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Leseberichte zu Amüsieren

 

 

 

matthias wippich  aus Bochum, 2000
Fernsehen und Aufklärung
Wer verstehen will, was der momentan in Deutschland viel diskutierte Begriff der „Spaßgesellschaft" bedeutet, sollte dieses Buch lesen. Wer sich fragt, warum ein Politiker in einem Wahlkampf erfolgreich sein kann, obwohl er auf politische Argumentation weitgehend verzichtet und statt dessen als Fallschirmspringer und durch Auftritte in fragwürdigen aber populären Fernsehshows in Erscheinung tritt, wird in Postmans Buch die Antwort finden.

Was in den USA schon vor zwanzig Jahren voll entwickelt war, zeigt sich in Deutschland aufgrund der späteren Einführung des Privatfernsehens erst jetzt in aller Deutlichkeit: Die Umwandlung des rationalen öffentlichen Diskurses in reines Entertainment. Postman zeigt eindrucksvoll und in gut lesbarem Stil, wie das Fernsehen jedes Thema - Politik, Kultur, Erziehung, Bildung, etc.- in Unterhaltung verwandelt, und wie dieser Prozess eine der wesentlichsten Errungenschaft der Aufklärung zerstört: die Fähigkeit zur rationalen Urteilsbildung. Der öffentliche Diskurs im Zeitalter des Fernsehens wird nicht mehr länger von der Vernunft in Gestalt der sprachlichen Argumentation bestimmt, sondern durch Stimmungen und Gefühle, beliebig hervorgerufen durch die suggestive und manipulative Macht der Bilder.

Eine Entwicklung, die Postman zufolge die Grundlagen der Demokratie zersetzt und in eine neue Unmündigkeit führt. Ein im besten Sinne aufklärerisches und immer noch hoch aktuelles Buch.

 


Markus Thiede  aus Mittweida, 2000
Viele wichtige Erkenntnisse, allerdings leicht veraltet
Neil Postman beschreibt in diesem Buch die medialen Verhältnisse in Amerika, wie sie Mitte der 80er Jahre waren. Aus heutiger Sicht sicherlich ein dunkles Kapitel der Mediengeschichte. Viele der Probleme, die Postman aufzeigt, sind heute nicht mehr aktuell, und waren in Deutschland aufgrund des dualen Fernsehens nie so gravierend. Das Buch hilft dabei, die "Kultur" der Amerikaner zu verstehen, liefert viele allgemeingültige erkenntnistheoretische Ansätze, die auch für das eigene Verständnis von Medien und Wahrnehmung wichtig sind. Das Buch ist auf alle Fälle lesenswert - nicht nur für Medienmenschen.

 


branca01 aus Uni Passau, 1999

"Wir amüsieren uns zu Tode" ist mittlerweile auch schon wieder 14 Jahre alt und hat nicht im geringsten an Aktualität verloren. Nur, dass zum Medium Fernsehen noch das Internet hinzugekommen ist. Allerdings ist Fernsehen nur eines der vielen Mittel, mit denen wir uns "zu Tode amüsieren", ein Teil unserer "Spaßkultur". Gerade Vielfernseher werden dieses Buch wohl entweder nicht aufschlagen oder bald wieder aus der Hand legen, wenn sie solche bleiben wollen. Den wen Postman einmal in seinen Bann gezogen hat, den läßt er nicht mehr los und danach ist man um einiges kritischer und skeptischer als zuvor. Das Buch ist nahezu unerläßlich lesenswert, eigentlich für jeden von uns. Als Schullektüre ist es erst ab etwa der 10. Klasse zu empfehlen, weil es teilweise recht anspruchsvoll ist. Ich las es auf einen eindringlichen Hinweis meines Lieblings- Deutschlehrers hin und sehe seither mit anderen Augen fern und noch seltener als früher.


Andreas Sayegh aus Berlin, 1999

Treffende Analyse der Medien-Gesellschaft
Wer schon immer das seltsame Gefühl hatte, daß das Fernsehen unsere Gesellschaft zum Schlechten hin verändert, und nur nicht genau wußte, woran das liegen mag und welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, findet in Postmans Diskussionsbeitrag viel Erhellendes. Obwohl dieses Buch bereits 1984 erschienen ist und nur das amerikanische Fernsehen kritisiert, findet man sich bestens zurecht, weil die kritisierten Eigenschaften des Fernsehens auch bei uns immer stärker werden. Letztlich ein unverzichtbares Buch, das manche deutschen Fernsehsender wohl als Gebrauchsanweisung mißverstanden haben.

                

 

 

 

Kritische Rezension zu "Wir Amüsieren uns zu Tode"

Nicht mehr zeitgemäss  - 6. Juni 2003 -  Rezensent: M. Ostertag  aus Hannover

Die abstumpfende Wirkung des Fernsehens und seinen enormer Einfluss auf das Meinungsbild des Menschen kann heutzutage nicht mehr abgestritten werden. Medienkritik, in egal welcher Form, ist ein beliebtes Thema und hat auch meine eigene Unterstützung.

Um eine grösstmögliche Glaubwürdigkeit zu erlangen, sollte sich der Verfasser eines medienkritischen Buches bemühen sich weniger an die Erscheinungen seiner jeweiligen Epoche zu binden und einen etwas objektiveren Ton anschlagen, wenn er es nicht anderweitig ausgleichen kann. 

