Auch Alkohol ist für den »Fastpsychotiker« extrem gefährlich, weil er die Funktion der dritten Ebene für Kohäsion und Kontrolle schwächt. 

Durch zuviel Alkohol wird ein solcher Mensch entweder paranoid gewalttätig oder einfach absonderlich in seinem Verhalten und seinen Vorstellungen. Man kann beobachten, wie sich ein Mensch unter Alkoholeinfluß zersplittert und »auflockert«. LSD ist für den Fastpsychotiker die von allen weitaus gefährlichste Droge; es treibt Schmerz weit über die Grenzen des Systems hinaus, innerhalb derer er noch integriert werden kann. Wenn man also bei dem Prä-Psychotiker und Psychotiker eine Droge einsetzen wollte, müßte es ein Tranquilizer sein, ein Mittel, das Schmerz unterer Ebenen unterdrückt und nicht freisetzt. Ein Tranquilizer ermöglicht es der dritten Ebene, ihre Kohäsion zu stärken, indem er Schmerzfreisetzung der ersten und zweiten Ebene unterdrückt. Auf diese Weise vermag die dritte Ebene sich auf ein einziges Gefühl zu konzentrieren und es so zu integrieren. 

* Unsere bisherigen tonographischen Untersuchungen deuten darauf hin, daß Postprimärpatienten (besonders wenn sie älter als 35 Jahre sind) im Vergleich zur Allgemeinheit einen signifikant geringeren Augeninnendruck haben. Das hat fraglos Implikationen für die Behandlung von Glaukomie.

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Weil beim Prä-Psychotiker eine stärkere dritte Ebene erreicht werden soll, müssen alle sonst üblichen therapeutischen Techniken, die dazu dienen, Abwehrverhalten zu durchbrechen, im umgekehrten Sinne angewandt werden. Wir isolieren den Prä-Psychotiker nicht, desgleichen lassen wir seine Abwehrmechanismen unangetastet. Er wird nicht »aufgebrochen«, und ihm wird eine relativ starke Abhängigkeit von seinem Therapeuten zugestanden. Wir ermutigen ihn im Gegensatz zu unseren sonstigen Praktiken in der Anfangsphase zu sozialen Kontakten. Das Ziel ist jedoch nach wie vor das gleiche - nämlich zum Schmerz zu gelangen. Bei einem hochgradig kranken Patienten stärken wir die Abwehrmechanismen der dritten Ebene nicht etwa als ein Ziel in sich selbst, sondern als Mittel, um den Schmerz zu integrieren.

Einigen Menschen mit total kontrollierter dritter Ebene kann mit allgemein aktivierenden Drogen geholfen werden — zum Beispiel mit Amphetamin oder Ritalin. Die Aktivierung treibt den Schmerz durch das Schleusensystem nach oben, dadurch wird in einigen Fällen Feeling erzeugt. Zuviel Speed hat die paradoxe Reaktion zur Folge; es aktiviert aufgrund der Überlastung das gesamte Schleusensystem und bewirkt eine massive Blockierung. Früher hat man (und auch heute noch wird das praktiziert) erhebliche Amphetamin­dosen verabreicht, um epileptische Anfälle zu unterdrücken und um hyperaktive Kinder zu beruhigen. 

Meiner Meinung nach ist das eine äußerst gefährliche Verfahrensweise, denn es macht diese Menschen zu Robotern, es blockiert sie völlig ab, und später gilt es dann, den Preis für diese schwerwiegende artifizielle Schleusenaktion zu zahlen. Dabei wird nichts anderes geschleust als die Agitation der unteren Ebenen. Die Schleusung beseitigt den Schmerz nicht, sie unterdrückt ihn nur, bis die Droge ihre Wirkung verliert, und dann setzt der Rückstoßeffekt (des Schmerzes) ein. Interessant ist, daß eine Amphetamindosis, die ein Kind beruhigt, bei einem Erwachsenen zu hochgradiger Erregung führen kann. Ich bin der Auffassung, daß das Kind leichter überlastet und blockiert wird; bei einem Erwachsenen bedarf es einer wesentlich stärkeren Dosis, um diesen Zustand zu erreichen.

Ich möchte noch einmal mit Nachdruck betonen, daß in der Primärtherapie normalerweise keine Drogen verwendet werden, sie ist vielmehr ein völlig natürlicher Prozeß. Ich habe aber viele Briefe von Außenstehenden erhalten, die mit Drogen Erfahrungen gemacht haben, außerdem stütze ich mich auf Berichte von Patienten, die vor ihrer Primärtherapie Drogen genommen haben. 

Es besteht kein Zweifel, daß die Auswirkungen der Drogen zum großen Teil von der jeweiligen Bewußtseinsebene abhängen, auf der ein Mensch operiert. Wenn man einen Hysteriker (zweite Ebene), der ständig jammert und weint, mit Amphetaminen aktiviert, riskiert man eine Psychose. Wenn man einen Depressiven unterdrückt, riskiert man Selbstmord. Wenn man Schmerz unterer Ebenen durch starke Dosen LSD freisetzt, riskiert man entweder Psychose oder Selbstmord.

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Das wirklich Erstaunliche an Drogen wie Alkohol ist, daß Menschen jahrelang trinken können, ohne je zu realisieren, daß sie unter Schmerz stehen. Sie täuschen sich insofern, als sie denken, sie hätten ein Bedürfnis nach Alkohol, obwohl ihr Bedürfnis darauf ausgerichtet ist, Schmerz abzutöten. Sobald Schmerz aufzusteigen droht, wird in der Tat sofort zum Glas gegriffen, um ihn zu unterdrücken; und das ist in den seltensten Fällen ein bewußter Prozeß. Ein Mensch, der »viel Alkohol verträgt«, ist jemand, dessen dritte Ebene so stark abgewehrt ist, daß selbst Ströme von Alkohol diese Kontrolle nicht durchbrechen können. Die allgemeine Aufmerksamkeit hinsichtlich der Wirkung von Drogen und Rauschmitteln scheint der dritten Ebene zu gelten — sie werden als das genommen, was zu sein sie den Anschein haben, und nicht als etwas, was in Beziehung zu Begebenheiten auf den unteren Bewußtseinsebenen steht.

Ich habe eine Faustregel, der zufolge ich die Wirkung von Drogen im Hinblick darauf bewerte, wie sie unseren Schmerz beeinflussen. Wir wissen, daß normalerweise alle noxischen und schmerzhaften Reize in allen Lebensformen eine Kontraktion oder Konstriktion fort von diesem Reiz auslösen. Alles was bedürfnisbefriedigend (und damit lustvoll und nicht-noxisch) ist, neigt dazu, unser System zu öffnen und Entspannung, Expansion und allgemeine Dilatation zu erzeugen. Das wurde eindeutig bei Versuchen über Pupillenreaktionen nachgewiesen, bei denen bereits Bilder mit abstoßenden Szenen eine Verengung der Pupillen erzeugten. Ich glaube, daß viele Herzkrankheiten durch chronische vaskuläre Konstriktion aufgrund von Schmerz ausgelöst werden. Unser inneres System kann vor noxischen internen Reizen nicht zurückschrecken, wie es das vor widrigen externen Reizen kann. Statt dessen muß das System seine sämtlichen Reserven einsetzen, um sich gegen diesen internen Reiz zu verschließen. Es aktiviert alle Subsysteme (Blut-, Muskel-, Atmungssystem etc.), um den Schmerz abzublocken und um ihn daran zu hindern, den Organismus zu überwältigen. Das Gehirn schließt seine Schleusen und die Gefäße verengen oder schließen ihre Öffnungen. 

