Michail RyklinMit dem Recht des Stärkeren Leben, ins Feuer geworfen
Die
Generation
des Großen 2017 in Moskau 2019 bei Suhrkamp
Der "verfluchte Orden" -
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wikipe
Autor dnb Nummer (11) detopia: |
Leserbericht auf Amazon von Christian Döring aus D 2019 manchmal steckten Freund und Feind in einer Person... Michail Ryklin fragt gleich auf den ersten Seiten seines Buches, warum er mit diesem Thema nicht schon Jahrzehnte zuvor begonnen hat. Damals hätte er noch Zeitzeugen befragen können, die auf der einen oder anderen Seite während der Oktoberrevolution gestanden haben. Hätte er es getan, wäre nicht sicher ob seine Zeitzeugen überhaupt hätten reden wollen und viel Quellenmaterial wurde erst vor kurzem für das allgemeine Volk freigegeben. So ist es ein beeindruckendes Werk geworden, welches sich auf der familiären Schiene dem großen und sehr komplizierten Thema nähert, um dann der Bewegung des Roten Oktober jeden Glorienschein zu nehmen. Dieses Thema ist vor allem deshalb so kompliziert, weil manchmal in ein- und derselben Person Freund und Feind zu stecken schien. Ryklin hat so einen Fall aus seiner Verwandtschaft beschrieben. Ein Mann hat für den Tod eines anderen gesorgt und dem anderen das Leben gerettet. Vieles kann man nicht verstehen wenn man es selber nicht erlebt hat und selbst dann, trugen Beteiligte ein Leben lang schwer an ihren Erlebnissen. "Leben, ins Feuer geworfen" ist ein sehr zutreffender Titel. Ryklins Vorfahre, dessen Schicksal er hier nachgeht, war Feuer und Flamme für die neue Idee. Er war Mitbegründer des Komsomol, hatte viele wichtige Funktionen inne, aber er fiel auch rasant wieder hinunter . . . Michail Ryklin gelingt es sehr gut, familäres zu erzählen und daran das korrupte und verlogene System der roten Helden aufzuzeigen. |
Inhalt Inhalt.pdf EINLEITUNG 7 Kairos 9 ERSTER TEIL: DIE ERSTÜRMUNG DES HIMMELS.
ZWEITER TEIL: DIE REVOLUTION ENDET AN DER KOLYMA. SERGEJ TSCHAPLIN (183)
SCHLUSS (295) Tauwetter (297) Der Name Stalin (322) Anhang (331) Abkürzungen (333) Eine Familiengeschichte – aber nicht nur … Von Sikal aus D 2019 Klappentext: „Himmelsstürmer“ hießen die jungen Leute, die 1917 für die Oktoberrevolution brannten und sich dem radikalen Umbau der Gesellschaft verschrieben hatten. Viele endeten tragisch: Im Lager an der Kolyma oder in den Kellern der Lubjanka, dem berüchtigten Moskauer Geheimdienstgefängnis. Es waren die Schüler und Gefährten Lenins, die den Gewaltexzessen seines Nachfolgers Stalin zum Opfer fielen. Michail Ryklin ist Philosoph und Autor zahlreicher Publikationen über Russland. Mit diesem Buch hat er sich einem Kapitel seiner Familiengeschichte gewidmet. Lenins einstige Schüler wurden später zu Stalins Opfern – wie tragisch und prekär dieser Teil der russischen Geschichte ist, wird hier von Ryklin mit viel ohne zu beschönigen erzählt. Gleich zu Beginn fragt sich der Autor, warum er sich diesem Kapitel seiner Geschichte nicht schon früher angenommen hat. Damals, als die noch am Leben waren, die ein Teil der Oktoberrevolution waren. Doch vermutlich brauchte auch dieses Thema seine Zeit um zu reifen. Man liest über Opfer ohne Namen, über Täter, die neben den Opfern bestattet wurden, über Folter und Gewalt, die wie selbstverständlich erscheinen, über Helden und Verräter. Eine Tragödie, wie sich der Verlauf der Geschichte darstellt – die Vorfahren des Autors lebten für Lenins Idee, hatten sogar eine Führungsrolle in der Jugendorganisation Komsomol inne bevor sie dem Terror Stalins zum Opfer fielen. Ryklin gelingt es beeindruckend, seine persönliche Geschichte mit der des russischen Volkes zu verweben. Er stützte sich auf Archivmaterial, auf gut gehütetes Quellenmaterial, welches erst nach dem Ende der Sowjetunion freigegeben wurde. Diese Familiengeschichte sowie den Einblick in die politischen Umbrüche Russlands nach dem Ende der Zarenherrschaft finde ich ein wichtiges Stück Zeitgeschichte. Gerne vergebe ich dafür 5 Sterne. |
Nachwort in:
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Autor aus wikipedia 2021 Michail Kusmitsch Ryklin (* 6. Januar 1948 in Leningrad) ist ein russischer Philosophie-Professor und Autor. Michail Ryklin wurde als Sohn des Militärarztes Kusma Ryklin und dessen Frau Stalina, Tochter des Geheimdienstoffiziers Sergej Pawlowitsch Tschaplin und der Lehrerin für russische Literatur Wera Michajlowna Lewintowa, geboren. 1965 zog die Familie nach Moskau.[1] Ryklin studierte Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Universität Moskau u. a. bei Merab Mamardaschwili und promovierte 1978 in Philosophiegeschichte mit einer Arbeit über Claude Lévi-Strauss und Jean-Jacques Rousseau. 1995 wurde Ryklin Korrespondent der deutschen Ausgabe der europäischen Kulturzeitschrift Lettre International. Seit 1997 leitet er den Fachbereich Philosophische Anthropologie an der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Sein 2006 in Deutschland erschienenes Buch <Mit dem Recht des Stärkeren. Russische Kultur in Zeiten der „gelenkten Demokratie“> wurde 2007 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Ryklin war seit 1975 mit der Künstlerin Anna Altschuk (Anna Michaltschuk) verheiratet. Seit November 2007 lebte das Paar in Berlin-Witzleben, während Ryklin eine Gastprofessur an der Berliner Humboldt-Universität wahrnahm. Am 10. April 2008 wurde seine Frau an der Mühlendamm-Schleuse der Spree tot aufgefunden. Ryklin geht von einem Suizid aus. In seinem sehr persönlich gehaltenen Buch über Anna, erschienen 2014 (im russischen Original 2013), widmet sich Ryklin den Tagebüchern Altschuks, auf deren Basis er erneut – in Abgrenzung zu zahlreichen Presse-Spekulationen, die von Mord ausgehen – einen Suizid für am wahrscheinlichsten erachtet. Vom 1. bis 3. März 2013 wirkte er im Moskauer Sacharow-Zentrum als Darsteller in Milo Raus Die Moskauer Prozesse mit. Im Wintersemester 2014/2015 war Ryklin Fellow am Internationalen Kolleg Morphomata der Universität Köln. Werke
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https://www.perlentaucher.de/buch/michail-ryklin/leben-ins-feuer-geworfen.html
KLAPPENTEXT
"Himmelsstürmer" hießen die jungen Leute, die 1917 für die Oktoberrevolution brannten und sich dem radikalen Umbau der Gesellschaft verschrieben. Viele endeten tragisch: im Lager an der Kolyma oder in den Kellern der Lubjanka, des berüchtigten Moskauer Geheimdienstgefängnisses. Es waren die Schüler und Gefährten Lenins, die den Gewaltexzessen seines Nachfolgers Stalin zum Opfer fielen. Für Michail Ryklin ist dieses Drama persönliche Geschichte. Die Söhne des Urgroßvaters, eines Geistlichen in Smolensk, gehörten zur bolschewistischen Elite. Nikolaj Tschaplin stieg in der Jugendorganisation Komsomol bis zur Führungsebene auf, Sergej, ein paar Jahre jünger, arbeitete schon mit fünfzehn als Kurier und war später für den Auslandsgeheimdienst in Finnland und Estland tätig. Der eine wirkte von innen für die Revolution, der andere wollte sie in die Welt tragen - bis beide in die Mühlen des Terrors gerieten. Gestützt auf Archivmaterial und Erinnerungen von Zeitzeugen rekonstruiert Ryklin das Leben und den gewaltsamen Tod seiner Verwandten, die Teil des sowjetischen Herrschaftssystems waren.
zu Neue Zürcher Zeitung, 02.07.2019
Das Gulag-System hat in Russland nie eine Aufarbeitung erfahren, die der hiesigen Auseinandersetzung mit dem Holocaust entspricht. Und das rächt sich, schreibt Andreas Breitenstein mit Blick auf Michail Ryklins Buch. Der Utopismus, der dem kommunistischen Aufbruch trotz allem anhaftete, sei unter Putin "dem Machiavellismus des reinen Machterhalts gewichen". Breitenstein nimmt Ryklins Buch zum Anlass für einen breiteren Essay über die mangelnde russische Vergangenheitsbewältigung, gegen die Ryklin aus radikal persönlicher Sicht für Breitenstein einen wichtigen Akzent setzt. Die Aufarbeitung ist komplizierter, so Breitenstein, weil nicht, wie im Holocaust, ein stigmatisierter Bevölkerungsteil zum Opfer wurde. Eigentlich waren alle ins Gulag-System verwickelt, auch als Täter, auch jene, die ihm letztlich zum Opfer fielen. Besonders wichtig ist Breitenstein darum an Ryklins Buch, dass er diesen moralischen Zwiespalt benennt: "Warum für Menschen Empathie empfinden, die anderen Menschen brutal ihre Empathie versagten?" Aber die Antwort gibt Ryklin laut Breitenstein auch: Weil das Verbrechen sonst untergründig weiterlebt und weiterwirkt.
zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.06.2019
Mit großem Interesse hat Rezensentin Kerstin Holm diesen essayistischen Text des russischen Philosophen Michail Ryklin gelesen, der das Panorama der Stalinzeit mittels zweier Zeitzeugen heranzoomt. Die Kritikerin folgt dem Großvater und Großonkel des Autors, Nikolai und Sergej Tschaplin, zwei "bolschewistischen Fanatikern", die bald von den Tschekisten verhaftet und durch Folter zu falschen Geständnissen gezwungen wurden. Mitunter muss die Rezensentin während der Lektüre an Andrej Platonows "Tschewengur" denken, vor allem aber bewundert sie, wie Ryklin Zeitzeugnisse einflicht und Zeitzeugen wie den Erzähler Warlam Schalamow oder den Schauspieler Georgi Shshonow, einen Mithäftling Sergejs, der den Stalinismus im Alter als "kommunistischen Faschismus" beschrieb, zu Wort kommen lässt. Wenn Ryklin seine Erzählung schließlich auf das Regime Wladimir Putins zulaufen lässt, den er den "zynischen Vollender des sowjetischen Unrechtssystems" nennt, erkennt Holm nicht zuletzt die Aktualität dieses Buches.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.05.2019
"Lesenswert" findet Rezensentin Sabine Adler dieses Buch des russischen Philosophen Michail Ryklin, der am Beispiel seines Großvaters und dessen Bruders von der russischen Revolution und ihren Auswirkungen bis heute erzählt. Die beiden Brüder waren jung, als Lenin zur Revolution aufrief, und begeisterte Kommunisten, erzählt Adler. Und sie rückten schnell auf: Der eine gehörte dem Auslandsgeheimdienst an, der andere gründete die Jugendorganisation Komsomol. Beide achteten strikt auf Parteilinie und ließen sich auch von den Mordtaten ihrer Genossen nicht beirren, so Adler weiter. Zum Verhängnis wurde ihnen ihre Treue zu Lenin, die Stalin nicht duldete. Beide wurden erschossen. So weit, so eindrucksvoll. Was Adler aber vor allem beeindruckt, ist, wie stark die Verehrung für die Henker der Kommunistischen Partei immer noch ist: Auch das hat ihr Ryklin vor Augen geführt.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.05.2019
In Veröffentlichungen zur frühen Sowjetunion geht es zunehmend um eine "Märtyrologie" und den "religiösen Glutkern" als Treibkraft des Handelns früher russischer Kommunisten, schreibt Rezensent Stephan Wackwitz. So sei es auch in diesem Buch von Ryklin über seinen Großvater und zweier seiner Brüder. Das Leben der drei ist auf unterschiedliche aber typische Weise zerstört worden. Als Täter, Verräter und Opfer sind sie in der historischen Maschinerie zermahlen worden, die durch eine unheilige Allianz von Geheimdienst und messianischem Erlösungsglauben angetrieben wurde. "Das russische Volk" so zitiert Wackwitz den Autor, sei "deshalb revolutionär, weil es christlich ist". Und so wusste Stalin, ursprünglich zum Priester ausgebildet, genau, auf welche Knöpfe er drücken musste, um die Beichte in Form der Selbstbezichtigung auszulösen. Denn typischerweise lag nicht im straflosen Abknallen der Triumph dieses Regimes, erklärt Wackwitz, sondern im Geständnis der für schuldig Befundenen. Da aber der der nie aufgelöste Geheimdienst sich inzwischen mit der "orthodoxen Religionshierarchie" zusammengeschlossen hat, darauf verweise Ryklin, ist in Russland die Gefahr solcher "Höllenfahrten", wie sie Ryklins Verwandte durchleben mussten, nicht vorüber, warnt der alarmierte Rezensent.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 14.05.2019
Sabine Adler schätzt den russischen Philosophen Michail Ryklin sehr, auch wenn er ihr die Lektüre nicht immer leicht macht. In seinem neuen Buch über die Himmelstürmer der Oktoberrevolution erzählt Ryklin auch die tragische Geschichte seines Großvaters, der als glühender Bolschewist gegen Popen und für die Frauen kämpfte, die Landbevölkerung alphabetisierte und die kommunistische Jugendorganisation Komsomol gründete. Wie die Rezensentin berichtet, betrieb er als Parteikader aber auch die geistige Gleichschaltung des Landes und ebnete damit jener Sowjetdiktatur des Weg, deren Opfer er später selbst wurde: Als Lenin-Bewunderer ließ ihn Stalin 1938 in der Lubjanka erschießen, wie auch seinen Bruder, den Chef des Auslandsgeheimdienstes. Ryklin macht es sich nicht leicht mit der Geschichte seiner Familie, betont die beeindruckte Adler, er beschreibt ihre Tragik, entlässt sie aber nicht aus der Verantwortung.
Michail Ryklin, *1948 in Leningrad