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Dr. Martin Luther King
I have a dreamIch habe einen Traum. Berlinbesuch - 1964
Spielfilm "Selma" - 2015 |
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wikipe King *1929 bis 1968 (37) detopia: Amerikabuch |
Audio 2014 2014 50 Jahre Gleichberechtigung 18 min 2014 2014 in Berlin 1964 15 min 2014 2014 in Berlin 1964 45 min 2015 Die Rolle von MLK bei der Wende in DDR 4 min 2019 Selma 50 Jahre 4min |
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Aus einem Email von Georg Meusel:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte Ihnen und Euch den neuen, Oskar-nominierten Martin-Luther-King-Spielfilm "Selma" empfehlen, der am 19.02.2015 in die Kinos kam.
Mich hat er ungeheuer fasziniert und innerlich berührt. Der Film ist für mich der beste King-Film neben dem großen Schwarzweiß-Dokumentarfilm "... dann war mein Leben nicht umsonst". Er überragt bei weitem den mehrteiligen Martin-Luther-King-Spielfilm, der vor mehreren Jahren im Fernsehen gezeigt wurde.
"Selma" behandelt die Geschichte des Marsches der Schwarzen der Großstadt Selma in die Hauptstadt des Bundesstaates Alabama zur Wählerregistrierung. Der Film verdeutlicht die Dramatik der Unterdrückung, wie den Afroamerikanern mit allen möglichen Tricks ihr verfassungsmäßig garantiertes Wahlrecht vorenthalten wurde.
Es gibt nur einen Weg aus der Stadt in Richtung Montgomery, nämlich die Edmund-Pettis-Brücke über den Alabama-River. An diesem Nadelöhr versammeln sich zweimal berittene Polizisten und weißer rassistischer Mob zu einem Spießrutenlauf für die schwarzen Demonstranten, um diese zusammenzuschlagen und zusammenzuschießen. Die Schwarzen lassen sich nicht abschrecken. Sie wagen ihr Leben, um wählen zu dürfen.
Das erinnerte mich an eine der ersten Forderungen der Demonstanten während der Friedlichen Revolution in der DDR, nachdem im Mai 1989 die Wahlfälschungen aufgedeckt und die Farce der Einheitswahlen offenkundig wurden. Doch war dies nur ein blasser Abglanz dessen, was sich die Afroamerikaner in den US-amerikanischen Südstaaten ihr Wahlrecht kosten ließen. Heute liegt die Wahlbeteiligung im Osten Deutschlands manchmal bei wenig mehr als 40 Prozent. Mit diesem Gegensatz wurde der Film für mich auch tagespolitisch aktuell. Was ist uns die Demokratie, was ist uns das Recht auf unser Leben und das Leben anderer wert.
Ich hatte 2001 das Glück, mit dem Versöhnungsbund und dem Martin-Luther-King-Zentrum an einer Studienreise auf Spuren Martin Luther Kings in den USA teilnehmen zu können. Was mich daran unter anderem besonders beeindruckte, war, die Topografie des Widerstandes kennenzulernen. Dazu gehörte gerade die Edmund-Pettis-Brücke, dieses Nadelöhrs des Terrors von 1965 vor den Toren von Selma.
Der Film beschönigt nicht. Er stilisiert Martin Luther King nicht zum Idol hoch. Er zeigt, wie die Schwarzen von Selma selbst die Initiative ergriffen hatten, bevor sie King um Unterstützung baten. Er deutet den nachdenklichen, depressiven King an. Er nimmt King den Heiligenschein, indem er auf die Tatsache eingeht, wie der Pastor dem Reiz fremder Frauen erliegt und wie seine Frau Coretta darunter leidet, trotzdem zu ihm hält, und wie das FBI ihn mit dem Mitschnitt seines Bettgestöhns als Bürgerrechtler und als Mensch vernichten will.
Der Film verschweigt die Konkurrenzen im Bürgerrechtskampf nicht, indem er aufzeigt, wie sich die Studenten des SNCC dagegen empören, dass King sich etwas auf die Fahne schreiben möchte, was sie initiiert haben. Er deutet den tiefen Konflikt zwischen King und dem Vertreter der Black Panther Malcolm X an, mit dem er lange zögert, sich zu versöhnen, als dieser ihm die Hand reichen will, und der kurz darauf ermordet wird. Ein ehrlicher Film.