Wenn eine Droge die Tendenz hat, den Schmerz zu aktivieren, wird das System das sofort durch Konstriktionen kompensieren. Das ist ein wahres Wunder des menschlichen Körpers. Koffein zum Beispiel stimuliert den Schmerz und kann bewirken, daß er aufsteigt. (Eine hinreichende Stimulierung — beispielsweise große Dosen Amphetamin — können bisweilen sogar eine Psychose hervorrufen). Das System verschließt sich, um den aufsteigenden Schmerz abzuwehren. Bei Koffein konstringieren sämtliche Blutsysteme in Kopf und Gehirn; Koffein gilt deshalb als zerebraler Vasokonstriktor. Koffein wird in der Tat bei übermäßiger Gefäßerweiterung gelegentlich gegen vaskuläre Kopfschmerzen verschrieben. Ich glaube, jede Droge kann im Hinblick darauf verstanden werden, wie sie Urschmerz beeinflußt. Der Körper mit all seinen Subsystemen ist ein unglaublicher Monitor gegenüber jeglicher Bedrohung und ist ungemein erfinderisch, wenn es Wege zu finden gilt, um Fremd­einflüsse zu kompensieren.

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Dr. Wilbert Aronow hat kürzlich eine Untersuchung über herzschwache Männer angestellt. Er stellte fest, daß ein wenig Marihuana (zehn Züge) die Menge körperlicher Übungen, die diese Männer absolvieren konnten, ehe sie schwere Brustschmerzen fühlten, drastisch reduzierte. Ich glaube, daß es für die Studie der University of California eine Erklärung gibt, nämlich insofern als daß Marihuana dahin tendiert, die Schleusen zu öffnen und Urschmerz freizusetzen, der dann seinerseits den Körper veranlaßt, den Schmerz abzublocken, und das führt zu einer Konstriktion der Herzarterien und zu Angina. Wir sollten uns erinnern, daß Schmerzverdrängung nicht einfach eine Funktion des Gehirns ist. Bei Verdrängung ist sowohl das Gehirn als auch der gesamte Körper beteiligt.

Die perfekte Droge ist jene, die Schmerz auf allen drei Ebenen wirksam beseitigt; diese Droge ist meiner Ansicht nach Heroin. Der Heroinrausch ist der Zustand, in dem aller Schmerz vergraben ist und in dem sich der Mensch entspannt fühlt wie nie zuvor. Die Droge löscht alles Bewußtsein allerdings so wirksam aus, daß man sehr bald schon völlig »ausgepumpt« ist; man ist entweder benommen oder schläft ein. Die Droge hat ihre Arbeit getan; sie hat Schmerz reduziert, indem sie Bewußtsein reduziert hat.

Meiner Meinung nach muß jede Suchtdroge ein guter Blockierer der ersten Ebene sein. Eine Droge, die das nicht ist, macht auch nicht süchtig. Deshalb machen Marihuana und LSD auch nicht süchtig; Tranquilizer ebensowenig. Drogenabhängige haben es mehr oder weniger alle mit aufsteigendem Schmerz erster Ebene zu tun, sie verfügen über keinen anderen wirksamen Weg, um damit fertig zu werden. Sie sind nicht der Droge wegen süchtig, sondern der Schmerzen wegen. Die Folgeerscheinungen bei Drogenentzug sind sehr viel weniger auf irgendwelche physiologischen Prozesse zurückzuführen, sondern weitaus eher auf den Ansturm der Schmerzen, die zuvor zurückgestoßen und zu einer im Hinterhalt lauernden Kraft komprimiert wurden. Bei Drogenentzug drängt der Schmerz mit ungeheurer Kraft an die Oberfläche, und dann bedarf es einer sogar noch stärkeren Dosis, um ihn zurückzudrängen. 

Der letzte Aspekt, auf den ich eingehen möchte, ist der, daß man mit Drogen nicht lediglich seine Schmerzen unterdrückt, sondern gleichermaßen die Geschichte der eigenen Vergangenheit. Da unterdrückende Drogen den Zugang zu unserer Vergangenheit verhindern, helfen sie uns, äußerst symbolisch zu bleiben. Der unter Tranquilizern stehende Neurotiker mag sich normal verhalten, weil seine Vergangenheit gezähmt ist, doch er ist dennoch völlig abgetrennt von der Quelle seiner gegenwärtigen symbolischen Auffassungen. Er wird zu einer Art ahistorischem Automaten.

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   Diagnostische Implikationen  

 

Meiner Meinung nach sollte ein richtiges Verständnis der Bewußtseinsebenen gegenwärtige diagnostische und therapeutische Verfahren umorientieren. Wenn meine Vermutung zutrifft, können wir uns von der psychiatrischen Nomenklatur, die uns Jahrzehnte begleitet hat und die alles andere als präzise war, trennen. Dieser Mangel an Präzision hat meiner Meinung nach etwas damit zu tun, daß sie nicht von vornherein und selbstverständlich die zerebralen Mechanismen voll mit einbezogen hat. Das heißt, diese Nomenklatur hat sich zu einem eigenständigen Faktor entwickelt, der zerebrale Prozesse kaum in Betracht zog.

Meine Forderung läuft darauf hinaus, daß jedes diagnostische Verfahren gleichzeitig Aussagen über psychologische und neurologische Prozesse machen sollte. (Eine psychiatrische Diagnostik, die nicht mit neurologischen Fakten übereinstimmt, ist nicht adäquat.) Das würde auch die Erkenntnisse einbeziehen, die wir anhand der Primals unserer Patienten gewonnen haben, und auch das, was sie ihrerseits über ihre jeweiligen Bewußtseinsebenen berichten, abgesehen davon selbstverständlich auch alle sonstigen gegenwärtigen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Neurophysiologie. 

Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß das Problem ebenso in der anderen Richtung vorhanden ist, daß nämlich die neurologische Forschung bislang kein Bezugssystem hatte, das psychologische Dimensionen mit einbezog. Das führt zu eindimensionalen Theorien und zu einer Anhäufung von Fakten, die nicht auf eine theoretische Matrix bezogen werden. Melzack hat eine Schmerztheorie entwickelt, nicht aber eine Theorie über Menschen, die unter Schmerz stehen. Er bezieht seine Theorie nicht auf ein entsprechendes psychotherapeutisches Verfahren; lediglich am Schluß stellt er die Forderung auf, es sollten »Schmerzkliniken« gegründet werden. Ich bin der Auffassung, daß das Primärinstitut eine Schmerzklinik ist. Melzacks Methode stellt auch keine Beziehung zu den Bewußtseinsebenen per se her; er will Schmerz kontrollieren. Er sieht nicht die Bedeutung oder die Notwendigkeit, ihn durch das Wiedererleben aufzulösen. Es ist ein ungemein wichtiger Schritt, zu verstehen, daß Schmerz als ungelöste Erinnerung weiterbesteht und wiedererlebt werden muß.* 

Obwohl Melzack auf Phantomschmerzen eingeht und bemerkt, daß der Schmerz jahrelang als ein zentraler Erinnerungsprozeß bestehenbleiben kann, bezieht er dieses Phänomen doch nicht auf seelischen Schmerz (Urschmerz). Das Problem der Schmerzforschung wie das aller anderen medizinischen Forschungsgebiete ist, daß es dabei um Menschen geht, nicht um Neuronen; und Menschen müssen holistisch erforscht werden. Nach diesen Vorbemerkungen möchte ich nun auf eine neue diagnostische Verfahrensweise eingehen, die auf dem Konzept der Bewußtseinsebenen fußt.

