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8  Ein neues Transportsystem

Sind Briten hier? 
Sie reisen sonst so viel.

Goethe, Faust 2, Akt 2

 

236-278

Im Jahr 1929, lange bevor der vom Menschen verursachte Klimawandel entdeckt wurde, schrieb der russische Journalist Ilya Ehrenberg dies: »Dem Automobil... kann man nicht an allem die Schuld geben. Sein Gewissen ist so rein wie das von Monsieur Citroen. Es erfüllt nur seinen Zweck: Es ist dazu bestimmt, die Welt auszulöschen.«2

Er hatte etwas erkannt, was der Rest von uns erst jetzt zu verstehen beginnt.

Das Problem der Kohlendioxidemissionen, die durch den Straßenverkehr verursacht werden, sollte leichter zu lösen sein als die anderen in diesem Buch angesprochenen Probleme. Jeder kann sehen, wie ineffizient das Transportsystem ist: Tausende von Menschen, jeweils nur einer in einem Auto mit viel zu starkem Motor, die jeden Morgen in dieselbe Richtung und jeden Abend wieder zurückfahren. 

Die Technologien und die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, mit deren Hilfe wir diese Situation ändern können, stehen seit Jahrzehnten zur Verfügung. Ein rationales, effizientes System, das höchstens 10 Prozent der gegenwärtigen Emissionen verursachen würde, kostet nicht etwa mehr Geld, sondern würde uns Ausgaben in Milliardenhöhe sparen. Aber das eigentliche Problem ist weder technischer noch ökonomischer Natur, sondern es ist ein politisches oder, genauer gesagt, ein psychologisches.

Bei der Regelung unseres Transportsystems müssen unsere Regierungen ständig mit dem Paradox der Massenmobilität umgehen. Sie müssen ein System schaffen, das uns im Interesse von Geschwindigkeit und Effizienz wie eine Herde behandelt, die dauernd angetrieben und eingefangen, geteilt, neu zusammen­geführt und in die richtige Richtung gelenkt werden muss. 

Gleichzeitig müssen sie uns die Illusion der Autonomie gewähren. Die Lieder von der Freiheit auf den Straßen, die Werbefotos von Autos auf einsamen Bergpässen, die Namen von Fahrzeugen, vor allem von Geländewagen, die kaum je wirklich im Gelände unterwegs sind — »Defender«, »Explorer«, »Pathfinder«, »Cherokee«, »Touareg« —, sie alle sprechen von einer Freiheit, die auf unseren Schnellstraßen nicht zu finden ist. Aber das ist das Idealbild, das unsere Regierungen uns nach Möglichkeit erhalten müssen.

Nachdem wir uns mithilfe fossiler Brennstoffe und der Technologien, die sie uns gestatten, von den Beschränkungen der Vergangenheit befreit haben, führen wir nun nicht etwa das ungezähmte Leben des Geistes, sondern ein Leben der Unterdrückung und Selbstkontrolle. Dank der Segnungen moderner Medizin und Landwirtschaft leben wir in überfüllten Städten, in denen unsere Freiheit, die Fäuste zu schwingen, unweigerlich dazu führt, dass einem anderen Menschen die Nase gebrochen wird. Der Wohlstand setzt seine eigenen Grenzen: Wenn wir reicher werden, können wir weiter reisen, aber es gibt weniger Orte, in die wir uns noch wagen.

Eingeschränkt durch unsere Freiheiten, freundlich, gehorsam und sicher, führen wir ein Leben der Metapher — der Metapher, die permanent ein Zeitalter ökologischer und sozialer Gefahren heraufbeschwört.

* (d-2014:)   wikipedia  Ilja Ehrenburg  *1891 in Kiew; bis 1967 in Moskau

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In den Journalen der Finanzwelt werden die Abstraktionen von Geld als Bullen, Bären, Tiger, Haie und Mammuts dargestellt, als Männer, die sich in Wäldern verirren, und als Wölfe im Schafspelz. Bis 2005 betrieb der am höchsten bezahlte Manager der Welt, Michael Eisner von Disney, ein Unternehmen, dessen Hauptgeschäft darin bestand, Tiere mit menschlichen Eigenschaften auszustatten, eine Vorgehensweise, mit deren Hilfe die ersten Jäger, die in ökologischen Zeiten lebten, ihre Beute kennenlernten.

 

Im Jahr 1990 habe ich einige Wochen in einer Welt verbracht, die frei von jeder Sublimierung war. In den <Garimpos> — den informellen Goldminen — Nordbrasiliens, in Regenwäldern, die mehrere hundert Meilen von der nächsten Stadt entfernt waren, hatte sich eine kurzlebige Gemeinschaft zusammen­gefunden, die keine Gesetze kannte. Auseinandersetzungen wurden mit Waffengewalt beendet: Innerhalb von sechs Monaten waren 1700 der 40.000 Minenarbeiter tot.3) 

Die Minen repräsentierten alles, was ich in meinem Leben als Erwachsener mit Kampf verbinde. Beherrscht von Gewalt, die gelegentlich sogar kriegerische Formen annahm, rissen die Goldgräber eins der reichsten Ökosysteme der Erde auf und machten die Yanomami-Indianer mit Waffen, Krankheiten, Alkohol und Prostitution bekannt. 

Aber nichts hat mich dort so schockiert wie meine eigene Reaktion: Es gefiel mir. In den Garimpos fand ich die Freiheit, die mir immer versprochen worden war und die ich doch nie erlebt hatte. Ich nutzte sie nicht. Ich tötete niemanden, fällte keine Bäume und grub nicht nach Gold. Aber ich hätte das alles tun können. Die Minen waren die Metapher. Sie waren mein inneres Leben, das ich bis dahin kaum wahrgenommen hatte.

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Die Freiheit der Straße, dieses Asphaltstreifens, der geschaffen wurde, um uns besser lenken zu können, ist ein Ausdruck der Spannung zwischen der Zivilisation und dem Leben des Geistes. Unter der Motorhaube lauert ein wildes Tier, das, wenn es nicht durch soziale oder materielle Einschränkungen zurückgehalten würde, eine mörderische Geschwindigkeit entwickeln könnte. Die Möglichkeiten, auf die der Motor verzichtet, sind eine weitere Manifestation der Metapher: das innere Leben des Wagens und des Geistes. Je schneller Autos werden und je mehr Verkehr auf den Straßen herrscht, desto größer wird die Spannung zwischen der Metapher und der Realität.

Ich glaube, dass der zunehmende Straßenverkehr einer der Hauptgründe für den Libertarismus ist, der jetzt durch Teile der reichen Welt fegt. Wenn man fährt, wird die Gesellschaft zum Hindernis. Fußgänger, Fahrräder, Schikanen zur Verkehrsberuhigung und Geschwindigkeitsbegrenzungen werden zum Ärgernis, das wir uns »wegwünschen«. Je mehr man fährt, desto mehr sucht man die Freiheit, welche die Straße verspricht, aber ständig verweigert. Von Zeit zu Zeit nimmt diese Frustration politische Formen an, wenn Autofahrer Radarfallen in die Luft jagen4) oder bei einer Erhöhung der Benzinpreise die Ölraffinerien blockieren. Aber der neue Libertarismus rollt jetzt auch über den Asphalt. Organisationen wie die <Association of British Drivers>, die mit Kampagnen gegen Radarfallen und Fahrbahnbuckel begonnen haben, vereinigen inzwischen ihre Kräfte mit Leuten, die Steuersenkungen und die Zerstörung des »Kindermädchen-Staates« fordern.5

Das Auto ist ein Agent politischer Veränderungen geworden.

Die Regierungen geben sich zwar einen anderen Anschein, aber in Wirklichkeit hätscheln sie die Phantasie der Freiheit nach Kräften. Wann immer sie den Platz auf den Straßen oder das Verhalten derer, die sie benutzen, auch nur im Geringsten einschränken, prangern die Boulevardzeitungen den »Krieg gegen die Autofahrer« an.

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Unsere Regierungen wissen — wie ein britischer Verkehrsminister erstmals 1938 zugegeben hat6) —, dass die Nachfrage eine Funktion der Kapazität ist. Je mehr Straßen gebaut werden, desto mehr steigt das Verkehrsaufkommen, um sie zu füllen. 

Wenn man nicht das gesamte Land mit Beton und Asphalt überziehen will, muss man sich darüber klar sein, dass es unmöglich sein wird, die steigende Nachfrage je zu befriedigen. So werden also von Zeit zu Zeit politische Maßnahmen angekündigt, welche die Leute davon abhalten sollen, ihre Autos zu benutzen. Zum Beispiel hat John Prescott, stellvertretender britischer Premierminister, 1997 in einem seltenen Moment der Klarheit versprochen:

Ich werde in dieser Sache versagt haben, wenn in fünf Jahren nicht sehr viel mehr Leute öffentliche Verkehrsmittel benutzen und sehr viel weniger mit dem Auto fahren. Das ist eine gewaltige Herausforderung, aber ich möchte mich daran messen lassen.7) 

Zwischen 1997 und 2004 haben die Autofahrten in Großbritannien um 9 Prozent zugenommen.8) Die Regierung erwartet, dass sich diese Zunahme beschleunigt:

Die zentrale Hochrechnung zeigt, dass zwischen 2000 und 2010 das Verkehrsaufkommen um 26 Prozent steigen wird, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 2,3 Prozent über die gesamte Dekade (rund 2,6 Prozent pro Jahr für den Rest der Dekade) entspricht.9) 

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Einen der Gründe dafür findet man in einer Regierungsveröffentlichung aus dem Jahr 2005, deren Grafiken zeigen, dass die Kosten für das Autofahren gesunken sind, obwohl das Bruttoinlandsprodukt seit 1986 um 60 Prozent gestiegen ist.10) Die Regierung erwartet, dass diese beiden Entwicklungen bis 2025 und darüber hinaus weiter gegenläufig sein werden. Während die Fahrkarten im öffentlichen Nahverkehr seit 1975 inflationsbereinigt um 66 Prozent und Zugfahrkarten im gleichen Zeitraum um 70 Prozent teurer geworden sind, ist die finanzielle Belastung durch den Besitz und Betrieb eines Autos um 11 Prozent gesunken.11) Diese Schere scheint sich weiter geöffnet zu haben, seit Mr. Prescott im Amt ist. Zug- und Busfahren sind seit 1997 um 7 Prozent bzw. 16 Prozent teurer geworden, während die Kosten fürs Auto um 6 Prozent gesunken sind.12) 

Um ihm kein Unrecht zu tun, sei hier auch gesagt, dass die Hälfte von Prescotts Versprechen erfüllt wurde: Die Zahl der Leute, die öffentliche Verkehrs­mittel nutzen, ist ebenfalls gestiegen:

Unsere zentrale Hochrechnung zeigt, dass die von Zugpassagieren zurückgelegten Kilometer zwischen 2000 und 2010 um 33 Prozent steigen werden. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg um rund 3,5 Prozent für den Rest der Dekade. Bei den Busfahrten ist zwischen 2000 und 2010 eine Zunahme von ungefähr 11 Prozent zu erwarten.13) 

Im Hinblick auf den Klimawandel ist diese Welt die schlimmste aller denkbaren Welten. Bus und Bahn ersetzen das Auto nicht, sondern ergänzen es lediglich. Fortbewegungsarten, die nicht mit einem Verbrauch fossiler Brennstoffe verbunden sind, werden im Gegensatz dazu immer seltener praktiziert: Nach Angaben des National Travel Survey ist die Zahl der zu Fuß zurückgelegten Wege um 20 Prozent gesunken.14) 

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Im Jahr 2004 sind wir um 6 Prozent weniger mit dem Rad gefahren als 1992.15) Viele Leute, die früher zu Fuß gegangen oder mit dem Rad gefahren sind, legen heute dieselben Wege mit dem Auto zurück. Ein Viertel aller Autofahrten wird unternommen, um einen Weg von weniger als 2 Meilen zurückzulegen.16 Die Tabelle17 zeigt die Verteilung der Fahrten in Großbritannien. Wege, die zu Fuß zurückgelegt werden, und Lkw-Transporte hat die Regierung nicht in die Liste aufgenommen.

