Jeremy RifkinDer globale green New Deal
Warum die fossil befeuerte Zivilisation um
2028 kollabiert -
The Green New Deal. Why the Fossil Fuel
Civilization
2019 bei St. Martin’s Press, New York. 2019 bei Campus |
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2019 dnb.Buch (1) Bing.Buch
detopia |
Aus der Verlagsleseprobe
Lesen vom Verlag bis Seite 20 Green New Deal
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vorden ker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington. Seine Bücher sind internationale, in 35 Spra chen übersetzte Bestseller und lösten weltweite Debatten zu den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen aus, siehe auch Das Ende der Arbeit, Access und zuletzt Die Null-Grenzkosten Gesellschaft. Rifkin berät zahlreiche Organisationen und Regierungen – unter anderem Deutschland, die EU, China – und unterrichtet an der renommierten Wharton School der University of Pennsylvania. Aus dem Englischen von Bernhard Schmid Campus Verlag Frankfurt/New York
Copyright © 2019 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main. Für Carol, auf deren Vorschlag hin ich dieses Buch schrieb. Du warst mir wie immer weit voraus. |
INHALT Vorwort für die deutsche Ausgabe (9) Hinweis des Autors (17) Einleitung (19) TEIL I DER GROSSE BRUCH: DIE ENTKOPPLUNGSSTAMPEDE UND GESTRANDETE ANLAGEWERTE
TEIL II
Dank 279 Anmerkungen 281 Register 315 |
Vorwort für die deutsche Ausgabe
von Jeremy Rifkin
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2018 verzeichnete Deutschland die höchsten Durchschnittstemperaturen seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen.(1) Frühjahrshochwasser, sommerliche Hitzewellen und Dürren sind das neue Abnormal. Während ich an diesen Zeilen sitze, herrschen in weiten Teilen Europas Temperaturen von 40 bis 45 Grad Celsius; Indien leidet gar unter 50 Grad Celsius, während das Thermometer im Nahen Osten hier und da sogar auf 52 bis 55 Grad Celsius steigt.(2)
Der kumulierte CO2-Ausstoß als Folge von mehr als zwei Jahrhunderten Befeuerung unserer fossilen Zivilisation durch Kohle, Öl und Erdgas hat die Welt ins sechste Massenaussterben auf unserer Erde geführt – und dazu wird es noch in der Lebensspanne der Generation kommen, die derzeit das Laufen lernt.
In einer Art und Weise, die sich noch kaum ausloten und deren Folgen sich noch nicht wirklich ermessen lassen, gewinnt die Erde rund um uns Stück für Stück ihre alte Unbezähmbarkeit zurück.
In Deutschland bildete sich als erster Nation überhaupt in Tausenden von Gemeinden eine massive Basisbewegung zur Überführung des Landes in eine grüne emissionsfreie ökologische Gesellschaft heraus. Diese Anstrengungen weitete man im Folgenden auf ganz Europa aus, und als Deutschland 2007 die Präsidentschaft des Rats der Europäischen Union innehatte, konnte es damit erheblich zum »20–20–20-Paket« beitragen, einem Abkommen unter den EU-Staaten, bis 2020 für eine 20-prozentige Steigerung der Energieeffizienzen und eine 20-prozentige Anhebung des Anteils an »Erneuerbaren« zu sorgen sowie ihre CO2-Emissionen um 20 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu reduzieren.3 Der Rest der Welt zog nach.
Heute werden 35 Prozent des deutschen Stroms aus Erneuerbaren – größtenteils Wind- und Solarenergie – gewonnen, was durch aus als Maßstab für andere Nationen zu werten ist.(4) Aber jetzt, meine lieben deutschen Freunde in Bundesregierung, Geschäftswelt, Arbeiterschaft und Zivilgesellschaft, muss ich Ihnen bei aller Bewunderung nach unserer langjährigen Zusammenarbeit sagen, dass die deutsche Entwicklung ins Stocken geraten ist, während sowohl die Volksrepublik China als auch inzwischen Kalifornien und New York nach vorn preschen und als Schrittmacher für den Übergang in eine kohlenstofffreie Ära fungieren.