* »Wiedererleben« bedeutet, den Schmerz auf allen drei Ebenen zu erleben, anstatt ihn wie zuvor auf einer Ebene zu halten.

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Ich gehe von der These aus, daß es Menschen erster, zweiter und dritter Ebene gibt, Menschen, deren dominierender modus operandi jeweils auf der einen oder der anderen Bewußtseinsebene liegt. Auf diesen einzelnen Ebenen bestehen jeweils wiederum Unterschiede, entsprechend den unterschiedlichen Erlebnissen der einzelnen Menschen und selbstverständlich auch entsprechend ihrem Körpersystem. So wird zum Beispiel das Konzept des »Borderline-Psychotikers« sehr viel verständlicher, wenn wir davon ausgehen, daß ein solcher Mensch unmittelbar an der Grenze zu Schmerzen der ersten Ebene steht. Je nach der persönlichen Lebensgeschichte kann er an der Grenze zu Katatonie stehen (d. h. unfähig sein, sich zu bewegen, zu sprechen und zu fühlen) oder in ein totales Halluzinationsmuster verfallen, wenn ein Trauma erster Ebene heraufkatapultiert wird. Es gibt viele Traumata erster Ebene, und sie sind deshalb so teuflisch, weil es keinen Weg gibt, sie bewußt als spezifische Szenen zu erinnern. 

So kann zum Beispiel ein »liebender« Vater sein Baby ständig so sehr betätscheln und schaukeln, daß er eine Überlastung auslöst. Er macht das vielleicht jedesmal, wenn er den Säugling aufnimmt, und das Baby hat auch nicht die geringste Möglichkeit, irgend etwas dagegen zu unternehmen. Dieses Trauma kann wesentlich später halluziniert werden als eine Hand, die im Begriff ist, ihn niederzuschmettern, oder als ein allgemeines Empfinden von Vibration etc. 

Das Symbol der gegenwärtigen Halluzinationen ist eine direkte Widerspiegelung eines frühen Traumas erster Ebene, das kein spezifisches »Setting«, keinen erinnerten Zeitpunkt hat. Es ist eine sensorische Erinnerung, die sich — wenn reaktiviert — in sensorischer Form als Halluzination Ausdruck verschafft. Wahnideen sind an das Vorstellungsvermögen gebunden, sie sind demzufolge nicht rein sensorisch und beinhalten neben Schmerz erster Ebene auch späteren Schmerz. Schmerz erster Ebene ist normalerweise das Ergebnis lebensbedrohender Situationen. Er prägt sich ein, noch ehe wir zu begrifflichen Vorstellungen fähig sind, und ist für gewöhnlich in seinen Auswirkungen auf die dritte Ebene katastrophal. Er ist unter anderem deshalb so katastrophal, weil die Möglichkeiten, ihn zu diesem Zeitpunkt zu vermeiden, so extrem gering sind; ein Säugling kann schreien, schlafen oder sich winden, aber das ist bereits so gut wie alles. Die Überlastung äußert sich im Körper normalerweise in Form von Symptomen, zum Beispiel als Koliken.

Der klassische Freudsche Hysteriker, der nichts als Emotion ohne Brennpunkt ist, kann als Mensch zweiter Ebene verstanden werden. Auch auf dieser Ebene gibt es Variationen; zum Beispiel kann ein Mensch ständig in Wutanfälle geraten (unkontrolliertes Agieren von Wut gegen die Mutter oder gegen den Vater), während ein anderer vielleicht ständig über irgendwelche Trivialitäten weint. Diese Menschen finden »Entschuldigungen«, um auf der dritten Ebene Eruptionen der zweiten Ebene zu rationalisieren.

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Charakteristisch für Menschen der zweiten Ebene ist der impulsive Neurotiker; derjenige, der unkontrolliert agiert. Beispiele dafür sind der Alkoholiker, der Sittenverbrecher, die Nymphomanin. Diese Menschen agieren mit ihren Körpern und haben nur geringe psychische Abwehrmechanismen (dritte Ebene), die ihnen helfen können. Diese Probleme der Impulsivität haben fraglos viele Komponenten der zweiten Ebene; trotzdem bin ich der Auffassung, daß schwerwiegendes Agieren durch starken Schmerz verursacht wird, der bereits existierte, noch ehe der psychische Apparat vorhanden war, der ihn hätte absorbieren und kontrollieren können. Somatische Beschwerden — wie zum Beispiel Kopfschmerzen — wären Leiden erster Ebene; das gilt insbesondere für alle jene Beschwerden, die um die Mittellinie des Körpers angesiedelt sind (Kolitis, Asthma, Magengeschwüre etc.). In diesen Fällen absorbiert der Körper den Schmerz. Statt körperlich zu agieren, wird körperlich »nach innen« agiert. Ausschlaggebend ist jedoch, daß überwiegend das viszerale System betroffen ist, und das heißt, daß die erste Ebene am Werk ist.

 

Ich möchte mit Nachdruck darauf hinweisen, daß alle Bewußtseinsebenen gegenwärtiges Verhalten beeinflussen. Gleichwohl scheint es einen für uns jeweils charakteristischen dominierenden Modus zu geben. Hochintellektualisierte Individuen sind für mich Menschen dritter Ebene. Sie haben unter Umständen weniger Kontrolle über ihren Körper, eine geringere Koordination der Bewegungsabläufe, weniger sexuellen Drang (oder stark symbolisierte sexuelle Aktivitäten) und können nur zu Vorstellungen oder Zahlen Beziehungen herstellen und sind weniger fähig, emotionale Beziehungen zu anderen Menschen zu unterhalten. Viele Ingenieure, Buchhalter, Programmierer und Neurologen (um nur einige zu nennen) sind typische Menschen der dritten Ebene, die zu uns kommen. Und bereits ihre Berufswahl sagt uns etwas darüber, auf welcher Ebene sie sich vermutlich bewegen. 

 

Es gibt im Primärinstitut eine Redewendung: »Wenn man einen Menschen dritter Ebene ankratzt, stößt man auf einen Menschen erster Ebene.« Das heißt, daß bei ihnen normalerweise so viel Schaden auf der ersten Ebene vorliegt, daß die zweite Ebene nicht angemessen entwickelt ist, und das sind dann für gewöhnlich Patienten, die sich an ihre Kindheit und an die Schmerzen ihrer Jugend nicht erinnern können. Sie geraten statt dessen in der Therapie von der dritten Ebene unmittelbar in körperliche Aktivität — sie winden und krümmen sich und haben keine Worte für das, was sie da durchmachen. In jedem Falle liegt der Schlüssel für die Einschätzung eines Patienten im Hinblick auf sein dominierendes Bewußtseinssystem in dem Wort »Zugang«. Wenn ein Mensch wirklich Zugang zu seinen Emotionen hat, ist er in der Regel ein Mensch zweiter Ebene. 