Transportart

hrlich zurückgelegte Entfernung (Mrd. Passagier-km)

Prozentualer Anteil

Autos, Lieferwagen, Taxis

679

85,2

ge

51

6,4

Bus und Bahn

48

6

Flugzeuge*

9,8

1.2

Motorräder

6

0,8

Fahrräder

4

o.5

Insgesamt

797.8

 

* Die Regierung zählt nur Inlandsreisen. Eine genauere Zahl würde sich ergeben, wenn man 50 Prozent der internationalen Fernreisen berücksichtigte.

 

Quelle: Department for Transport

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Internationale Reisen per Flugzeug und Schiff nicht eingerechnet, verursacht der Transport von Personen und Waren ungefähr 22 Prozent unserer Kohlendioxidemissionen. 91 Prozent davon kommen durch den Straßenverkehr zustande. Die Regierung erwartet, dass die Kohlendioxidemissionen durch den Straßenverkehr in diesem Jahrzehnt um 5 bis 7 Prozent steigen werden.18) Sie macht letztlich keine Vorschläge zur Verhinderung:

Die hauptsächliche Politik zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen durch den Straßenverkehr ist ein freiwilliges Abkommen zwischen europäischen, japanischen und koreanischen Autoherstellern mit dem Ziel, bei Neuwagen die Kohlendioxidemissionen bis 2008 um 25 Prozent unter das Niveau von 1995 zu senken.19) 

Diese Politik hat (wie aus den Hochrechnungen der Regierung abzulesen ist) bereits versagt. Schon im Juli 2005 berichtete <Automotive News> dies:

»Die Autohersteller sind weit davon entfernt, 2008 ihr Ziel zu erreichen«, sagte Patrick Coroller, ein Vertreter der französischen Agence de l'Environnement et de la Maitrise de l'Energie (ADEME), einer staatlich finanzierten Umweltbehörde ... Japanische und koreanische Hersteller liegen sogar noch weiter zurück.20) 

Während sie Wunder beschwört, von denen sie schon weiß, dass sie nicht geschehen werden, fördert die britische Regierung weiterhin die Zunahme des Verkehrs­aufkommens, indem sie mehr Straßen baut: Wie ich schon in Kapitel 3 erwähnt habe, investiert sie 11,4 Milliarden Pfund, um mehr Platz für den Straßenverkehr zu schaffen,21) wohl wissend, dass dieser Platz sich unvermeidlich füllen wird.

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Zwar können Fahrten mit Bus und Bahn nichts zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen beitragen, solange sie den Autoverkehr lediglich ergänzen, aber wenn alle Autofahrer des Landes auf magische Weise auf öffentliche Verkehrsmittel umstiegen, könnten wir die Reduzierung um 90 Prozent fast auf einen Schlag erreichen.

Die zweite Tabelle22 zeigt die Zahlen der Regierung für die Kohlendioxidemissionen, die durch Fahrten von London nach Manchester entstehen. Sie geht davon aus, dass in einem Auto durchschnitdicher Größe im nationalen Mittel 1,56 Personen fahren, dass es sich bei den Zügen um moderne, mit Strom betriebene Modelle handelt, deren Sitzkapazität zu 70 Prozent ausgelastet ist, und dass der Reisebus 40 Passagiere befördert.

Transportart

Kohlendioxidemissionen
pro Passagier (kg) 

Auto

36,6

Zug

5,2

Reisebus

4,3

Quelle: 

Schriftliche parlamentarische Antwort

Zwei Schlussfolgerungen lassen sich aus diesen Zahlen ziehen. Die erste lautet, dass Reisen mit dem Zug, von denen die meisten Leute annehmen, dass sie die geringsten Umweltschäden verursachen, weniger effizient sind als Busreisen. Wenn wir uns nur auf die Frage des Klimawandels konzentrierten, dann würden wir den Personenverkehr am besten komplett von der Schiene nehmen und dort am besten nur noch Güterzüge fahren lassen, die Frachten über weite Entfernungen transportieren. 

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Nach Angaben der Strategie Rail Authority verursacht der Lkw-Transport von Waren 180 Gramm Kohlendioxid pro Tonne und Kilometer, während es beim Gütertransport auf der Schiene nur 15 sind; die Ersparnis beträgt 92 Prozent.23 Im Augenblick werden nur 12 Prozent unseres Frachtverkehrs über die Schiene abgewickelt.24 Aber die Zahlen in dieser Tabelle können sich ändern. Es gibt viele Möglichkeiten, die Kohlenstoffbilanz im Bahnverkehr zu verbessern, beispielsweise durch japanische Züge, die sehr viel leichter sind als die europäischen.

Die zweite Schlussfolgerung lautet: Wenn man vom Auto auf den Reisebus umsteigt, kann man die Kohlendioxidemissionen, die man anderenfalls produziert hätte, um 88 Prozent reduzieren. Mit einigen geringfügigen Effizienzverbesserungen könnte der allgemeine Reisebusverkehr, wenn die zurückgelegten Kilometer gleich blieben, das von mir genannte Ziel erreichen.

Das Problem ist, dass Busfahrten den Leuten aus gutem Grund verhasst sind. Wenn ich gelegentlich mit dem Bus von Oxford nach Cambridge fahren muss, dann fühle ich mich bei der Ankunft selbstmordgefährdet. Erst muss ich mit dem Rad 20 Minuten stadteinwärts, also in die falsche Richtung, fahren. Dann warte ich meist bei Regen und Wind, eingehüllt in Wolken aus Dieselabgasen, darauf, dass ein Mann, der so aussieht, als hätte er gerade ein Glas Essig getrunken, verkündet, die Fahrgäste könnten jetzt einsteigen. Ich gebe mein Geld jemandem, dessen Gesicht mich veranlasst, jeden erstbesten anderen für einen fröhlichen Zeitgenossen zu halten, und zwänge mich auf einen Sitz, der einem Folterstuhl gleicht. Dann kämpft sich der Bus zwischen Fahrrädern und Pollern durch Straßen, die für Ponys konstruiert wurden. Nach einer halben Stunde verlässt er die Stadt. Anschließend kurvt er natürlich durch eine Gegend, die so aussieht wie jede deprimierende Schlafstadt im Südosten Englands, um weitere Fahrgäste aufzunehmen. 

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An einem guten Tag mit Rückenwind brauche ich für die Fahrt von meinem Haus bis zu meinem Ziel in Cambridge, eine Strecke von insgesamt 83 Meilen, viereinhalb Stunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 18 Meilen pro Stunde, ungefähr 50 Prozent schneller, als ich mit dem Fahrrad fahre. Würde ich das Auto nehmen, wäre ich in gut anderthalb Stunden am Ziel.

So ist es nicht überraschend, dass Reisebusse auf den meisten Strecken nur von Leuten genutzt werden, die sich kein anderes Fortbewegungsmittel leisten können. In Großbritannien und auch in den USA assoziiert man sie mit Armut und Randgruppen, mit Leuten, die reichlich Zeit, aber wenig Geld haben. Völlig abgesehen von der Tatsache, dass er uns keine Freiheitsphantasien zu bieten hat, ist der Wechsel vom privaten zum öffentlichen Straßenverkehr völlig unambitioniert und insofern weder für wohlhabende Reisende noch für unsere politischen Führer von Interesse.

Politisch würde die Sache nur funktionieren, wenn es gelänge, Busfahrten im Vergleich zum Individualverkehr als besser darzustellen. Mir scheint, es gibt nur eine Möglichkeit, das zu bewerkstelligen: sicherzustellen, dass man mit dem Bus schneller, entspannter und zuverlässiger als mit dem Auto ans Ziel kommt.

Da bisher alles darangesetzt wurde, dem Auto »freie Fahrt« zu gewähren, klingt das, gelinde gesagt, nach einer ziemlichen Herausforderung. Aber ein unveröffenüichtes Papier des Ökonomen Alan Storkey erweckt den Eindruck, dass er das Problem gelöst hat.25

Storkeys Kerninnovation besteht darin, die Busstationen aus den Innenstädten zu den Autobahnauffahrten zu verlegen. Einer der Hauptgründe, warum Busreisen in Großbritannien so langsam sind (oft werden nur 20 Meilen pro Stunde oder noch weniger zurückgelegt), ist der Anspruch, ein System zu schaffen, bei dem alle Passagiere von einem Bus in einen anderen umsteigen können.

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Zu diesem Zweck müssen die Busse größere Städte anfahren, sich dort bis ins Zentrum vorkämpfen und dann den ganzen Weg wieder zurück. Im Berufs­verkehr wäre man genauso schnell, wenn man die Strecke zu Fuß ginge. Wer dagegen mit dem Auto von einem Ende des Landes zum anderen fährt, kann unterwegs immer auf den Schnellstraßen bleiben. Unsere Busstationen in den Stadtzentren, so hebt Storkey hervor, sind historische Relikte: Sie wurden zur Zeit der Pferdekutschen angelegt, die damals wahrscheinlich genauso schnell waren wie unsere Busse heute.