Man könnte nun vermuten, dass diese Rücknahme des Tempos bei der Energiewende auf eine einsetzende Ermüdung zurückzuführen sei, vielleicht will Deutschland sich auch auf den Lorbeeren aus ruhen. Aber dem ist nicht so. Meinungsumfragen zufolge befürworten 74 Prozent der deutschen Bevölkerung bei der Energiewende ein stärkeres Engagement des Staats auf allen Ebenen. Und überwältigende 95 Prozent der Öffentlichkeit stehen hinter der Umstellung der Energieerzeugung auf Erneuerbare, und das, obwohl der Umstieg auf grüne Energien allein in den letzten fünf Jahren 160 Millionen Euro gekostet hat.5
Nein, das Problem ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass der Klimawandel den Schätzungen von 2007, als Deutschland sich seine für die damalige Zeit äußerst ehrgeizigen Ziele zur Begegnung der Erderwärmung setzte, weit vorausgeprescht ist. Die deutsche Regierung ist sich des Missverhältnisses zwischen besagten Prognosen beziehungsweise den Zielen der Energiewende und der seither aus dem Ruder gelaufenen Exponentialkurve bei der Erderwärmung durchaus bewusst. Die für das Monitoring der deutschen Energiewende zuständige unabhängige Expertenkommission gesteht freimütig ein, dass der Übergang mit dem Tempo, in dem sich die Klimakrise entwickelt, nicht Schritt gehalten hat; die eigentlich notwendige Skalierung der Gegenmaßnahmen sei ausgeblieben, insbesondere in den infrastrukturellen Schlüsselbereichen der dramatisch expandieren den Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien, beim Aufbau eines bundesweiten smarten digitalen Stromnetzes, bei der Überführung des Transportsektors auf autonome, durch grüne Energie betriebe ne Elektrofahrzeuge und schließlich bei der Nachrüstung des Bau bestands, den es widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen gilt.
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Wir müssen uns endlich das ungeheure Ausmaß der benötigten Änderungen vor Augen führen, um der vom Weltklimarat ausgesprochenen Mahnung Folge zu leisten, laut der der CO2-Ausstoß weltweit so zu reduzieren ist, dass wir die Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius halten, da wir andernfalls eine Kaskade klimatischer Rückkopplungseffekte zu gewärtigen haben, die rund um die Welt zum Zusammenbruch der Ökosysteme führen werden und damit letztlich unser aller Überleben bedrohen.
Einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen und vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft bearbeiteten Studie zufolge bedarf Deutschland mehr als des Zwölffachen der gegenwärtigen Zahl von Offshore-Windturbinen, einer Verdreifachung der Zahl der Onshore-Windturbinen sowie einer Reduzierung des Strombedarfs aufgrund erhöhter Effizienzen und einer Reduzierung der Heizwärme um nahezu die Hälfte des Werts von 2012.6
Interessanterweise sind es nicht nur die Umweltorganisationen, die Alarm schlagen und einen beschleunigten Ausstieg aus der fossil befeuerten Zivilisation fordern. Auch der mächtige Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) redet beim Klimawandel ein Wörtchen mit und spricht von der dringenden Notwendigkeit eines Übergangs zu einer grünen Wirtschaft. Eine Studie des BDI in Zusammenar beit mit deutschen Schlüsselindustrien kommt zu dem Schluss, dass man beim Tempo des Ausbaus einer emissionsfreien Infrastruktur und Wirtschaft der dritten industriellen Revolution durchaus zule gen könnte. So fordert der BDI zum Beispiel eine Verdoppelung des Tempos bei der Sanierung des Gebäudesektors und befürwortet eine neue Regelung, die »nahe Passivhausniveau« für neue Wohngebäu de zur Pflicht machen würde.7
Cyril Stephanos von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften sagte dazu, »das Bemerkens werte an der BDI-Studie ist, dass die deutsche Industrie die Energie wende technisch und wirtschaftlich bis 2050 für erreichbar hält«.8
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Nicht nur das! Wie wir auf den folgenden Seiten zeigen werden, ist der Übergang zu einer voll funktionsfähigen emissionsfreien grünen Infrastruktur und Wirtschaft sogar noch vor 2040 machbar, und be schleunigen wird dies der Zusammenbruch des Marktes unserer fos sil befeuerten Zivilisation bis 2028, der zu gestrandeten Anlagewer ten in Höhe von Billionen US-Dollar über alle Bereiche der fossilen Zivilisation hinweg führen wird.