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Wenn er von seiner ersten Ebene nur um Haaresbreite entfernt ist und sie ständig Druck ausübt, handelt es sich um einen Menschen der ersten Ebene. Selbstverständlich kommen diese Kategorien höchst selten in Reinform vor, in der Regel liegen Überschneidungen vor. Nur läßt sich das Problem so besser erläutern und veranschaulichen.

Schauspieler sind häufig Menschen der zweiten Ebene. Ihr Beruf (wenn sie gute Schauspieler sind) erfordert Zugang zu ihren Gefühlen; und das läßt Schlußfolgerungen darüber zu, wie sie sich in der Primärtherapie verhalten würden. Darüber hinaus können wir uns für gewöhnlich auch eine Vorstellung davon machen, auf welcher Bewußtseinsebene sie ihre Therapie beginnen werden, sofern ihnen an einer Therapie gelegen ist. In der Regel sind es Menschen der dritten Ebene, die an einer Therapie nicht interessiert sind. Die Abwehrmechanismen eines solchen Menschen sind sehr intakt und schützen ihn vor Schmerz der unteren Ebenen. 

Sollte es dennoch zu einem kleinen Durchbruch kommen, wird ein Mensch der dritten Ebene aller Wahrscheinlichkeit nach eine Therapie wählen, die sein vorübergehend angeschlagenes Abwehrsystem wieder aufbaut und nicht noch weiter schwächt. Er wird sich mithin eher für eine Psychoanalyse entscheiden, damit er seine Probleme besser verstehen und Wege finden lernt, mit ihnen fertig zu werden. Oder er wird sich für eine Konditionierungstherapie (Verhaltenstherapie) entscheiden, um nicht nur aufsteigende Gefühle, sondern auch deren Symbole unterdrücken zu können. Ein Mensch zweiter Ebene fühlt seinen Leidensdruck für gewöhnlich und will Erleichterung. 

Es gibt Menschen der ersten Ebene, die sich in gewissem Sinne in einer ähnlichen Position befinden wie Menschen der dritten Ebene. Sie agieren so lange ohne zu leiden, bis sie erwischt und bestraft werden (ein Beispiel dafür ist der Exhibitionist). Sie können ebenso unbewußt sein wie der Intellektuelle, der seinen Kopf zur Abwehr benutzt. Es kommt vor, daß bei einem Menschen Elemente der ersten und der dritten Ebene vorhanden sind. Was fehlt, ist die so überaus wichtige zweite Ebene, die das verknüpfende emotionale Verbindungsglied darstellt, das es dem Menschen ermöglicht, eine sinnvolle Beziehung zu anderen Menschen herzustellen, nicht nur eine von Körper zu Körper oder von Geist zu Geist. Eine intensive »geistige Beziehung« ist noch keine wirklich gute Beziehung, eine scheinbar gut funktionierende sexuelle Beziehung ebensowenig. Eine volle, reife Beziehung umspannt alle Komponenten des Bewußtseins.

 

Es gibt einige Menschen, die sich für Pseudotherapien entscheiden, zum Beispiel für umfassende heuristische Bewegungen oder östliche Philosophien. Sie nehmen Zuflucht zu einem Netz von Vorstellungen und Haltungen, um ihren Schmerz zu verdecken. Paradox daran ist, daß Schmerz ihre zentrale Realität ist, ob sie das wissen oder nicht; und die Schmerzabwehr ist das, was sie von der Wahrheit des Lebens trennt. 

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Der Versuch, sich die Erfahrungen und Vorstellungen anderer Menschen zu eigen zu machen, bedeutet stärker und nicht weniger unter Schmerz zu stehen, weil man nicht länger man selbst ist. Man versucht, der Vorstellung wieder eines anderen Menschen (eines Gurus) zu entsprechen und versucht, sein Leben im Hinblick auf die Erfahrungen eines anderen zu leben.

Das Paradoxe an der Primärtherapie ist, daß gerade diejenigen, die gemeinhin als hochgradig gestörte Patienten gelten und bereits diverse andere Therapien erfolglos hinter sich gebracht haben, bei uns besonders gute Fortschritte machen. Die Erklärung dafür ist einfach; andere Therapien versuchen im großen und ganzen Verhalten zu kontrollieren, »Hysterie« zu unterdrücken und die Äußerung frei flottierender Angst zu blockieren. Diejenigen, die ihren Schmerz am wenigsten abwehren, sind offenbar am schwierigsten zu kontrollieren. Sie gelten daher bei anderen Therapien als die problematischsten Fälle. In der Primärtherapie, in der es um Zugang zu den unteren Ebenen geht, erweist sich das gerade als Vorteil.

Wenn ein Borderline-Psychotiker oder ein Mensch mit frei flottierender Angst hospitalisiert wird (und das werden sie, gerade weil sie ihre Emotionen nicht kontrollieren können), erhalten sie Drogen, die ihnen helfen, eben jene Gefühle abzuwehren, die sie wieder gesund machen könnten. Die Drogen, die sie erhalten, unterstützen den Schleusenprozeß. Ein Mensch mit Halluzinationen hört dann vielleicht auf zu halluzinieren. Das erklärt sich meiner Ansicht nach dadurch, daß Halluzinationen das Anzeichen eines Durchbrechens von inzwischen symbolisierten sensorischen Traumata erster Ebene sind, und die Drogen unterdrücken diesen Schmerz. Ein halluzinierender Mensch befindet sich offenbar in einem Zustand, in dem Material der ersten Ebene reaktiviert wird, ohne von Rationalisierungen und Interpretationen höherer Ebene Unterstützung zu finden. Es ist ein sozusagen mehr oder weniger »reiner« Zustand.

Eine erst spät sich manifestierende Paranoia ist das Ergebnis eines Verbunds — Eins plus Zwei plus Drei. Das heißt, ein Mensch hält sich so lange zusammen, bis irgendein Streß dritter Ebene oder eine anhaltende Pein schließlich die Bindekraft der dritten Ebene zerstört und zu Paranoia führt. In einer später ruhigen Umwelt würde ein solcher Mensch vielleicht keine Paranoia entwickeln. Wir können mithin sagen, daß eine Disposition für eine Psychose vorliegt, wenn Eins plus Zwei eine hohe Gewichtung haben. Wenn die Gewichtung von Eins groß genug ist (wenn sich viele Traumata auf der ersten Ebene verbündet haben - problematische Geburt, Waisenhaus etc.), kann das bereits für eine Disposition zu einer Psychose in frühem Alter ausreichen. Das heißt allerdings nicht, daß man von einem »latenten psychotischen Prozeß« sprechen kann, wie es sehr oft in der psychiatrischen Fachliteratur geschieht. 

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Es besagt vielmehr, daß genügend späterer Streß die integrierenden Mechanismen der dritten Ebene schwächt und Zugang zu Schmerz unterer Ebenen ermöglicht, was dann zu absonderlicher psychotischer Symbolisierung führt. Nicht die Psychose ist latent, sondern der Schmerz. Er führt erst dann zur Psychose, wenn er nicht integriert werden kann. So gibt es zum Beispiel keine verrückten Vorstellungen, die auf der ersten Ebene herumschwirren und nur auf die Gelegenheit warten, an die Oberfläche kommen zu können. Verrückte Vorstellungen entstehen, wenn zu viel Schmerz zu schnell an die Oberfläche gelangt.