Statt den Schnellstraßenverkehr in die Städte zu ziehen, verlegt Storkeys System den Stadtverkehr hinaus zu den Schnellstraßen. Kommunale Busse, so bemerkt er, bedienen die entfernteren Stadtrandgebiete sehr schlecht. Wenn die Busse (oder auch Straßenbahnen, U-Bahnen oder Nahverkehrszüge) etwas weiter bis zur nächsten Autobahnauffahrt führen, dann könnten sie die Passagiere von ihren Wohnorten oder zu ihren Zielen befördern, ohne dass die Geschwindigkeit darunter litte. Wenn es besondere Fahrspuren für Busse gäbe und die Busse an Kreuzungen Vorfahrt hätten, könnten sie die Leute im Berufsverkehr schneller befördern als jedes Auto. Durch die Verbindung des öffentlichen Nahverkehrs mit dem nationalen öffentlichen Fernverkehr würde Storkeys Vorschlag beide Systeme neu beleben, denn die Zahl der Passagiere würde erheblich ansteigen, weil auch die Stadtrandgebiete von den kommunalen Bussen auf ihrem Weg zur nächsten Autobahnauffahrt gut bedient würden.

Anders als Bahnunternehmen, die sich nur dann ökonomisch betreiben lassen, wenn der Zug an jedem Bahnhof Dutzende oder Hunderte von Passagieren aufnimmt (was bedeutet, dass die Züge nicht so häufig fahren), können Busunternehmen es sich leisten, mehr Fahrzeuge einzusetzen:

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Mit 200 Bussen auf der M 25 [die große Umgehungsstraße, die sich um London zieht] wäre die meiste Zeit in beiden Richtungen ein Bus maximal eine Meile von der nächsten Haltestelle entfernt, und die Wartezeit würde nicht mehr als zwei oder drei Minuten betragen ... Mit einem effektiven Netzwerk könnten viele Busreisen von Stadt zu Stadt eine Wartezeit von fünf Minuten oder noch weniger haben. Sobald die Leute dieses System nutzen und auf seine Zuverlässigkeit vertrauen, würde die Nachfrage steigen. Dann könnten Großraumbusse eingesetzt werden.26

Um die Geschwindigkeit und Regelmäßigkeit zu verbessern, würden die Busse eigene Spuren auf den Schnellstraßen und Umgehungsstraßen erhalten. Ampeln, die auf Frequenzsignale reagieren, würden ihnen an Kreuzungen und Kreisverkehren Vorfahrt gewähren (britische Krankenwagen sind schon mit Transpondern ausgestattet, die rote Ampeln auf Grün umschalten). Die Boulevardpresse mag zwar schäumen, aber es würde nicht lange dauern, bis die Autofahrer, die im Stau stehen, bemerkten, wie die Busse auf ihren eigenen Spuren an ihnen vorbeiziehen.

Es lässt sich mathematisch begründen, warum Busse auf eigenen Spuren schneller vorankommen als alle anderen Fahrzeuge. Der Bremsweg für ein Auto, das mit 30 Meilen pro Stunde fahrt, beträgt 23 Meter. Bei 60 Meilen pro Stunde sind es 73 Meter (er verdoppelt sich bei nassem Wetter).27 Storkey nimmt als Beispiel die M 25. Sie ist 118 Meilen lang. Über den größten Teil der Strecke hat sie in beiden Richtungen drei Spuren, aber ungefähr 35 Prozent der Länge sind vierspurig. Die Tabelle28 zeigt, wie viele Personen befördert werden können.

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Durchschnitts-
geschwindigkeit 
(mph)

Zahl der Autos

Zahl der Passagiere
(bei einer durchschnittlichen Belegung von 1,6)

30

33050

52880 

50

15655

25048

60

11589

18542

70

8924 

14278

Quelle: Alan Storkey

Als ich diese Zahlen zum ersten Mal las, habe ich mir die Augen gerieben. Wenn die Wagen auf der gesamten Strecke mit 60 Meilen pro Stunde fahren — alle 6,7 Spuren mit insgesamt 790 Meilen —, dann können gerade mal 19.000 Personen befördert werden. Im Gegensatz dazu ersetzt ein Bus

1 Meile Autoverkehr auf einer Spur ... Diese Transportart kann fast 500 Personen auf einer Strecke von einer Meile befördern und nicht bloß dreißig, sodass die Kapazität der M 25 von 15.000 bis 20.000 Personen in Autos auf 260.000 Personen in Bussen ansteigt.29

Da die Busse nicht im Stau stehen müssen, kommt es auch seltener zu Abweichungen vom Fahrplan. Einige Linien würden ständig auf den Umgehungs­straßen rund um unsere größeren Städte kreisen. Andere würden auf den Schnellstraßen verkehren, die diese Städte miteinander verbinden:

Um eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 mph oder mehr zu erreichen, müssen Busse mit einer Geschwindigkeit von 65 mph fahren, und die Haltestellen müssen einen Abstand von 10 oder 20 Meilen haben. Das bedeutet, dass es nicht an jeder Auffahrt oder Abfahrt eine Haltestelle geben kann.30

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Berücksichtigt man die schnelleren innerstädtischen Verbindungen und die Tatsache, dass man nicht mehr nach einem Parkplatz suchen muss, dann könnte die Reisezeit insgesamt kürzer ausfallen als bei einer Autofahrt über die gleiche Strecke. Im Berufsverkehr und an langen Wochenenden könnte das öffentliche Verkehrssystem sehr viel schneller sein. Zwar würden die Autofahrer ihr Gefühl der Autonomie einbüßen und müssten vielleicht samt ihrem Gepäck mehrmals umsteigen, aber sie würden Zeit gewinnen, in der sie lesen, Filme anschauen, telefonieren oder schlafen könnten. Damit das alles funktionieren kann, müssten die Busse

genügend Beinfreiheit, gute Sitze, Arbeitstische, Medienanschlüsse und einen Service für Essen und Getränke haben ... Mit anderen Worten: Diese Fahrzeuge können eine Luxusform des Straßenverkehrs darstellen ... Busse sind im Prinzip eine andere Art von Stretchlimousinen.31

Dabei geht vielleicht ein Teil der Effizienz verloren, weil ein solcher Luxusbus nicht mehr ganz so viele Passagiere befördern könnte, aber das würde dadurch ausgeglichen, dass die Busse nicht mehr in die Stadtzentren hinein- und wieder herausfahren müssten, wodurch sich die Fahrstrecke verkürzt. Automatisierte Gepäcksysteme würden die Zeitverluste an den Haltestellen verringern. Anders ausgedrückt: Die langsamste, unbequemste und deprimierendste Form des Massentransports könnte in eins der schnellsten, reibungslosesten und bequemsten Systeme verwandelt werden. Statt sich als soziale Außenseiter zu fühlen, könnten die Passagiere — während sie Filme sehend und telefonierend auf ihren eigenen Fahrspuren an den Autoschlangen vorbeirauschen — sich als Könige und Königinnen der Straße betrachten.

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Gemessen an dem, was wir gewöhnlich für den Transport ausgeben, würde Alan Storkeys System fast nichts kosten. Es benötigt keine neuen Straßen, Bahnlinien oder nennenswerte Subventionen. Man müsste nur Haltestellen bauen, eine gesonderte Fahrspur auf den Straßen markieren, Busse kaufen und das Ampelsystem anpassen. Storkey meint, sein Vorschlag würde als Investitionskosten ungefähr 1 Milliarde Pfund erfordern. Das sind 27 Prozent dessen, was wir für die Erweiterung der M1 zahlen müssen. Und selbst das halte ich noch für zu hoch geschätzt, denn es berücksichtigt nicht die möglichen Einnahmen durch den Verkauf von Grund und Boden in den Stadtzentren, wo sich gegenwärtig Busstationen befinden. Mir scheint, dass sich dieses System wahrscheinlich von Anfang an selbst finanzieren könnte. Und es erspart uns einige der erschreckend hohen Beträge, welche die Regierung bisher dafür ausgegeben hat, das vorhandene System zu erhalten.

Die Lobby der Autofahrer hebt hervor, dass ihre Klientel jährlich Steuern in Höhe von 30 Milliarden Pfund zahlt, vergleicht diese Summe mit den Kosten des Straßenbaus und behauptet, die Autofahrer würden die Regierung subventionieren. Aber Storkey weist zu Recht daraufhin, dass die Regierung auch für Polizei und Rettungsdienste zahlt und die Gesundheitskosten der Leute übernimmt, die durch Luftverschmutzung* erkranken oder Opfer von Verkehrsunfällen werden. 

* Nach Angaben der Europäischen Union werden in Großbritannien 40.800 Todesfälle pro Jahr durch Luftverschmutzung verursacht oder beschleunigt, und der Straßenverkehr ist für den größten Teil der Luftverschmutzung verantwortlich.32) Die EU schätzt die Gesamtkosten der Luftverschmutzung pro Person und Jahr in Großbritannien auf 1341 bis 2497 Euro,33) woraus sich nationale Gesamtkosten von 81 bis 151 Milliarden Euro (bei 60,6 Millionen Einwohnern im Juli 2006 34) ergeben. Aber wie ich schon in Kapitel 3 erklärt habe, bin ich diesen Zahlen gegenüber sehr misstrauisch.

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Wenn Straßen wie Eisenbahnlinien sich mit 8 Prozent ihres Kapitalwertes verzinsen sollten, dann würde unsere Regierung jährlich auf 32 Milliarden Pfund verzichten.35 Da Busse sehr viel sicherer sind als Autos und (pro Passagier) weniger Abgase erzeugen, werden unter diesem System wahrscheinlich sowohl die quantifizierbaren als auch die nichtquantifizierbaren Kosten sinken. (Storkey gibt an, »dass Busse zwischen 1988 und 1997 pro Milliarde Passagierkilometer keine Unfälle mit Todesfolge zu verzeichnen hatten und die Zahl der schweren Verletzungen nur etwa ein Drittel so hoch war wie bei Autounfällen«.) Die privaten Transportkosten werden sich noch dramatischer verringern:

Das in Busse investierte Kapital ist weitaus produktiver... als unsere gegenwärtige Pkw-Nutzung, weil Busse sehr viel intensiver verwendet werden. Ein Fahrzeug, das vielleicht 150.000 Pfund kostet, kann Menschen mit nahezu 100.000 substanziellen Person/Reisen pro Jahr befördern, während ein Pkw, der etwa 15.000 Pfund kostet, es nur auf ungefähr tausend solcher Reisen brächte. Damit wird das Kapital bei Bussen zehnmal so effizient genutzt.36

Die Royal Academy of Engineering stellt fest:

Verkehrsstauungen kosten Großbritannien schon jetzt schätzungsweise 15 Milliarden Pfund pro Jahr, und diese Zahl wird sich im Verlauf des nächsten Jahrzehnts wahrscheinlich verdoppeln, weil ein immer größerer Teil unseres Transportsystems seine Kapazitätsgrenzen erreicht.37

Und das sind nicht die einzigen Kosten, die steigen werden. 