Das Tempo des Übergangs wird zu einem Gutteil durch die ra pide sinkenden Kosten für Solar- und Windenergie bestimmt. Die Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Electricity, LCOE) bei So larinstallationen in Kraftwerksgröße ist auf 36 US-Dollar pro Mega wattstunde gesunken, bei Windkraft gar auf 29 US-Dollar pro Mega wattstunde. Das macht sie »billiger als selbst die effizientesten Gaskraftwerke und Kernreaktoren«.9
Hier kommt einfach der Markt zu Wort, und Deutschland wird sich wie alle anderen Nationen auch den Marktkräften anpassen müssen, wenn es überleben und weiter gedeihen will.
Auch wenn die wirtschaftlichen Metriken einen weit rascheren Übergang als den vom BDI geschätzten begünstigen, letztlich ist es das plötzliche Bewusstwerden des sich heute in Echtzeit vor unse ren Augen abspielenden sechsten Massensterbens der Erdgeschich te, das Millennials und Generation Z zur Gründung der sozialen und politischen Bewegungen motiviert, die derzeit rund um den Globus entstehen und die aller Wahrscheinlichkeit nach in den kommenden Jahrzehnten an Fahrt gewinnen werden, wenn sie sich mit der Aus sicht auf das Aussterben der menschlichen Rasse auf unserer Erde konfrontiert sehen.
Das Konzept eines Green New Deal, das in Deutschland wie im übrigen Europa vor mehr als zehn Jahren aufgekommen ist, hat mit einem Mal seinen Weg über den Atlantik nach Nordamerika gefun den, von wo aus es sich auf alle anderen Kontinente ausgebreitet hat, sodass Deutschland einmal mehr zum Epizentrum eines neuen Nar rativs mit einer Strategie zur Rettung des Planeten wurde. Die Ein stellung dieser hoch motivierten Generationen – »Was immer nötig ist!« – kommt einer weltweiten Revolte gleich, die das Business-as usual von Staat und Wirtschaft herausfordert – etwas, das es in dieser Größenordnung in der Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat.
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Aber kommen wir wieder auf Deutschland zurück, wo zunehmend heftige Klimaereignisse der Energiewende neues Leben einge haucht haben. Lassen Sie mich also kurz auf die jüngsten deutschen Entwicklungen im Bereich des Green New Deal eingehen.
So hat etwa die Kohlekommission der Bundesregierung einen ambitionierten Plan zum totalen »Ausstieg aus der Kohle« innerhalb der nächsten zwanzig Jahre vorlegt; gleichzeitig will man den von der Kohle abhängigen Regionen mit 40 Milliarden Euro bei einem ra schen und »gerechten Übergang« vom Kohleabbau zu erneuerba ren Energien, einem nachhaltigen Tech-Sektor sowie einer geeigne ten Arbeiterschaft unter die Arme greifen – mit anderen Worten, den Schlüsselelementen einer kohlenstofffreien Wirtschaft der dritten in dustriellen Revolution.10
Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein umfassendes neu es Gesetz zum Aufbau eines bundesweiten digitalisierten, voll ope rationsfähigen smarten Stromnetzes bis 2025 verabschiedet, das die steigenden Kapazitäten von Solar- und Windkraft aus der wachsen den Zahl von Mikronetzen in den Gemeinden der Republik aufneh men und verwalten kann.11 Dieses bundesweite »Smart Grid« wird seinerseits den Transport der anvisierten Kapazitäten von Sonnen und Windstrom aus den weniger dicht besiedelten nördlichen Lan desteilen in die dichter bevölkerten Regionen im Westen und Süden des Landes ermöglichen.12 Im Februar 2018 gab die Bundesregie rung begleitend bekannt, bis 2030 65 Prozent des deutschen Stroms aus Erneuerbaren gewinnen zu wollen, womit Deutschland einmal mehr der EU, ja, dem Rest der Welt ein atemberaubendes Tempo vorgab.13 Die aneinander grenzenden Bundesländer Bayern, Hessen und Thüringen haben sich mit der Bundesregierung auf den Bau von 7 700 Kilometern neuer beziehungsweise erneuerter Stromleitungen geeinigt, die, wo immer das möglich ist, unterirdisch verlegt werden sollen.14 Um den Übergang zu einem bundesweiten Stromnetz zu beschleunigen, lockert man darüber hinaus, ohne dabei die Ökologie aus den Augen zu verlieren, die eine oder andere Verordnung, und auch Bürgern und Gemeinden räumt man ein Mitspracherecht bei der Planung ein.