 

Ich möchte betonen, daß eine primärtherapeutische Diagnose, beispielsweise der zweiten Ebene, eine Aussage über beides, Gehirn und Verhalten, macht und nicht nur über das eine oder das andere. Diese Diagnose kann helfen, die Art der erforderlichen Therapie zu bestimmen, und besagt darüber hinaus, welche neurologischen Prozesse am Werk sind. Des weiteren ermöglicht sie sowohl psychologische als auch neurologische Messungen. Es müßten bestimmte EEG-Muster vorliegen, die bei spezifischen psychischen Veränderungen auftreten, wie wir sie in der Tat bei unseren Untersuchungen nachgewiesen haben. 

Weil eine primärtherapeutische Diagnose bestimmte Aussagen über das Körpersystem macht, sollte die Befreiung von Schmerz in diesem System Veränderungen hervorrufen, Veränderungen, die wir bei unseren Untersuchungen der vitalen Körperfunktionen an unseren Patienten haben feststellen können (Senkung von Blutdruck, Puls und Körpertemperatur). Wenn eine Diagnose keine Aussagen über den ganzen Organismus macht, ist man darauf angewiesen, sich ausschließlich mit Verhalten, Einstellungen und anderen rein zerebralen Aktivitäten zu befassen. Man ist dann auf den Glauben angewiesen, daß Veränderungen in diesen psychologischen Parametern tiefgreifende Veränderungen in der »Persönlichkeit« anzeigen. Man geht ferner davon aus, daß diese psychischen Veränderungen die Wirksamkeit der angewandten psychotherapeutischen Praktiken bestätigen. 

So ist es durchaus möglich, daß ein Mensch, der keinen Alkohol mehr trinkt und sogar sagt, er habe keinerlei Verlangen mehr danach (aus der Sicht jener anderen therapeutischen Methoden ein Zeichen von Gesundheit), sich gleichwohl in Gefahr befindet, weil sein Körpersystem durch einen Anstieg der vitalen Körperfunktionen — wie erhöhter Blutdruck und erhöhte Pulsfrequenz — gefährdet ist. 

So ergibt die psychologische Diagnose und Prognose ein gutes Bild, während der Betreffende in Gefahr ist, einen frühen Tod zu sterben, weil ihm seine Möglichkeiten zur Spannungsabfuhr ohne gleichzeitige Beseitigung des Schmerzes genommen wurden.

In der Primärtherapie gehen wir davon aus, daß ein Mensch, der leichten Zugang zur ersten Ebene hat (nach einer systematischen Reise durch die höheren Ebenen), und der viele Schmerzen auf dieser Ebene gelöst hat, nicht mehr unter impulsivem Agieren oder unter physischen Symptomen wie zum Beispiel Druckkopfschmerzen oder Frigidität leidet.

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Die zweite Ebene erfolgreich zu durchdringen heißt, die emotionale Bandbreite erweitern, nicht länger unter »abgeflachtem Affekt« leiden und fähig sein, zu anderen dauerhafte Beziehungen zu unterhalten.

Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, einige Aspekte der dritten Ebene zu klären. Diese Ebene ist bereits beim Neugeborenen vorhanden, wenn auch nur in rudimentärer Form. Sie wird mit zunehmender Entwicklung des Kindes ausgeprägter, ist aber erst etwa ab dem siebten Lebensjahr voll funktionsfähig. Erst mit sechs Jahren oder später kann das emotionale Leben eines Kindes voll und ganz unterdrückt werden; das führt dann zu einer oft zu beobachtenden affektiven Lähmung. Das heißt nicht, daß ein solcher Mensch nicht auch allmählich — von der Geburt an — mit jedem Trauma zunehmend gelähmt wird, nur bleibt bei den meisten von uns die Schleuse zu den Gefühlen zumindest innerhalb gewisser Grenzen offen, bis wir das Schulalter erreicht haben. Was die Eltern nicht vollends erledigen, schaffen dann die Schulen und Kirchen. Sechs Jahre ist übrigens das Alter, in dem sich das Freudsche Überich entwickelt, eine Instanz, die natürliche Impulse verdrängt. 

 

Fraglos gibt es auch auf der dritten Ebene Traumata: Scheidung, Betrug, Vergewaltigung sind geläufige Beispiele. Ob aber derartige Traumata neurotische Reaktionen auslösen, hängt davon ab, ob der Betroffene fühlen kann, was sich mit ihm abspielt. Wenn er überlastet ist, wenn gegenwärtige Begebenheiten alte, ungelöste Schmerzen unterer Ebenen reaktivieren, dann wird er sich abblocken und neurotisch reagieren.

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Es gibt Kindheitstraumata dritter Ebene. Sie ereigneten sich im »Hier und Jetzt« unserer Jugend; Sitzenbleiben in der Schule ist ein Beispiel dafür. Ob aber derartige Schmerzen im Erwachsenenalter bestehenbleiben (und in unser Traumleben eindringen), hängt davon ab, ob sie sich mit ungelösten Schmerzen zweiter und erster Ebene verbünden. 

Ich bin der Auffassung, daß ein schmerzhaftes Ereignis nicht bleibend ist, wenn es zur Zeit des Auftretens gelöst wird. Gewiß, es wird als Erinnerung verbleiben, nicht aber als Urschmerz. Die emotionalen Traumata unserer Jugend, die nicht gelöst werden konnten, bilden das Material für die zweite Ebene. In der sechsten Klasse in Mathematik Schwierigkeiten haben muß sich nicht unbedingt zu einem Trauma entwickeln, selbst wenn man deswegen sitzenbleibt; es sei denn dieses Versagen hat zusätzliche, mehrfache schmerzliche Bedeutungen — zum Beispiel: »Ich bin ein Versager, und darum liebt mich keiner.« Die bereits erwähnten Arbeiten von Wilder Penfield sind in diesem Hinblick sehr aufschlußreich, denn wenn er bei seinen Operationspatienten im Schläfenlappen mit elektrodischen Sonden eine Reizung hervorrief, erinnerten sie sich nicht an Begebenheiten der dritten Ebene, wie Problemlösen, Rechnen oder Briefeschreiben lernen. Ihre Erinnerungen waren emotionaler Art (erste Ebene) und fühlender Art (zweite Ebene).

In meinen Augen ist die dritte Ebene die eigentlich verantwortliche für die Integration von Ereignissen auf den beiden anderen Ebenen. Wenn die Realität mehr oder weniger von Geburt an ungewöhnlich schmerzhaft ist — keine Liebe, offene Ablehnung, Alleingelassenwerden etc. —, entwickelt sich die dritte Ebene nicht so, wie sie es eigentlich sollte. Sie wird vielmehr aufgesplittert, verliert ihre Bindekraft und neigt dazu, von anschließenden Traumata überflutet zu werden. Anhaltendes Trauma und unerbittliche Umwelt erzeugen mithin einen Verbund. 