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Wenn es stimmt, dass die globale Ölproduktion bald ihren Gipfel erreicht, um anschließend zu sinken, dann wird ein verschwenderischer Umgang mit Öl nicht nur unerschwinglich, sondern auch unmöglich: Alle derzeitigen Transportsysteme werden mehr oder weniger zum Erliegen kommen. Der Plan, wie die britische Regierung gegen Verkehrsstauungen vorgehen will — ein Mautsystem mit ständiger Satellitenüberwachung —, wird extrem teuer werden, die Armen bestrafen und sehr viel mehr Zwang ausüben als Storkeys System, und es wird dabei nur wenig zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen beitragen. Auch in diesem Fall gilt: Selbst wenn es keinen Klimawandel gäbe, wären Veränderungen der Art, wie Storkey sie beschreibt, notwendig.

Aber als ein ähnlicher Vorschlag, wenn auch in kleinerem Umfang, der Regierung von ihren Beratern vorgelegt wurde (ein Bussystem sollte rund um die M 25 eingerichtet werden), lehnten die Verantwortlichen es ab. Verkehrsminister Alistair Darling wurde im Unterhaus gefragt, »warum er gerade die Empfehlung ... als strategische Behörde ein qualitativ hochwertiges kreisförmiges Netzwerk von Busverbindungen einzurichten, abgelehnt hat«.38 Seine Antwort:

Wenn ich bedenke, was der ehrenwerte Gentleman alles über die Bürokratie gesagt hat, bin ich erstaunt, dass seine einzige neue politische Forderung sich auf eine strategische Behörde für Busse bezieht. Ich denke, dass man den Betrieb von Bussen lieber den existierenden Organisationen überlassen sollte.39

Es ist doch sehr beruhigend, zu sehen, wie ernst die Regierung solche Fragen nimmt, nicht wahr?

253


Storkeys Vorschlag löst nicht alle unsere Transportprobleme. Im Hinblick auf den Klimawandel würde die Sache nur funktionieren, wenn zwei andere politische Maßnahmen hinzukämen: die Begrenzung und Rationierung des Kohlenstoffs, den wir verbrauchen, und die Begrenzung und Rationierung des Straßenraums, den wir in Anspruch nehmen. Anderenfalls würde die Versorgung mit Bussen nur dazu führen, dass Raum frei wird, in den sich der sonstige Straßenverkehr ausbreitet, und das Geld für Investitionen in energieintensive Prozesse frei wird, wie es das Khazzoom-Brookes-Postulat vorhersagt, das ich in Kapitel 4 beschrieben habe. 

Wenn wir von den verringerten Kohlendioxidemissionen profitieren wollen, die Storkeys Vorschlag uns bescheren könnte, dann müssen wir einige der Fahrspuren, die jetzt von Autos benutzt werden, für Busse reservieren, statt neue Spuren für Busse zu bauen. In den Stadtzentren müssen wir einige der Straßen, auf denen jetzt Autos fahren, für Fußgänger und Radfahrer reservieren, so wie man es in Kopenhagen, Wien und Zürich gemacht hat. Parkplätze müssen wieder zu Stadtplätzen werden, und wo vorher nur Asphalt war, brauchen wir Bäume, Spielplätze und Straßencafes. Wichtig ist auch, dass Storkeys Bushaltestellen an den Autobahnzufahrten nicht zu neuen Baugebieten werden: Für manche Regierung wäre es zweifellos verlockend, an solchen Stellen Baugenehmigungen für neue Supermärkte, Tankstellen und Wohnanlagen »mit guter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel« zu erteilen. Solche Entwicklungen könnten sich kontraproduktiv auf die zahlreichen Einsparmöglichkeiten des Systems auswirken.

Wenn wir die Zahl der Autos auf unseren Straßen verringern wollen, müssen wir nicht nur Alternativen anbieten, sondern das Autofahren auch unattraktiv machen. Ein Rationierungssystem für Kohlenstoff ähnlich der Abgasgebühr, die zur Verkehrsberuhigung in London beigetragen hat, bietet einen mächtigen finanziellen Anreiz für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel.

254


Mit diesen zusätzlichen politischen Maßnahmen bedeutet Storkeys Bussystem eine Alternative, die es den Leuten ermöglicht, ihre Kohlendioxidemissionen innerhalb der erforderlichen Grenzen zu halten und dabei fast so viel zu reisen, wie sie es heute tun. Das Idealbild der Freiheit müssten sie zwar aufgeben, aber die realen Freiheiten blieben erhalten.

Einige Leute würden weiterhin Autos brauchen. Für behinderte Menschen ist es fast unmöglich, Busse und Bahnen zu benutzen, und es ist schwer vorstellbar, wie öffendiche Verkehrsmittel alle Bewohner ländlicher Gebiete erreichen könnten, ohne entweder ein Vermögen zu kosten oder deren gegenwärtige Freiheiten einzuschränken. Auch Stadtbewohner werden feststellen, dass es einige Ziele gibt, die nicht so einfach mit dem Bus zu erreichen sind, aber Storkeys System sollte sicherstellen, dass es kosteneffektiver ist, bei Bedarf ein Auto zu mieten oder sich einer Gruppe von Leuten anzuschließen, die gemeinsam ein Auto nutzen, statt selbst eins zu besitzen. Wenn weiterhin einige Autos auf den Straßen unterwegs sind, bedeutet die dauerhafte Reduzierung der Kohlendioxidemissionen um 90 Prozent für sie sowohl eine Verbesserung der Effizienz als auch eine Verringerung der Notwendigkeit, mit dem Auto zu fahren.

Angesichts der beiden Katastrophen des Klimawandels und einer drohenden Ölknappheit ist es schwer nachvollziehbar, wie irgendjemand die Behauptung rechtfertigen kann, dass das Bedürfnis nach einem Auto, das in 4,5 Sekunden von o auf 60 mph beschleunigen kann (beispielsweise der Audi S4), wichtiger ist als das Bedürfnis der Äthiopier, wiederkehrende Hungersnöte zu verhindern, oder das Bedürfnis der ganzen Welt, die ökonomische Katastrophe zu vermeiden, die uns droht, wenn die Ölförderung bald ihren Höhepunkt überschreitet.40 

255


Die Geschwindigkeit und Beschleunigung unserer Autos ist eine Form von Verschwendung, die alle zukünftigen Generationen in Erstaunen versetzen wird. Der Hauptgrund, warum Verbesserungen der Energieeffizienz ihre Auswirkungen nur so langsam zeigen, ist die Tatsache, dass die Hersteller weiter auf hohen Leistungen bestehen. Ohne diese Anforderung würden die effizientesten Motoren um ein Vielfaches kleiner sein als heute.

Die durchschnittliche Emission eines Neuwagens in Großbritannien beträgt 170 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer.41 Der Toyota Prius, den die amerikanische Environmental Protection Agency als das umweltfreundlichste Auto auf dem Massenmarkt bezeichnet, kommt auf 104 Gramm,42 eine Ersparnis von nur 31 Prozent. 2001 stellte Toyota sein »Earth-friendly ES3 Concept Car« auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt vor.43 Zwar wurden die Kohlendioxidemissionen nicht beziffert, aber die Firma behauptete, der ES3 würde auf 100 Kilometern nur 2,7 Liter Treibstoff verbrauchen. Falls das stimmt, wäre er damit doppelt so energieeffizient wie der Prius.* Nachdem er Toyota Unmengen positiver Publicity eingetragen hatte, wurde der ES3 nie wieder gesehen. Wie sich herausstellte, war er lediglich ein Experiment, das vielleicht deshalb aufgegeben wurde, weil es nicht »sexy« genug war.

Vor mir liegt eine Anzeige aus dem <Daily Telegraph> vom 20.10.1983** — vier Jahre nachdem die Revolution im Iran die Ölpreise auf umgerechnet 80 Dollar pro Barrel getrieben hatte. Als die Herstellerfirma sich damit gebrüstet hatte, ihr Wagen erreiche eine »Geschwindigkeit weit jenseits der zugelassenen Grenzen« (die gesetzlichen Bestimmungen für Werbeanzeigen sind seitdem etwas verbessert worden), behauptete Peugeot, die neuen Dieselfahrzeuge der Reihe 205 »sind die ersten Serienwagen auf dem Weltmarkt, die mit 1 Gallone Treibstoff 72 Meilen bei einer Dauergeschwindigkeit von 56 mph schaffen«.44) 

* Prius: 55 Meilen pro Gallone (Durchschnittsverbrauch unter allen Bedingungen) = 12 Meilen pro Liter = 19,2 Kilometer pro Liter. ES3: 37 Kilometer pro Liter. 
** Für die Zusendung danke ich Byron Wine.

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Wenn das stimmt, müsste man davon ausgehen, dass ein Auto, das vor 23 Jahren verkauft wurde, um 40 Prozent effizienter war als das beste, was der Massenmarkt heute zu bieten hat: Der Prius schafft auf Schnellstraßen mit 1 Gallone Treibstoffgerade 51 Meilen.45 Aber die illegalen Geschwindigkeiten, die ein Peugeot 205 Diesel erreichen konnte, sind für die Freiheitssucher des 21. Jahrhunderts einfach nicht hoch genug. Die durchschnittliche Treibstoffeffizienz in der Europäischen Union hat sich langsam verbessert: um 8 Prozent seit 1995.*46,47 

In den Vereinigten Staaten hat sie sich verschlechtert. 1998 betrug die durchschnittliche Meilenleistung pro Gallone** bei Autos und Kleinlastern 22,1. Heute liegt sie bei 20,8.48 Das ist um 17 Prozent schlechter als beim Ford-Modell T, das — 1908 — 25 Meilen pro Gallone schaffte.49 Der Ford Expedition, einer der heutigen Bestseller, bringt es auf 15,5 Meilen pro Gallone.50) 

Treibstoffeffizienz scheint so unwichtig zu sein, dass es kaum möglich ist, zuverlässige Zahlen zu finden. 2005 führte das Magazin Auto Express eine Untersuchung durch, bei der festgestellt wurde, dass die Berechnungen der britischen Regierung über Meilenleistungen von Neuwagen reine Fiktion waren. »Der offizielle Test wird auf einem mechanischen Rollband durchgeführt und ist in keiner Weise mit dem tatsächlichen Fahren auf britischen Straßen vergleichbar«, erklärte der Herausgeber von Auto Express. »Unsere Tester haben festgestellt, dass ein Durchschnittsauto um 17 bis 20 Prozent weniger ökonomisch ist, als offiziell behauptet wird.«51) 

* Von 185 Gramm Kohlenstoff pro Kilometer auf 171 Gramm. 
** Das — und nicht Gramm Kohlenstoff — scheint in den USA das Standardmaß zu sein.