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Volkswagen, BMW und Daimler haben Pläne bekannt gegeben, die auf nichts Geringeres hinauslaufen als eine Auslauffrist für den Verbrennungsmotor sowie die Masseneinführung des Elektrofahrzeugs im Verlauf des kommenden Jahrzehnts. Volkswagen, wo man die schwindelerregende Summe von 80 Milliarden Euro für diesen Übergang bereitgestellt hat, sagt, man werde bis 2025 fünfzig neue batteriebetriebene Fahrzeugmodelle (BEVs) auf dem Markt haben, und erwartet, beim Verkauf der Markenmodelle VW, Skoda, Seat, Audi und Porsche 2029 die 22-Millionen-Marke zu überschreiten.15
Daimler hat 42 Milliarden Euro bereitgestellt, um in den nächsten Jahren Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen; bei BMW sind es 50 Milliarden Euro, hier will man bis 2025 zwölf Elektrofahrzeu ge dem Markt bereitstellen.16 BMWs Elektroautos werden einen Ra dius von 700 Kilometern haben, bevor ein Aufladen nötig wird; au ßerdem sollen in den Fahrzeugen Akkus ohne seltene Erden verbaut werden.17 Den Prognosen verschiedener Autohersteller zufolge wird der Preis für Elektrofahrzeuge bis 2025 mit dem von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren gleichziehen.18 Volkswagen hat bereits die letzte Generation von Benzin- und Dieselmotoren vor 2026 bekannt gegeben, womit das Endspiel für den Verbrennungsmotor beginnt.19
Volkswagen hat darüber hinaus bekannt gegeben, bis 2025 in ganz Europa 36000 Ladestationen für E-Fahrzeuge aufzustellen.20
Das sind nur einige der gewaltigen Veränderungen, die sich – von Deutschland ausgehend – auf alle anderen Kontinente ausbreiten werden. Sie bedeuten nichts anderes als den unmittelbar bevorste henden Kollaps der fossil befeuerten Zivilisation und die Herauf dämmerung einer grünen Ära. Bereits im Verlauf der nächsten acht Jahre wird das dramatische Ende der fossilen Ära weltweit in Form von gestrandeten Anlagewerten im fossilen Sektor in Höhe von Bil lionen US-Dollar zu beobachten sein. Das Endspiel der fossil befeu erten Zivilisation erfordert die umgehende weltweite Mobilisierung nicht nur des öffentlichen, sondern auch des Marktsektors und der Zivilgesellschaft in jedem Land, jeder Region, jeder Gemeinde.
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Ziel sind Ausbau und Scale-up einer voll integrierten und voll funktions fähigen Infrastruktur der dritten industriellen Revolution, die das digitale Kommunikationsinternet, das digitale nachhaltige Energieinternet und das digitale Mobilitäts- und Logistikinternet auf einer in den Gebäudebestand integrierten Matrix des Internets der Dinge vereint. Diese Vereinigung sorgt für eine nahtlose smarte Infrastruktur für Management, Energieversorgung und Bewegung von Wirtschaft, Sozialleben und Governance im Deutschland des 21. Jahrhunderts.
Marktkräfte allein werden diesen Übergang nicht zuwege bringen. Die Bundesregierung wird sich zur Ausarbeitung eines Fahrplans für den Aufbau der Infrastruktur eines Green New Deal mit den sechzehn Ländern und den örtlichen Kommunen und Gemeinden kurzschließen müssen, bevor man zur zügigen nationalen Bereitstellung übergehen kann. Zeitgleich kann die deutsche Industrie ihr einschlägiges Wissen mit den achtundzwanzig Mitgliedsstaaten und 350 Regionen Europas teilen.