Das Ergebnis eines Verbunds ist ein ungemein schwaches, anfälliges System dritter Ebene, was seinerseits Folgeerscheinungen nach sich zieht: mangelnde Sprachkohärenz, mangelnde Kohärenz des Denkens, Zerstreutheit, absonderliche Symbolisierung ohne jeden Bezug zur Realität, mystische Auffassungen, unstetes Verhalten und eine allmähliche Zersplitterung der Gedankenmuster. Eine zerrüttete dritte Ebene bedeutet, daß Verständnisfähigkeit begrenzt ist, daß Einsichtsfähigkeit blockiert wird, daß absonderliche Erklärungen normale ersetzen. Psychose ist eine »Geistesstörung«, weil von Anfang an starker, permanenter Schmerz der unteren Ebenen vorhanden war und die Entwicklung einer bindenden perzeptuellen und konzeptuellen Struktur verhindert hat. In gewisser Weise wird die dritte Ebene von gestern zur zweiten Ebene von morgen; das heißt, daß Traumata mit einer emotionalen Komponente, die im Hier und Jetzt unserer Jugend existieren, auf der zweiten Ebene (im Limbischen System) gespeichert werden.

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Ein Nicht-Trauma jedoch, wie beispielsweise mit zwölf Jahren Maschineschreiben lernen, verbleibt auf der dritten Ebene und kann mit leichtem Zugang ins Gedächtnis des Hier und Jetzt abgerufen werden. Ich glaube, die Zerrüttung der dritten Ebene kommt letztlich durch ein Zuviel an Schmerz zustande, der dort eine Spaltung erzeugt, so daß ein Mensch auf einem Gebiet ungemein rational sein kann, beispielsweise in den Naturwissenschaften, und in einem anderen Bereich, zum Beispiel in dem des Okkulten, völlig irrational ist. Bei einem rundum gesunden Menschen wäre eine derartige Spaltung auf der dritten Ebene meiner Meinung nach nicht möglich. Er würde jeden aufsteigenden Schmerz fühlen, korrekt symbolisieren und somit integrieren. Schmerz würde folglich die dritte Ebene nicht zu Irrationalität antreiben, um so zu verhindern, daß der Schmerz bewußt verknüpft wird. Eine Schmerzüberlastung treibt den Keil in die dritte Ebene; je tiefer und je umfassender der Schmerz, um so weiter klafft die Lücke zwischen rationalen und irrationalen Elementen. Dieser Prozeß kann so weit führen, daß die dritte Ebene so gut wie ausschließlich damit beschäftigt ist, sich mit Schmerz (durch irrationale Symbolisierung) auseinanderzusetzen, so daß kaum noch Kraft übrigbleibt, mit der Realität fertigzuwerden. In diesem Stadium ist der Betreffende dann nicht mehr funktionsfähig.

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Diese Spaltung auf der dritten Ebene ist etwas, was die meisten von uns vom Autofahren her kennen. Wir können unseren Tagträumen nachhängen, während wir schalten, an Ampeln halten, um parkende Wagen herumfahren etc. Wir sind sozusagen in der Vergangenheit und in der Gegenwart; wir symbolisieren die Vergangenheit und nehmen die Gegenwart wahr. Wenn der Schmerz zu groß ist, füllen unsere Tagträume den größten Teil unseres Bewußtseins, und dann können wir leicht Schiffbruch erleiden. Die Spaltung der dritten Ebene hat Implikationen für Schlaf und Träume, und ich werde darauf in dem entsprechenden Kapitel ausführlicher eingehen.*

 

   Feeling, Einsicht und Veränderung  

 

Das bisher Gesagte impliziert, daß jedes System seine eigenen Aufzeichnungen oder eine Art Gedächtnis­bank hat, und erst wenn man ein Trauma erster Ebene wiedererlebt, wird die Wahrheit dieser Aussage offenbar. Es gibt keine Möglichkeit, sich daran zu erinnern, daß man bei der Geburt durch die Nabelschnur stranguliert wurde, es sei denn organismisch — indem man dieses Geschehen körperlich, genau so wie es sich ereignete, wiedererlebt. Man kann sich dieses Geschehen durch keinen Willensakt ins Bewußtsein rufen. Das Geschehen existiert auf seiner eigenen Bewußtseinsebene und kann nur auf dieser Ebene gelöst werden; und eben deshalb ist es sinnlos, auf der dritten Ebene ein Problem, das auf einer unteren Ebene existiert, verstehen zu wollen. 

Mit Sicherheit verändern sich dadurch nicht das gespeicherte Geschehen und dessen Auswirkungen auf unser Verhalten. Alles, was man damit bestenfalls erreichen kann, ist, es besser zu rationalisieren. Wir sehen also, daß es nicht nur Schmerzebenen gibt, sondern auch Ebenen der Einsicht, die auf der gleichen Bewußtseinsformation angesiedelt sind wie der Schmerz. Sie sind das Verständnis vom Schmerz, aber sie entwickeln sich aus ihm heraus. Die Entwicklung verläuft vom Gefühl zum Verständnis, und nicht umgekehrt. Die Psychoanalyse verschafft Einsichten auf der dritten Ebene. Sie können unmöglich so tief gehen wie die eines Menschen, der ein Primal über alle drei Ebenen hinweg hat, das mit Einsichten verbunden ist, die sich zunehmend vertiefen und mit jeder weiteren Ebene, in die man hinabsteigt, umfassender werden. 

*  Ich habe in Kapitel I »Hirnspaltung« und deren Beziehung zu Bewußtsein behandelt. Es ist durchaus möglich, daB die Spaltung der dritten Ebene etwas mit dem Rechts-links-Bewußtsein der Gehirnhemisphären zu tun hat — mit der Trennung zwischen einem fühlenden Bewußtsein und einem denkenden Bewußtsein. Das ist gegenwärtig noch eine Vermutung, aber bisherige Untersuchungen deuten auf eine Gabelung in der dritten Ebene.

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Somatosensorische Ebene (erste Ebene)

 

Ein Patient kann beispielsweise anhand einer Reise zur ersten Ebene entdecken, ein wie verzweifelter Versuch sein gegenwärtiges Verhalten ist, auf irgendeine Art ein altes Trauma zu meistern und ein altes Bedürfnis zu befriedigen; so kann er etwa herausfinden, daß er deshalb soviel liest, weil er unbedingt wissen muß, was um ihn herum geschieht, und daß dieses Bedürfnis prototypisch dafür ist, wie er auf die Welt gekommen ist — betäubt von Medikamenten, grob behandelt, von der mütterlichen Wärme abgeschnitten und ohne zu wissen, was mit ihm geschieht. Dadurch daß er ein Geschehen erster Ebene wiedererlebt, entdeckt er die Motivation hinter seinem exzessiven Bedürfnis, alles wissen zu wollen und alle Neuigkeiten zu verschlingen. 

Darüber hinaus versteht er vielleicht ebenfalls, wie wir alle unsere Vergangenheit symbolisch wiedererschaffen, um sie zu lösen; ob es nun darum geht, von einem männlichen Lehrer väterliche Liebe zu erhalten, oder darum, daß man ständig liest, um so zu erfahren, »was um uns herum geschieht«. Ist das Gefühl erst einmal gefühlt, stellt sich die Veränderung auf der dritten Ebene hinsichtlich des gegenwärtigen Agierens automatisch ein und bedarf keiner weiteren Anstrengungen mehr. Solange es nicht gefühlt wird, wird die dritte Ebene zur Hilfe herangezogen, um das Agieren zu kontrollieren; und alles, was dadurch bestenfalls erreicht wird, ist, daß das Agieren subtiler wird. Ich möchte verdeutlichen, warum das Gefühl zu fühlen eine automatische Veränderung des Agierens bewirkt.