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Dasselbe Verhältnis gilt für die Vereinigten Staaten. Nach Angaben der Detroit News »erreichen die meisten Autofahrer nur ungefähr 75 Prozent der unter Laborbedingungen erzielten Werte«.52 Im Jahr 2006 testete das Magazin Which? die neuen Hybridautos, die angeblich die umweltfreundlichsten Fahrzeuge sein sollen. Man stellte fest, dass der Toyota Prius nur 68 bis 76 Prozent der offiziell angegebenen Meilen schaffte und dass der Honda Civic nur 52 bis 63 Prozent so effizient war wie von der britischen Vehicle Certification Agency behauptet.53

Im Jahr 1991 veröffentlichte das Rocky Mountain Institute in den Vereinigten Staaten einen Entwurf für ein »Hypercar«, das angeblich mindestens 70 bis 80 Prozent der Treibstoffmenge einsparen konnte, die andere Modelle brauchten.54 Zu den entscheidenden Innovationen des Instituts gehörten massive Reduktionen beim Fahrzeuggewicht und Luftwiderstand. Man schlug vor, die Stahlkarosserie durch Werkstoffe aus Kohlenstoff-, Aramid- oder Glasfasern zu ersetzen und den Fahrzeugboden genauso glatt zu gestalten wie das Dach. Dazu sollte der Wagen wie der Toyota Prius einen Hybrid-Elektroantrieb erhalten (gespeist durch eine Kombination aus flüssigem Treibstoff und Elektromotor), der die Energie, die jetzt durch Bremsen verloren geht, in Elektrizität umwandeln kann.

Obwohl das Design des Instituts machbar, sicher und billig zu sein schien und einige Merkmale in reale Modelle wie den Prius übernommen wurden, ist fünfzehn Jahre später immer noch kein Wagen in die Serienproduktion gegangen, der an das Gesamtpaket erinnern würde, weder diesseits noch jenseits des Atlantiks. Die Hersteller produzieren seltsame Prototypen — vor allem, so scheint es, um sich die Regulierungsbehörden vom Hals zu halten —, aber da sie das meiste Geld mit Geländewagen

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verdienen, haben sie einfach kein Interesse an Techniken, mit denen sich ernsthaft Treibstoff sparen ließe. Es sieht allmählich so aus, als seien die letzten Tage des Römischen Reichs angebrochen.

Autohersteller und Regierungen sind nicht bereit, sich Gedanken über eine nennenswert eingeschränkte Nutzung von Privatwagen oder eine deutlich verringerte Motorleistung zu machen, sondern wenden sich stattdessen bei ihrem Versuch, die Metapher lebendig zu halten, den alternativen Treibstoffen zu. Ihre beharrliche Botschaft lautet: Wir können so weiterfahren wie bisher und dabei die Biosphäre retten, indem wir die flüssigen fossilen Brennstoffe durch Biotreibstoffe oder Wasserstoff ersetzen.

Biotreibstoffe sind in diesem Zusammenhang solche, die aus pflanzlichem oder tierischem Material hergestellt werden. Auf den ersten Blick ist das eine wunderbare Idee. Statt schmutzigen schwarzen Schlamm aus dem Bauch der Erde zu zerren, würde unser Treibstoff auf wogenden Feldern voller Getreide oder Blumen wachsen. Biosprit könnte man aus Raps, Sonnenblumen, Mais, Weizen, Zuckerrohr, ja sogar Stroh oder — eines Tages — Holz gewinnen. Es würden keine Tanker mehr vor felsigen Küsten auf Grund laufen, keine korrupten Regime ihre Herrschaft auf das schwarze Gold gründen, indigene Völker wären nicht mehr von der Ausrottung bedroht, und es gäbe keine Kriege mehr im Mittleren Osten. Und ganz sachbezogen: Autos würden nur noch so viel Kohlendioxid ausstoßen, wie die Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen haben.

Es ist nicht überraschend, dass Biotreibstoffe sowohl bei Umweltschützern als auch bei Regierungen auf großes Interesse gestoßen sind. Im Mai 2005 hielt George W. Bush eine Ansprache bei der Virginia BioDiesel Refinery in West Point:

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Durch die Entwicklung von Biodiesel machen Sie dieses Land unabhängiger von ausländischen Ölquellen ... Unsere Abhängigkeit von ausländischem Öl ist wie eine fremde Steuer auf den amerikanischen Traum, und diese Steuer wächst von Jahr zu Jahr ... Meine Administration ... würde von den Treibstoffherstellern fordern, dass sie ihren Treibstoffen einen bestimmten Prozentsatz Ethanol und Biodiesel beifügen. Und um das Potenzial von Ethanol und Biodiesel noch stärker auszuweiten, habe ich in meinem Haushaltsentwurf für 2006 einen Betrag von 84 Millionen Dollar für weitere Forschungsprojekte eingeplant.55

Daraus wurden 150 Millionen Dollar im Budget für 2007.56 Der Energy Policy Act von 2005 verpflichtet die Treibstoffkonzerne, 7,5 Milliarden Gallonen Biodiesel und Ethanol pro Jahr zu verkaufen.57

Diesseits des Atlantiks haben unsere Regierungen mit der Einführung eines ähnlichen Gesetzes begonnen. Die Europäische Direktive über Biotreibstoff besagt, dass 5,75 Prozent unserer Transporttreibstoffe bis 2010 aus erneuerbaren Quellen kommen sollen.58 Die Europäische Kommission beabsichtigt, diesen Anteil bis 2020 auf 20 Prozent zu steigern.59 Die britische Regierung hat die Steuer auf Biotreibstoffe um 20 Pence pro Liter gesenkt, während die Europäische Union den Bauern zusätzlich 45 Euro pro Hektar zahlt, wenn sie Energiepflanzen anbauen. Es sieht so aus, als würden die reichen Nationen der Welt nun endlich eine verwegene Umweltvision realisieren wollen.

Es gibt dabei nur zwei Probleme. Das erste habe ich bereits in Kapitel 6 erwähnt: Unsere landwirtschaftlichen Flächen sind ebenso begrenzt wie unsere Chancen, diese Flächen zu bewässern. 

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Das schränkt nicht nur die Möglichkeiten ein, Holz als Brennstoff für Kraftwerke oder Boiler zu erzeugen, sondern impliziert noch weitaus ernstere Restriktionen für die Kultivierung von Stärke, Zucker oder Öl, die man zur Herstellung von Biotreibstoffen braucht. Die Pflanzen, aus denen die Rohstoffe gewonnen werden, müssen auf fruchtbarem Ackerland wachsen. Wenn Biotreibstoffe in großem Umfang eingesetzt werden sollen, dann wird das eine globale humanitäre Katastrophe beschleunigen.

In kleinerem Umfang verwendet — so wie jetzt —, sind sie harmlos. Die Leute, die den ganzen Tag in schmutzigen Bottichen herumschlittern, um altes Frittierfett in Motoröl zu verwandeln, leisten der Gesellschaft einen guten Dienst. Aber das alte Frittierfett in Großbritannien reicht gerade mal für ein 38ostel unseres Bedarfs an Biotreibstoffen (die British Association for Biofuels and Oils schätzt den Bedarf auf 100.000 Tonnen pro Jahr60). Der Rest muss gezielt angebaut werden.

Der Straßenverkehr in Großbritannien verbraucht 37,8 Millionen Tonnen Erdölprodukte jährlich.61) Raps ist die produktivste Ölsaat, die hierzulande angebaut werden kann. Der durchschnittliche Ertrag liegt bei 3 bis 3,5 Tonnen pro Hektar.62) Aus 1 Tonne Rapssaat gewinnt man 415 Kilogramm Biodiesel.63) Jeder Hektar landwirtschaftlich nutzbarer Boden könnte uns also mit 1,45 Tonnen Treibstoff versorgen. Das bedeutet, dass wir für den Betrieb unserer Autos, Busse und Lastwagen mit Biodiesel 25,9 Millionen Hektar Ackerfläche benötigen würden. Das Problem wird offensichtlich, wenn man weiß, dass es in ganz Großbritannien nur 5,7 Millionen Hektar Ackerland gibt.64) Der Umstieg auf Biotreibstoffe würde viereinhalbmal so viel erfordern. Das von der Europäischen Union anvisierte Ziel von 20 Prozent bis 2020 würde fast unsere gesamte landwirtschaftlich nutzbare Fläche verbrauchen.

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Wenn die Verhältnisse in allen anderen reichen Ländern ähnlich sind, wären die Auswirkungen gravierend genug, um mehrere hundert Millionen Menschen in den Hungertod zu treiben, weil die Nahrungsmittelpreise dann so sehr stiegen, dass sie für viele unbezahlbar wären. Wollte man den Forderungen einiger Umweltschützer folgen und weltweit auf Bio treibstoffe umsteigen, dann würde ein großer Teil der Ackerflächen auf diesem Planeten Nahrung für Autos statt für Menschen produzieren. Der Markt reagiert auf Geld und nicht auf Bedürfnisse. Leute, die ein Auto besitzen, sind — definitiv — reicher als Leute, die vom Verhungern bedroht sind: Ihre Nachfrage ist »effektiv«, im Gegensatz zum Stöhnen der Hungernden. Bei einem Wettbewerb zwischen Autos und Menschen würden die Autos gewinnen. Etwas in dieser Art geschieht schon jetzt: Obwohl 800 Millionen Menschen dauerhaft unterernährt sind, wird die globale Steigerung der Ernteerträge überwiegend an Tiere verfüttert. Weltweit hat sich der Viehbestand seit 1950 verfünffacht.65 Der Grund dafür: Leute, die Fleisch und Milchprodukte kaufen, verfügen über mehr Kaufkraft als solche, die nur pflanzliche Nahrung erwerben.

Die Umweltschützer, die sich für eine stärkere Nutzung von Biotreibstoffen einsetzen, beschreiben die Pflanzen, die ihnen für diesen Zweck am besten gefallen. Sie entwerfen Bilder von den nickenden Köpfen der Sonnenblumen und von Flachsfeldern voller blauer Blüten. Sie reden von Algen, die in Wüstenteichen wachsen können, oder von Stroh und anderen Abfällen, aus denen man Ethanol gewinnen kann. Sie entwerfen Bilder von Städten und Dörfern mit autarker Treibstoffversorgung, die durch die Felder beidseits der Straße gesichert wird. Aber was in ihren Vorstellungen keinen Platz hat — was sie einfach nicht verstehen wollen —, ist die Tatsache, dass auf den Weltmärkten

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nicht die schönsten Visionen, sondern die billigsten Waren gekauft werden. Gegenwärtig und auf absehbare Zeit ist jedoch Palmöl die billigste Ware. Das bedeutet letztlich, dass die Produktion von Biotreibstoff nicht nur zu einer humanitären, sondern auch zu einer ökologischen Katastrophe fuhren wird.