Es gilt nun, die revolutionäre Energie der Vision des Green New Deal zu nutzen, um die Aufgabe der Überführung Deutschlands und der übrigen Welt in eine ökologische Ära anzugehen. Dieser Übergang ist weltweit in fünfzehn bis zwanzig Jahren zu bewerkstelligen. Dies ist eine gewaltige Aufgabe von enormer Tragweite, aber sie ist machbar. Für Deutschland bedeutet das jetzt, die Ärmel hochzukrempeln, sich die Vision des Green New Deal zu eigen zu machen und die Welt in eine nachhaltige kohlenstofffreie Zukunft zu führen.
In den folgenden Kapiteln werden wir immer wieder auf Deutschlands Beitrag zum bevorstehenden Paradigmenwechsel zu sprechen kommen. In gewissem Sinne hat die Bundesrepublik sowohl den Funken geschlagen für diese gewaltige Wende als auch die Rolle des »Kanarienvogels« in der Mine übernommen. Ihre Erfolge, Heraus forderungen und Defizite beim Übergang zu einer dritten industriellen Revolution und einer ökologischen Zivilisation sind eine unbezahlbare Anleitung für andere Länder und Regionen, mit eigenen Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel nachzuziehen.
Diese historische Transformation führt die Welt aus einem im Sterben begriffenen Narrativ, das wir am besten als »Zeitalter des Fortschritts« bezeichnen, in eine neue Ära, die treffend mit dem Begriff »Zeitalter der Widerstandsfähigkeit« bezeichnet ist.
Ich hatte das Privileg, nicht nur mit den letzten drei Koalitionsregierungen der Bundesrepublik zusammenarbeiten zu dürfen, sondern auch im Lauf der Jahre mit zahlreichen Unternehmen und Universitäten von Weltrang sowie Organisationen der Zivilgesellschaft.
Ich bin nach wie vor inspiriert vom Mut wie von der Hartnäckigkeit der Deutschen und, nicht zuletzt, von ihrem Sinn für die Verantwortung für die Natur, unsere Mitgeschöpfe und die Ökosysteme, die wir zusammen bewohnen und auf diesem speziellen, lebenspendenden Planeten miteinander teilen. Für Deutschland heißt es jetzt, die Aspirationen nach einem Green New Deal in die Tat umzusetzen und der Menschheit beim Übergang von einer geopolitischen Welt in ein Biosphärenbewusst sein behilflich zu sein.
Jeremy Rifkin, Juli 2019
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HINWEIS DES AUTORS
Nur im Deutschen kann es mit meinem Begriff »distributed« zu Missverständnissen kommen, nur im Deutschen sagt man »dezentralisiert«, wo ich »verteilt« meine. Lassen Sie mich das kurz richtigstellen:
Eine verteilte Infrastruktur der dritten industriellen Revolution bringt Milliarden von Playern zusammen, die im Rahmen einer emissionsfreien grünen Wirtschaft Kommunikation, erneuerbare Energien und autonome Mobilität und Logistik auf der Plattform eines in den Gebäudebestand eingebetteten Internets der Dinge produzieren und teilen. Diese flexible grüne Infrastruktur erlaubt darüber hinaus allen Playern, sich von Zeit zu Zeit aus dieser verteilten Infrastruk tur auszuklinken und dezentral erneuerbare Energie zu produzieren, ihre Elektrofahrzeuge aufzuladen und in ihren Gebäuden gesammel te Daten für eigene Zwecke zu nutzen.#
EINLEITUNG
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Die Welt steht vor einer Krise. Unseren Wissenschaftlern zufolge hat der durch das Verbrennen fossiler Energieträger heraufbeschwore ne Klimawandel die Menschheit und ihre Mitspezies in das sechs te Massenaussterben unseres Planeten geführt. Dennoch sind sich heute nur wenige dieser Realität auch nur bewusst. Der Weltklimarat (IPCC), eine wissenschaftliche Einrichtung der Vereinten Nationen, gab im Oktober 2018 eine alarmierende Warnung heraus, laut der der Ausstoß an Treibhausgasen sich beschleunige und uns eine es kalierende Reihe von Klimaereignissen bevorstehe, die das Leben auf der Erde an sich bedrohen. Schätzungen des Rats zufolge haben die Aktivitäten des Menschen zu einem Temperaturanstieg von 1 Grad Celsius über vorindustriellen Levels geführt; übersteige dieser eine Schwelle von 1,5 Grad Celsius, so der IPCC, würde dies aufgrund un kontrollierbarer Rückkopplungseffekte zu einer Kaskade beispielloser Klimaereignisse und damit zu einer drastischen Schwächung un seres Ökosystems führen.1
An eine Rückkehr zu einem Leben, wie wir es heute kennen, wäre dann nicht mehr zu denken.