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Ich sagte bereits, daß verdrängte Gefühle Verhalten antreiben. Aber eine vielleicht bessere Art, das zu sehen, wäre die, daß verdrängte Gefühle in das Verhalten hineingewoben sind. Jedes Stückchen Agieren enthält das Gefühl. Der Neurotiker fühlt es nicht, weil er dieses alte Gefühl in seinem Verhalten in die Gegenwart trägt. Er sieht nicht, daß das Gefühl der Vergangenheit zugehörig ist; so kann er zum Beispiel gegenüber dem Kraftfahrzeugmechaniker, der gerade bei der Reparatur seines Wagens gepfuscht hat, nicht wütend werden, denn der Kraftfahrzeugmechaniker ist Papi. Wenn er das Gefühl der Angst vor Papi vollständig gefühlt hat, vermag er seine Wut in der Gegenwart frei zu äußern. Neurose ist das in der Gegenwart generalisierte Verhalten, das von der Verdrängung spezifischer vergangener Ereignisse abgeleitet ist. Der Neurotiker weiß deshalb nie, daß sein Verhalten der Vergangenheit angehört, weil das Gefühl, dem es verbunden ist, sein Bewußtsein nie erreicht hat. Von der Furcht vor einem einzigen Mann (Vater) kommt es zu einer Ausweitung dieses Gefühls, und das infolgedessen eintretende Agieren (die Unfähigkeit, wütend zu werden) weitet sich aus, so daß es zu einer Furcht vor nahezu jedem erwachsenen Mann kommt.

 

Dieser Generalisierungsprozeß ist der Schlüssel zum Verständnis psychischer Krankheiten, denn es kommt zu Generalisierung, wenn ein spezifisches Gefühl nicht verknüpft ist. Das läßt sich vergleichen mit einem Wasserschlauch, den man abschraubt, während das Wasser noch läuft. Die Energie des Wassers sprüht dann in alle Richtungen. Ähnlich sprüht auch ein nicht verknüpftes Gefühl nach allen Seiten und wird generalisiert. 

Kürzlich sagte mir eine junge Frau, die sich als Patientin zur Therapie anmelden wollte, daß sie Angst habe, nicht angenommen zu werden, weil sie einen schwarzen Slip trage. Sie sagte, schwarz bedeute Tod und Unheil, und deshalb stehe ihr etwas Böses bevor. Die Vorstellung, daß Schwarz nicht lediglich eine Farbe bedeutet, sondern eine ausgeklügelte, völlig beziehungslose Bedeutung hat, zeigt an, wie weit der Generalisierungsprozeß sie gebracht hatte. Das war ein psychotischer Sprung. 

Ein Beispiel für eine neurotische Generalisierung wäre, homosexuelle Beziehungen mit Männern zu haben, die im Aussehen einem geliebten älteren Bruder ähneln, der früh das Elternhaus verlassen hat. Ein solcher junger Mann würde sein Bedürfnis ebenfalls unbewußt generalisieren, aber die Kluft zwischen dem Bedürfnisschmerz und dem daraus resultierenden Verhalten ist nicht so absonderlich. Dennoch erzeugt seine Unfähigkeit, eine Verknüpfung herzustellen zu dem Verlust, den das Weggehen seines Bruders bildete, im späteren Leben generalisiertes Verhalten. Psychische Krankheit ist die Generalisierung nicht verknüpfter Urschmerzen; und ein Primal ist die Umwandlung des Generellen wieder zum Spezifischen. Auf die Bewußtseinsebenen bezogen, können wir sagen: Generalisiert wird Schmerz der unteren Ebenen, der mit der dritten Ebene nicht richtig verknüpft wird.

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Er wird ein Leben lang ständig agiert, eben weil die dritte Ebene mit diesen Gefühlen nicht spezifisch verbunden ist. So mag ein Mann versuchen, heute von allen Männern Liebe zu erlangen, weil er sein damaliges gewaltiges Bedürfnis nach seinem Vater nicht vollends fühlen kann (es zu verstehen ist nicht genug). Die Spaltung der dritten Ebene erlaubt es ihm bisweilen, sein Bedürfnis der Vergangenheit zu »verstehen«, gleichwohl muß er sich in der Gegenwart auf Männer (unkorrekte Symbolisierung) als die verzweifelt gesuchten Liebesobjekte konzentrieren. Bei Neurosen entstammt das Bedürfnis der Vergangenheit (untere Ebenen), aber der Brennpunkt liegt in der Gegenwart (dritte Ebene).

Schmerzen unterer Ebenen machen uns unfähig, das, was wir in der Gegenwart tun, richtig und bewußt zu generalisieren. Der homosexuelle Eroberer sieht in seinem neuen Opfer nicht seinen »Papi«. Jede Situation wird de novo behandelt, so daß er eine Eroberung nach der anderen braucht und doch nie wirklich befriedigt ist, weil er nicht erhält, was er wirklich braucht. Oder nehmen wir einen Menschen, der »Mami« braucht, auch er wird eine sexuelle Eroberung nach der anderen machen und sich dennoch unbefriedigt fühlen, ohne je zu wissen warum. Ein Primal, das uns zu den Spezifika zurückbringt, ermöglicht uns mithin bewußte Generalisierungen, so daß wir des ganzen generalisierten unbewußten Verhaltens gewahr werden, das durch ein spezifisches Gefühl erzeugt wird. Und das ist es, was das Unbewußte bewußt machen wirklich bedeutet. Das kann einem kein anderer abnehmen. Das Unbewußte muß gefühlt werden, es nur verstehen genügt nicht. Wir sollten uns dabei vergegenwärtigen, daß nicht etwa das Bedürfnis selbst generalisiert. Ein spezifisches Bedürfnis bleibt für immer dasselbe. Generalisiert werden nur die Wege, mittels derer wir dieses Bedürfnis befriedigen. Primärtherapie ist deshalb einfach, weil wir die verschlungenen Wege, mittels derer wir auf ein Bedürfnis eingehen, nicht zu entwirren brauchen. Je näher wir unseren Gefühlen und Bedürfnissen sind, um so gesünder sind wir.

Wir sehen also, daß der Generalisierungsprozeß unsere Wahrnehmung beeinträchtigt. Wenn wir das verzweifelte Bedürfnis haben, uns nicht allein zu fühlen, werden wir mit jedem Zusammensein, der uns hilft, uns dieses Gefühl fernzuhalten. Wir nehmen dann vermutlich nicht genau wahr, mit welcher Art Menschen wir zusammen sind, einfach weil sie im Dienst eines Bedürfnisses benutzt werden. Ohne dieses starke Bedürfnis würden wir unsere Freunde genauer wahrnehmen und würden in ihrer Wahl selektiver und spezifischer sein. Wir wären letztlich einfach objektiv.

Das Konzept der Generalisierung hilft uns auch, impulsives Verhalten zu verstehen. Einer unserer Patienten fühlte kürzlich haargenau jene frühe Szene, in der er vor seiner Mutter stand und darauf wartete, auf den Arm genommen und gestreichelt zu werden. Er wollte diese Berührung und Umarmung mit jeder Faser seines Seins.