Im Jahr 2005 wurde von Friends of the Earth ein Bericht über die Auswirkungen der Produktion von Palmöl veröffentlicht: »Zwischen 1985 und 2000 war die Entwicklung von Palmölplantagen für ungefähr 87 Prozent der Waldzerstörung in Malaysia verantwortlich.«66 Auf Sumatra und Borneo wurden ungefähr 4 Millionen Hektar Wald in Palmölplantagen umgewandelt. Jetzt sollen in Malaysia weitere 6 Millionen Hektar und in Indonesien 16,5 Millionen Hektar Wald zu diesem Zweck gerodet werden. Fast alle verbleibenden Wälder sind bedroht. Sogar der berühmte Nationalpark Tanjung Puting von Kalimantan ist vor den Ölpflanzern nicht mehr sicher. Wild lebende Orang-Utans werden wahrscheinlich aussterben. Flusspferden, Tigern, Gibbons, Tapiren, Nasenaffen und vielen anderen auf Sumatra noch existierenden Arten könnte es genauso gehen. Tausende Angehörige von Stammesvölkern sind von ihrem Land vertrieben worden, und ungefähr 500 Indonesier wurden gefoltert, als sie versuchten, Widerstand zu leisten.67 Die gesamte Region wurde in ein einziges Pflanzenölfeld verwandelt.

Bevor die Ölpalmen angepflanzt werden können, müssen riesige Waldgebiete, in denen sehr viel mehr Kohlenstoff gespeichert ist, als die Palmen jemals aufnehmen können, gerodet und verbrannt werden. Die Waldbrände, die so oft die Region in Smog einhüllen, werden meist von den Betreibern der Palmölplantagen angefacht. Nachdem sie die trockeneren Gebiete inzwischen bepflanzt haben, dehnen sich die Plantagen jetzt in die Sumpfregionen mit ihren Torfböden aus. Wenn die Bäume ge-

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fällt sind, legen die Pflanzer den Boden trocken. Wenn der Torf trocknet, oxidiert er und setzt noch mehr Kohlendioxid frei, als beim Verbrennen der Bäume entsteht. Ein in Nature veröffentlichter Artikel gehtvon der Schätzung aus, dass durch die 1997 in Indonesien entzündeten Feuer, die sich bei der Brandrodung der Regenwälder ausgebreitet haben, 13 bis 40 Prozent der Kohlendioxidmenge freigesetzt wurde, die beim weltweiten Verbrauch fossiler Brennstoffe entsteht.68 Die Biodiesel-Industrie hat rein zufällig den Treibstoff erfunden, der für die meisten Kohlendioxidemissionen verantwortlich ist.

Die Expansion der Palmölplantagen wird schon jetzt durch die weltweite Nachfrage nach Biodiesel angetrieben. Der Malaysia Star schreibt:

Im Zentrum der wachsenden Nachfrage nach dem Rohstoff Palmöl steht das Interesse an seiner Verarbeitung zu Biodiesel — und dieses Interesse beflügelt den Markt. Die Nachfrage nach Biodiesel wird von der Europäischen Gemeinschaft kommen, wo Dieseltreibstoff obligatorisch mit mindestens 5 Prozent Pflanzenöl gemischt wird. Diese neue Nachfrage nach unverarbeitetem Palmöl würde zumindest den größten Teil der malaysischen Palmölbestände aufzehren.69)

Der Umweltschützer David Bassendine rechnet damit, dass bei einem 5-prozentigen Anteil kohlendioxidfreier Treibstoffe in der Europäischen Union die weltweiten Kohlendioxidemissionen um maximal 0,2 Prozent gesenkt werden könnten.70) Mit anderen Worten: Die potenziell eingesparte Menge Kohlenstoff ist nur ein winziger Bruchteil der möglichen Emissionen, die durch die Produktion von Biodiesel verursacht werden.

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Aber sogar der Bau von neun neuen Palmölraffinerien zur Befriedigung der europäischen Nachfrage nach Biodiesel71) kann die Umweltschützer, die sich für diese Technologie engagieren, von ihrer Position nicht abbringen. Nachdem ich im <Guardian> auf die Folgen der Palmölproduktion hingewiesen hatte, wurde ich mit wütenden Leserbriefen bombardiert, deren Verfasser weiterhin behaupteten, man könne und werde Biodiesel im eigenen Land produzieren. Aber die britische Regierung hat die Möglichkeiten einer Restriktion von Importen bereits überprüft und verworfen. In einem Bericht zu diesem Thema räumte sie ein:

Die hauptsächlichen Umweltrisiken werden wahrscheinlich jene sein, die mit jeder größeren Expansion der Anbaugebiete für nachwachsende Rohstoffe verbunden sind und besonders in Brasilien (bei Zuckerrohr) und Südostasien (bei Palmölplantagen) auftreten.72)

Als beste Möglichkeit, diesem Problem zu begegnen, wurde vorgeschlagen, den Import umweltschädlicher Biotreibstoffe zu verhindern. Also fragte die Regierung ihre Berater, ob ein Importverbot gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen würde. Die Antwort lautete <Ja>: »Verbindliche Umweltauflagen ... würden das Risiko internationaler Rechtsprobleme für die Politik als Ganzes deutlich erhöhen.«73) 

»Dann verändert die Welthandelsregeln!«, lautet die Antwort mancher Enthusiasten. Dieser Vorschlag hat vielleicht einiges für sich, aber wenn wir eine neue Welthandelsordnung brauchen, bevor wir ein Transportsystem mit reduzierten Kohlendioxidemissionen entwickeln können, dann sollten wir lieber gleich aufgeben. Jeder, der die Verhandlungen über die Welthandelsordnung verfolgt hat — wie lange sie brauchen und in welche Richtung sie sich entwickeln —, weiß, dass dieser Weg zu lange dauern würde. 

* (u2013) Das TTIP wird uns das Fürchten lehren  wikipedia.org/wiki/Transatlantisches_Freihandelsabkommen : "Auf Bedenken verfassungsrechtlicher Art stößt allgemein eine Klausel im Verhandlungs­mandat, die die Einrichtung sog. "Schiedsgerichte" regelt. Vor den Schiedsgerichten kann ein ausländischer Investor den Gaststaat wegen "indirekter Enteignung" auf Erstattung entgangener (auch künftiger) Gewinne verklagen (eine Klage Staat gegen Investor oder auch eine Klage inländischer Investoren gegen den Staat ist nicht möglich). Die Klage ist schon dann möglich, wenn ein Staat neue Umweltauflagen oder auch nur ein Moratorium (etwa für Fracking) beschließt (siehe Süddeutsche Zeitung [26] vom 5. Juli 2013)."

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Die Entscheidung der europäischen und nordamerikanischen Regierungen für die Entwicklung von Biotreibstoffen war unter Umweltaspekten die schädlichste, die sie je getroffen haben. Obwohl sie wussten, dass ein solcher Markt zu einem massiven Anstieg der Importe von Palmöl aus Malaysia und Indonesien sowie von Ethanol aus den Regenwaldgebieten Brasiliens führen würde, obwohl sie wussten, dass man nichts tun kann, um diese Entwicklung zu verhindern, und obwohl sie wussten, dass diese Exporte den Klimawandel eher beschleunigen als verzögern werden, haben unsere Regierungen diesen Weg eingeschlagen.

 

Wasserstoff ist eine interessantere Alternative. Wie unsere Häuser, so sagen die Befürworter, könnten auch unsere Autos ihre Energie aus Brennstoffzellen beziehen. Sie wären dann leise, würden beim Fahren keine Abgase erzeugen, und sie wären um etwa ein Drittel effizienter als mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren.

Das <Tyndall Centre> erklärt: »Brennstoffzellen können kontinuierlich mit einer Umwandlungseffizienz von 60% arbeiten, während internationale Verbrennungsmotoren eine maximale Effizienz von 40 bzw. 45% für Benzin und Diesel haben und normalerweise deutlich unterhalb dieses Niveaus liegen.«74)  Der Wasserstoff wiederum könnte aus Gas oder Kohle (mit Sequestration) oder durch Elektrolyse mithilfe erneuerbarer Energien gewonnen werden.

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Die Europäische Kommission hat bereits 2 Milliarden Euro für dieses Projekt bereitgestellt,75) und die Bush-Administration investiert eine ähnliche Summe.76) Die <US National Acadamy of Engineering> schätzt, dass 60% aller Neuwagen, die 2034 in den USA verkauft werden, mit Brennstoffzellen ausgestattet sein könnten, gibt jedoch zu, dass es sich dabei um eine »optimistische Vision« handelt.77 Die japanische Regierung sagt, sie wolle bis 2010 insgesamt 50000 und bis 2020 sogar fünf Millionen Wasserstoffautos auf den Straßen haben.78 In einem 2002 veröffentlichten Bericht erklärt das Tyndall Centre: »Die größeren Motorenhersteller prognostizieren, dass Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen 2004 in begrenztem Umfang verfügbar sein werden; Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff arbeiten, wird es in den nächsten fünf bis sieben Jahren geben.«79

Die Behauptungen der Hersteller waren Unsinn. Aber solche Übertreibungen werden auch von Leuten, die es besser wissen sollten, oft bereitwillig geschluckt. In ihrem 1999 veröffentlichten Buch <Öko-Kapitalismus> wollten Paul Hawken und Amory und Hunter Lovins demonstrieren, dass ihre Ideen von den Autoherstellern übernommen werden, und berichteten:

Im April 1997 kündigte Daimler-Benz ein auf 350 Millionen Dollar angesetztes Joint Venture mit der kanadischen Firma Ballard zur Entwicklung von Motoren mit Wasserstoff-Brennstoffzellen an. Das deutsche Unternehmen ging davon aus, dass es schon im Jahr 2005 100.000 Fahrzeuge dieser Art jährlich herstellen würde, was einem Siebtel seiner derzeitigen Gesamtproduktion entspräche. Sechs Monate später verkündete der Vorstandsvorsitzende von Toyota, er werde dieses Ziel übertreffen, und sagte voraus, dass Hybridautos im Jahr 2005 ein Drittel des weltweiten Automarkts erobert haben werden ... Im Frühjahr 1998 planten schon mindestens fünf Autohersteller die baldige Massenproduktuion von Autos im 3-Liter-Bereich.80) 

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Diese Autoren sollten vielleicht bedenken, dass der Vorstandsvorsitzende von General Motors 192g vorhersagte, seine Autos würden den 3-Liter-Bereich innerhalb von zehn Jahren erreichen.81 Die Motorenindustrie verkündet alle paar Monate großartige Prognosen dieser Art, um ihre Investoren in Aufregung zu versetzen und ihre Absichten zur Rettung des Planeten zu dokumentieren. Wir wären gut beraten, kein Wort davon zu glauben.

Gleichwohl sieht es allmählich so aus, als seien Wasserstoff-Brennstoffzellen eine machbare Technologie für den motorisierten Transport, wenn auch nicht innerhalb des von den Herstellern prognostizierten Zeitrahmens. Denn bevor diese neue Technologie in nennenswertem Umfang eingesetzt werden kann, sind noch einige größere Hindernisse zu überwinden.