»Das durch menschliches Tun bedingte Aussterben ganzer Spezies beschleunigt sich weiterhin«, schreibt der renommierte Biologe Edward O. Wilson von der Harvard University, »und das rasant genug, um bis zum Ende dieses Jahrhunderts mehr als die Hälfte aller Spezies zu eliminieren« – mit anderen Worten: bis die Kinder, die heute laufen lernen, Senioren sind.2
65 Millionen Jahre sind vergangen, seit die Erde das letzte Mal von einem Massenaussterben dieser Größenordnung heimgesucht wurde.3
Um dieser Umweltkatastrophe zu entgehen, so der Schluss des Weltklimarats, müssten wir den Ausstoß von Treibhausgasen um 45 Prozent gegenüber den Werten von 2010 reduzieren – und wir haben dazu gerade einmal zwölf Jahre Zeit.(4)
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Dies erfordert einen Wandel unserer Weltwirtschaft, unserer Gesellschaft, ja unserer Lebensart in einem Umfang, der in der Menschheitsge schichte beispiellos ist. Anders gesagt, der Menschheit bleibt für die nötige Neuorientierung der Zivilisation nur eine hauchdünne Frist.
Für die USA kam der Weckruf im November 2018 im Rahmen der bundesweiten Halbzeitwahlen. In Washingtons Repräsentanten haus hielt eine jüngere Generation von Abgeordneten Einzug, die sich zum einen einer radikalen Neuausrichtung der amerikanischen Wirtschaft verschrieben haben, um dem Klimawandel zu begegnen, und zum anderen die Schaffung neuer grüner Geschäftsmöglichkeiten anstreben mit Arbeitsplätzen, die eine gerechtere Verteilung der Früchte des Lebens gewährleisten sollen. Im November stürmten junge Demonstranten aus dem Sunshine Movement die Hallen des Kongresses; es kam zu Sit-ins in den Büros von Nancy Pelosi, der späteren Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Steny Hoyer, dem frisch gekürten Vorsitzenden der demokratischen Mehrheitsfraktion im Repräsentantenhaus. Die designierte Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez schloss sich den Demonstranten an.
Ocasio-Cortez forderte die Einrichtung eines Sonderausschusses im neuen Repräsentantenhaus mit der Aufgabe, einen »Green New Deal« für Amerika zu erarbeiten. Der Ausschuss sollte der Indus trie binnen Jahresfrist einen Plan zur Begegnung des Klimawandels vorlegen. Ziel des Plans waren die Entkarbonisierung der wirtschaft lichen Infrastruktur innerhalb von zehn Jahren und die Schaffung neuer geschäftlicher Möglichkeiten sowie Arbeitsplätze für Millionen von benachteiligten Beschäftigten in einer neuen grünen Wirt schaft. Dies war ein ebenso kühner wie »hehrer« Vorschlag, der weit hinausging über alles, was amerikanische Bundesstaaten, Countys und Städte bis dahin vorgelegt hatten.5
In der neuen Legislaturperiode wollte die Kongressführung sich dann doch nicht auf den Vorschlag festlegen und setzte einen Sonderausschuss zur Klimakrise ohne tatsächliche Befugnisse ein.
Inzwischen, genauer gesagt am 7. Februar 2019, brachten Ocasio-Cortez im Repräsentantenhaus und Ed Markey im Senat eine Re-