Der Film zeigt an Beispielen, wie brutal Weiße gegen Schwarze vorgehen, deren Vorfahren jahrhunderte lang als Sklaven ausgeplündert und ihrer Würde beraubt wurden, und deren Würde sie ihnen immer noch rauben und die sie noch immer zu lynchen sich das Recht herausnehmen. Auch hier kommt mir eine Parallele zur DDR-Aufarbeitung in den Sinn, wenn ich daran denke, wie "mein" Stasiarzt mich 1993 (!) bedroht hat, so blass diese Parallels auch im Verhältnis zu den Ereignissen in den 1960er USA sein mag: Was aber auf beide zutrifft: "Sie verzeihen uns nicht, was sie uns angetan haben" (Wolf Biermann)
Da wird der Bombenanschlag auf eine Kirche in Birmingham gezeigt, dem vier fröhlich scherzende Mädchen zum Opfer fallen, die sich gerade in ihrem Sonntagsstaat auf die Taufe vorbereiten. Und es wird gezeigt, wie der weiße Pfarrer James Reeb erschlagen wird, der sich mit den Schwarzen solidarisiert hatte: "Du weißt, dass wir Nigger hassen, aber wen wir noch mehr hassen, das sind weiße Nigger!" Ein weißer Pfarrer riskierte sein Leben für schwarze Menschen, die er für seine Schwestern und Brüder hielt. Was sind wir bereit zu riskieren, wenn wir uns mit jemandem solidarisieren? Viele von uns schauen schon mit Neid und Missgunst auf einen Kriegs- oder Armutsflüchtling, weil er uns ein paar hundert Euro kostet.
Wer auch nur einen Hauch an menschlichem Elend, an der Ungerechtigkeit und an der Gewalt in der Welt, mitleidet und wenigstens einen Hauch für Gewaltfreiheit, Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt beitragen möchte, sollte sich diesen Film nicht entgehen lassen. In mir löste er Betroffenheit aus und bewirkte Ermutigung.
In dem Film kommt Präsident Lyndon B. Johnson zu Unrecht nicht sehr gut weg. Während Kennedy hauptsächlich zugunsten der Schwarzen geredet und sich für King eingesetzt hat, als dieser im Gefängnis war, ohne das Recht zu haben, sich in die Justiz einzumischen, hat Johnson für die Afroamerikaner substanziell etwas getan bis hin zum ersten Bürgerrechtsgesetz seit 1954. Feindschaft zwischen ihm und King entstand erst, als der Bürgerrechtler sich als erster prominenter Amerikaner am 4. April 1967 öffentlich gegen den Vietnamkrieg aussprach. Vielleicht nicht von ungefähr wurde das Datum genau ein Jahr danach für seine Ermordung gewählt.
Leider wird in dem Film nur kurz angedeutet, wie während des Mehrtagesmarsches, als die Demonstranten auf einem Fußballplatz und anderem Gelände im Freien campierten, die berühmtesten Musiker des Landes, Harry Belafonte, Mahalia Jackson, Leonhard Bernstein, Pete Seeger ... für sie Konzerte gaben.
Ich kann Sie und Euch nur herzlich einladen, sehen Sie sich diesen Film an, seht Euch diesen Film an und bilden Sie sich - bildet Euch ein eigenes Urteil und nehmen Sie, nehmt wahr, was diese Geschichte mit Ihnen, mit Euch macht. Berührt sie Sie und Euch - lässt sie Sie, lässt sie Euch kalt?
Der Film wird nur in Großstädten in Programmkinos und in Kinos mit so vielen Sälen gezeigt, damit keiner der Kassenreißer wegfallen muss. Sie müssen / Ihr müsst vielleicht 50 km zu dem Film fahren. Die Demonstranten von Selma vor 50 Jahren, am 21. März 1965, sind 86 km zu Fuß gegangen.
Mit herzlichen Grüßen aus dem Martin-Luther-King-Zentrum, Werdau, Georg Meusel