Die augenfälligste Schwierigkeit besteht darin, dass man Wasserstoff nicht an Tankstellen kaufen kann. Das Henne-Ei-Problem, das ich in Kapitel 7 beschrieben habe, ist für mobile Brennstoffzellen noch schwieriger zu lösen. Stationäre Modelle lassen sich über eine einzige Leitung versorgen. Aber die Fahrer von Autos mit Brennstoffzellen müssen sicher sein können, dass sie in regelmäßigen Abständen Stationen für die Versorgung mit Wasserstoff vorfinden. Solche Stationen werden nur eingerichtet, wenn es einen entsprechenden Markt gibt, und der Markt kann sich nur entwickeln, wenn die Versorgung sichergestellt ist.

Dazu kommt das Problem der Speicherung, über das sich die Eigentümer stationärer Brennstoffzellen keine Sorgen machen müssen, sofern sie nicht ihren eigenen Wasserstoff produzieren. Autos müssten diesen Wasserstoff jedoch mitnehmen. Obwohl das Gas im Hinblick aufsein Gewicht die dreifache Energiedichte von Benzin hat, beträgt seine Energiedichte im Hinblick auf das Volumen nur ein Zehntel — bei einem Druck von 5000 Pfund pro Quadratinch. (Wasserstoff enthält 3 Megajoule Energie pro Liter bei 5000 psi. Benzin enthält 32 Megajoule bei Atmosphärendruck.82) 

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Das bedeutet, dass ein mit Wasserstoffbetriebenes Fahrzeug über einen Hochdrucktank verfugen müsste, der zehnmal so groß ist wie der eines mit Benzin betriebenen Wagens, um die gleiche Strecke zurückzulegen. Die Hochdrucktanks zu füllen dauert lange und könnte gefahrlich sein. Alternativ könnte man den Wasserstoff verflüssigen, aber wie ich in Kapitel 7 erwähnt habe, erfordert das sehr viel Energie. Sobald der Wagen abgestellt und der Motor ausgeschaltet wird, beginnt der Wasserstoff zu verdampfen. Die US National Academy of Engineering erklärt dazu: »Wir brauchen neue Lösungen, um Fahrzeuge zu entwickeln, die eine Reichweite von mindestens 300 Meilen haben ... Bisher gibt es noch kein System zur Speicherung von Wasserstoff, das leicht, kompakt, billig und sicher zugleich wäre.«83) 

Eine der neuen Lösungen, welche die Autohersteller erprobt haben, ist die »on-board re-formation« von Wasserstoff. Das bedeutet, dass es in den Autos eine Miniaturfabrik gibt. Die Treibstofftanks werden entweder mit Benzin oder mit Methanol gefüllt, und der »re-former« stellt daraus während der Fahrt Wasserstoff her. Doch solche Geräte sind teuer, schwer, ineffizient und haben eine lange Startzeit.84 Der wichtigste Einwand ist jedoch: Sie tragen nichts zur Verhinderung des Klimawandels bei, weil der Wasserstoff in diesem Fall nicht durch erneuerbare Energien erzeugt werden kann und weil auch keine Sequestration möglich ist. Von Vorteil wäre lediglich, dass die Autos leiser laufen und während der Fahrt weniger Abgase freisetzen. Alle diese Probleme gelten natürlich auch für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden.

So bleibt offenbar nur die Option übrig, den Wasserstoff in fester Form zu speichern. 

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Wasserstoff kann von Kohlenstoff gebunden oder zur Erzeugung von Metallhydriden verwendet werden, die das Gas (und einen beträchtlichen Anteil Wärme) freisetzen, wenn sie mit Wasser reagieren. Dieser Ansatz ist ebenfalls mit Problemen behaftet, beispielsweise dem Entweichen von Wasserstoff und den Reaktionstemperaturen.85 Die Hersteller konnten bislang nicht zeigen, wie es möglich ist, die verbrauchten Metallhydride im Auto zu extrahieren und zu re-cyceln. Aber DaimlerChrysler hat bereits Prototypen getestet, die mit Natriumborhydrid betrieben werden. Sie sind offenbar leicht genug und haben eine ausreichende Reichweite, um als Serienmodelle infrage zu kommen, vorausgesetzt, die anderen Probleme lassen sich eines Tages lösen.

Dann stellt sich die Frage der Kosten. Das Tyndall Centre berichtet, dass »Brennstoffzellen für Fahrzeuge derzeit ungefähr iooo Dollar pro Kilowatt kosten, während Verbrennungsmotoren auf einen Preis von 10 Dollar pro Kilowatt kommen«.86 Die National Academy erklärt, das ganze System »darf nicht mehr als ioo Dollar pro Kilowatt kosten, wenn mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge eine kommerziell akzeptable Option werden sollen ... und bis das geschieht, werden noch mindestens zehn Jahre vergehen«.87

Aber nur das System ist teuer, nicht der Treibstoff. Als das Öl 30 Dollar pro Barrel kostete, so die Tabellen der Academy, war 1 Kilogramm Wasserstoff, der aus Gas oder Öl produziert wurde, sogar mit Sequestration nur wenig teurer als 1 Kilogramm Benzin.88 Während ich dies schreibe, ist der Ölpreis ungefähr doppelt so hoch, was bedeutet, dass Wasserstoff gegenwärtig billiger ist als Benzin. Das gilt jedoch nicht, wenn er durch Elektrolyse erzeugt wird.

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Wasserstoffautos könnten zwar die Ölbohrtürme der Welt eines Tages überflüssig machen, aber sie würden massive Zuwächse bei anderen Arten der Energie­produktion erfordern. In Europa würde der Treibstoff wahrscheinlich aus Erdgas hergestellt, was natürlich den Abbau der Gasreserven beschleunigte. In Nordamerika, wo sich die Gasreserven im freien Fall befinden, wird man Wasserstoff aus Kohle erzeugen oder (was teurer ist) mithilfe der Elektrolyse unter Einsatz von Kernkraft oder Windenergie. Das würde grob gerechnet eine Verdoppelung der nationalen Stromproduktion erfordern.89,90

Aber das grundlegende Problem bei Autos, die mit Brennstoffzellen betrieben werden, besteht (wegen der erwähnten ungelösten technischen Schwierigkeiten) darin, dass ihre Entwicklung einfach zu langsam vorangeht, trotz der Milliarden, welche die Regierungen in den reichsten Ländern der Welt in diese Technologie investieren. Wenn man den gesamten Bericht gelesen hat, kommt einem die »optimistische Vision« der National Academy wie reines Wunschdenken vor. Die Autoren geben zu: »Obwohl ein Umstieg auf Wasserstoff das Energiesystem der USA langfristig enorm verändern würde, werden die Auswirkungen auf Ölimporte und Kohlendioxidemissionen während der nächsten 25 Jahre wahrscheinlich nur gering sein.«91

Diese Einschätzung teilt offenbar auch der New Scientist, der 2003 berichtete: »Es wird wahrscheinlich zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bevor Fahrzeuge, die mit Brennstoffzellen betrieben werden, auch nur ansatzweise auf dem Markt eine Rolle spielen.«92

Das bedeutet also: Mobile Brennstoffzellen könnten zwar eines Tages die Welt verändern, aber im Hinblick auf mein Ziel sind sie weitgehend nutzlos. Soweit es um die Senkung von Emissionen geht, wäre es sinnvoller, die Massenproduktion von Hypercars zu fordern — wofür es keine nennenswerten technischen Grenzen gibt — und nicht den Einsatz von Wasserstoff.

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Alternativ könnten wir noch darüber nachdenken, den Hauptnachteil von Elektroautos zu überwinden. Elektroautos existieren bereits, und einige neue Modelle sind so schnell, wie ein Auto sein sollte. Aber die Reichweite wird durch die Kapazität der Batterie begrenzt: Mit den besten Batterien lassen sich 100 bis 300 Meilen bewältigen, und es dauert Stunden, bis sie wieder aufgeladen sind. Der Energieexperte Dave Andrews schlägt als einfache Lösung ein Netzwerk von Batterie-Austauschstationen vor: Wenn eine Batterie leer wird, hält man bei der nächsten Station, zahlt eine Gebühr und tauscht sie gegen eine frische Batterie aus. Die Stationen könnten ihre Batterien mit dem Strom laden, den Offshore-Windanlagen zur Verfügung stellen, wenn der Wind stark und die Nachfrage gering ist. Damit würden die Kohlenstorfkosten ungefähr bei null liegen, die überschüssige Windenergie würde nicht verschwendet, und die Betriebskosten würden gering bleiben, weil man den Strom billig einkaufen kann. Verglichen mit einem Wasserstoff-Netzwerk sieht das nach einer wesentlich einfacheren und preiswerteren Möglichkeit aus, die Kohlendioxidemissionen im Straßenverkehr zu reduzieren. Wenn man bedenkt, dass die Alternativen sehr viel leichter zu entwickeln sind, ist es völlig unverständlich, dass unsere Regierungen so besessen von Wasserstoffautos sind.

In ihrem ausgezeichneten Buch <Car Sick> entwickelt die Transportanalystin Lynn Sloman etwas, was sie als »die 40:40:20-Regel«93) bezeichnet. Sie bezieht sich dabei auf australische Untersuchungen, die in drei englischen Städten und einer ländlichen Gegend in Mittelwales durchgeführt wurden. Unabhängig vom Standort könnten ungefähr 40 Prozent der Wege, die wir heute mit dem Auto zurücklegen, schon jetzt mit dem Rad, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden. 

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Für weitere 40 Prozent würden wir kein Auto brauchen, wenn die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Radwegen besser wäre. Nur für ungefähr 20 Prozent aller Autofahrten gibt es keine Alternative.

Die meisten Möglichkeiten, Autofahrer zum Umstieg auf andere Transportmittel zu bewegen, sind — gemessen an den Milliarden, die wir für den Bau von Straßen und Brücken ausgeben — einfach und billig. Eins der größten Probleme, so fand Sloman heraus, besteht darin, dass die Leute nicht ausreichend über vorhandene Dienste informiert sind. Durch Hausbesuche, bei denen als Werbegeschenke Freifahrtscheine verteilt wurden, konnten Busunternehmen in einigen Teilen Großbritanniens ihren Kundenkreis deutlich erweitern. Auch Werbeanzeigen können dazu beitragen, falsche Vorstellungen über die Alternativen zum Auto zu korrigieren: Eine Umfrage hat gezeigt, dass die Zeit, die man für einen Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln braucht, von 70 Prozent der Befragten überschätzt wurde, während 26 Prozent der Befragten die Zeit unterschätzten, die sie für denselben Weg mit dem Auto brauchen würden.94

Der öffentliche Personennahverkehr kann außerdem erheblich verbessert werden. In Deutschland, Holland und Dänemark legen die Kommunen, Bundesländer oder Provinzen fest, welche Dienstleistungen benötigt werden, und verlangen von den Verkehrsunternehmen, dass sie sich vertraglich verpflichten, diese Strecken entsprechend zu bedienen. In Großbritannien bleibt dagegen alles dem Markt überlassen. Die Unternehmen schicken ihre Fahrzeuge zu den lukrativsten Zeiten auf die lukrativsten Strecken, und die Busse werden geparkt, bevor man in die Verlegenheit kommt, den Fahrern Überstunden bezahlen zu müssen. Die Idee einer »Kreuz-Subventionierung« (die Gewinne, die auf viel befahrenen Strecken erwirtschaftet werden, gleichen die Verluste auf ruhigeren Strecken aus) wird in diesem Land häufig diskutiert, aber selten praktiziert.