Neil Postman ist in seinen Beschreibungen so stark auf die Amerika-interne Bildungsgesellschaft fixiert, dass es für den Normal-Europäer unmöglich ist einen klaren Durchblick zu bewahren, und da er keinen stichhaltigen Beleg für seine Befürchtungen und Anschuldigungen vorweisen kann, geht das Buch am Kern seines Problems vorbei.

Es ist mir unerklärlich wie dieses Buch zur Mutter aller Medienkritik aufsteigen konnte - in den achtziger Jahren als das Buch erschien war es vielleicht noch sinnvoll, aber mittlerweile wurde „Wir amüsieren uns zu Tode" in seiner sozialen Anti-Utopie bereits so oft von der Realität eingeholt, dass man es als einfach nicht mehr aktuell bezeichnen kann.

Anhand der Vorlage der Gesellschaft aus Huxleys „Brave New World" in der alle Menschen in einem Zustand nie endender kindischer Seeligkeit leben, zeigt Neil Postman wie sich die Unterhaltungsindustrie von Heute negativ auf den Menschen von Morgen auswirken wird. Der Homo Americanus sei bereits „heute" schon so an kurze informationsprägnante Bilderreihen gewöhnt, dass es ihm unmöglich sei, sich auf längere geistige Prozesse, die Kooperation erfordern, wie lesen, oder einer Ansprache zuhören, zu konzentrieren.

Aber damit ist für Postman noch nicht Schluss - sein medienkritischer Ansatz verwandelt sich sehr schnell in eine erzkonservative Litanei, ob dem Verbleib der guten alten Zeit. Nicht nur das Fernsehen ist Zielscheibe seiner Kritik - jede Innovation auf dem Gebiet der Telekommunikation und jedes Massenmedium stellt für Postman einen potentiellen Zerstörer von althergebrachten Werten wie Religion, Ehe und Familie dar.

Seiner Ansicht nach wurde der erste Schritt in Richtung Bequemlichkeitsgesellschaft bereits im 12. Jahrhundert getan - mit der Erfindung der Brille, die der Verfasser mit moderner Genforschung gleichsetzt. Mit der Erfindung der Augengläser mussten Menschen sich nicht mehr mit ihrem „gottgegebenen" Schicksal abfinden; Designerbabies seien das direkte Resultat.

Die Erfindung des Telegrafenapparats, anfang des 19. Jahrhunderts, ist in Postmans Augen eine besonders scheußliche Angelegenheit, da durch eine derartige Massen-fernkommunikation, der Grundstein für modernes Massendruckmittel gelegt wurden; und auch die schändliche Wirkung der beiden Worte „Und Jetzt" mit der Nachrichtensprecher einen Wechsel ankündigen bietet für ihn ausreichend Diskussionsstoff (man muss es gelesen haben um es zu glauben).

Als Beispiele, dass früher aber doch alles besser war, zieht Postman die Kandidatur von Abraham Lincoln und seines Gegenkandidaten die oftmals lange Reden hielten. Aber zur Zeit, da es noch kein Fernsehen gab waren die Amerikaner wohl mühelos imstande eine derartige Ansprache zu verfolgen. Allerdings ist es wohl mehr als umstritten ob jemals Politiker über sieben Stunden redeten, und auch dass Lincoln seine Zuhörer bat, sie mögen vor Beginn seiner Rede nach Hause gehen, eine Mahlzeit zu sich nehmen und sich etwas ausruhen und dann zurückkommen (was sie laut Postman auch taten) halte ich für strittig.

Zu guter letzt hat es ein Grossteil der Opfer von Postmans Kritik niemals auf den europäischen Unterhaltungsmarkt gebracht. Diverse Tele-Evangelisten, und ihre einzelnen Shows über die sich Postman ausführlich auslässt, sind auf der anderen Seite des Teiches einfach nicht bekannt, ebenso wie die meisten Nachrichtensprecher oder Senats­kandidaten von Oklahoma oder Arkansas.

Da die Gesellschaft zweifelsohne noch weiter verflacht ist, wurden auch andere medienkritische Bücher geschrieben. Umfassendere, aktuellere und vor allem objektivere. Vielleicht sollte man sich langsam über ein Gesetz Gedanken machen, das ein Ausleseverfahren für literarisches Alteisen vorsieht, denn „Wir amüsieren uns zu Tode" kann nach gut 20 Jahren einfach nicht mehr überzeugen.

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Replik

detopia-2006

Ein wissen-wollender Mensch braucht Postmans Buch (oder ein ähnliches, wie jetzt etwa: "Gossenreport" von Henschel) (nur) als Anstoß, um selbst frei nachdenken zu können und um <wieder klarzusehen>. Daher muss es ein breitentaugliches Buch sein. Und weil die Leute heute an 'Polemik' gewöhnt sind, muss es auch das Buch sein.

Mir ist kein gleichwertiges radikales und gut lesbares Medien-Buch bekannt. Der Rezensent nennt leider kein Beispiel für ein heutiges besseres Buch.

In vielen Bücher kommt die kulturelle Wirkung der (realen) Medien nur am Rande vor, oder als Frage.

detopia-2020

Natürlich kann man alles später verbessern. Insofern wünsche ich mir auch ein aktuelles Buch über die deutsche Massenmedienindustrie. Ich habe auch einige modernere als Postman, der aber prinzipieller Kulturkritiker ist - und das wagen nicht viele.

Man verbreitere sein Wissen auf den detopia-Seiten  Aufmerksamkeit  -  Bildzeitung  -  Sprachverhunzung

Rainer Funk - Lutger Lütkehaus - Günther Anders - Bernd Hamm - usw.

 

 

 

 

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