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Statt dessen erhielt er die übliche Zurückweisung. Später wurde dieser Mann ein impulsiver Neurotiker; er fühlte den Zwang, Frauen berühren zu müssen, und war unfähig, sich zu kontrollieren. Wenn dieser (alte) Impuls, in den Arm genommen zu werden, ausgelöst wurde, etwa durch den Anblick einer Frau, konnte nichts, was immer er sich sagen mochte, seinem Agieren Einhalt gebieten. Sein ganzer Körper stand unter dem Zwang, hinzulangen und die Brust einer fremden Frau zu berühren. Die Stärke seines Impulses in der Gegenwart war genau die Stärke jenes Impulses der Vergangenheit; nur der Brennpunkt war ein anderer. 

Als er diese Szene und die Gefühle, die sie repräsentierte (die sich über Jahre in seiner Beziehung zu seiner Mutter erstreckten) wiederzuerleben begann, konnte er den ursprünglichen Impuls fühlen, ihn in seinen richtigen Kontext zurückbringen und ein Primal haben, statt zu agieren. Damals war es ein körperliches Bedürfnis, und so wurde es auch in der Gegenwart ein körperliches Bedürfnis. Dieses Bedürfnis und dessen Intensität blieben unverändert; nur die generalisierten Objekte änderten sich. Wir können daher verstehen, daß ein Mensch, der seine Impulse nicht zu kontrollieren vermag, einfach jemand ist, der keine Verknüpfung zu seinen Gefühlen herstellen kann. 

 

Ein Primärpatient hat während und nach einem Primal deshalb so viele Einsichten, weil ein einziges verdrängtes Gefühl zu generalisiertem Verhalten geführt hat, und all die weitverzweigte Aktivität dann plötzlich offen zutage liegt. So kann sich zum Beispiel die Empfindung, seinen Eltern nicht trauen zu können, zu dem Gefühl summieren: »Ich werde mich nie wieder einem Menschen anvertrauen.« Dieses Gefühl setzt sehr früh ein und muß nicht notwendigerweise in begriffliche Vorstellungen übersetzt werden. Es ist einfach eine Grundhaltung, die sich mit der Art verwebt, wie das Kind seiner Welt entgegentritt. Später kann das zum Agieren verschiedenster Art führen. 

Hat ein Patient dieses Gefühl erst einmal gefühlt, dann kann er zum Beispiel sagen: »Jetzt verstehe ich, warum ich nie ein Haus mieten, sondern immer nur kaufen wollte — ich wollte nie, daß mich ein Hausbesitzer kontrollieren könnte. Jetzt weiß ich, warum ich nie für einen anderen arbeiten konnte, sondern mich selbständig machen mußte.« Dieses Gefühl (und andere) führten zu Verhaltensweisen, die alle auf dem Bedürfnis beruhten, sich niemandem anzuvertrauen. Dieser Patient entdeckt dann plötzlich, warum er ein Volontariat nicht hatte annehmen wollen, das zu einer Spitzenposition in der Firma geführt hätte; er wollte nicht von unten anfangen, weil das bedeutet hätte, »daß andere Menschen mein Leben kontrolliert hätten, genau wie meine Eltern es getan haben«. Dann sieht er die Geschichte seines Versagens, weil er sich nie in eine Position begeben wollte, in der er von anderen hätte lernen müssen. Er findet heraus, warum er darauf bestand, ein Haus zu kaufen und über seine Verhältnisse lebt, statt eine Wohnung zu mieten.

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Natürlich ist das noch nicht alles; denn es sind noch andere Gefühle vorhanden, die sich mit dem Gefühl, niemandem trauen zu können, verbinden. Ein weiterer Schmerz kann zum Beispiel der sein, daß seine Eltern nie Wort gehalten haben — was nicht nur bedeutete, daß man ihnen nicht trauen konnte, sondern in dem Kind auch das Gefühl erweckte, es müsse die Dinge, die es wollte, »jetzt« haben; denn wenn jemand etwas verspricht, werden »sie« später aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Meinung ändern, so daß es besser ist, jetzt zu bekommen, was man jetzt bekommen kann. 

Diese Ungeduld verbindet sich mit dem anderen Gefühl: »In meinem Leben wird kein anderer über mir stehen und mich kontrollieren.« Das Ergebnis ist impulsives Verhalten, das sich zum Beispiel darin äußert, immer gleich beim ersten besten Angebot zuzuschlagen, oder auch hier wieder in der Unfähigkeit, einen Beruf von der Pike auf zu lernen und die Geduld zu haben, so lange durchzustehen, bis man höhere Positionen erreicht. 

Das sind also zwei Faktoren, die den gegenwärtigen Lebensstil beeinflussen, und es können darüber hinaus noch eine ganze Reihe weiterer vorhanden sein. Das Ganze wird unendlich kompliziert und läßt erkennen, welche Herkulesarbeit es wäre, all diese Spielarten des Agierens intellektuell auseinanderzudividieren. Deshalb dauert eine Psychoanalyse viele Jahre. In der einen Woche würde man sich auf die Frage konzentrieren, warum ein Haus kaufen und nicht mieten, in einer anderen Woche auf die Frage, warum dieser und nicht jener Job und so weiter ad infinitum. Während das Fühlen der Gefühle in der Primärtherapie äußerst unterschiedliche Verhaltensweisen auf einen Schlag klärt. 

Mit dem Fühlen jedes einzelnen Gefühls wird von dem Abwehrsystem immer ein bißchen mehr abgeschlagen und der Weg für wieder weitere Gefühle geebnet, die ebenfalls gefühlt werden und zu neuen Einsichten führen. Je tiefer man geht, um so umfassender sind die Einsichten und um so mehr Gefühle werden geklärt, die späterem neurotischem Agieren zugrunde lagen. Die Primärtherapie ist mithin ein völlig natürlicher und geordneter Prozeß. 

Der Patient, der Material erster Ebene wiedererlebt, entdeckt, wie diese frühen Traumata zu einem späteren Agieren beigetragen haben. Eine komplizierte Geburt kann beispielsweise den Grundstein für ein Gefühl legen, daß man keinem Menschen trauen könne, und dieses Gefühl könnte sich mit dem späteren Empfinden mangelnden Vertrauens vereinen; beides zusammen würde eine enorme Kraft darstellen, weil allein schon das Geburtstrauma so gewaltig war. Hat dieser Mensch Einsichten erster Ebene, so versteht er nun das gleiche Verhalten auf einer tieferen Ebene. Er sieht, wie mangelndes Vertrauen prototypisch war und mit der Geburt begann und später dann von den Eltern bekräftigt wurde, indem sie nie Wort hielten und ihn ständig verletzten, ihm das Gefühl vermittelten, »jeder, der über dir ist, verletzt dich«, und wie es noch später wiederum verstärkt wurde, als er von Lehrern, Priestern etc. verletzt wurde.

Wir sehen jetzt, was ich meine, wenn ich sage, daß das Fühlen von Schmerz ganze Bereiche der Unbewußtheit ausschließt. Solange das alte Urgefühl mit gegenwärtigem Verhalten verflochten ist, bleibt der Mensch seines Gefühls wie auch der seinem Agieren zugrunde liegenden Motivation unbewußt; ja, er ist sich nicht einmal bewußt, daß er überhaupt agiert. Ein Hauskauf mag dem Neurotiker völlig vernünftig erscheinen (selbstverständlich kann es auch für den völlig gesunden Menschen äußerst realistisch sein), gleichwohl ist sein Akt wahrhaft unbewußtes Verhalten.

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