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Unser öffentliches Transportsystem leidet unter einem Mangel an Vorstellungskraft. Eine Buslinie in Großbritannien bedeutet nur eins: Ein Bus pendelt nach einem bestimmten Fahrplan auf einer bestimmten Route hin und her. In Teilen von Holland, Deutschland, der Schweiz und Dänemark gibt es dagegen verschiedene Arten von Buslinien. Dazu gehören beispielsweise Taxibusse, die moderne Systeme wie GPS nutzen und über Callcenter bestellt werden können. Sie sind eine Art Sammeltaxi, das man im Voraus buchen kann. Es hält vor der Haustür und nimmt auf dem Weg noch weitere Passagiere auf, die es ebenfalls bestellt haben. Dann gibt es Busse, die regelmäßig auf wenig befahrenen Strecken verkehren, aber nur, wenn jemand sie vorher telefonisch bestellt hat.95) Auf diese Weise werden Kosten und auch Emissionen eingespart.

Andere europäische Länder — vor allem Holland, Deutschland und die Schweiz — verfügen außerdem über integrierte Transportdienste, wie sie in Großbritannien 1998 versprochen,96 aber bis heute nicht eingerichtet wurden. Zug- und Busfahrpläne sind aufeinander abgestimmt. Züge, Straßenbahnen und Busse befördern zu den meisten Tageszeiten Fahrräder kostenlos. Sichere Radwege sind miteinander verbunden und ziehen sich manchmal durch das gesamte Stadtgebiet.

In einigen wenigen britischen Städten wechseln sich Eltern darin ab, Kinder gruppenweise zu Fuß zur Schule zu begleiten. Dadurch verringern sie sowohl den Straßenverkehr als auch das Übergewicht. Weil man zur Begleitung einer solchen Kindergruppe nur zwei Erwachsene braucht — einen »Fahrer« und einen »Schaffner« —, müssen die Eltern nicht jeden Tag zur Schule fahren.

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All das ist weder teuer noch schwierig einzuführen, aber die meisten Kommunen und auch die nationale Regierung haben daran in Großbritannien ebenso wenig Interesse wie in den USA. Sie sind besessen von Stauungen — also von dem, was die Freiheit des Autofahrers behindert — und versuchen sie zu reduzieren, indem sie mehr Platz für das Auto schaffen.

Eine weitere Möglichkeit, wie wir die Kohlendioxidemissionen ohne den Einsatz neuer Technologien verringern können, besteht darin, dass wir die Notwendigkeit von Fahrten reduzieren. In Kapitel 9 schlage ich ein Einkaufssystem vor, das fast ohne den Einsatz von Privatwagen auskommt, wodurch die Kohlendioxidemissionen um rund 70 Prozent gesenkt werden könnten. Auch die Notwendigkeit für Fahrten zum Arbeitsplatz lässt sich reduzieren — wenngleich nicht in dem Umfang, wie die Befürworter uns glauben machen wollen.

Untersuchungen in Kalifornien, den Niederlanden und Deutschland kommen zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmer, die einen Teil ihrer Aufgaben zu Hause erledigen können, ihre wöchentlichen Fahrtstrecken für alle Zwecke um insgesamt 10 bis 20 Prozent senken.97 Dieser Wert könnte etwas darunter leiden, dass der entsprechende Personenkreis vielleicht versucht ist, weiter vom Arbeitsplatz — zu dem man weniger häufig fahren muss — entfernt zu leben.

Im Jahr 2001 haben 2,2 Millionen Menschen in Großbritannien (das sind 7,4 Prozent der Erwerbstätigen) mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause aus gearbeitet.98 Regierungsberater gehen von folgender Annahme aus: Wenn die Zahl der Telearbeiter so weiterwächst wie bisher, dann werden in zehn Jahren ungefähr 30 Prozent der britischen Erwerbstätigen zumindest einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus erledigen.99)

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Aber diese Gruppe kann nicht unbegrenzt weiterwachsen. Es ist schwer vorstellbar, wie Fabrikarbeiter, Verkäufer, Krankenschwestern, Fahrer, Bauarbeiter oder Gärtner einen nennenswerten Teil ihrer Arbeit zu Hause leisten könnten. Die Berater weisen ausdrücklich daraufhin, dass die Jobs, die am einfachsten nach Hause verlegt werden können (Computer- und Telefonarbeitsplätze), einem Dienstleistungsbereich angehören, der in letzter Zeit besonders stark angewachsen ist. Sie vergessen jedoch zu erwähnen, dass es sich dabei um genau die Sektoren handelt, die am meisten davon bedroht sind, nach Übersee verlegt zu werden: Wenn Ihr Chef Ihnen erlauben kann, von zu Hause aus zu arbeiten, dann kann er Ihren Job auch von Hyderabad aus erledigen lassen.

Eine Studie in den Vereinigten Staaten geht davon aus, dass 50 Prozent der dortigen Angestellten zu den »Informationsarbeitern« gehören und 80 Prozent dieser Gruppe von zu Hause aus arbeiten könnten. Damit würde der maximale Anteil der Telearbeiter bei rund 40 Prozent der Erwerbstätigen liegen.100 Wenn jeder, der das könnte, zwei Tage pro Woche daheim arbeitete, dann würde die Zahl der Fahrten zum Arbeitsplatz um 16 Prozent sinken. 

Das ist eine optimistische Schätzung. 

Eine Meinungsumfrage in Großbritannien kommt zu dem Ergebnis, dass von denen, die Computer bei der Arbeit nutzen, aber noch nicht von zu Hause aus arbeiten, 77 Prozent das auch nicht wollen, 17 Prozent es gern täten, aber nicht dürfen, und nur 7 Prozent es tun würden und könnten.101 Aber ein Rationierungssystem für Kohlenstoff würde diese Verhältnisse ändern, und mithilfe von Videobreitband könnte man darüber hinaus dem Gefühl der Isolation entgegenwirken, das die Leute oft davon abhält, zu Hause zu bleiben.

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Es gibt auch ein gewisses Potenzial für Fahrgemeinschaften. Verschiedene Firmen und Behörden in Großbritannien ermutigen ihre Mitarbeiter schon, Fahrgemeinschaften zu bilden, oder setzen Minibusse für die Fahrt zum Arbeitsplatz ein. Eine Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich 14 Prozent der Mitarbeiter jener Firmen, die Fahrgemeinschaften organisieren, tatsächlich Gebrauch davon machen.102 Zwei der Unternehmen — Marks and Spencer Financial Services und Computer Associates, die beide finanzielle Anreize für die Teilnahme an Fahrgemeinschaften bieten — haben ungefähr ein Drittel ihrer Belegschaft davon überzeugen können, sich an den Fahrgemeinschaften zu beteiligen.103

Es gibt auch Fahrgemeinschaften für Leute, die nicht im selben Unternehmen arbeiten. Um das Liftshare-System zu nutzen, braucht man beispielsweise nur die vorgesehene Strecke und das gewünschte Datum auf der betreffenden Webseite anzugeben und zu erklären, ob man eine Mitfahrgelegenheit sucht oder anbietet. Das System versucht dann, jemanden zu finden, der denselben Weg hat.104 Auf der Webseite findet man Angaben über die Fahrtkosten und die Kohlendioxidemissionen, die man einspart, wenn man eine Fahrgemeinschaft bildet. Mit anderen Worten: Es ist eine Art von Anhaltersystem, bei dem man nicht am Straßenrand im Regen stehen muss, während sich die Volvo-Fahrer über einen lustig machen. Vermudich bietet es auch mehr Sicherheit. Liftshare behauptet, 104000 Mitglieder zu haben, die jährlich gemeinsam mehr als 41 Millionen Kilometer zurücklegen. 32 Prozent der Anfragen führen angeblich zu einer Fahrgemeinschaft.105 Die hier genannten Zahlen — das gilt sowohl für die Firmenkonzepte als auch für die öffendichen Systeme — lägen erheblich höher, wenn es ein Rationierungssystem gäbe, das für die Leute ein Anreiz wäre, die Kohlenstoffkosten für ihre Fahrten zu teilen.

Alle diese Vorschläge würden wahrscheinlich nicht nur die Kohlendioxidemissionen senken, sondern genauso effizient das Gemeinschaftsleben fördern. Gerade bevor ich dieses Kapitel geschrieben habe, bin ich von meinem Haus zur Bäckerei gegangen, die vier Straßen entfernt liegt. Auf dem Weg sind mir sechzehn Leute begegnet, von denen ich zwölf mit Namen kannte. Ich war lange unterwegs, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie ich meine Zeit besser hätte verbringen können.

Es ist nicht schwierig zu erkennen, wie ein allgemeiner Umstieg auf Hypercar-Technologien oder Elektrofahrzeuge in Verbindung mit einer Rückkehr zu niedrigeren Geschwindigkeiten und Leistungsstandards, begleitet von Fahrgemeinschaften, Telearbeitsplätzen, einem autofreien Einkaufssystem, besseren öffentlichen Verkehrsmitteln und besseren Rahmenbedingungen für Radfahrer und Fußgänger die Emissionen auf den Transportwegen, die nicht durch Storkeys System zu ersetzen sind, um 90 Prozent oder mehr senken könnte. 

Aber das Problem ist kein praktisches, sondern ein politisches. Die Regierungen müssen zu Entscheidungen kommen, wie ein Transportsystem am besten zu betreiben ist, statt sich immer nur zu fragen, wie man die besten Bedingungen für den privaten Autoverkehr schaffen kann. Das bedeutet die Konfrontation mit einer Lobby, die offensichtlich von Jahr zu Jahr selbstbewusster wird, weil eine dem Prinzip der Willensfreiheit folgende und durch Autofahren ermutigte Politik dafür sorgt, dass es immer schwieriger wird, den Autofahrern Grenzen aufzuerlegen. Je länger die Regierungen Ausflüchte machen, desto weniger plausibel werden substanzielle Veränderungen. Das Problem, das in anderer Hinsicht das am einfachsten zu lösende in diesem Buch darstellt, gerät dadurch in die Gefahr, unlösbar zu werden. Eine unserer größten politischen Herausforderungen besteht darin, zu beweisen, dass Ilya Ehrenburg unrecht hatte.

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